Für Unentschlossene bietet das Sprachlog zur heutigen Bundestagswahl eine allerletzte Entscheidungshilfe. Für jede Partei, die in den Umfragen über 2 Prozent liegt, haben wir mittels quantitativer korpuslinguistischer Verfahren (einer distinktiven Kollexemanalyse, für diejenigen, die es genau wissen wollen) ermittelt, welche Wörter in ihrem Wahlprogramm häufiger vorkommen als in allen Wahlprogrammen zusammen. Das ist interessanter, als einfach für jedes Wahlprogramm die häufigsten Wörter zu ermitteln, weil wir auf unserem Weg für jede Partei besonders die Unterschiede zu allen anderen Parteien, also das, was sie besonders macht, herausfinden.
Wir präsentieren hier kommentarlos die Top 10 jeder Partei, wobei wir den jeweils eigenen Parteinamen und Teile davon, Funktionswörter (Präpositionen, Pronomen usw.) und Eigennamen sowie das Wort Wahlprogramm und seine Synonyme weggelassen haben.
CDU/CSU
- ERFOLGREICH
- LAND
- GEMEINSAM
- LANDES
- ZUGLEICH
- ZUSAMMENARBEIT
- ROT/GRÜN
- HEIMAT
- DEUTSCHE
- BESSER
SPD
- ARBEITNEHMERINNEN
- BÜRGERKONVENT
- FDP
- AUFWACHSEN
- JUGENDPOLITIK
- INTEGRIERTE
- PROZENT
- GERECHTIGKEIT
- SOZIAL
- GERECHTE
GRÜNE
- TEILHABEN
- EINMISCHEN
- ZEIT
- WIRTSCHAFTEN
- FRAUEN
- BRAUCHT
- URHEBERINNEN
- WANDEL
- ENDLICH
- HEISST
- GUTER
DIE LINKE
- BESCHÄFTIGTEN
- ÖFFENTLICHE
- DASEINSVORSORGE
- REICHTUM
- LÖHNE
- EURO
- GEWERKSCHAFTEN
- ABGESCHAFFT
- ÖFFENTLICHEN
- ARMUT
FDP
- TRETEN
- CHANCEN
- FREIHEIT
- ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
- WEG
- BÜROKRATIE
- WACHSTUM
- MARKTWIRTSCHAFT
- STABILITÄTSUNION
- LIBERALER
PIRATEN
- SETZT
- FORDERT
- ABSCHAFFUNG
- GRUNDEINKOMMEN
- RECHTSPOLITIK
- PSYCHIATRISCHEN
- STÖRUNGEN
- PERSONEN
- SOZIALES
- DAHER
AFD
- MEINUNGEN
- VOLK
- WIEDEREINFÜHRUNG
- EUROKRISE
- ZUWANDERUNG
- PARTEIEN
- VERTRÄGE
- ABZUBAUEN
- ENTSCHULDET
- FAMILIENFREUNDLICHER
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“Treten” bei der FDP gefällt mir gut.
Hmm, unser Wahlprogramm heißt “Zeit für den grünen Wandel” — sicher, dass da nicht die laufende Fuß- oder Kopfzeile die Statistik verfälscht.
Beeinflusst, offensichtlich. Verfälscht, hm. Ihr habt es doch freiwillig so genannt und das auf jeder zweiten Seite oben hingeschrieben.
Aber gut, hier für die Grünen noch die nächsten zehn Wörter von der Liste:
Die CDU hat auch eine Kopfzeile, deshalb auch hier noch die nächsten paar Plätze:
FDP –> Treten. Klasse, das passt. Kann das sein, dass die abtrennbaren Verbpräfixe nicht erkannt werden: also eigentlich ‘(die Tür) (zur Fünfprozentmmarke) eintreten’ ?
Genau, das ist rein wortformgestützt, d.h. Verbpartikeln werden nicht mit dem Stamm erfasst, wenn sie orthografisch keine Einheit mit ihm bilden.
Danke für den Überblick! Auch wenn man die eigene Wahl natürlich nicht ausschließlich von solchen Analysen abhängig machen sollte, ist es doch spannend, sich die Ergebnisse anzugucken. Joachim Scharloth ist noch weiter gegangen und hat die semantische Nähe einiger Parteiprogramme zueinander berechnet: http://www.polittrend.de/polittrend.de/politik/blog/?p=421
Hier auch eine visualisierte Version. Jedoch mit abweichenden Ergebnissen 🙂
http://bennika.com/wahl.html
Die verlinkten Ergebnisse visualisieren die Häufigkeit der Wörter im jeweiligen Wahlprogramm. Das ist, wie ich ja geschrieben habe, eben nicht das, was die oben präsentierten Listen zeigen.
🙂
Äh … nein. Bzw. nur dann, wenn die Wörter, die eine Partei häufig nutzt, auch ein hohes Gewicht innerhalb des Wahlprogramms dieser Partei hat. Relativ häufige, aber absolut seltene Wörter zeigen z.B. nur, daß das betreffene Wort für die jeweilige Partei keine große Bedeutung hat.
Ist übrigens auch in der Markt- und Meinungsforschung ein sehr häufiger Denkfehler.
Nein, Wörter, die im Wahlprogramm Partei X signifikant häufiger auftreten als in den Wahlprogrammen aller Parteien zusammengenommen, sind Wörter, die von Partei X häufiger gebraucht werden als von den anderen Parteien. Also die Wörter, die sie von den anderen Parteien unterscheiden. Ist wirklich so.
Wird eigentlich die Gross-/Kleinschreibung unterschieden zB bei WEG? Also zB “Ich bin dann mal weg” vs. “Der Weg in die Freiheit”.
Interessanter Link zu Scharloth. Überraschend ist, dass die CDU weit weg von der SPD ist, die SPD aber doch recht nahe an der CDU (??) und weit entfernt von der Linken.
Nein, da habe ich hier nicht unterschieden, ich habe alles in Großbuchstaben umgewandelt.
Das ist wirklich interessant, auch wenn die Wahl schon vorbei ist. Allerdings überrascht mich keine der Wörterlisten besonders. Ich finde, sie passen alle sehr gut zu dem Bild, das ich von den Parteien habe…
Da die Untersuchung auf Wortformen basiert – und mehr kann man für einen Blogbeitrag auch nicht erwarten –, würde ich sie nicht guten Gewissens „Kollexemanalyse“ nennen.
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