Warum Menschen, die keine Ahnung von Sprache haben, sich ausgerechnet zu einem Verein zusammenschließen, dem es um Sprache gehen soll, werde ich wohl nie verstehen. Aber wenn ich so einen Verein hätte, würde ich es genau wie der Verein Deutsche Sprache machen, und mich darauf beschränken, anderer Leute Sprachgebrauch zu kritisieren. Denn die sind dann vielleicht so beschäftigt damit, sich gegen die Kritik zu verwahren, dass sie gar nicht nachfragen, worauf diese sich eigentlich gründet.
Ob das bei der DUDEN-Redaktion funktioniert, die vom VDS gerade zum Sprachpanscher des Jahres ernannt wurde, bleibt abzuwarten – die Redaktion des Wörterbuchs ist nicht gerade für eine sehr aktive Öffentlichkeitsarbeit bekannt (der letzte Tweet der Pressestelle stammt vom 4. April 2013, die letzte Pressemeldung von Anfang Juli). Aber wenn sie sich äußert, dann hat der VDS ihr mit der Begründung zur Sprachpanscher-Wahl eine Steilvorlage geliefert, anhand derer sie die Funktionsweise eines modernen Wörterbuchs erklären könnte:
Wie kaum eine andere Organisation trage der Duden seit Jahren dazu bei, dass sich sprachliches Imponiergehabe im Glanze einer quasi amtlichen Zustimmung sonnen dürfe.
Tatsächlich ist es nicht die Funktion des Dudens, irgendeinem Aspekt des Sprachgebrauchs – imponiergehabend oder nicht – seine Zustimmung – quasi amtlich oder nicht – zu geben. Es ist die Funktion des Dudens, Wörter zu enthalten, die die Mitglieder der Sprachgemeinschaft entweder verwenden und deren Schreibweise sie deshalb nachschlagen wollen, oder die sie nicht kennen und deren Bedeutung sie gerne wüssten.
„Wer in einem Wörterbuch der deutschen Sprache als Ersatz für Fußball den lächerlichen Angeber-Anglizismus ‚Soccer’ vorschlägt, hat es nicht besser verdient“, begründete der Vereinsvorsitzende Walter Krämer diese Negativauszeichnung.
Der Duden schlägt Soccer natürlich nicht als Ersatz für irgendetwas vor. Er nennt nur die Schreibweise des Wortes – die ja durchaus merkwürdig und deshalb nachschlagenswert ist – und erklärt, dass es sich um eine „amerikanische Bezeichnung für: Fußball“ handele. Für eine amerikanische Bezeichnung, nicht für einen Ersatz. Das Wort Fußball hat selbstverständlich einen eigenen, sehr ausführlichen Eintrag.
„Wo bleiben der Nachsteller – statt ‚Stalker’, der Netzhandel – statt ‚E‑Business’ – oder der Klapprechner, der immerhin über 34.000 Treffer bei Google aufweist?“
Ja, wo bleiben die? Nun, da diese Wörter Erfindungen des Vereins Deutscher Sprache und anderer Sprachnörgler sind, bleiben die, wo sie hingehören: Auf Wörterlisten, auf denen der Verein Deutsche Sprache seine erfundenen Wörter dokumentiert. Das Wort Klapprechner mag über 34 000 Google-Treffer haben, aber gefühlte 33 999 davon stammen aus Zusammenhängen, in denen jemand anmahnt, man solle statt Laptop doch bitte „Klapprechner“ sagen.
Nach seinen eigenen Grundsätzen, nämlich ohne weitere Wertung alle Wörter aufzunehmen, die hinreichend oft in der deutschen Sprache vorkommen, müssten auch diese Wörter im Duden stehen.
Selbst, wenn es der Grundsatz des Dudens wäre, „ohne weitere Wertung alle Wörter aufzunehmen, die hinreichend oft in der deutschen Sprache vorkommen“, müssten diese Wörter natürlich nicht im Duden stehen, denn sie kommen nur dann hinreichend oft vor, wenn „hinreichend“ als „ab und zu, und hauptsächlich auf den Webseiten von Sprachnörglern, Spaßvögeln und Deutschtümlern“ bedeutet.
