Es mag diejenigen überraschen, die mich für einen „politisch korrekten“ Sprachextremisten halten, aber meine Meinung ist: Niemand muss gerechte Sprache gut finden. Es gibt da schlicht keinen Zwang. Wer ungerechte Sprache verwenden will, darf das selbstverständlich tun, muss aber natürlich mit den Konsequenzen leben. Die normalerweise völlig ausbleiben, und im unangenehmsten Fall darin bestehen, auf die Tatsache hingewiesen zu werden, ungerechte Sprache zu verwenden.
Und erst recht muss niemand bestimmte Vorschläge für gerechte Sprache gut finden. Gerade Sexismus ist derartig tief nicht nur im Wortschatz, sondern auch in der Grammatik des Deutschen verankert, dass fast jeder Vorschlag zu einer gerechteren Sprache kurzfristig ein mehr oder weniger problematischer Kompromiss bleiben muss. Das wissen natürlich auch die feministischen Sprachwissenschaftlerinnen ((Aus Gründen der Lesbarkeit verwende ich hier und im Folgenden in generischen Zusammenhängen ausschließlich die feminine Form; das männliche Geschlecht ist dabei selbstverständlich mit gemeint.)) und Aktivistinnen, von denen die Vorschläge kommen, denn die haben sich ja im Zweifelsfall überdurchschnittlich ausführlich mit Sprache beschäftigt.
Und natürlich ist es völlig legitim, bestimmte Vorschläge für gerechte Sprache aus der Perspektive einer Sprachwissenschaftlerin zu kritisieren. Aber wer das tut, sollte dann eben auch fundierte Argumente bringen. Das tun die Sprachwissenschaftlerinnen, die sich zum generischen Femininum bisher zu Wort gemeldet haben, leider nur selten. Weder der Freiburger Romanist Hans-Martin Gauger noch der Berliner Sprachwissenschaftler André Meinunger hatten irgendein Argument zu bieten, das in der feministischen Sprachwissenschaft nicht schon vielfach entkräftet worden wäre. Und auch dem jüngsten Neuzugang in der Gruppe femininumkritischer Sprachwissenschaftlerinnen, dem Frankfurter Germanisten Horst Dieter Schlosser, fällt keins ein.
Im „UniReport“ der Goethe-Universität Frankfurt am Main (PDF) lässt er seinem Ärger darüber freien Lauf, „[w]ie die Uni Leipzig mit der Sprache umspringt“. Besonders lesenswert ist der Text nicht, und ich hätte ihn angesichts seiner nicht gerade massenmedialen Reichweite auch gar nicht aufgegriffen, wenn Horst Schlosser nicht der Initiator und langjährige Vorsitzende der „Sprachkritischen Aktion Unwort des Jahres“ wäre, also ein Mensch, dem die manipulative Macht der Sprache sehr bewusst sein dürfte, der also meinem Verständnis nach große Sympathien für jede Art gerechter Sprache haben müsste.
Die bekundet er auch gleich zu Anfang seines Beitrags. Naja, nicht gleich zu Anfang, sondern nach einer Anekdote über ein von übereifrigen Pusch-Leserinnen durchgesetztes generisches Femininum in irgendeiner Wahlordnung irgendeines Fachbereichs der Uni Frankfurt, das längst wieder verschwunden ist. Und nachdem er den unter Kritikerinnen gerechter Sprache obligatorischen Mythos nacherzählt hat, furiose Feministinnen forderten das Gendern grammatischer Neutra wie Mitglieder und Erstsemester zu Mitglieder/innen und Erstsemester/innen.
Aber dann bekundet er gleich seine Sympathie für gerechte Sprache und steckt den Rahmen ab, innerhalb dessen er diese Sympathie austeilen mag: Beidnennungen (Liebe Wählerinnen und Wähler) gehen für ihn in Ordnung, ebenso wie geschlechtsneutrale Formen wie Auszubildende oder Studierende (die das Problem aber natürlich nur im Plural lösen, da sie im Singular entweder maskulin der Studierende oder feminin die Studierende sind). So weit, so männlich-großzügig.
Dann kommt er aber zum generischen Femininum, das die Universität Leipzig in ihrer Satzung (und, aller Aufregung zum Trotz, nur dort) seit einiger Zeit verwendet. Und das gefällt ihm so gar nicht, und dafür hat er drei Gründe.
Erstens, so Schlosser, löse man damit ja nur eine Ungleichbehandlung durch eine andere ab, denn nun seien es ja die Männer, die sich nicht mit gemeint fühlen könnten. „Oh weh“, höre ich die feministischen Linguistinnen vor meinem inneren Ohr rufen, „daran haben wir ja gar nicht gedacht!“ Nein, Unsinn, die rufen eher so etwas wie RTFM – read the fucking manual. Luise Pusch, aus deren 1988 erschienenem Aufsatz die Idee des generischen Femininums stammt, hat dieses Argument natürlich vorhergesehen und dazu ausführlich Stellung bezogen. Ich greife hier nur eins ihrer Argumente heraus, das mir zentral erscheint. Pusch geht zunächst davon aus, dass es eine gesellschaftliche Ungleichheit zwischen Männern und Frauen gibt (was auch heute noch, 25 Jahre später, unstrittig sein dürfte).
