Das generische Femininum und die Gegner des Femininums

Von Anatol Stefanowitsch

Es mag diejeni­gen über­raschen, die mich für einen „poli­tisch kor­rek­ten“ Sprachex­trem­is­ten hal­ten, aber meine Mei­n­ung ist: Nie­mand muss gerechte Sprache gut find­en. Es gibt da schlicht keinen Zwang. Wer ungerechte Sprache ver­wen­den will, darf das selb­stver­ständlich tun, muss aber natür­lich mit den Kon­se­quen­zen leben. Die nor­maler­weise völ­lig aus­bleiben, und im unan­genehm­sten Fall darin beste­hen, auf die Tat­sache hingewiesen zu wer­den, ungerechte Sprache zu verwenden.

Und erst recht muss nie­mand bes­timmte Vorschläge für gerechte Sprache gut find­en. Ger­ade Sex­is­mus ist der­ar­tig tief nicht nur im Wortschatz, son­dern auch in der Gram­matik des Deutschen ver­ankert, dass fast jed­er Vorschlag zu ein­er gerechteren Sprache kurzfristig ein mehr oder weniger prob­lema­tis­ch­er Kom­pro­miss bleiben muss. Das wis­sen natür­lich auch die fem­i­nis­tis­chen Sprach­wis­senschaft­lerin­nen ((Aus Grün­den der Les­barkeit ver­wende ich hier und im Fol­gen­den in gener­ischen Zusam­men­hän­gen auss­chließlich die fem­i­nine Form; das männliche Geschlecht ist dabei selb­stver­ständlich mit gemeint.)) und Aktivistin­nen, von denen die Vorschläge kom­men, denn die haben sich ja im Zweifels­fall über­durch­schnit­tlich aus­führlich mit Sprache beschäftigt.

Und natür­lich ist es völ­lig legit­im, bes­timmte Vorschläge für gerechte Sprache aus der Per­spek­tive ein­er Sprach­wis­senschaft­lerin zu kri­tisieren. Aber wer das tut, sollte dann eben auch fundierte Argu­mente brin­gen. Das tun die Sprach­wis­senschaft­lerin­nen, die sich zum gener­ischen Fem­i­ninum bish­er zu Wort gemeldet haben, lei­der nur sel­ten. Wed­er der Freiburg­er Roman­ist Hans-Mar­tin Gauger noch der Berlin­er Sprach­wis­senschaftler André Mei­n­unger hat­ten irgen­dein Argu­ment zu bieten, das in der fem­i­nis­tis­chen Sprach­wis­senschaft nicht schon vielfach entkräftet wor­den wäre. Und auch dem jüng­sten Neuzu­gang in der Gruppe fem­i­ninumkri­tis­ch­er Sprach­wis­senschaft­lerin­nen, dem Frank­furter Ger­man­is­ten Horst Dieter Schloss­er, fällt keins ein.

Im „UniRe­port“ der Goethe-Uni­ver­sität Frank­furt am Main (PDF) lässt er seinem Ärg­er darüber freien Lauf, „[w]ie die Uni Leipzig mit der Sprache umspringt“. Beson­ders lesenswert ist der Text nicht, und ich hätte ihn angesichts sein­er nicht ger­ade massen­medi­alen Reich­weite auch gar nicht aufge­grif­f­en, wenn Horst Schloss­er nicht der Ini­tia­tor und langjährige Vor­sitzende der „Sprachkri­tis­chen Aktion Unwort des Jahres“ wäre, also ein Men­sch, dem die manip­u­la­tive Macht der Sprache sehr bewusst sein dürfte, der also meinem Ver­ständ­nis nach große Sym­pa­thien für jede Art gerechter Sprache haben müsste.

Die bekun­det er auch gle­ich zu Anfang seines Beitrags. Naja, nicht gle­ich zu Anfang, son­dern nach ein­er Anek­dote über ein von übereifrigen Pusch-Leserin­nen durchge­set­ztes gener­isches Fem­i­ninum in irgen­dein­er Wahlord­nung irgen­deines Fach­bere­ichs der Uni Frank­furt, das längst wieder ver­schwun­den ist. Und nach­dem er den unter Kri­tik­erin­nen gerechter Sprache oblig­a­torischen Mythos nacherzählt hat, furiose Fem­i­nistin­nen forderten das Gen­dern gram­ma­tis­ch­er Neu­tra wie Mit­glieder und Erstse­mes­ter zu Mitglieder/innen und Erstsemester/innen.

Aber dann bekun­det er gle­ich seine Sym­pa­thie für gerechte Sprache und steckt den Rah­men ab, inner­halb dessen er diese Sym­pa­thie austeilen mag: Bei­d­nen­nun­gen (Liebe Wäh­lerin­nen und Wäh­ler) gehen für ihn in Ord­nung, eben­so wie geschlecht­sneu­trale For­men wie Auszu­bildende oder Studierende (die das Prob­lem aber natür­lich nur im Plur­al lösen, da sie im Sin­gu­lar entwed­er maskulin der Studierende oder fem­i­nin die Studierende sind). So weit, so männlich-großzügig.

Dann kommt er aber zum gener­ischen Fem­i­ninum, das die Uni­ver­sität Leipzig in ihrer Satzung (und, aller Aufre­gung zum Trotz, nur dort) seit einiger Zeit ver­wen­det. Und das gefällt ihm so gar nicht, und dafür hat er drei Gründe.

Erstens, so Schloss­er, löse man damit ja nur eine Ungle­ich­be­hand­lung durch eine andere ab, denn nun seien es ja die Män­ner, die sich nicht mit gemeint fühlen kön­nten. „Oh weh“, höre ich die fem­i­nis­tis­chen Lin­guistin­nen vor meinem inneren Ohr rufen, „daran haben wir ja gar nicht gedacht!“ Nein, Unsinn, die rufen eher so etwas wie RTFM – read the fuck­ing man­u­al. Luise Pusch, aus deren 1988 erschienen­em Auf­satz die Idee des gener­ischen Fem­i­ninums stammt, hat dieses Argu­ment natür­lich vorherge­se­hen und dazu aus­führlich Stel­lung bezo­gen. Ich greife hier nur eins ihrer Argu­mente her­aus, das mir zen­tral erscheint. Pusch geht zunächst davon aus, dass es eine gesellschaftliche Ungle­ich­heit zwis­chen Män­nern und Frauen gibt (was auch heute noch, 25 Jahre später, unstrit­tig sein dürfte).

