Vorletzte Woche verlieh ich meiner Freude über eine eher seltene Form der Sprachkritik mit einem jauchzenden „juchu!“ Ausdruck. Das rief Julian von Heyl auf den Plan, einen Lektor mit Orthografieportal, der noch am selben Tag seine Reihe „beliebte Fehler“ um den Eintrag juchu/juchhu erweiterte. Die Anklage: ich hatte in meiner Freude ein <h> verschluckt. Ich hätte <juchhu> schreiben müssen.
Nun nehmen selbst wir Sprachwissenschaftler/innen den Vorwurf der orthografischen Verfehlung ernst. Egal, was manchmal über uns an Vorurteilen im Umlauf ist — auch wir konsultieren in Zweifelsfällen äußerst gerne den Duden oder andere fundierte Orthografieratgeber, um schriftsprachlichen Normen zu entsprechen. Und ich mag von Heyls Portal, weil es sich jammerfrei der Sprachverwendung in normativen Situation nähert. Und manchmal sind es einfach Zweifelsfälle, die Variantenalternation zulassen. Ich widersprach also dem Vorwurf des Orthografievergehens und versprach Argumente.
Spontane Jubelausdrücke sind eine überwiegend (fast ausschließlich?) mündlichsprachliche Erscheinung — und diese entziehen sich gerne mal, aber nicht immer, schriftsprachlicher Normierung (hrmpf!). Einfach gesagt gibt man solche „mündlichen“ Ausdrücke dann oft damit wieder, was das orthografische Inventar für die Repräsentation der eigenen Aussprache hergibt: „schreib, wie du sprichst“. Deshalb kam mir gar nicht in den Sinn, ich müsste mein juchu orthografisch überdenken.
Für mich dann eher überraschend: juchhu steht sogar im Duden (juchu nicht). So schrieb von Heyl, und er verzeihe mir, dass ich seinen ganzen Eintrag zitiere:
Der Ausruf juchhu zum Ausdruck von freudiger Überraschung, eine sogenannte Interjektion, ist in vielen Variationen und Ausschmückungen lexikalisiert: juchhu, juchhe, juchhei, juchheirassa, juchheirassassa, juchheisa, juchheißa! Diese stets mit zwei h geschriebenen Zusammensetzungen gehen auf die veraltete Interjektion „juch“ zurück, aus der sich auch das Verb „juchen“ – später: „jauchzen“ – entwickelte. Eine Variante ist der auf „ju“ zurückgehende Ausruf „juhu!“.
Den Einwurf fasse ich in zwei Punkten zusammen: 1) es gibt einen historischen Grund für das zusätzliche <h>; dieser wird leider nicht weiter ausgeführt und soll hier auch keine Rolle spielen. Denn meine Motivation, juchu mit nur einem <h> zu schreiben, ist simpel: ich leite die zweite Silbe in juch.u nicht mit einem [h] ein (das ist umgekehrt auch die Motivation für juhu, wenn die zweite Silbe in ju.hu mit einem [h] beginnt, aber die erste nicht in einem ch-Laut [χ] endet). Das könnte vielen so gehen, denn es folgt der sinnvollsten Strategie für die Verschriftlichung nichtschriftsprachlicher Elemente.
Deshalb ist Aussage 2), dass die Varianten stets mit zwei <h> geschrieben werden, unplausibel (und sprachhistorisch wird [h] oft verschluckt). Nach der kurzen Umfrage auf dem Institutsflur gab mir eine flotte Googlesuche ebenfalls recht: das Trefferverhältnis liegt je nach Tagesform von Google irgendwo zwischen 3:1 oder 5:1 zugunsten der <h>-armen Variante juchu. „Stets“ ist zumindest schon mal relativ.
Aber nun wissen Sprachlogleser/innen längst, dass Googleology schon mal ins Auge geht, also habe ich ein paar Korpora befragt. Im DeReKo ist die Lage recht ausgeglichen: 79 für juchu und 99 für die Dudenvariante juchhu. Das ausgewogene Verhältnis liegt aber vor allem daran, dass im DeReKo überwiegend Zeitungsartikel vorliegen (aber auch diese üblicherweise korrekturgelesenen Quellen beinhalten in der Wiedergabe gesprochener Sprache durchaus juchu-Belege) und dass ein beträchtlicher Teil der juchu-Treffer aus unredigierten Wikipediadisussionen stammt (19:12 für juchu).
Im COW-Korpus, das Webdaten aus Genre enthält, die der spontan-mündlichen Sprachproduktion systematisch näher kommen und in denen juch(h)u folglich häufiger erwartet werden würde, sieht es auch eindeutiger aus: juchu (704) vs. juchhu (402). Die Variation zwischen Cousins und Cousinchen juch(h)ee und juch(h)ei ist ähnlich, obwohl sie insgesamt viel seltener sind. Die COW-Daten sprechen also noch viel weniger für „stets“.