Pusch weist dann darauf hin, dass die Gleichbehandlung Ungleicher keine Gerechtigkeit darstelle. Wenn ich mich einer hungrigen und einer satten Person gegenüber sehe, und ich beiden eine halbe Portion Essen gebe, ist das nicht gerecht – gerecht wäre es, der hungrigen Person alles zu geben, sodass am Ende beide satt sind. ((Ich nehme an, neoliberale Ichmenschen würden Pusch da widersprechen, aber auf neoliberale Ichmenschen zu hören, hat uns in der Vergangenheit ja nicht viel Gutes gebracht.)) Und diese „kompensatorische Gerechtigkeit“, so Pusch, können wir auch in der Sprache herstellen. Das Deutsche bevorzuge Männer an so vielen Stellen, dass die punktuelle Besserbehandlung insgesamt nicht viel mehr als ein kleiner Ausgleich wäre. Ich würde noch hinzufügen: Solange es um einzelne Satzungen und Prüfungsordnungen geht und der große Rest der Sprache nach wie vor vom generischen Maskulinum gekennzeichnet ist, ist die Sorge um die Ungleichbehandlung der Männer ohnehin verfrüht.
Das ahnt wohl auch Schlosser, und bringt ein zweites Argument: Die Uni Leipzig schade mit dieser Verwendung dem Kampf gegen die „soziale (!) Ungleichbehandlung“ (das Ausrufezeichen in Klammern stammt hier von ihm). Das Schlimmste sei dabei nicht, dass der Vorschlag „landauf, landab meist nur verhöhnt” werde (obwohl, man ahnt es, auch das irgendwie schlimm ist), sondern, weil damit der „Irrglaube“ gefestigt würde, man „könne mit der Sprache und ihren in Jahrtausenden gewachsenen inneren Strukturen nach Belieben umspringen“. Warum das ein Irrglaube sein soll, wo doch die Universität Leipzig gerade bewiesen hat, dass man mit der Sprache tatsächlich beliebig Umspringen kann, bleibt zunächst unklar, und inwiefern die sprachliche Verwirrung (wenn es sie gäbe) dem Kampf gegen Ungleichheit schade, bleibt völlig offen. Nur, dass schließlich auch „kein Engländer im Ernst daran [dächte], etwa ‚mankind‘ durch ‚womenkind‘ [sic] zu ersetzen“, erfahren wir noch. Was das beweisen soll, bleibt ebenfalls unklar. Das Wort mankind wird zwar nicht durch womankind ersetzt (das sich seit dem 13. Jahrhundert als Bezeichnung für den weiblichen Teil der Menschheit findet), dafür aber zunehmend durch das Wort humankind – ein klarer Hinweis darauf, dass das man in mankind durchaus als problematisch empfunden wird.
Drittens wiederholt Schlosser dann das zentrale Argument des oben erwähnten Hans-Martin Gauger, nämlich die Geschichte von „markierten“ und „unmarkierten“ Wörtern. Bei vielen gegensätzlichen Wortpaaren ist es so, dass eins der beiden unmarkiert ist, also eine Art Normalfall darstellt, der herangezogen wird, um neutral über ein Phänomen zu sprechen. Das Beispiel, das Schlosser hier von Gauger übernimmt, ist Tag/Nacht. Mit dem Wort Tag, so Gauger und Schlosser, können „unmarkiert die Stunden von 0 – 24 Uhr gemeint [sein], also die zugehörige Nacht einschließend, in: ‚Ich hatte vierzehn Tage Urlaub.‘“. Man könne aber „das Wort auch markiert, in Opposition zur Nacht, gebrauchen: ‚Er hat Tag und Nacht gearbeitet.‘“
Schlosser (wie vor ihm Gauger) argumentieren nun, beim „generischen Maskulinum“ sei es genauso: die maskuline Form sei unmarkiert (analog zu Tag) und deshalb natürlicherweise der Oberbegriff sowohl für die maskuline als auch für die feminine Form. Diese natürliche sprachliche Ordnung, so Schlosser, könne „nicht willkürlich aufgehoben werden.“ Man könne „also nicht ‚Nacht‘ (weil feminin und damit gut) an die Stelle des neutralen ‚Tag‘ (weil masculin [sic] und darum „sexistisch“) setzen. Genau das aber machen die Leipziger mit ‚Professorin‘.“ Nun ist das schon bei Tag/Nacht falsch: Hotels, z.B., bezeichnen 24-Stunden-Abschnitte selbstverständlich als Nacht – ich buche im Hotel „drei Nächte“ und nicht „drei Tage“, das Zimmer steht mir aber natürlich auch tagsüber zur Verfügung. Das liegt daran, dass die Nacht in Hotels der für die Bezahlung des Zimmers entscheidende Zeitraum ist – sie wird generisch, weil sie in diesem Zusammenhang wichtiger ist.
Bei generischen Maskulina kommt hinzu, dass wir hier von Menschen reden. Wenn Maskulina unmarkiert und Feminina markiert sind, dann ist das genau das, was die feministische Sprachwissenschaft kritisiert. Dass Männer sprachlich als der Normalfall dargestellt werden und Frauen als die Ausnahme, ist genau der Zustand, den die feministische Sprachplanung beseitigen will. Das generische Femininum versucht dies, in dem das Weibliche ebenso wie sonst das männliche als „unmarkierte“ Form verwendet wird, in der Hoffnung, dass sich die Markiertheitsverhältnisse durch den Gebrauch auflösen
Das zu kritisieren, indem man darauf verweist, dass das aufgrund der Markiertheit von Feminina nicht ginge, ist so, als erkläre man einer hungrigen Person, dass man ihr leider nichts zu essen geben könne, da sie dann ja satt, und somit keine hungrige Person mehr sei.