Das an sich schon angreifbare ‚System Duden‘ widerlege sich damit selbst.
Es gibt kein „System Duden“. Der Duden ist ein Wörterbuch. Was sich hier selbst widerlegt, ist die Vorstellung, Menschen, die keine Ahnung von Sprache haben, könnten etwas Interessantes über Sprache sagen. ((Wie der ein anonymer Plagiatsjäger der Wortistiker Detlef Guertler aufgedeckt hat, weist die Überschrift dieses Beitrags eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Tweet eines gewissen „ennomane“ auf. Hierzu stelle ich folgendes fest: „Meine von mir verfasste Überschrift ist kein Plagiat, und den Vorwurf weise ich mit allem Nachdruck von mir. Sie ist über etwa sieben Minuten neben meiner Berufs- und Bloggertätigkeit als junger Familienvater in mühevollster Kleinarbeit entstanden und sie enthält fraglos Fehler. Und sollte sich jemand hierdurch oder durch unkorrektes Setzen und Zitieren oder versäumtes Setzen von Fußnoten bei insgesamt 1.300 Tweets und 475 Blogbeiträgen verletzt fühlen, so tut mir das aufrichtig leid. Ich werde gerne bis zum Ergebnis einer umfassenden Prüfung vorübergehend, ich betone, vorübergehend auf das Führen des Titels „Witzigster Überschriftentexter des Landes“ verzichten — allerdings nur bis dahin. Anschließend werde ich ihn wieder führen.“))
Meines Wissens besteht die “Duden-Redaktion” aus einer Person, eben dem verdienstvollen Herrn Scholze-Stubenrecht. Das er kein Netzwerk der öffentlichkeitsarbeit unterhält, kann ich nachvollziehen. Seine im KStA abgedruckte Stellungnahme gefällt mir aber sehr gut.
Sehr unterhaltsamer Beitrag, habe schon darauf gewartet.
Tragischerweise sind in dem Verein ja durchaus auch Leute, deren wissenschaftliche Qualifikation (bis zur Habil.) unzweifelhaft im Bereich Sprachwissenschaft/Germanistik liegt.
Ich finde, man muss auch mal die kreativen Beiträge, die dieser Verein zur deutschen Sprache leistet, würdigen. Absurd? Ja — aber dafür doch umso schöner. Ich werde mich mal bemühen, in Zukunft “Klapprechner” zu sagen- um mich der überraschten Gesichtsausdrücke meiner Gesprächspartnerinnen zu freuen. Und die Vorstellung, die das Wort vermittelt, nämlich bei mir das klappende Zuschlagen des (ähm) Laptops bzw. das Rechnen mit Klappen als Hilfestellung… auch recht unterhaltsam.
tagesschau.de zum selben Thema:
http://www.tagesschau.de/schlusslicht/sprachpanscher102.html
“Was sich hier selbst widerlegt, ist die Vorstellung, Menschen, die keine Ahnung von Sprache haben, könnten etwas Interessantes über Sprache sagen.” Sehr selbstbewusst geschrieben, um das mindeste zu sagen.
Schade, dass die Anzahl von 34’000 Treffern für Klapprechner nicht hinterfragt wurde. Wenn man etwas mit der URL spielt, heisst es auf einmal: “Seite 41 von ungefähr 397 Ergebnissen (0.45 Sekunden)” und etwas weiter unten: “Damit Sie nur die relevantesten Ergebnisse erhalten, wurden einige Einträge ausgelassen, die den 406 angezeigten Treffern sehr ähnlich sind.”
Jetzt fragt sich natürlich, was mit “sehr ähnlich” gemeint ist. Die Anzahl Googletreffer muss man immer hinterfragen. Es ist leicht möglich, dass schnell nur noch ein Prozent übrig bleibt.
