In unserem Lektüretipp vom Dienstag ging es unter anderem um einen Beitrag, in dem der Sprachwissenschaftler André Meinunger die eigenwillige These vertritt, dass das generische Maskulinum ((Also die Verwendung maskuliner Formen für gemischte Gruppen (In meiner Vorlesung sitzen 300 Studenten) oder abstrakte Kategorien (In meiner Sprechstunde waren heute keine Studenten).)) keine Ungerechtigkeit gegenüber Frauen darstelle, da ihm im Plural ein generisches Femininum gegenüber stehe. Der Kern seiner Argumentation geht so:
Das Deutsche ist so gerecht und frauenfreundlich, wie es mehr eigentlich gar nicht geht. Die Pluralform ist die weibliche. Wir sagen so selbstverständlich „sie“, dass es gar nicht auffällt. Rein synchron, also auf den gegenwärtigen Sprachzustand bezogen, und formal, also auf die äußerlich sichtbare Erscheinung bezogen, ist das Pluralpronomen identisch mit der weiblichen Singularform. Also: Selbst wenn eine reine Männergruppe schießt oder alle Männer schwitzen, heißt es „sie schießen“ oder „sie schwitzen“. … Und das bedeutet, wir haben im Deutschen sehr wohl schon lange und vollkommen unentdeckt ein generisches Femininum. Dieses macht sich im Plural deutlich – und ist dabei aber scheinbar so undeutlich, dass es entweder niemand bemerkt hat oder wissentlich verschwiegen wird. Die deutsche Sprache ist also sehr gerecht. Im Singular scheint es eine Art generisches Maskulinum zu geben, im Plural ein feminines. Der Plural heißt “sie”. Und auch im Substantivbereich ist der Artikel für die Mehrzahl formgleich mit dem femininen Artikel: “die”. ((Meinunger, André (2013). Wie sexistisch ist die deutsche Sprache? Die WELT, 7. Juli 2013.))
Die Sprachwissenschaftlerin Luise Pusch antwortet in ihrem Blog ausführlich auf Meinungers Argumentation und zeigt, dass der Plural im Deutschen keineswegs ein Femininum ist, auch wenn Pronomen und Artikel im Plural und im Femininum Singular gleich aussehen. Ihre Argumentation will ich hier nicht wiederholen, wer ihren Artikel noch nicht gelesen hat, sollte das jetzt tun und dann zurückkommen.
Wieder da? Gut. Denn in einem Punkt geht Luise Pusch übermäßig milde mit Meinungers Argumentation um: Sie gesteht ihm zu, dass sie „der Form nach weiblich ist“ und zeigt dann, dass es in der Funktion klare Unterschiede gibt. Tatsächlich sind aber weder das Pronomen sie noch der Artikel die der Form nach weiblich: Meinungers Argumentation bricht schon an diesem Punkt zusammen.
Das Deutsche ist nämlich eine fusionale Sprache, bei der (vor allem bei grammatischen Morphemen wie Artikeln, Pronomen, Suffixen) kein Eins-zu-Eins-Verhältnis zwischen Form und Funktion besteht, sodass Pronomen und Artikel für sich genommen nur in Ausnahmefällen eindeutig auf ein bestimmtes Genus (grammatisches Geschlecht) hinweisen. Pusch deutet das kurz an, als sie darauf hinweist, dass Mutter in dem Satz Gib der Mutter einen Kuss nicht plötzlich zum Maskulinum wird, konzentriert sich dann aber auf andere Aspekte des Problems.
Um zu erkennen, dass Pronomen und Artikel für sich genommen meistens keinen eindeutigen Rückschluss auf das grammatische Geschlecht eines Wortes zulassen, müssen wir sie im Gesamtzusammenhang des Sprachsystems betrachten, in dem sie nicht nur Genus, sondern außerdem noch Kasus (Fall) und Numerus (Einzahl/Mehrzahl) signalisieren. Tabelle 1 zeigt die Personalpronomen, Tabelle 2 die Artikel.