Pusch weist dann darauf hin, dass die Gle­ich­be­hand­lung Ungle­ich­er keine Gerechtigkeit darstelle. Wenn ich mich ein­er hun­gri­gen und ein­er sat­ten Per­son gegenüber sehe, und ich bei­den eine halbe Por­tion Essen gebe, ist das nicht gerecht – gerecht wäre es, der hun­gri­gen Per­son alles zu geben, sodass am Ende bei­de satt sind. ((Ich nehme an, neolib­erale Ich­men­schen wür­den Pusch da wider­sprechen, aber auf neolib­erale Ich­men­schen zu hören, hat uns in der Ver­gan­gen­heit ja nicht viel Gutes gebracht.)) Und diese „kom­pen­satorische Gerechtigkeit“, so Pusch, kön­nen wir auch in der Sprache her­stellen. Das Deutsche bevorzuge Män­ner an so vie­len Stellen, dass die punk­tuelle Besser­be­hand­lung ins­ge­samt nicht viel mehr als ein klein­er Aus­gle­ich wäre. Ich würde noch hinzufü­gen: Solange es um einzelne Satzun­gen und Prü­fung­sor­d­nun­gen geht und der große Rest der Sprache nach wie vor vom gener­ischen Maskulinum gekennze­ich­net ist, ist die Sorge um die Ungle­ich­be­hand­lung der Män­ner ohne­hin verfrüht.

Das ahnt wohl auch Schloss­er, und bringt ein zweites Argu­ment: Die Uni Leipzig schade mit dieser Ver­wen­dung dem Kampf gegen die „soziale (!) Ungle­ich­be­hand­lung“ (das Aus­rufeze­ichen in Klam­mern stammt hier von ihm). Das Schlimm­ste sei dabei nicht, dass der Vorschlag „lan­dauf, landab meist nur ver­höh­nt” werde (obwohl, man ahnt es, auch das irgend­wie schlimm ist), son­dern, weil damit der „Irrglaube“ gefes­tigt würde, man „könne mit der Sprache und ihren in Jahrtausenden gewach­se­nen inneren Struk­turen nach Belieben umsprin­gen“. Warum das ein Irrglaube sein soll, wo doch die Uni­ver­sität Leipzig ger­ade bewiesen hat, dass man mit der Sprache tat­säch­lich beliebig Umsprin­gen kann, bleibt zunächst unklar, und inwiefern die sprach­liche Ver­wirrung (wenn es sie gäbe) dem Kampf gegen Ungle­ich­heit schade, bleibt völ­lig offen. Nur, dass schließlich auch „kein Englän­der im Ernst daran [dächte], etwa ‚mankind‘ durch ‚wom­enkind‘ [sic] zu erset­zen“, erfahren wir noch. Was das beweisen soll, bleibt eben­falls unklar. Das Wort mankind wird zwar nicht durch wom­ankind erset­zt (das sich seit dem 13. Jahrhun­dert als Beze­ich­nung für den weib­lichen Teil der Men­schheit find­et), dafür aber zunehmend durch das Wort humankind – ein klar­er Hin­weis darauf, dass das man in mankind dur­chaus als prob­lema­tisch emp­fun­den wird.

Drit­tens wieder­holt Schloss­er dann das zen­trale Argu­ment des oben erwäh­n­ten Hans-Mar­tin Gauger, näm­lich die Geschichte von „markierten“ und „unmarkierten“ Wörtern. Bei vie­len gegen­sät­zlichen Wort­paaren ist es so, dass eins der bei­den unmarkiert ist, also eine Art Nor­mal­fall darstellt, der herange­zo­gen wird, um neu­tral über ein Phänomen zu sprechen. Das Beispiel, das Schloss­er hier von Gauger übern­immt, ist Tag/Nacht. Mit dem Wort Tag, so Gauger und Schloss­er, kön­nen „unmarkiert die Stun­den von 0 – 24 Uhr gemeint [sein], also die zugehörige Nacht ein­schließend, in: ‚Ich hat­te vierzehn Tage Urlaub.‘“. Man könne aber „das Wort auch markiert, in Oppo­si­tion zur Nacht, gebrauchen: ‚Er hat Tag und Nacht gearbeitet.‘“

Schloss­er (wie vor ihm Gauger) argu­men­tieren nun, beim „gener­ischen Maskulinum“ sei es genau­so: die masku­line Form sei unmarkiert (ana­log zu Tag) und deshalb natür­licher­weise der Ober­be­griff sowohl für die masku­line als auch für die fem­i­nine Form. Diese natür­liche sprach­liche Ord­nung, so Schloss­er, könne „nicht willkürlich aufge­hoben wer­den.“ Man könne „also nicht ‚Nacht‘ (weil fem­i­nin und damit gut) an die Stelle des neu­tralen ‚Tag‘ (weil mas­culin [sic] und darum „sex­is­tisch“) set­zen. Genau das aber machen die Leipziger mit ‚Pro­fes­sorin‘.“ Nun ist das schon bei Tag/Nacht falsch: Hotels, z.B., beze­ich­nen 24-Stun­den-Abschnitte selb­stver­ständlich als Nacht – ich buche im Hotel „drei Nächte“ und nicht „drei Tage“, das Zim­mer ste­ht mir aber natür­lich auch tagsüber zur Ver­fü­gung. Das liegt daran, dass die Nacht in Hotels der für die Bezahlung des Zim­mers entschei­dende Zeitraum ist – sie wird gener­isch, weil sie in diesem Zusam­men­hang wichtiger ist.

Bei gener­ischen Maskuli­na kommt hinzu, dass wir hier von Men­schen reden. Wenn Maskuli­na unmarkiert und Fem­i­ni­na markiert sind, dann ist das genau das, was die fem­i­nis­tis­che Sprach­wis­senschaft kri­tisiert. Dass Män­ner sprach­lich als der Nor­mal­fall dargestellt wer­den und Frauen als die Aus­nahme, ist genau der Zus­tand, den die fem­i­nis­tis­che Sprach­pla­nung beseit­i­gen will. Das gener­ische Fem­i­ninum ver­sucht dies, in dem das Weib­liche eben­so wie son­st das männliche als „unmarkierte“ Form ver­wen­det wird, in der Hoff­nung, dass sich die Markiertheitsver­hält­nisse durch den Gebrauch auflösen

Das zu kri­tisieren, indem man darauf ver­weist, dass das auf­grund der Markiertheit von Fem­i­ni­na nicht gin­ge, ist so, als erk­läre man ein­er hun­gri­gen Per­son, dass man ihr lei­der nichts zu essen geben könne, da sie dann ja satt, und somit keine hun­grige Per­son mehr sei.