Am Ende gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder, die Markiertheitsverhältnisse lassen sich durch den Gebrauch ändern, dann kann das generische Femininum ein Weg dorthin sein. Oder, sie lassen sich nicht ändern, dann scheitert das generische Femininum eben. Aber Angst vor dem generischen Femininum brauchen nur diejenigen zu haben, die glauben, es könnte Erfolg haben, und die sich vor diesem Erfolg fürchten.
Ich finde diesen Text in meiner Unbedarftheit uneingeschränkt klasse. Wobei ich am Anfang tatsächlich schmunzeln musste (ja, ich ertapp mich selbst, ich geb es zu):
Gerade die Verfechterinnen des generischen Maskulinum (gM)Sprachwissenschaftlerinnen zu nennen, wenn mensch hinterher auflöst, dass es bei den gemeinten um zwei Männer geht, scheint (mir) in unserer aktuellen unbefriedigenden Situation wie die reinste Satire.
Wenn ich bloß mal damit aufhören könnte, mich beim gM automatischangesprochen zu fühlen …
Die “Markierung” von Personenbezeichnungen drückt sich nicht nur auf der inhaltlichen, sondern auch auf der formalen Seite ganz konkret im Motionssuffix “-in” aus. Das Generikum als Ableitung aus einem Femininum ist einfach nur absurd!
Deshalb taugen derart “markierte” Ausdrücke auch nicht als generische Bezeichnungen. In der Tat kann man diesen ganzen Spuk des “Genderns” sehr gelassen, um nicht zu sagen amüsiert bis mitleidig betrachten. Dass sich movierte Personenbezeichnungen allein schon aus Gründen der Sprachökonomie nicht durchsetzen, merken wir ja schon an den vielen “politisch korrekten” Politikern, die in schneller Rede, bei Ansprachen und in Interviews aus gedoppelten “Bürgerinnen und Bürgern”, “Wählerinnen und Wählern”, “Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern”, “Verbraucherinnen und Verbrauchern” etc. der Einfachheit halber ständig “BürgerØ und Bürger”, “WählerØ und Wähler”, “MitarbeiterØ und Mitarbeiter”, “VerbraucherØ und Verbraucher” etc. machen und das Motionssuffix dabei wieder verschlucken.
Schon mal drauf geachtet?
Danke, Anatol Stefanowitsch. Einfach nur danke. Es macht so müde, sich mit dieser Wand an Ignoranz auseinanderzusetzen: wenn Männer nichtmal bemerken, dass sie sich als Normalfall fühlen (dürfen bzw. bisher immer durften) und ihren Status völlig unreflektiert mit Händen und Füßen verteidigen.
Danke für diese Entgegnung!!!
@Gernot Back:
“In der Tat kann man diesen ganzen Spuk des “Genderns” sehr gelassen, um nicht zu sagen amüsiert bis mitleidig betrachten.”
Sie können es sich auch leisten, “gelassen” zu sein. Als Satter.
“Amüsiert bis mitleidig”? Das liest sich herablassend.
Ich muss an Marie-Antoinette denken (“Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen!”).
Schade, dass Sie nichts verstanden haben.
Eine Hungrige.
Markiertheit ist Achtziger. Hat man in der Germanistik wohl noch nicht gemerkt.
“Markiertheit” hat keine vernünftige Definition und wird dementsprechend für sehr verschiedene Dinge verwendet, und jede/r versteht etwas anderes darunter
http://www.eva.mpg.de/lingua/staff/haspelmath/pdf/Againstmarkedness.pdf
Häufig kann “unmarkiert” durch “häufiger” ersetzt werden, was Anatol ja mit Tag/Nacht und dem Hotelbeispiel sehr schön illustriert.
Die Verwendung von männlichen Formen für Gruppen, die auch Frauen einschliessen, ist also dadurch begründet, dass Männer irgendwie “häufiger” sind. Die Idee, dass Männer “häufiger” sind, ist ja genau das, was von feministischer Seite kritisiert wird.
Gibt es diese millionenfach behauptete “manipulative Macht der Sprache” wirklich?
Mir kommt es oft so vor, als würde diese bei vielen Diskussionen als gegeben angesehen, ohne dass es dafür eine wirkliche Grundlage gäbe. Meist ist man doch über eine neue Namensgebung eher amüsiert, ändert dadurch aber nicht die Meinung über das Umbenannte. Mir kam schon als ich vor Ewigkeiten “1984” gelesen hab, die angebliche Macht des Neusprech unglaubwürdig vor.
Ich hab keine Ahnung über den Stand der Forschung in dem Thema, daher interessiert mich die Antwort von Experten zum Thema.
Der Begriff der kompensatorischen Gerechtigkeit, so wie er hier beschrieben wird, soll die gleichmäßige Verteilung von offenkundiger Ungleichbehandlung begründen. Allein, dem Ziel einer gerechten weil diskriminierungsfreien Sprache kommt man auf diese Weise keinen Schritt näher. Aus der Argumentation spricht das Bewusstsein des wir-gegen-die, bei dem Sprache als Verhandlungsmasse in einem Verteilungskampf begriffen wird. Selbstverständlich hat das generische Femininum mit Gerechtigkeit nichts zu tun. Tatsächlich bin ich überrascht, dass auf dieser Ebene argumentiert wird und das generische Femininum nicht ehrlich als das betrachtet wir, was es ist: Eine angemessene Provokation, ein werben für Aufmersamkeit für die unbestritten patriarchale Prägung der deutschen Sprache. Kurz: Ein PR-Gag. Aber, bitte, nicht mehr als das.
