Jahresende ist Wortwahlsaison. Und damit Sie im Spätherbst und Frühwinter nicht den Überblick verlieren, haben wir die Kriterien der wichtigsten Wortwahlen zusammengetragen und mit aufwändigen Algorithmen die Bekanntgabe der jeweiligen Gewinnerwörter vorhergesagt:
Traditionell Mitte Dezember gibt die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) das „Wort des Jahres“ bekannt. In den vergangenen Jahren waren wir da eher skeptisch. Terminvorhersage: 12.–17. Dezember | Nominierungen: Juryauswahl; wird nicht vorab bekannt gegeben | Hauptkriterium: „verbale Leitfossilien“ | Keine Rolle spielt: Häufigkeit, Gebrauch, Sprachliches.
Ebenfalls gute Tradition ist, dass sich das „Wort des Jahres“ konzeptuell auch als „Unwort des Jahres“ eignen würde. Die unabhängige Jury des Unworts hat deshalb sogar eine vergleichsweise dankbare Aufgabe — und löst Sie seit einigen Jahren recht ordentlich. Terminvorhersage: 15.–18. Januar | Nominierungen: Kandidaten und Kür werden meist einen Tag vorher per Pressemitteilung angekündigt (auf Leitpresse achten). Hauptkriterium: Menschenwürde | Keine Rolle spielt: –.
Bereits, ö, am Laufen ist die Wahl zum „Jugendwort des Jahres“, initiiert von einem Verlag mit umfangreichem Katalog zur Jugendsprache. Dort nominiert und entscheidet angeblich son Publikum. (Nicht geklärt ist, woraus es sich rekrutiert und aus welchem Soziolekt die Kandidaten kommen sollen.) Terminvorhersage: 26. November — 5. Dezember | Nominierungen: können hier eingesehen werden (wenn Sie einen Bildschirm haben, der in der Breite einen halben und in der Länge etwa zehn Meter misst, könnten Sie auch etwas erkennen) | Hauptkriterium: unbekannt | Keine Rolle spielt: Jugendsprache.
Wir würden ja gerne behaupten, dass das Beste zum Schluss kommt. Aber wir finden, dass es besser klingt, wenn wir sagen, dass die Wahl zum „Anglizismus des Jahres“ alle anderen überstrahlt. Denn wir lassen ab sehr bald vom Publikum nominieren und diskutieren dann gewohnt ausführlich, unterhaltsam, kontinuierlich, transparent — und anhand knallharter, linguistischer Kriterien. Terminvorhersage: Januar 2014 | Nominierungen: von unsere/n Leser/innen | Hauptkriterium: Entlehnung-Aktualität-Verbreitung | Keine Rolle spielt: schlechte Laune.
Ich war natürlich gleich auf der Seite zum Jugendwort des Jahres, man regt sich ja gern ein bisschen auf, finde neben den vorgeschlagenen Wörtern aber vor allem den zusammenfassenden Slogan einfach zu herrlich: “Sprache — der Fußabdruck deiner Gedanken.” Äh ja.
Schönes Wochenende dann!
Ich bin ja manchmal arg nachtragend und habe den Unwort-Leuten deshalb ihre Wahl “Gotteskrieger” noch nicht verziehen.
@ Muriel: Die Unwort-des-Jahres-Jury hat seit einigen Jahren (ich glaube, seit drei) eine neue Vorsitzende, die ihre Sache offensichtlich versteht. Alles, was davor war, kann man getrost vergessen.
Jetzt zwing mich noch, meine über Jahrzehnte liebgewonnenen Vorurteile zu überdenken.
Als nächstes darf ich nicht mehr mein Lieblingsgericht beim Namen nennen. Verdammte Moralkeule.
Dann nominiere ich jetzt schonmal whistleblower, das zwar auch schon vor Snowden vorkam (bspw. wegen Manning und Wikileaks), durch ihn aber den Durchbruch geschafft haben dürfte. Ich habe nicht nachgeguckt, aber vermutlich hat es deswegen auch schon in den Vorjahren kandidiert.
@Christoph Päper: Die Nominierungen sammeln wir ab morgen hier, deshalb da dann noch mal eintragen! Und: ja, Whistleblower war sogar schon mehrfach nominiert, aber das ist ja kein Hinderungsgrund.
Auf die Wahlen freue ich mich wie immer — besonders beim “Jugendwort” lerne ich immer Wörter kennen, die ich noch nie zuvor gehört habe. Trotz Teenage-Schwester.