Am Ende gibt es nur zwei Möglichkeit­en: Entwed­er, die Markiertheitsver­hält­nisse lassen sich durch den Gebrauch ändern, dann kann das gener­ische Fem­i­ninum ein Weg dor­thin sein. Oder, sie lassen sich nicht ändern, dann scheit­ert das gener­ische Fem­i­ninum eben. Aber Angst vor dem gener­ischen Fem­i­ninum brauchen nur diejeni­gen zu haben, die glauben, es kön­nte Erfolg haben, und die sich vor diesem Erfolg fürchten.

54 Gedanken zu „Das generische Femininum und die Gegner des Femininums

  1. Ania

    Ich finde diesen Text in mein­er Unbe­darftheit uneingeschränkt klasse. Wobei ich am Anfang tat­säch­lich schmun­zeln musste (ja, ich ertapp mich selb­st, ich geb es zu):
    Ger­ade die Ver­fech­terin­nen des gener­ischen Maskulinum (gM)Sprachwissenschaftlerinnen zu nen­nen, wenn men­sch hin­ter­her auflöst, dass es bei den gemein­ten um zwei Män­ner geht, scheint (mir) in unser­er aktuellen unbe­friedi­gen­den Sit­u­a­tion wie die rein­ste Satire.
    Wenn ich bloß mal damit aufhören kön­nte, mich beim gM automa­tischange­sprochen zu fühlen …

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  2. Gernot Back

    Die “Markierung” von Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen drückt sich nicht nur auf der inhaltlichen, son­dern auch auf der for­malen Seite ganz konkret im Motion­ssuf­fix “-in” aus. Das Gener­ikum als Ableitung aus einem Fem­i­ninum ist ein­fach nur absurd! 

    Deshalb tau­gen der­art “markierte” Aus­drücke auch nicht als gener­ische Beze­ich­nun­gen. In der Tat kann man diesen ganzen Spuk des “Gen­derns” sehr gelassen, um nicht zu sagen amüsiert bis mitlei­dig betra­cht­en. Dass sich movierte Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen allein schon aus Grün­den der Sprachökonomie nicht durch­set­zen, merken wir ja schon an den vie­len “poli­tisch kor­rek­ten” Poli­tik­ern, die in schneller Rede, bei Ansprachen und in Inter­views aus gedop­pel­ten “Bürg­erin­nen und Bürg­ern”, “Wäh­lerin­nen und Wäh­lern”, “Mitar­bei­t­erin­nen und Mitar­beit­ern”, “Ver­braucherin­nen und Ver­brauch­ern” etc. der Ein­fach­heit hal­ber ständig “Bürg­erØ und Bürg­er”, “Wäh­lerØ und Wäh­ler”, “Mitar­beit­erØ und Mitar­beit­er”, “Ver­braucherØ und Ver­brauch­er” etc. machen und das Motion­ssuf­fix dabei wieder verschlucken. 

    Schon mal drauf geachtet?

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  3. Kathrin Blume

    Danke, Ana­tol Ste­fanow­itsch. Ein­fach nur danke. Es macht so müde, sich mit dieser Wand an Igno­ranz auseinan­derzuset­zen: wenn Män­ner nicht­mal bemerken, dass sie sich als Nor­mal­fall fühlen (dür­fen bzw. bish­er immer durften) und ihren Sta­tus völ­lig unre­flek­tiert mit Hän­den und Füßen verteidigen.
    Danke für diese Entgegnung!!!

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  4. Kathrin Blume

    @Gernot Back:
    “In der Tat kann man diesen ganzen Spuk des “Gen­derns” sehr gelassen, um nicht zu sagen amüsiert bis mitlei­dig betrachten.”

    Sie kön­nen es sich auch leis­ten, “gelassen” zu sein. Als Satter.
    “Amüsiert bis mitlei­dig”? Das liest sich herablassend.
    Ich muss an Marie-Antoinette denken (“Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen!”).
    Schade, dass Sie nichts ver­standen haben.
    Eine Hungrige.

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  5. Sebastian

    Markiertheit ist Achtziger. Hat man in der Ger­man­is­tik wohl noch nicht gemerkt. 

    Markiertheit” hat keine vernün­ftige Def­i­n­i­tion und wird dementsprechend für sehr ver­schiedene Dinge ver­wen­det, und jede/r ver­ste­ht etwas anderes darunter

    http://www.eva.mpg.de/lingua/staff/haspelmath/pdf/Againstmarkedness.pdf

    Häu­fig kann “unmarkiert” durch “häu­figer” erset­zt wer­den, was Ana­tol ja mit Tag/Nacht und dem Hotel­beispiel sehr schön illustriert. 

    Die Ver­wen­dung von männlichen For­men für Grup­pen, die auch Frauen ein­schliessen, ist also dadurch begrün­det, dass Män­ner irgend­wie “häu­figer” sind. Die Idee, dass Män­ner “häu­figer” sind, ist ja genau das, was von fem­i­nis­tis­ch­er Seite kri­tisiert wird.

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  6. Henning

    Gibt es diese mil­lio­nen­fach behauptete “manip­u­la­tive Macht der Sprache” wirklich?
    Mir kommt es oft so vor, als würde diese bei vie­len Diskus­sio­nen als gegeben ange­se­hen, ohne dass es dafür eine wirk­liche Grund­lage gäbe. Meist ist man doch über eine neue Namensge­bung eher amüsiert, ändert dadurch aber nicht die Mei­n­ung über das Umbe­nan­nte. Mir kam schon als ich vor Ewigkeit­en “1984” gele­sen hab, die ange­bliche Macht des Neusprech unglaub­würdig vor.
    Ich hab keine Ahnung über den Stand der Forschung in dem The­ma, daher inter­essiert mich die Antwort von Experten zum Thema.

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  7. Robin

    Der Begriff der kom­pen­satorischen Gerechtigkeit, so wie er hier beschrieben wird, soll die gle­ich­mäßige Verteilung von offenkundi­ger Ungle­ich­be­hand­lung begrün­den. Allein, dem Ziel ein­er gerecht­en weil diskri­m­inierungs­freien Sprache kommt man auf diese Weise keinen Schritt näher. Aus der Argu­men­ta­tion spricht das Bewusst­sein des wir-gegen-die, bei dem Sprache als Ver­hand­lungs­masse in einem Verteilungskampf begrif­f­en wird. Selb­stver­ständlich hat das gener­ische Fem­i­ninum mit Gerechtigkeit nichts zu tun. Tat­säch­lich bin ich über­rascht, dass auf dieser Ebene argu­men­tiert wird und das gener­ische Fem­i­ninum nicht ehrlich als das betra­chtet wir, was es ist: Eine angemessene Pro­voka­tion, ein wer­ben für Aufm­er­samkeit für die unbe­strit­ten patri­ar­chale Prä­gung der deutschen Sprache. Kurz: Ein PR-Gag. Aber, bitte, nicht mehr als das.