Daran dass sich noch Menschen darüber aufregen, wenn die Sprache so gebraucht wird, dass sie auf die Absurdität eines generischen Maskulinums hinweist, erkennen wir, dass es dieser Art des bewussten Umgangs mit Sprache an dieser Stelle noch bedarf.
Ich finde ein generisches Femininum ist ebenso ungerecht (ja, tatsächlich) und ich finde auch die Sorge darum, sprachlich unsichtbar gemacht zu werden wenig unverständlich. Mich überzeugt auch ihr seltsamer Vergleich (hungrig/satt) nicht.
Ich bin sehr dafür, das generische Maskulinum durch ein generisches Femininum zu ersetzen. Ich beneide, seit ich denken kann, die Frauen darum, daß es eine eigene weibliche Form gibt. Leider wird diese Benachteiligung der Männer nirgends betrachtet. Aber ich finde es gut, daß jetzt Leute daran arbeiten, diese zu beseitigen (auch wenn sie alle trollen, und behaupten, die Benachteiligung der Frauen abbauen zu wollen).
Henning, hier ist eine Survey über linguistischen Relativismus/“Sapir Worf” allgemein:
http://userwww.service.emory.edu/~kholme2/WHwires.pdf
Ganz am Schluss heißt es:
There is evidence, however, that while language may not close doors, it may fling others wide open.
For example, language makes certain distinctions difficult to avoid when it meddles in the process of color discrimination or renders one way of construing space more natural than another. Lastly, language can sometimes build new doors. For example, language may underlie our ability to represent exact numbers and entertain false beliefs.64 Thus, language may not replace, but instead may put in place, representational systems that make certain kinds of thinking possible. Although the mechanism differs from that which Whorf originally proposed, current research suggests that language can still have a powerful influence on thought.
Ah, schön, der Vergleich mit dem Hungrigen und dem Satten und wie man das Essen gerecht verteilt fehlte mir in der Argumentation immer.
Persönlich argumentiere ich da noch etwas anders — es gibt biologische Gegebenheiten, durch die Frauen im Reproduktionsprozess stärker belastet sind, was als Scheinargument für soziale/berufliche Benachteiligungen herangezogen wird. Die Last aus dem Reproduktionsprozess auf physischer/biologischer Ebene können wir (noch?) nicht gerecht verteilen. Gerechtigkeit kriegen wir nur hin, wenn wir ihn an anderer Stelle kompensieren.
Vielleicht interessiert dich ja, wie ich als neoliberaler Ichmensch das sehe:
Ich würde dir da insofern keineswegs widersprechen, als ich die dahinterstehende Vorstellung von Gerechtigkeit für durchaus diskutabel bis sinnvoll halte, und sähe im Übrigen einem Vergleich des durch uns angerichteten Schadens mit dem durch kollektivistische Wirmenschen verursachten sehr entspannt entgegen.
Ihre Aussagen zu Geschmack, Sprachbenutzungswillen und Kritikfähigkeit gefallen mir. Dass das ein oder andere in Ihren Ausführungen durchaus polemisch interpretiert werden kann, ist sicherlich Absicht und erhöht den Unterhaltungsfaktor des Textes ungemein, sodass man ihn auch tatsächlich lesen will (leider ist das ja nicht bei allen Texten zum Thema der Fall).
Wenn ich aber Texte in diesem Zusammenhang und mit Ihrer Argumentationsrichtung lese, ergibt sich für mich häufig eine Frage, wenn nämlich aufs Englische verwiesen wird. Dieses weist eine viel längere Geschichte der Gender-Reparaturen auf (herstory; humankind, die Sie ja auch aufführen; …), es wird aber vernachlässigt, dass es nicht die feminisierten Versionen sind, die in der Sprachgemeinschaft Erfolg haben, sondern die ursprünglich grammatisch falschen: “everybody takes their jacket”, “a teacher should not forget their chalk.”, letztlich gehört Ihr ‘humankind’ hier auch her. Und das funktioniert besonders gut, weil im Englischen dem Aktantensuffix “-er” kein Geschlecht zugeordnet wird (’singer’ ist nicht maskulin). Wäre es im Deutschen nicht sinnvoller, in diese Richtung zu drängen? Etwa durch das Umändern von ‑er zum Neutrum (Kind, Mädchen, Knäblein sind ja auch n, wir können also Menschen als n bezeichnen) und so was schreiben wie “wer ist hier das Doktor?”, “die Klasse bekommt ein neues Lehrer”. Das Englische zeigt, dass es für alle gerechter geht, ohne dass mit einer Sprache allzu arg umgesprungen werden muss.
Ich bin auch der meinung, dass man mit der sprache nach belieben umspringen kann und soll. Was war, muss nicht unbedingt auch in zukunft sein. Aber abgesehen davon, neige ich Gaugers erklärung zu. «Tag» ist auch ein gutes beispiel und wird durch «nacht» nicht widerlegt. Es handelt sich ja um ein alltägliches fänomen; auch bei «klassischer musik» sind die vorklassik und die moderne manchmal mitgemeint und manchmal nicht. «Deutsch» kann sich auf unterschiedliches beziehen; manchmal bin ich als schweizer mitgemeint und manchmal nicht. Mit gerechtigkeit hat das nichts zu tun. Die tese, dass sprache ungerecht sein kann, erscheint mir so fragwürdig wie auf der andern seite die berufung auf eine «natürliche sprachliche ordnung». Überhaupt, was ist schon gerecht? Wenn ich von sportlern spreche und das geschlechtsspezifisch eingrenzen will, habe ich im einen fall eine elegante lösung («sportlerinnen») und im andern fall nicht («männliche sportler» o. ä.). Das ist eine benachteiligung der männer, die einfach immer nur mitgemeint sind … ;-).