Also einen “Klapprechner” gibt es auch abseits der Sprachnörgler. Das ist einfach ein Taschen- oder Tischrechner mit einer Klappe!
Also so was hier (ohne den empfehlen zu wollen): http://www.druckerpatronencenter.de/catalog/product_info.php/ppath/8_7851/products_id/10918
Mit einem “Rechner” verbinde ich auch eher den Taschen-/Tischrechner als einen Computer.
Um der Klapprechner-Googleology etwas Lächerlichkeit zu verleihen, hab ich mal das COW-Korpus durchsucht:
Laptop: 44.108
Notebook: 36.469
Klapprechner: 135
Das sind so um und π mal Daumen 0,2%.
Im Deutschen Referenzkorpus sieht es ähnlich aus: 21299 Treffer für Laptop(s), 10938 für Notebook(s) und 123 für Klapprechner(s), wobei knapp die Hälfte der Treffer für Klapprechner (nämlich 54) von Diskussionsseiten der Wikipedia stammen, auf der diskutiert wird, ob und wie das Wort in die Wikipedia gehört. Von den übrigen Treffern sind, großzügig gezählt, 16 tatsächliche Verwendungen, der Rest stammt aus Diskussionen um Sprachkritik und die Eindeutschung von Anglizismen.
Ich denke also, die Duden-Redaktion kann noch etwas warten, bevor das Wort ins Wörterbuch aufgenommen wird.
Die Funktion des Dudens ist es, Geld für den Verlag zu generieren.
@ Thomas: Danke für diese tiefsinnige Kapitalismuskritik. Nur lässt sich aus der Tatsache, dass der Duden Geld für seinen Verlag verdienen soll, nichts über das Verhalten der Redaktion in lexikografischen Fragen ableiten. Aus der Tatsache, dass der Duden ein modernes deskriptives Wörterbuch ist, aber schon.
Bei Google-Trefferzahlen unbedingt immer einige Seiten durchblättern! Diese Zahlen sind gröbste Schätzungen, die erst beim weiterklicken nach und nach verfeinert werden.
Allerdings frage ich mich schon,warum “soccer”, ein amerikanisches Wort, nicht im Fremdwörterbuch steht sondern im DUDEN?!
panschen: von französisch “panacher”, vermischen…
offensichtlich bezieht sich der vorwurf mehr auf die herkunft des lehnwortes, nicht auf das panaschieren selbst.
.~.
“soccer” steht nicht im Duden, sondern “Soccer”. Wenn es im Deutschen gebraucht wird, dann ist es genauso ein deutsches Wort wie “Computer”, “Journalist” oder “Risotto”. Ich finde es aber auch etwas überraschend, dass es in den Duden aufgenommen wurde. Ich kann mich nicht erinnern, das jemals auf Deutsch in einem fussballerischen Kontext gesehen oder gehört zu haben.
Der Kontext für Soccer dürften die ‘Soccer Moms’ sein. Fällt allerdings inzwischen unter den Begriff ‘Helicopter Parenting’. Im Deutschen inzwischen nicht mehr unbekannt.
Ich kenne “Soccer” vor allem in Komposita, die Fußball-Hallen (“Soccer-Halle”, Soccer-Arena”) oder Hallenfußballvereine (“Soccer-Club”) bezeichnen.
So, habe mal “Klapprechner” aus der Seite entfernt und einen Löschantrag für die Weiterleitungsseite “Klapprechner” gestellt. Mal schauen, was passiert.
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“…weist die Überschrift dieses Beitrags eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Tweet…”
IST die Ähnlichkeit entfernt oder WURDE sie entfernt? Scherz beiseite, sooo entfernt ist die Ähnlichkeit jetzt aber nicht…
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Der von Klaus am 2. September 2013 um 17:25 gepostete Link ist auch der einzige Treffer, den ich mal bei einer Suche auf den Seiten eines Computerhändlers gefunden hab.