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  8. Andreas

    Daran dass sich noch Men­schen darüber aufre­gen, wenn die Sprache so gebraucht wird, dass sie auf die Absur­dität eines gener­ischen Maskulinums hin­weist, erken­nen wir, dass es dieser Art des bewussten Umgangs mit Sprache an dieser Stelle noch bedarf.

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  9. m

    Ich finde ein gener­isches Fem­i­ninum ist eben­so ungerecht (ja, tat­säch­lich) und ich finde auch die Sorge darum, sprach­lich unsicht­bar gemacht zu wer­den wenig unver­ständlich. Mich überzeugt auch ihr selt­samer Ver­gle­ich (hungrig/satt) nicht.

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  10. Egon

    Ich bin sehr dafür, das gener­ische Maskulinum durch ein gener­isches Fem­i­ninum zu erset­zen. Ich benei­de, seit ich denken kann, die Frauen darum, daß es eine eigene weib­liche Form gibt. Lei­der wird diese Benachteili­gung der Män­ner nir­gends betra­chtet. Aber ich finde es gut, daß jet­zt Leute daran arbeit­en, diese zu beseit­i­gen (auch wenn sie alle trollen, und behaupten, die Benachteili­gung der Frauen abbauen zu wollen).

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  11. Jörn

    Hen­ning, hier ist eine Sur­vey über lin­guis­tis­chen Relativismus/“Sapir Worf” allgemein:
    http://userwww.service.emory.edu/~kholme2/WHwires.pdf

    Ganz am Schluss heißt es:
    There is evi­dence, how­ev­er, that while lan­guage may not close doors, it may fling oth­ers wide open.
    For exam­ple, lan­guage makes cer­tain dis­tinc­tions dif­fi­cult to avoid when it med­dles in the process of col­or dis­crim­i­na­tion or ren­ders one way of con­stru­ing space more nat­ur­al than anoth­er. Last­ly, lan­guage can some­times build new doors. For exam­ple, lan­guage may under­lie our abil­i­ty to rep­re­sent exact num­bers and enter­tain false beliefs.64 Thus, lan­guage may not replace, but instead may put in place, rep­re­sen­ta­tion­al sys­tems that make cer­tain kinds of think­ing pos­si­ble. Although the mech­a­nism dif­fers from that which Whorf orig­i­nal­ly pro­posed, cur­rent research sug­gests that lan­guage can still have a pow­er­ful influ­ence on thought.

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  12. VolkerK

    Ah, schön, der Ver­gle­ich mit dem Hun­gri­gen und dem Sat­ten und wie man das Essen gerecht verteilt fehlte mir in der Argu­men­ta­tion immer.
    Per­sön­lich argu­men­tiere ich da noch etwas anders — es gibt biol­o­gis­che Gegeben­heit­en, durch die Frauen im Repro­duk­tion­sprozess stärk­er belastet sind, was als Scheinar­gu­ment für soziale/berufliche Benachteili­gun­gen herange­zo­gen wird. Die Last aus dem Repro­duk­tion­sprozess auf physischer/biologischer Ebene kön­nen wir (noch?) nicht gerecht verteilen. Gerechtigkeit kriegen wir nur hin, wenn wir ihn an ander­er Stelle kompensieren.

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  13. Muriel

    Ich nehme an, neolib­erale Ich­men­schen wür­den Pusch da wider­sprechen, aber auf neolib­erale Ich­men­schen zu hören, hat uns in der Ver­gan­gen­heit ja nicht viel Gutes gebracht. 

    Vielle­icht inter­essiert dich ja, wie ich als neolib­eraler Ich­men­sch das sehe:
    Ich würde dir da insofern keineswegs wider­sprechen, als ich die dahin­ter­ste­hende Vorstel­lung von Gerechtigkeit für dur­chaus diskutabel bis sin­nvoll halte, und sähe im Übri­gen einem Ver­gle­ich des durch uns angerichteten Schadens mit dem durch kollek­tivis­tis­che Wirmen­schen verur­sacht­en sehr entspan­nt entgegen.

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  14. Peter Gutmann

    Ihre Aus­sagen zu Geschmack, Sprach­be­nutzungswillen und Kri­tik­fähigkeit gefall­en mir. Dass das ein oder andere in Ihren Aus­führun­gen dur­chaus polemisch inter­pretiert wer­den kann, ist sicher­lich Absicht und erhöht den Unter­hal­tungs­fak­tor des Textes unge­mein, sodass man ihn auch tat­säch­lich lesen will (lei­der ist das ja nicht bei allen Tex­ten zum The­ma der Fall).

    Wenn ich aber Texte in diesem Zusam­men­hang und mit Ihrer Argu­men­ta­tion­srich­tung lese, ergibt sich für mich häu­fig eine Frage, wenn näm­lich aufs Englis­che ver­wiesen wird. Dieses weist eine viel län­gere Geschichte der Gen­der-Repara­turen auf (her­sto­ry; humankind, die Sie ja auch auf­führen; …), es wird aber ver­nach­läs­sigt, dass es nicht die fem­i­nisierten Ver­sio­nen sind, die in der Sprachge­mein­schaft Erfolg haben, son­dern die ursprünglich gram­ma­tisch falschen: “every­body takes their jack­et”, “a teacher should not for­get their chalk.”, let­ztlich gehört Ihr ‘humankind’ hier auch her. Und das funk­tion­iert beson­ders gut, weil im Englis­chen dem Aktan­ten­suf­fix “-er” kein Geschlecht zuge­ord­net wird (’singer’ ist nicht maskulin). Wäre es im Deutschen nicht sin­nvoller, in diese Rich­tung zu drän­gen? Etwa durch das Umän­dern von ‑er zum Neu­trum (Kind, Mäd­chen, Knäblein sind ja auch n, wir kön­nen also Men­schen als n beze­ich­nen) und so was schreiben wie “wer ist hier das Dok­tor?”, “die Klasse bekommt ein neues Lehrer”. Das Englis­che zeigt, dass es für alle gerechter geht, ohne dass mit ein­er Sprache allzu arg umge­sprun­gen wer­den muss.