Was sich durchsetzt, setzt sich durch. Allerdings bleibt uns das Phänomen der Windmühlen und der RitterInnen wohl noch einige Zeit erhalten.
@Sebastian: ” ‘Markiertheit’ hat keine vernünftige Definition und wird dementsprechend für sehr verschiedene Dinge verwendet, und jede/r versteht etwas anderes darunter
http://www.eva.mpg.de/lingua/staff/haspelmath/pdf/Againstmarkedness.pdf ”
Gerade aus der Lektüre des Abschnitts über “semantische Markiertheit” dieses Aufsatzes kann meines Erachtens nichts anderes gefolgert werden, als dass die Unterscheidung zwischen männlichen und weiblichen Berufsbezeichnungen zu missbilligen ist, weil sie fast immer in unzulässiger Weise diskriminiert (abgesehen vielleicht einmal von Fällen, wo ich mich aufgrund eigener Gschamigkeit als Mann vielleicht doch lieber von einem männlichen Andrologen und als Frau vielleicht doch lieber von einer weiblichen Gynäkologin untersuchen lasse). Wenn diese Unterscheidung aber in aller Regel überflüssig, ja ungerechterweise diskriminierend ist, dann bedarf es auch keines eigenen Morphems zur Kennzeichnung eines geschlechtsneutralen Ausdrucks. Der Ansatz kann also nur die komplette Abschaffung des Motionssuffixes sein, nicht dessen Ausweitung. Die erste Idee, die Luise Pusch 1984 noch in “Das Deutsche als Männersprache” vertrat, war also genau die richtige:
„Sie ist eine gute Student. Ihre Leistungen sind beachtlich, und ihre Professor ist sehr zufrieden mit ihr. Früher war sie übrigens Sekretär bei einer Architekt.“
Das StGB in “gerechter Sprache” würde ich gerne sehen. Da ist man dann nicht nur “Amtsträgerin”, sondern auch “Mörderin”, “Totschlägerin” oder — zusammengefasst — “Täterin”.
@ Martin Demba: Selbstverständlich wäre das so. Was ist ihr Punkt?
Warum Frauen jetzt auch noch eine gerechte Sprache im StGB fordern, wissen wohl nur diese selbst. Sollten Frauen eigentlich nicht dankbar sein, dass es Verbrecher und Verbrechen nur im Muskulinum gibt?!
Hmmm, wo haben Frauen jetzt “auch noch eine gerechte Sprache im StGB” gefordert? Da kann ich mich nicht dran erinnern.…..
Allerdings hat Herr Ramsauer jetzt die StVO geschlechterneutral umbauen lassen, und schon wieder schreien einige auf, wenn jetzt von “Radfahrenden” statt von “Radfahrern” die Rede ist. Also, ich als Radfahrender hab da kein Problem mit.…
Mit dem StGB ginge es genauso, wenn es denn gewollt wäre. Dabei sollte man allerdings auch bedenken, dass z.B. der § 175 StGB (“Schwulenparagraph”) immer nur auf Männer, nie auf Frauen bezogen war.
Das war allerdings reine Frauendiskriminierung: Dass zwei Männer miteinander Spaß haben können, wusste man ja. Aber dass zwei Frauen etwas, was man zu erdulden hat, auch noch freiwillig machen, ist den Männern, die das StGB geschaffen haben, nie in den Sinn gekommen.
Immerhin hat Herr Ramsauer gemerkt, dass er mit seiner Anglizismenfeindlichkeit (für die er hausintern ausgelacht wurde) gegen die Wand gelaufen ist: Man darf im BMVBS wieder “Laptop” sagen.….
Ach ja, das StGB umzuschreiben wäre gar nicht so schwierig. Dann heißt es eben “Mordend ist, wer.…” oder “Totschlagend ist, wer.…”. Der Änderungsbedarf wäre überschaubar.….. die weibliche Form wäre völlig überflüssig, wenn man das Ganze akjektiviert.….
Man könnte auch einfach Straftatbestände definieren anstelle von Straftäterinnen. Das Problem wäre umschifft und Muriel wäre auch zufriedener. Zu Recht.
@Statistiker: “Dann heißt es eben “Mordend ist, wer…” oder “Totschlagend ist,”
Gaaaaanz toll! “Täter oder Täterin” wäre dann “der oder die die Tat Begehende” oder besser “der oder die die Tat begangen Habende” bzw. “der- oder diejenige, der oder die die Tat begangen hat”.
So werden unsere Gesetze bestimmt noch viel verständlicher, als sie ohnehin schon sind, suuuper!
Herr Back, ich habe “Mordend” geschrieben.
SIE unterstellen, dies würde heißen “Täter oder Täterin” wäre dann “der oder die die Tat Begehende” oder besser “der oder die die Tat begangen Habende” bzw. “der– oder diejenige, der oder die die Tat begangen hat”.
Nun ja, wer so argumentieren will, gerne.….
Naja, Sprache und insbesondere diskriminierungsfreie Sprache ist etwas für Leute, die diskrimirierungsfreie Sprache benutzen wolen, und nicht durch Sprache diskriminieren wollen.
Merken Sie etwas?