Nun kann man aus normativer Sicht bei <h>-armen Varianten natürlich weiterhin von Fehlern sprechen, wenn man denn mag. Aber besonders für die Verschriftlichung von mündlichen Ausdrücken, für die wir ja oft keine kodierten Vorbilder in ausreichender Frequenz haben (d.h. wir lesen es selten), ist das unplausibel. Woraus es sprachgeschichtlich entstanden ist, spielt für die heutige Variation ebenfalls nur eine untergeordnete Rolle. Viel sinnvoller ist es, die Variation mit Strategien der orthografischen Umschrift gesprochener Sprache zu erklären: hat mein juch(h)u ein [h] in Silbenanlaut der betonten Silbe oder nicht? Das wiederum kann viele verschiedene Ursachen haben — dialektale Variation, Unterschiede in der pragmatischen Funktion oder schlicht persönlich Präferenz.
Zweiter Absatz: “äußer[s]t”. 😉
“auch wir konsultieren in Zweifelsfällen äußert gerne den Duden”
Hoppelst 😉
@Hamburg, RBN: danke, ist korrigiert — und ein wunderbares Beispiel für einen völlig normalen Tippfehler. 😛
Im dwds.de gibt es mehr Varianten mit “juchhu”, der Vorsprung gegenüber “juchu” ist aber nur gering:
http://www.dwds.de/?qu=juchhu&submit_button=Suche&view=1
Der Orginal-Duden (von 1880) bietet “juchhe!” (S. 83); hier liegt wohl die historisch präferierte Schreibweise als Regelung im heutigen Duden begründet. Irgendwann werden dort wohl beide Schreibformen angeboten; wenn die Selbstartikulatorik sich durchsetzt (juchu!)
In Volksliedschreibformen wird ein “Juchhu” gesanglich-artikulatorisch eher den gewollten Ausdruck präsentieren.
Wer im Liedgut suchet, der fundet, äh: findet. Juchhu!
Danke für die schöne Begründung, die mir ja immerhin eine normative Nische lässt. Auch wenn es eine untergeordnete Rolle spielt, möchte ich aber noch die in meinem Eintrag fehlende Erklärung für das zweite h nachliefern: Bei “juchhu” handelt es sich – so mutmaßt der Duden – aus einer Verbindung aus “juch” zu “juchen” (jauchzen) und dem Jauchzlaut selbst, also je nach Verbindung hu, he oder hei. Gewissermaßen wäre “juchhei” dann als Verkürzung von “(Ich) juchze ‘hei’ ” zu lesen.
Richtig ist aber natürlich auch, dass es keine Sprachregelung gibt, die einem verbietet, statt “juch_hu” “juchu” zu sagen und dies entsprechend zu verschriftlichen.
Das mit dem Liedgut kann ich nachvollziehen. Da werden Wörter ja schon mal künstlich anders betont, um Ton/Silben-Entsprechung zu erreichen.
Im Alltag würde ich allerdings nie “juch-hu” (wie U‑hu) aussprechen. Bei juch-hei ist es andersherum: Da käme mir nie in den Sinn, “juchei” zu sagen — um ein so geschriebenes Wort vorzulesen, würde ich auch juch-hei sagen. Nochmal anders finde ich juch(h)ee. Da wäre mir beides vorstellbar: juch-hee oder juchee. (Spontan benutzen würde ich die Wörter ohnehin nicht, aber wenn sie in einem Liedtext vorkämen, würde sich das unterschiedlich anhören, je nach Schreibweise.)
Hm, ich würde “juchu”, wenn ich es lese, spontan auf der ersten Silbe betonen. Vielleicht geht es anderen auch so und das zweite “h” bei “juchhu” hat die Funktion, die Betonung beim Lesen auf die zweite Silbe zu verschieben?
“Juchhe!” — So “dudisch”!
Hier nachzujubilieren:
http://www.dwds.de/?qu=juchhe
“Juchhe”?
Und „juhe“?
Ja, schweizerische Ethnovariante, gebirgstonal, alpenländisch vokalisiert? (Ich kann es raushören: “Juchhe!”)
Also, mir und meinem näheren sprachlichen Umfeld fiele es weder bei „juchu“ noch bei „juche“ ein, die zweite Silbe mit h‑Anlaut einzuleiten. Das ist bei uns ausschließlich als „ju-chu“/„ju-che“ auszusprechen. (Datenpunkt: Wien und Umgebung)
“Mein” Google ergibt einen 437:417 Vorsprung von Juchu gegenüber Juchhu, also ziemlich genau 1:1.
Wie Opa Hans bin ich der Meinung, das h habe die Funktion, die Betonung beim Lesen auf die zweite Silbe zu verschieben.
Ich bin irritert, in meinem Umfeld ist das ‘c’ komplett weggefallen, was überraschenderweise auch Duden weiß:
http://www.duden.de/rechtschreibung/juhu
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„Wie Opa Hans bin ich der Meinung, das h habe die Funktion, die Betonung beim Lesen auf die zweite Silbe zu verschieben.“
Hm. Nein, bei mir ist auch „juchu“ ganz klar auf der zweiten Silbe betont.