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  15. Rolf Landolt

    Ich bin auch der mei­n­ung, dass man mit der sprache nach belieben umsprin­gen kann und soll. Was war, muss nicht unbe­d­ingt auch in zukun­ft sein. Aber abge­se­hen davon, neige ich Gaugers erk­lärung zu. «Tag» ist auch ein gutes beispiel und wird durch «nacht» nicht wider­legt. Es han­delt sich ja um ein alltäglich­es fänomen; auch bei «klas­sis­ch­er musik» sind die vork­las­sik und die mod­erne manch­mal mit­ge­meint und manch­mal nicht. «Deutsch» kann sich auf unter­schiedlich­es beziehen; manch­mal bin ich als schweiz­er mit­ge­meint und manch­mal nicht. Mit gerechtigkeit hat das nichts zu tun. Die tese, dass sprache ungerecht sein kann, erscheint mir so frag­würdig wie auf der andern seite die beru­fung auf eine «natür­liche sprach­liche ord­nung». Über­haupt, was ist schon gerecht? Wenn ich von sportlern spreche und das geschlechtsspez­i­fisch ein­gren­zen will, habe ich im einen fall eine ele­gante lösung («sport­lerin­nen») und im andern fall nicht («männliche sportler» o. ä.). Das ist eine benachteili­gung der män­ner, die ein­fach immer nur mit­ge­meint sind … ;-).

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  16. Gernot Back

    @Sebastian: ” ‘Markiertheit’ hat keine vernün­ftige Def­i­n­i­tion und wird dementsprechend für sehr ver­schiedene Dinge ver­wen­det, und jede/r ver­ste­ht etwas anderes darunter

    http://www.eva.mpg.de/lingua/staff/haspelmath/pdf/Againstmarkedness.pdf

    Ger­ade aus der Lek­türe des Abschnitts über “seman­tis­che Markiertheit” dieses Auf­satzes kann meines Eracht­ens nichts anderes gefol­gert wer­den, als dass die Unter­schei­dung zwis­chen männlichen und weib­lichen Berufs­beze­ich­nun­gen zu miss­bil­li­gen ist, weil sie fast immer in unzuläs­siger Weise diskri­m­iniert (abge­se­hen vielle­icht ein­mal von Fällen, wo ich mich auf­grund eigen­er Gschamigkeit als Mann vielle­icht doch lieber von einem männlichen Androlo­gen und als Frau vielle­icht doch lieber von ein­er weib­lichen Gynäkolo­gin unter­suchen lasse). Wenn diese Unter­schei­dung aber in aller Regel über­flüs­sig, ja ungerechter­weise diskri­m­inierend ist, dann bedarf es auch keines eige­nen Mor­phems zur Kennze­ich­nung eines geschlecht­sneu­tralen Aus­drucks. Der Ansatz kann also nur die kom­plette Abschaf­fung des Motion­ssuf­fix­es sein, nicht dessen Ausweitung. Die erste Idee, die Luise Pusch 1984 noch in “Das Deutsche als Män­ner­sprache” ver­trat, war also genau die richtige:

    Sie ist eine gute Stu­dent. Ihre Leis­tun­gen sind beachtlich, und ihre Pro­fes­sor ist sehr zufrieden mit ihr. Früher war sie übri­gens Sekretär bei ein­er Architekt.“

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  17. Martin Demba

    Das StGB in “gerechter Sprache” würde ich gerne sehen. Da ist man dann nicht nur “Amt­strägerin”, son­dern auch “Mörderin”, “Totschlägerin” oder — zusam­menge­fasst — “Täterin”.

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  18. Max

    Warum Frauen jet­zt auch noch eine gerechte Sprache im StGB fordern, wis­sen wohl nur diese selb­st. Soll­ten Frauen eigentlich nicht dankbar sein, dass es Ver­brech­er und Ver­brechen nur im Muskulinum gibt?!

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  19. Statistiker

    Hmmm, wo haben Frauen jet­zt “auch noch eine gerechte Sprache im StGB” gefordert? Da kann ich mich nicht dran erinnern.…..

    Allerd­ings hat Herr Ram­sauer jet­zt die StVO geschlechterneu­tral umbauen lassen, und schon wieder schreien einige auf, wenn jet­zt von “Rad­fahren­den” statt von “Rad­fahrern” die Rede ist. Also, ich als Rad­fahren­der hab da kein Prob­lem mit.…

    Mit dem StGB gin­ge es genau­so, wenn es denn gewollt wäre. Dabei sollte man allerd­ings auch bedenken, dass z.B. der § 175 StGB (“Schwu­len­para­graph”) immer nur auf Män­ner, nie auf Frauen bezo­gen war. 

    Das war allerd­ings reine Frauendiskri­m­inierung: Dass zwei Män­ner miteinan­der Spaß haben kön­nen, wusste man ja. Aber dass zwei Frauen etwas, was man zu erdulden hat, auch noch frei­willig machen, ist den Män­nern, die das StGB geschaf­fen haben, nie in den Sinn gekommen.

    Immer­hin hat Herr Ram­sauer gemerkt, dass er mit sein­er Anglizis­men­feindlichkeit (für die er haus­in­tern aus­gelacht wurde) gegen die Wand gelaufen ist: Man darf im BMVBS wieder “Lap­top” sagen.….

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  20. Statistiker

    Ach ja, das StGB umzuschreiben wäre gar nicht so schwierig. Dann heißt es eben “Mor­dend ist, wer.…” oder “Totschla­gend ist, wer.…”. Der Änderungs­be­darf wäre über­schaubar.….. die weib­liche Form wäre völ­lig über­flüs­sig, wenn man das Ganze akjektiviert.….

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  21. David

    Man kön­nte auch ein­fach Straftatbestände definieren anstelle von Straftä­terin­nen. Das Prob­lem wäre umschifft und Muriel wäre auch zufrieden­er. Zu Recht.

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  22. Gernot Back

    @Statistiker: “Dann heißt es eben “Mor­dend ist, wer…” oder “Totschla­gend ist,”

    Gaaaaanz toll! “Täter oder Täterin” wäre dann “der oder die die Tat Bege­hende” oder bess­er “der oder die die Tat began­gen Habende” bzw. “der- oder diejenige, der oder die die Tat began­gen hat”. 

    So wer­den unsere Geset­ze bes­timmt noch viel ver­ständlich­er, als sie ohne­hin schon sind, suuuper!

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  23. Statistiker

    Herr Back, ich habe “Mor­dend” geschrieben. 

    SIE unter­stellen, dies würde heißen “Täter oder Täterin” wäre dann “der oder die die Tat Bege­hende” oder bess­er “der oder die die Tat began­gen Habende” bzw. “der– oder diejenige, der oder die die Tat began­gen hat”. 

    Nun ja, wer so argu­men­tieren will, gerne.….

    Naja, Sprache und ins­beson­dere diskri­m­inierungs­freie Sprache ist etwas für Leute, die diskrim­irierungs­freie Sprache benutzen wolen, und nicht durch Sprache diskri­m­inieren wollen.