SINGULAR | PLURAL | |||
MASK. | NEUT. | FEM. | M/N/F | |
NOMINATIV | er | es | sie | sie |
DATIV | ihm | ihm | ihr | ihnen |
AKKUSATIV | ihn | es | sie | sie |
GENITIV | seiner | seiner | ihrer | ihrer |
SINGULAR | PLURAL | |||
MASK. | NEUT. | FEM. | M/N/F | |
NOMINATIV | der Mann | das Kind | die Frau | die Leute |
DATIV | dem Mann(e) | dem Kind(e) | der Frau | den Leuten |
AKKUSATIV | den Mann | das Kind | die Frau | die Leute |
GENITIV | des Mannes | des Kindes | der Frau | der Leute |
Es wird sofort deutlich, dass es nur einen Artikel gibt, der für sich genommen eine eindeutige Zuordnung zu einem Genus erlaubt: das, das für die Kombinationen [NEUTRUM + SINGULAR + NOMINATIV] und [NEUTRUM + SINGULAR + AKKUSATIV] steht. Bei den Pronomen sieht es etwas besser aus: er findet sich nur bei der Kombination MASKULINUM + SINGULAR + NOMINATIV], ihn findet sich nur bei [MASKULINUM + SINGULAR + AKKUSATIV] und es findet sich nur bei [NEUTRUM + SINGULAR + NOMINATIV] und [NEUTRUM + SINGULAR + AKKUSATIV]. Alle anderen Pronomen/Artikel tauchen je nach Kasus und Numerus bei verschiedenen grammatischen Geschlechtern auf, sind also nicht eindeutig zuzuordnen. Der Artikel der, zum Beispiel, kann für sechs verschiedene Kombinationen von Genus, Numerus und Kasus stehen:
- MASKULINUM + SINGULAR + NOMINATIV
- FEMININUM + SINGULAR + DATIV
- FEMININUM + SINGULAR + GENITIV
- MASKULINUM + PLURAL + GENITIV
- FEMININUM + PLURAL + GENITIV
- NEUTRUM + PLURAL + GENITIV
Und die Form die steht für acht verschiedene Kombinationen:
- FEMININUM + SINGULAR + NOMINATIV
- FEMININUM + SINGULAR + AKKUSATIV
- MASKULINUM + PLURAL + NOMINATIV
- FEMININUM + PLURAL + NOMINATIV
- NEUTRUM + PLURAL + NOMINATIV
- MASKULINUM + PLURAL + AKKUSATIV
- FEMININUM + PLURAL + AKKUSATIV
- NEUTRUM + PLURAL + AKKUSATIV
Artikel und Pronomen im Deutschen signalisieren also kein grammatisches Geschlecht, sondern eine Kombination aus Genus, Numerus und Kasus. Um am Artikel zu erkennen, ob ein Substantiv ein Maskulinum, Femininum oder Neutrum ist, müssen wir deshalb auch dessen Kasus und Numerus kennen. Mehr noch: Wir müssen wissen, mit welchem Artikel es in jeder einzelnen Kombination von Genus, Kasus und Numerus steht, denn während es eben bei bestimmten Kombinationen Überlappungen in der Form gibt, hat jedes Genus eine einzigartige Menge von Artikeln (ein sogenanntes Paradigma), die es von den anderen beiden Genera unterscheidet.
Auch das Femininum und der Plural unterscheiden sich in ihren Artikeln, wenn man jeweils das gesamte Paradigma einbezieht: Während Nominativ, Akkusativ und Genitiv jeweils identisch sind, lautet der Dativ beim Femininum Singular der (Er hat der Frau eine falsche Erklärung geliefert), im Plural aber den (Er hat den Männern/Frauen/Kindern eine falsche Erklärung geliefert). Außerdem unterscheidet sich das Plural vom Femininum Singular natürlich durch die Form des Substantivs, die im Plural eben eine Pluralform, im Femininum Singular aber eben eine Singularform ist. Das alles zu ignorieren und so zu tun, als sei der Artikel die per se feminin und der Plural deswegen ein „generisches Femininum“, ist schlechte Linguistik.
Es ist auch schlechte Linguistik, so zu tun, als sei dies in irgendeiner Weise mit dem „generischen Maskulinum“ vergleichbar, denn das ist eben absolut identisch mit dem normalen Maskulinum (was auch weiter nicht verwunderlich ist, denn es ist ja ein ganz normales Maskulinum, dessen generische Verwendung nichts mit dem Sprachsystem des Deutschen, sondern mit einem patriarchalen Sprachgebrauch zu tun hat).
Da Meinunger aber kein schlechter, sondern ganz im Gegenteil ein sehr guter Linguist ist, muss man hier fast eine gewisse Mutwilligkeit in der Argumentation vermuten – vor allem in Kombination mit seiner Andeutung, dass die feministische Sprachwissenschaft das angebliche generische Femininum im Plural „wissentlich verschwiegen“ haben könnte. Nein, die feministische Sprachwissenschaft hat hier nichts verschwiegen. Sie ist einfach gute Linguistik.
Merkwürdige Idee, das Plural-sie als Femininum zu sehen. Das Wort “sie” ist doch einfach ein Homonym. Gibts bei anderen Wörtern auch. Gleicher Klang, verschiedene Bedeutung. Oder irre ich mich?
Mit der gleichen Logik könnte auch umgekehrt das weibliche Personalpronomen “sie” als verkappter Plural gesehen werden. Damit sind dann bestimmt noch viel interessantere Theorien drin.
@ Jacob: Sprachhistorisch gar nicht mal so falsch – dazu aber nächste Woche mehr.