Da Sie ja sowohl Täter als auch Täterin als auch Taterütü sein wollen, um zu diskriminieren.… machen Sie es. Sie machen sich lächerlich.
Und wenn man mal fünf Sekunden nachdenkt:
So werden unsere Gesetze bestimmt noch viel verständlicher:
“der oder die die Tat Begehende”
Wie wäre es mit es mit “Tatbegehende”. Einfach, simpel, verständlich, nicht diskriminierend. Toll, nicht?
Mir scheint der Einsatzbereich der Partizipsubstantivierungen durch diesen Vorschlag etwas überdehnt zu werden, da diese sich nicht mehr plausibel auf einen Zustand beziehen können. Während man etwa Max Goldts Einwand gegen “Studierende”, “niemand kann gleichzeitig sterben und studieren” noch getrost als Albernheit abtun kann, da man sich als Studentin auch (wie etwa in einem Beispiel von A.S.) beim Bier in der Kneipe noch im Zustand des Studierens im weiteren Sinne befindet, sehe ich nicht, wie man sich durch einen einzelnen Mord dauerhaft in den Zustand des Mordens begeben haben könnte, sofern man danach, wie es wohl die meisten Mörder tun, mit dem Morden wieder aufhört. Wer ein Semester lang BWL studiert hat, ist danach ja auch nicht noch auf unbestimmte Zeit Studierender. Unter einem Mordenden stelle ich mir somit eher einen Mordbrenner vor als einen gemeinen ‘Mörder’.
Fragwürdig ist vielmehr, aus ähnlichen Gründen, schon die Bezeichnung “Mörder” (vgl. dazu auch http://ueberschaubarerelevanz.wordpress.com/2012/03/07/mord-morder-am-ihr-wisst-schon/). Wer sich mal besoffen hat, ist nicht gleich Trinkerin, aber wer mal gemordet hat, ist auf alle Zeiten Mörderin. Diese Inkonsequenz ist durch gewisse Unterschiede in der Verwerflichkeit der Taten vielleicht erklärbar, aber ob solche impliziten Wertungen ins StGB gehören, ist fraglich. Daher mein Plädoyer dafür, Straftatbestände (und Rechtsfolgen) statt Straftäterinnen zu definieren. Also “Wer X tut, wird mit Y bestraft”
@Statistiker: “Wie wäre es mit es mit “Tatbegehende”. Einfach, simpel, verständlich, nicht diskriminierend. Toll, nicht?”
Nein, nichts von all dem: Weder einfach/simpel noch verständlich, noch [in der Zeitenfolge] zutreffend:
Als Straftäter oder Straftäterin verurteilt wird man, _nachdem man eine Tat begangen hat. Also ist für ein Gericht ein “Täter” oder eine “Täterin” immer jemand, der eine Tat begangen _hat und in den seltensten Fällen jemand, der gerade im Gerichtssaal eine Straftat begeht.
Merken Sie etwas? Sie müssten sogar die Indefinitpronomen “jemand” und “niemand” und das Interrogativpronomen “wer” abschaffen und irgendwie durch gedoppelte (k)eine/(k)einer ersetzen oder zumindest die auf sie Bezug nehmenden Relativ- und Possessivpronomen, weil es sich sonst um Frauen und Mädchen benachteiligende Maskulina handelt.
Auf diese Weise produzieren _Sie alles andere als verständliche Sprache und für mich ist es da auch keine Frage, wer sich lächerlich macht.
Sie könnten natürlich auch ganz einfach auf das Motionssuffix verzichten und “Täter”, je nach Einzelfall sowohl als Maskulinum “der Täter” als auch als Femininum Singular “die Täter” als auch als explizit geschlechtsneutrale Form “das Täter” benutzen. Für den Plural schlage ich dann die neue Form “die Täters” vor.
Das wäre dann, wenn es sich durchsetzt, wenigstens verständlich.
Oder wir lassen einfach alles beim Alten. Frauen haben damit sowieso selten ein Problem; es sind meist Männer, die sich hier verrenken.
@Gernot Back: Ist “Verständlichkeit für den Nichtfachmann” überhaupt ein Kriterium für die handwerkliche Qualität von Gesetzestexten? Da dürften sprachliche Präzision und Eindeutigkeit doch viel wichtiger sein.
Die allermeisten Nichtjuristen werden sowieso qualifizierten Beistand brauchen, um sich über die Gesetzeslage zu einem konkreten Thema zu informieren. Selbst wenn jemand einen bestimmten Passus sprachlich versteht, kann er noch lange nicht sicher sein, den Inhalt wirklich richtig erfasst zu haben (Fachsprache mit eigenen Termini, die dem Laien nicht immer als solche erkenntlich sind). Und selbst wenn, dann weiß er nicht, ob anderswo relevante Paragraphen die gerade gelesene Regelung ergänzen oder einschränken.
Der Vorwurf schlechterer Verständlichkeit für Laien scheint mir vor dem Hintergrund kein besonders stichhaltiges Argument gegen die Verwendung gerechter Sprache in Gesetzestexten zu sein.
Die Gesetzessprache ist für viele unverständlich, weil sie sich an eine unbestimmte Anzahl von Personen in einer unbestimmten Anzahl von Fällen richten muss.
Macht man sich einen Einzelfall deutlich, wird Juristerei recht einfach.….
Die geschlechtlichterneutrale Sprache macht hier nichts schwieriger oder leichter. Im Gegensatz zu den Doppelnennungen (“Der Oberbürgermeister oder die Oberbürgermeisterin oder der Bürgermeister oder die Oberbürgermeisterin”) macht eine geschlechterneutrale Sprache hier vieles leichter.….