    Merken Sie etwas?

    Da Sie ja sowohl Täter als auch Täterin als auch Taterütü sein wollen, um zu diskri­m­inieren.… machen Sie es. Sie machen sich lächerlich.

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  24. Statistiker

    Und wenn man mal fünf Sekun­den nachdenkt:

    So wer­den unsere Geset­ze bes­timmt noch viel verständlicher:

    der oder die die Tat Begehende” 

    Wie wäre es mit es mit “Tat­bege­hende”. Ein­fach, sim­pel, ver­ständlich, nicht diskri­m­inierend. Toll, nicht?

    Antworten
  25. David

    Mir scheint der Ein­satzbere­ich der Par­tizip­sub­stan­tivierun­gen durch diesen Vorschlag etwas überdehnt zu wer­den, da diese sich nicht mehr plau­si­bel auf einen Zus­tand beziehen kön­nen. Während man etwa Max Goldts Ein­wand gegen “Studierende”, “nie­mand kann gle­ichzeit­ig ster­ben und studieren” noch get­rost als Albern­heit abtun kann, da man sich als Stu­dentin auch (wie etwa in einem Beispiel von A.S.) beim Bier in der Kneipe noch im Zus­tand des Studierens im weit­eren Sinne befind­et, sehe ich nicht, wie man sich durch einen einzel­nen Mord dauer­haft in den Zus­tand des Mor­dens begeben haben kön­nte, sofern man danach, wie es wohl die meis­ten Mörder tun, mit dem Mor­den wieder aufhört. Wer ein Semes­ter lang BWL studiert hat, ist danach ja auch nicht noch auf unbes­timmte Zeit Studieren­der. Unter einem Mor­den­den stelle ich mir somit eher einen Mord­bren­ner vor als einen gemeinen ‘Mörder’.

    Frag­würdig ist vielmehr, aus ähn­lichen Grün­den, schon die Beze­ich­nung “Mörder” (vgl. dazu auch http://ueberschaubarerelevanz.wordpress.com/2012/03/07/mord-morder-am-ihr-wisst-schon/). Wer sich mal besof­fen hat, ist nicht gle­ich Trinkerin, aber wer mal gemordet hat, ist auf alle Zeit­en Mörderin. Diese Inkon­se­quenz ist durch gewisse Unter­schiede in der Ver­w­er­flichkeit der Tat­en vielle­icht erk­lär­bar, aber ob solche impliziten Wer­tun­gen ins StGB gehören, ist fraglich. Daher mein Plä­doy­er dafür, Straftatbestände (und Rechts­fol­gen) statt Straftä­terin­nen zu definieren. Also “Wer X tut, wird mit Y bestraft”

    Antworten
  26. Gernot Back

    @Statistiker: “Wie wäre es mit es mit “Tat­bege­hende”. Ein­fach, sim­pel, ver­ständlich, nicht diskri­m­inierend. Toll, nicht?”

    Nein, nichts von all dem: Wed­er einfach/simpel noch ver­ständlich, noch [in der Zeit­en­folge] zutreffend:

    Als Straftäter oder Straftä­terin verurteilt wird man, _nachdem man eine Tat began­gen hat. Also ist für ein Gericht ein “Täter” oder eine “Täterin” immer jemand, der eine Tat began­gen _hat und in den sel­tensten Fällen jemand, der ger­ade im Gerichtssaal eine Straftat begeht.

    Merken Sie etwas? Sie müssten sog­ar die Indefinit­pronomen “jemand” und “nie­mand” und das Inter­rog­a­tivpronomen “wer” abschaf­fen und irgend­wie durch gedop­pelte (k)eine/(k)einer erset­zen oder zumin­d­est die auf sie Bezug nehmenden Rel­a­tiv- und Pos­ses­sivpronomen, weil es sich son­st um Frauen und Mäd­chen benachteili­gende Maskuli­na handelt.

    Auf diese Weise pro­duzieren _Sie alles andere als ver­ständliche Sprache und für mich ist es da auch keine Frage, wer sich lächer­lich macht.

    Sie kön­nten natür­lich auch ganz ein­fach auf das Motion­ssuf­fix verzicht­en und “Täter”, je nach Einzelfall sowohl als Maskulinum “der Täter” als auch als Fem­i­ninum Sin­gu­lar “die Täter” als auch als expliz­it geschlecht­sneu­trale Form “das Täter” benutzen. Für den Plur­al schlage ich dann die neue Form “die Täters” vor.

    Das wäre dann, wenn es sich durch­set­zt, wenig­stens verständlich.

    Oder wir lassen ein­fach alles beim Alten. Frauen haben damit sowieso sel­ten ein Prob­lem; es sind meist Män­ner, die sich hier verrenken.

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  27. gnaddrig

    @Gernot Back: Ist “Ver­ständlichkeit für den Nicht­fach­mann” über­haupt ein Kri­teri­um für die handw­erk­liche Qual­ität von Geset­zes­tex­ten? Da dürften sprach­liche Präzi­sion und Ein­deutigkeit doch viel wichtiger sein.

    Die aller­meis­ten Nichtjuris­ten wer­den sowieso qual­i­fizierten Bei­s­tand brauchen, um sich über die Geset­zes­lage zu einem konkreten The­ma zu informieren. Selb­st wenn jemand einen bes­timmten Pas­sus sprach­lich ver­ste­ht, kann er noch lange nicht sich­er sein, den Inhalt wirk­lich richtig erfasst zu haben (Fach­sprache mit eige­nen Ter­mi­ni, die dem Laien nicht immer als solche erken­ntlich sind). Und selb­st wenn, dann weiß er nicht, ob ander­swo rel­e­vante Para­graphen die ger­ade gele­sene Regelung ergänzen oder einschränken. 

    Der Vor­wurf schlechter­er Ver­ständlichkeit für Laien scheint mir vor dem Hin­ter­grund kein beson­ders stich­haltiges Argu­ment gegen die Ver­wen­dung gerechter Sprache in Geset­zes­tex­ten zu sein.

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  28. Statistiker

    Die Geset­zessprache ist für viele unver­ständlich, weil sie sich an eine unbes­timmte Anzahl von Per­so­n­en in ein­er unbes­timmten Anzahl von Fällen richt­en muss.

    Macht man sich einen Einzelfall deut­lich, wird Juris­terei recht einfach.….

    Die geschlechtlichterneu­trale Sprache macht hier nichts schwieriger oder leichter. Im Gegen­satz zu den Dop­pel­nen­nun­gen (“Der Ober­bürg­er­meis­ter oder die Ober­bürg­er­meis­terin oder der Bürg­er­meis­ter oder die Ober­bürg­er­meis­terin”) macht eine geschlechterneu­trale Sprache hier vieles leichter.….