Ansonsten sind die Googletreffer zu 99 %
— Ramsauer
— VDS & Konsorten
— Tags von Computerhändlern.
Übrigens ist selbst Ramsauer zurückgerudert, im BMVBS darf man wieder “Laptop” sagen…
Haben die in diesem Verein nix besseres zu tun, z. B. Wald putzen oder Flußufer sauber machen oder Krötentunnel buddeln? Schön, dass dieses Land keine anderen Probleme? Ach ja, hat nicht Ramsauers CSU das Bonmot von den Lederhosen und den Laptops zumindest verbreitet.
@Daniel: Zumindest für Sport-Laien muss man hierzulande häufiger mal den Unterschied zwischen dem amerikanischen “Football” und dem unserem “Fußball” entsprechenden “Soccer” erläutern, sonst bleibt der Laie ratlos vorm Fernseher zurück, wenn ein US-Footballer das nicht-runde Ei mit der Hand spielt;-)
Zu Soccer: Etwas Rumgegoogele bringt insbesondere verhältnismäßig häufige Treffer für “Beach Soccer”, “Street Soccer” und auch “Indoor Soccer”, die offensichtlich so neben Strandfußball, Straßenfußball und Hallenfußball im Deutschen verwendet werden. Der Straßenfußball wird von der “Deutschen Soccer Liga e.V.” vertreten.
Es ist wohl unstrittig, dass der VDS ein Haufen bornierter Sprachnörgler ist, aber unter der Rubrik “blindes Huhn findet Korn” könnte man anführen, dass der zweite von ihnen verlihene Platz für Schäuble für die unmotivierte Verwendung seiner unverständlchen Version von Englisch in der Öffentlichkeit und seiner Missachtung der Dolmetscher berechtigt ist. Es sagen dies nur die falschen, leider. Da sie sich mit dem ersten Platz gründlich diskreditiert haben, bemerkt das keiner.
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“Soccer” ist kein amerikanischer Ausdruck, sondern stammt aus der Frühzeit des Fußballs in England, als sich Fußball gerade erst von Rugby zu unterscheiden begann. Im seinerzeitigen Jugendslang unterschied man dann zwischen “rugger” = Fußball nach Rugby-Regeln und “soccer” = Fußball nach Association-Regeln (von Football Association, FA).
Nimmt den VDS noch jemand ernst? Gucksdu http://www.schoeneres-leben.de/2013/09/vds-wahlt-sich-selbst-duden-sprachpanscher.html
Aha, jetzt gehts wieder. Kleine Frage am Rande: Ein Journalist des Kölner Stadtanzünders hat geschrieben, Krämer hätte mit der Bezeichnung “Fuzzis” selber einen Anglizismus benutzt. Geht der Ausdruck wirklich auf die alte Western-Serie zurück?
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Anscheinend versucht die Dudenredaktion, die VDS-Kritik dadurch zu unterlaufen, dass sie sich auf VDS-Niveau begibt.
Aus dem Newsletter der Duden-Sprachberatung vom 7. Oktober 2013:
“Was Public Viewing wirklich heißt
…
Recht skurril ist auch der Begriff Public Viewing, der das öffentliche „Rudelgucken“ von Liveübertragungen eines Ereignisses auf Großleinwänden im Freien bezeichnet. Im amerikanischen Englisch versteht man unter public viewing die öffentliche Aufbahrung eines Toten.
Auch schön: Bodybag, ein in der Sportbranche entstandenes Synonym für Rucksäcke oder Umhängetaschen. Im Englischen ist ein body bag ein Leichensack, den man sich doch eher ungern auf den Rücken schnallen würde.”
Jahrelange Aufklärungsarbeit für die Katz …
”
Ich denke schon länger, der Duden ist über den Hai gesprungen.
@Rayy: haben Sie den Newsletter noch vorliegen? Der ist leider nicht archiviert, würde mich aber interessieren.