Im Zenit der Macht

Von Anatol Stefanowitsch

Merkel sei am (oder im oder auf dem) Zen­it ihrer (oder der) Macht, berichtet die deutsche Presse ein­mütig. Ein paar der vie­len Beispiele:

  1. Angela Merkel ste­ht im Zen­it ihrer Macht. (Tagesspiegel)
  2. Merkel ist jet­zt auf dem Zen­it ihrer Macht (Focus)
  3. Angela Merkels größter Erfolg: Bun­deskan­z­lerin auf Zen­it ihrer Macht (Rhein Zeitung)
  4. Die alte und wohl auch neue Kan­z­lerin ste­ht im Zen­it ihrer Macht. (Spiegel Online)
  5. Während François Hol­lande ger­ade mit nur noch 23 Prozent Zus­tim­mung in der jüng­sten Umfrage einen Tief­punkt erre­icht habe, ste­he die Bun­deskan­z­lerin im Zen­it ihrer Macht. (Die WELT)
  6. Merki­avel­li am Zen­it der Macht (Wiener Zeitung)


Man will damit wohl sagen, dass sie mehr Macht hat als je zuvor. Das mag stim­men, oder auch nicht – die näch­sten Tage wer­den es zeigen. Aber ein Blick in den Duden zeigt, dass es streng genom­men natür­lich etwas anderes heißt – näm­lich, dass sie am höch­sten Punkt ihrer Lauf­bahn ist. Dass es ab jet­zt also nur noch abwärts gehen kann, qua­si dem Merkelun­ter­gang ent­ge­gen. Und auch das kön­nte natür­lich – wenig­stens the­o­retisch – schneller wahr wer­den als gedacht (wenn die Grü­nen und die SPD stand­haft bleiben). Und schließlich bedeutet im Zen­it sein auch noch, sich auf ein­er Lauf­bahn senkrecht über den Beobach­t­en­den (also uns) zu befind­en – das totale Oben zu unserem Unten. Auch das, hat man das Gefühl, ist nicht ganz von der Hand zu weisen.

Aber wir im Sprachlog sind die let­zten, die irgend­je­man­dem – und schon gar nicht der Qual­ität­s­presse – vorschreiben, was sie mit dieser oder son­st ein­er Redewen­dung zu meinen haben. Worte bedeuten das, wovon die Sprachge­mein­schaft glaubt, dass sie es bedeuten. Auch die Vari­a­tion zwis­chen den Prä­po­si­tio­nen imam und auf inter­essiert uns zumin­d­est heute nicht. Stattdessen fra­gen wir uns, warum alle Medi­en auf ein­mal auf diese For­mulierung kommen.

Die Antwort drängt sich auf: Weil sie voneinan­der abschreiben. Was die Frage nach sich zieht, wer mit der Redewen­dung ange­fan­gen hat. Wir kön­nen es nicht mit Sicher­heit sagen, aber nach unseren Recherchen ist der Zen­it der Macht gar nicht durch Merkels knapp ver­passte, son­dern schon let­zte Woche durch Horst See­hofers tat­säch­liche absolute Mehrheit in aller Munde gelangt. „See­hofer ist damit auf dem Zen­it sein­er Macht“, schrieb Spiegel Online da.

Am gestri­gen Wahlabend schrieb die Berlin­er Mor­gen­post dann über See­hofer und Merkel: „Die Union hat nun zwei Parte­ichefs auf dem Zen­it ihrer Macht“.

Und dann schrieben es alle, ließen See­hofer dabei aber weit­ge­hend unter den Tisch fall­en und Merkel damit als ein­sames Zen­tralge­stirn hoch über unseren Köpfen hängen.

8 Gedanken zu „Im Zenit der Macht

  1. Muriel

    Würde nicht die unter­schiedliche Am-Im-Auf-For­mulierung eher gegen Abschreiben sprechen und ten­den­ziell dafür, dass es vielle­icht eher eine gemein­same Idee ist? Oder so?

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  2. Antipattern

    Man kön­nte es “abschreiben” nen­nen, oder auch “lex­i­cal align­ment”, oder von mem­o­ry bot­tle necks sprechen… eine schon­mal benutzte Phrase ist leichter zu benutzen und zu ver­ste­hen, als eine neue, inno­v­a­tive. Für leicht zugängliche und neue dage­gen gibt es zu viele Presse­or­gane die zur gle­ichen Zeit das gle­iche Schreiben müssen, und deren Schreiber­linge nicht genug Geld + Zeit für sprach­liche Inno­va­tio­nen haben. 

    Am Ende ist auch das Abschreiben und Nach­plap­pern wichtiger Teil der Kon­struk­tion ein­er gemein­samen Sprache, in der es sowohl darauf ankommt, Wörter und Redewen­dun­gen zu benutzen, deren Ver­wen­dung allen Adres­san­ten bekan­nt ist, also auch neue, nicht abgenutzte For­mulierun­gen zu benutzen. 

    Man nehme es mit Gelassenheit 😉

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  3. Daniel

    …dass es vielle­icht eher eine gemein­same Idee ist?”

    Das klingt ja schon fast nach Ver­schwörung… Ich glaube, du hast das mit dem Abschreiben zu wörtlich genom­men. Die Jour­nal­is­ten haben ein­fach gese­hen, dass da ein­er ein cooles Wort gebraucht, das sie vielle­icht noch gar nicht ken­nen, und dann denken sie: “Muss ich auch gebrauchen, son­st bin ich nicht cool”. Ich warte darauf, dass ein­er schreibt “XY befind­et sich im Nadir” und so eine Welle los tritt (hab ich jet­zt das ger­ade getan??).

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  4. Susanne

    Kann man sich als Jour­nal­ist nicht kurz informieren, wenn man sich nicht sich­er ist, welche Prä­po­si­tion zu ver­wen­den ist? Da war wieder mal die Begeis­terung über die “tolle” Redewen­dung so groß, dass es für den Rest nicht mehr gere­icht hat…

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  5. Pingback: Umleitung: Herbstdiät, Informatik, Medienkultur … und morgen Heinrich Lübke. | zoom

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