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Ich habe hier schon oft geschrieben, dass sich Sprache schon immer dadurch ausgezeichnet hat, dass sie sich ständig verändert und eben auch verändern kann. Sie bildet das Leben und seine Umstände ab und die verändern sich eben. Wie unser Umgang mit Geschlechterfragen auch. Zum Glück. Wer sich dagegen wehrt, wehrt sich auch gegen die Veränderung der Lebensumstände. Und das glaub ich ihm nicht. Denn wer will heute schon noch so wie im Mittelalter leben?
@Martin Dembo und @Max
In solchen Fällen (Mörderinnen etc.) spräche feministische Kritik wohl wiederum von Diskriminierung und wiese darauf hin, dass laut Statistik der Anteil der Männer unter den Mörderinnen deutlich höher lege. Wie auch bei Steuerhinterzieherinnen, Unfallverursacherinnen und anderen Negativ-Begriffen. Wer sich partout diskriminiert fühlen möchte, findet auch immer eine Begründung dafür. Ob das eher eine Angelegenheit der Sprachwissenschaft, des Feminismus, der feministischen Sprachwissenschaft oder der Psychologie ist, dürfte von Fall zu Fall unterschiedlich sein.
Wer kennt sie nicht, die zahllosen Beispiele von Feministinnen, die sich über die Verwendung der weiblichen Form statt der männlichen beklagen?
Typisch.
Man weiß ja, wie die drauf sind.
@ E. Gulk: Das Feministinnen die weibliche Form von Wörtern wie Mörder/in, Täter/in usw. ablehnen, ist ein unter Maskulisten beliebter Mythos für den es keine Belege gibt. Dass Gesetzestexte in Deutschland fast ausnahmslos im generischen Maskulinum formuliert sind, liegt sicher nicht an Feministinnen, sondern an den gesetzgebenden Organen. In Gesetzeskommentaren u.ä. werden diese Formen allerdings oft in männlicher/weiblicher Beidnennung verwendet – feministischer Protest ist ausgeblieben.
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@ Anatol
Vielen Dank — ich wusste nicht, dass die Diskussion schon geführt worden ist. Beidnennungen sind sicherlich auch leichter zu akzeptieren. Da das generische Femininum in der Praxis nicht existiert, lässt sich eine Reaktion auf dessen allgemeine Verbreitung kaum voraussagen. Der Feminismus ist ähnlich zersplittert wie viele andere Radikalismen — aber auch das ist nur eine Vermutung. Besten Dank für Ihr Blog, das auf angenehme Weise zum Denken anregt.
@Muriel Ja, ich kann mir auch nicht erklären, wieso Feministinnen als verbissen gelten. Oder wie Frau Pusch es in ihrem Blog formuliert: “…Selten so gelacht. Ich habe diese „Argumente“ zwar alle schon im Jahre 1979 widerlegt, aber da Maskulinguisten sich erst neuerdings mit dem Thema befassen, ist ihnen das offenbar entgangen.….”
Sie meckern auch voll rum in England wegen dieser Mankind/humankind Sache. Angeblich hiess man in Alt-Englisch human? Deswegen ist es eigentlich nicht sexistisch, Mankind zu sagen, sagen sie. Sie meckern auch wegen stewardess/flight attendant actress/actor usw.
Ich denke, das wird nie in Literatur benutzt oder, Professorinnen für Professoren und Professorinnen? Oder? Ich kann es mir nicht vorstellen.
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Hm. Ist der Anspruch, eine Sprache müsse gegenüber allen Betroffenen “gerecht” oder “fair” sein, nicht genau die Art, wie sich “neoliberale Ich-Menschen” tradierte, gewachsene und überkomplexe Gebilde wie Sprachen wünschen? Die ganze Diskussion funktioniert nur, wenn man alle Prämissen des Liberalismus verinnerlicht hat (insbesondere den Subjektbezug von Freiheit, Gleichheit usf.).
Ästhetisches Empfinden befindet sich auf einer anderen kognitiven Ebene als der Austausch rationaler Argumente. Sprache wirkt in beiden Bereichen: warum nicht mit dieser Komplexität umgehen, statt Leuten die Gerechtigkeitskeule übern Schädel zu schlagen?
@t.h.: “Keule übern Schädel schlagen” hier im ansonsten eher seltenen Sinne von “freundlich und sachlich seine Meinung sagen”?
Waren es nicht die neoliberalen Ichmenschen, die in Europa als einzige noch keine Scheiße gebaut haben?
Du vergisst, dass wir zum Beispiel an der Finanzkrise Schuld sind. Weil zu unsere Finanzsysteme vorher ja so mordsliberal geregelt waren.
Was gerecht (oder sozial, moralisch …) ist, hängt stets von vielen Faktoren und der Perspektive, vielfach auch vom Aufwand ab. Man sehe sich die Steuer- und Abgabenpolitik an. Was ich damit sagen will: Dieses Bild ist unterste rhetorische Schublade und sollte so von niemandem guten Gewissens verwendet werden.
Ceterum censeo, morphologische Markiertheit existiert und daher ist ein -innen-Generikum bestenfalls Provokation.
@ Christoph Päper: Weil sie es sagen? Oder übersehe ich ein Argument?
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Warum eigentlich nicht eine Sprache für Männer und eine für Frauen?