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  30. Susanne

    Ich habe hier schon oft geschrieben, dass sich Sprache schon immer dadurch aus­geze­ich­net hat, dass sie sich ständig verän­dert und eben auch verän­dern kann. Sie bildet das Leben und seine Umstände ab und die verän­dern sich eben. Wie unser Umgang mit Geschlechter­fra­gen auch. Zum Glück. Wer sich dage­gen wehrt, wehrt sich auch gegen die Verän­derung der Leben­sum­stände. Und das glaub ich ihm nicht. Denn wer will heute schon noch so wie im Mit­te­lal­ter leben?

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  31. E. Gulk

    @Martin Dem­bo und @Max
    In solchen Fällen (Mörderin­nen etc.) spräche fem­i­nis­tis­che Kri­tik wohl wiederum von Diskri­m­inierung und wiese darauf hin, dass laut Sta­tis­tik der Anteil der Män­ner unter den Mörderin­nen deut­lich höher lege. Wie auch bei Steuer­hin­terzieherin­nen, Unfal­lverur­sacherin­nen und anderen Neg­a­tiv-Begrif­f­en. Wer sich partout diskri­m­iniert fühlen möchte, find­et auch immer eine Begrün­dung dafür. Ob das eher eine Angele­gen­heit der Sprach­wis­senschaft, des Fem­i­nis­mus, der fem­i­nis­tis­chen Sprach­wis­senschaft oder der Psy­cholo­gie ist, dürfte von Fall zu Fall unter­schiedlich sein.

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    1. Muriel

      Wer ken­nt sie nicht, die zahllosen Beispiele von Fem­i­nistin­nen, die sich über die Ver­wen­dung der weib­lichen Form statt der männlichen beklagen?
      Typisch.
      Man weiß ja, wie die drauf sind.

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    2. Anatol Stefanowitsch Beitragsautor

      @ E. Gulk: Das Fem­i­nistin­nen die weib­liche Form von Wörtern wie Mörder/in, Täter/in usw. ablehnen, ist ein unter Maskulis­ten beliebter Mythos für den es keine Belege gibt. Dass Geset­zes­texte in Deutsch­land fast aus­nahm­s­los im gener­ischen Maskulinum for­muliert sind, liegt sich­er nicht an Fem­i­nistin­nen, son­dern an den geset­zgeben­den Orga­nen. In Geset­zeskom­mentaren u.ä. wer­den diese For­men allerd­ings oft in männlicher/weiblicher Bei­d­nen­nung ver­wen­det – fem­i­nis­tis­ch­er Protest ist ausgeblieben.

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  33. E. Gulk

    @ Ana­tol
    Vie­len Dank — ich wusste nicht, dass die Diskus­sion schon geführt wor­den ist. Bei­d­nen­nun­gen sind sicher­lich auch leichter zu akzep­tieren. Da das gener­ische Fem­i­ninum in der Prax­is nicht existiert, lässt sich eine Reak­tion auf dessen all­ge­meine Ver­bre­itung kaum voraus­sagen. Der Fem­i­nis­mus ist ähn­lich zer­split­tert wie viele andere Radikalis­men — aber auch das ist nur eine Ver­mu­tung. Besten Dank für Ihr Blog, das auf angenehme Weise zum Denken anregt. 

    @Muriel Ja, ich kann mir auch nicht erk­lären, wieso Fem­i­nistin­nen als ver­bis­sen gel­ten. Oder wie Frau Pusch es in ihrem Blog for­muliert: “…Sel­ten so gelacht. Ich habe diese „Argu­mente“ zwar alle schon im Jahre 1979 wider­legt, aber da Maskulin­guis­ten sich erst neuerd­ings mit dem The­ma befassen, ist ihnen das offen­bar entgangen.….”

    Antworten
  34. Jacinta

    Sie meck­ern auch voll rum in Eng­land wegen dieser Mankind/humankind Sache. Ange­blich hiess man in Alt-Englisch human? Deswe­gen ist es eigentlich nicht sex­is­tisch, Mankind zu sagen, sagen sie. Sie meck­ern auch wegen stewardess/flight atten­dant actress/actor usw.

    Ich denke, das wird nie in Lit­er­atur benutzt oder, Pro­fes­sorin­nen für Pro­fes­soren und Pro­fes­sorin­nen? Oder? Ich kann es mir nicht vorstellen.

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  36. t.h.

    Hm. Ist der Anspruch, eine Sprache müsse gegenüber allen Betrof­fe­nen “gerecht” oder “fair” sein, nicht genau die Art, wie sich “neolib­erale Ich-Men­schen” tradierte, gewach­sene und überkom­plexe Gebilde wie Sprachen wün­schen? Die ganze Diskus­sion funk­tion­iert nur, wenn man alle Prämis­sen des Lib­er­al­is­mus verin­ner­licht hat (ins­beson­dere den Sub­jek­t­bezug von Frei­heit, Gle­ich­heit usf.).

    Ästhetis­ches Empfind­en befind­et sich auf ein­er anderen kog­ni­tiv­en Ebene als der Aus­tausch ratio­naler Argu­mente. Sprache wirkt in bei­den Bere­ichen: warum nicht mit dieser Kom­plex­ität umge­hen, statt Leuten die Gerechtigkeitskeule übern Schädel zu schlagen?

    Antworten
    1. Muriel

      @t.h.: “Keule übern Schädel schla­gen” hier im anson­sten eher sel­te­nen Sinne von “fre­undlich und sach­lich seine Mei­n­ung sagen”?

      Antworten
  37. Christoph Päper

    Wenn ich mich ein­er hun­gri­gen und ein­er sat­ten Per­son gegenüber sehe, und ich bei­den eine halbe Por­tion Essen gebe, ist das nicht gerecht – gerecht wäre es, der hun­gri­gen Per­son alles zu geben, sodass am Ende bei­de satt sind.

    Was gerecht (oder sozial, moralisch …) ist, hängt stets von vie­len Fak­toren und der Per­spek­tive, vielfach auch vom Aufwand ab. Man sehe sich die Steuer- und Abgaben­poli­tik an. Was ich damit sagen will: Dieses Bild ist unter­ste rhetorische Schublade und sollte so von nie­man­dem guten Gewis­sens ver­wen­det werden.

    Ceterum censeo, mor­phol­o­gis­che Markiertheit existiert und daher ist ein -innen-Gener­ikum besten­falls Provokation.

    Antworten
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  43. Thorsten

    Warum eigentlich nicht eine Sprache für Män­ner und eine für Frauen?