Natürlich ist gegen die Doppelnennung der “Professoren und Professorinnen” nichts einzuwenden, ich finde es aber schlicht unelegant, denn es verlängert die Sprache. Ich schätze eine knappe, prägnante, direkte Sprache. Schachtelsätze schätze ich nicht; Nebensätze sollten klar abgegrenzt sein und Phrasen sollten vermieden werden, wenn sie ohne Informationsgehalt sind und den Text nur unnötig aufblähen.
Das lässt sich mit ständig wiederholter Doppelnennung nicht realisieren. Ich bin mir dabei im Klaren, dass die alleinige Nennung des Maskulins als generischer Form von zahlreichen Frauen als diskriminierend empfunden wird. Was also tun? Besser nicht diskriminieren als klar und knapp zu sprechen; besser Texte aufblähen als Frauen unterdrücken?
Vielleicht ja, ich würde diese Meinung durchaus unterstützen, sehe jedoch noch eine Alternative, die zumindest zur Diskussion gestellt werden sollte.
Vor einiger Zeit las ich einen eher schlechten Science-Fiction-Roman. Er spielte ca. 2000 Jahre in der Zukunft und die Hauptperson war eine Offizierin einer Militärorganisation. Männer und Frauen waren zu 100% gleichberechtigt. So uninteressant der von mir auf Englisch gelesene Roman insgesamt war, so enthielt er doch ein interessantes Konzept. Die absolute Gleichberechtigung zeigte sich auch in der Sprache. Männer verwendeten grundsätzlich das Maskulinum ohne auch nur eine Sekunde in erwägung zu ziehen, dass damit Frauen ausgeschlossen sein könnten, Frauen verwendeten grundsätzlich das Femininum, dabei sämtliche Männer inkludierend. Frauen fühlten sich grundsätzlich eingeschlossen, wenn ein Mann ein erkennbar generisches Maskulin verwendete, Männer fühlten sich immer eingeschlossen, wenn eine Frau ein erkennbar generisches Femininum verwendete.
Man ging sogar so weit, dass spezifische Personen, über deren Geschlecht man keine Information hat, dem eigenen Geschlecht zugeordnet werden bis zum Beweis des Gegenteils. Hierbei legte der- oder diejenige, die die Person unbekannten Geschlechtes zum ersten mal ansprach fest, welches Geschlecht sie hat und alle anderen folgten der Geschlechtsvorgabe bis zum Beweis des Gegenteils. Beispiel: Frau meldet „Die unbekannte, gegnerische Kommandantin schickt ihre Truppen.“ Ab diesem Moment wurde für den/die gegnerischen Kommandant(in) grundsätzlich und auch von allen Männern die feminine Form verwendet, bis man wusste, dass es in Wahrheit ein Mann ist. Hätte ein Mann die erste Meldung gebracht, wäre der/die gegnerische Kommandierende sprachlich als Mann behandelt worden bis zum Beweis des gegenteils.
Solange ein solches Verhalten allgemein akzeptierte Norm ist, habe ich absolut keine Probleme damit mich inkludiert zu fühlen, wenn Kollegin Frau Schmitz eine Rundmail mit den Worten “Liebe Kolleginnen” beginnt und ich darauf mit “Hallo Kollegen” antworten darf ohne dass Frau Schmitz sich ausgeschlossen fühlt.
Daher: Was spricht dagegen, wenn alle Frauen das generische Feminin verwenden und damit auch Männer einschließen und alle Männer das generische Maskulin verwenden, dabei die Frauen einbeziehend? Es würde den Sexismus der deutschen Sprache fast vollständig aufheben und die Sprache dennoch kurz, knapp, bündig halten.
Ä mänlicher Fahrer
Ä weibliche Fahrer
Fahrerin als weibliche Form gibt es nicht mehr!
Ä männliche Amme
Ä weibliche Amme
Ammer als männliche Form gibt es nicht mehr!
Ä weibliche Beamter
Ä männlicher Beamter
Männliche und weibliche Beamten
Das Ä hab ich mir mal aus nem deutschen Dialekt geklaut, könnte aber auch das A aus dem englischen sein.
Das klingt alles sehr scheiße, aber immernoch weniger scheiße als die anderen Quärkinnen.
Da hat doch einer ne Sprache erfunden wie heißt die noch gleich? Esperanto! Genau, wieso machen die Sprachforscher nicht mal was. Arbeiten mal aus, was man machen kann. Eine Lösung die möglichst nichts kaputt macht und nichts verkompliziert aber das Ziel der Gleichberechtigung im Sinne des harmonischen Miteinanders erfüllt.
@ Bialar Crais
Männliche Amme?
@Bialar Crais: Tasächlich hat auch Esperanto im Singular keine neutrale Form, sondern markiert die weibliche durch anhängen von -in-:
la sinjoro – der Herr; la sinjorino – die Dame.
Nur im Plural gibt es alle drei Formen:
la sinjoroj – die Herren; la sinjorinoj – die Damen; la gesinjoroj – die Damen und/oder Herren.
(Ein Treppenwitz ist, dass aus fraulino – dem Fräulein, der unverheirateten Frau – durch streichen des -in- der Junggeselle fraulo wird.)
@Thorsten: „Warum eigentlich nicht eine Sprache für Männer und eine für Frauen?“
Weil es eine noch stärkere Trennung der Geschlechter ergeben würde, statt eine größere Gemeinsamkeit und Überwindung der Geschlechtergrenzen. Ganz zu schweigen von den Menschen, die sich in ihrem jeweiligen „äußerlichem“ Geschlecht nicht oder nicht ausschließlich zu Hause fühlen.