    Natür­lich ist gegen die Dop­pel­nen­nung der “Pro­fes­soren und Pro­fes­sorin­nen” nichts einzuwen­den, ich finde es aber schlicht unel­e­gant, denn es ver­längert die Sprache. Ich schätze eine knappe, präg­nante, direk­te Sprache. Schach­tel­sätze schätze ich nicht; Neben­sätze soll­ten klar abge­gren­zt sein und Phrasen soll­ten ver­mieden wer­den, wenn sie ohne Infor­ma­tion­s­ge­halt sind und den Text nur unnötig aufblähen.

    Das lässt sich mit ständig wieder­holter Dop­pel­nen­nung nicht real­isieren. Ich bin mir dabei im Klaren, dass die alleinige Nen­nung des Maskulins als gener­isch­er Form von zahlre­ichen Frauen als diskri­m­inierend emp­fun­den wird. Was also tun? Bess­er nicht diskri­m­inieren als klar und knapp zu sprechen; bess­er Texte auf­blähen als Frauen unterdrücken?

    Vielle­icht ja, ich würde diese Mei­n­ung dur­chaus unter­stützen, sehe jedoch noch eine Alter­na­tive, die zumin­d­est zur Diskus­sion gestellt wer­den sollte.

    Vor einiger Zeit las ich einen eher schlecht­en Sci­ence-Fic­tion-Roman. Er spielte ca. 2000 Jahre in der Zukun­ft und die Haupt­per­son war eine Offizierin ein­er Mil­itäror­gan­i­sa­tion. Män­ner und Frauen waren zu 100% gle­ich­berechtigt. So unin­ter­es­sant der von mir auf Englisch gele­sene Roman ins­ge­samt war, so enthielt er doch ein inter­es­santes Konzept. Die absolute Gle­ich­berech­ti­gung zeigte sich auch in der Sprache. Män­ner ver­wen­de­ten grund­sät­zlich das Maskulinum ohne auch nur eine Sekunde in erwä­gung zu ziehen, dass damit Frauen aus­geschlossen sein kön­nten, Frauen ver­wen­de­ten grund­sät­zlich das Fem­i­ninum, dabei sämtliche Män­ner inkludierend. Frauen fühlten sich grund­sät­zlich eingeschlossen, wenn ein Mann ein erkennbar gener­isches Maskulin ver­wen­dete, Män­ner fühlten sich immer eingeschlossen, wenn eine Frau ein erkennbar gener­isches Fem­i­ninum verwendete.

    Man ging sog­ar so weit, dass spez­i­fis­che Per­so­n­en, über deren Geschlecht man keine Infor­ma­tion hat, dem eige­nen Geschlecht zuge­ord­net wer­den bis zum Beweis des Gegen­teils. Hier­bei legte der- oder diejenige, die die Per­son unbekan­nten Geschlecht­es zum ersten mal ansprach fest, welch­es Geschlecht sie hat und alle anderen fol­gten der Geschlechtsvor­gabe bis zum Beweis des Gegen­teils. Beispiel: Frau meldet „Die unbekan­nte, geg­ner­ische Kom­man­dan­tin schickt ihre Trup­pen.“ Ab diesem Moment wurde für den/die geg­ner­ischen Kommandant(in) grund­sät­zlich und auch von allen Män­nern die fem­i­nine Form ver­wen­det, bis man wusste, dass es in Wahrheit ein Mann ist. Hätte ein Mann die erste Mel­dung gebracht, wäre der/die geg­ner­ische Kom­mandierende sprach­lich als Mann behan­delt wor­den bis zum Beweis des gegenteils.

    Solange ein solch­es Ver­hal­ten all­ge­mein akzep­tierte Norm ist, habe ich abso­lut keine Prob­leme damit mich inkludiert zu fühlen, wenn Kol­le­gin Frau Schmitz eine Rund­mail mit den Worten “Liebe Kol­legin­nen” begin­nt und ich darauf mit “Hal­lo Kol­le­gen” antworten darf ohne dass Frau Schmitz sich aus­geschlossen fühlt.

    Daher: Was spricht dage­gen, wenn alle Frauen das gener­ische Fem­i­nin ver­wen­den und damit auch Män­ner ein­schließen und alle Män­ner das gener­ische Maskulin ver­wen­den, dabei die Frauen ein­beziehend? Es würde den Sex­is­mus der deutschen Sprache fast voll­ständig aufheben und die Sprache den­noch kurz, knapp, bündig halten.

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  44. Bialar Crais

    Ä män­lich­er Fahrer
    Ä weib­liche Fahrer
    Fahrerin als weib­liche Form gibt es nicht mehr!
    Ä männliche Amme
    Ä weib­liche Amme
    Ammer als männliche Form gibt es nicht mehr!
    Ä weib­liche Beamter
    Ä männlich­er Beamter
    Männliche und weib­liche Beamten
    Das Ä hab ich mir mal aus nem deutschen Dialekt geklaut, kön­nte aber auch das A aus dem englis­chen sein.

    Das klingt alles sehr scheiße, aber immer­noch weniger scheiße als die anderen Quärkinnen.

    Da hat doch ein­er ne Sprache erfun­den wie heißt die noch gle­ich? Esperan­to! Genau, wieso machen die Sprach­forsch­er nicht mal was. Arbeit­en mal aus, was man machen kann. Eine Lösung die möglichst nichts kaputt macht und nichts verkom­pliziert aber das Ziel der Gle­ich­berech­ti­gung im Sinne des har­monis­chen Miteinan­ders erfüllt.

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  45. o aus h

    @Bialar Crais: Tasäch­lich hat auch Esperan­to im Sin­gu­lar keine neu­trale Form, son­dern markiert die weib­liche durch anhän­gen von -in-:
    la sin­joro – der Herr; la sin­jori­no – die Dame.
    Nur im Plur­al gibt es alle drei Formen:
    la sin­joroj – die Her­ren; la sin­jori­noj – die Damen; la gesin­joroj – die Damen und/oder Herren.
    (Ein Trep­pen­witz ist, dass aus frauli­no – dem Fräulein, der unver­heirateten Frau – durch stre­ichen des -in- der Jungge­selle fraulo wird.)

    @Thorsten: „Warum eigentlich nicht eine Sprache für Män­ner und eine für Frauen?“
    Weil es eine noch stärkere Tren­nung der Geschlechter ergeben würde, statt eine größere Gemein­samkeit und Über­win­dung der Geschlechter­gren­zen. Ganz zu schweigen von den Men­schen, die sich in ihrem jew­eili­gen „äußer­lichem“ Geschlecht nicht oder nicht auss­chließlich zu Hause fühlen.

    Antworten

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