Die Debatte kann man doch nur so führen, wenn man sprachhistorische Entwicklungen ausklammert. Das mag zwar unter einigen Linguist_innen üblich sein, richtiger wird es aber dadurch nicht. Dass ab dem Germanischen und der Festlegung des Stammakzents die Nebensilben (und damit u. a. die Träger [ich schreibe jetzt nicht _innen] grammatischer Informationen) abgeschwächt und abgebaut wurden und nach und nach Demonstrativpronomen (und nicht nur diese) u. a. die Funktion von Artikeln übernahmen, ist mMn kein Genderthema — warum sollte das auch so sein?
Was Meinunger und Pusch da veranstalten, ist wohl fürs Sommerloch geschrieben, genau so wie sein Artikel zum Schimpfen im Spraachenblog — schade ist’s.
@ Alexander: Das Genus von Substantiven, vor allem solchen, die auf Personen verweisen, ist aber ein Genderthema, und die Behauptung, das Deutsche sei eine Frauensprache weil der Plural „weiblich“ sei, ist ebenfalls ein Genderthema.
Immerhin gibt es im Französischen, und wohl auch gebräuchlich, ein Plural-Femininum: elles.
Und was nimmt man für eine Form, wenn sich in der Gruppe sowohl Männer als auch Frauen befinden? Eben.
Eine Sache überzeugt mich an Ihrer Tabelle nicht: Sie unterscheiden auch im Plural die drei Genera und zählen daher z.B. bei “der” sechs und bei “die” acht verschiedene Bedeutungen. Ich würde eher sagen: Im Plural gibt es gar keine Unterscheidung nach Genus, sondern eine einheitliche, genusneutrale Form, die in Ihren Listen folglich auch nur je einmal auftauchen dürfte – für “der” und “die” ergäben sich dann nur je vier Bedeutungen.
Aber mehr noch: Wenn die Pluralformen tatsächlich genusneutral sind, müssen sie bei dieser Betrachtung eigentlich ganz ausgeklammert werden, denn Sie wollen hier ja zeigen, “dass Pronomen und Artikel für sich genommen meistens keinen eindeutigen Rückschluss auf das grammatische Geschlecht eines Wortes zulassen”. Das können Sie redlicherweise nur dann zeigen, wenn das grammatische Geschlecht überhaupt bestimmbar ist, und das ist im Plural m.E. nicht der Fall (außer über das Nomen, aber dann würde man Singular und Plural wieder ungleich behandeln). Betrachtet man nun aber die Singularformen allein, so sind “sie”, “ihr” und “die” eben tatsächlich auf das Femininum beschränkt; als Ausnahme bleibt einzig und allein “der” übrig, das Maskulinum oder Femininum sein kann. Insofern hat Meinungers Behauptung, die Pluralformen (als genusneutral verstanden) seien formal mit den Feminina identisch, durchaus einige Berechtigung.
@ Clemens: Der Plural ist keine genusneutrale Form, Substantive behalten im Plural das grammatische Geschlecht, das sie auch im Singular haben. Am Artikel sieht man das nicht, denn der ist im Plural eben für alle Genera gleich, aber man sieht es am Kongruenzverhalten anderer Wörter im Satz, z.B. jeder der Männer, jede der Frauen, jedes der Kinder (vgl. auch Luise Puschs Beispiele in ihrer Diskussion von Meinungers Text). Meinungers Behauptung hat unter keiner seriösen Betrachtung eine Berechtigung (außer vielleicht sprachhistorisch, selbst dann ist seine Argumentation aber um 180 Grad verdreht, dazu nächste Woche mehr), denn das Paradigma der Pluralpronomen und ‑artikel ist nun einmal nicht mit dem der Feminina im Singular identisch. In der Sprachwissenschaft geht es nicht um oberflächliche Impressionen – erst recht nicht, wenn sie auf gezielt herausgegriffenen Daten beruhen – sondern um eine präzise Beschreibung des Sprachsystems.
Sorry, aber wer so einen Quatsch schreibt ist kein “guter” Linguist. Nicht einmal “eigentlich”.
“Immerhin gibt es im Französischen, und wohl auch gebräuchlich, ein Plural-Femininum: elles.” Und damit ist jetzt was genau bewiesen?
Das ganze Ausgezähle von (vermeintlich) fem. oder mask. Morphemen ändert nichts am patriarchalen Sprachgebrauch. Wie Stefanowitsch wundere ich mich nicht nur über Meinungers abenteuerliche Argumentation, sondern auch darüber, wie er die Ebenen durcheinander bringt: Selbst wenn alle Pronomen und Artikel nachweislich feminin wären, wäre das Deutsche keine “Frauensprache”. Da ich Meinunger ebenfalls für einen guten Linguisten halte, frage ich mich ernsthaft, was ihn da geritten hat.
@Anatol Stefanowitsch: Selbstverständlich behalten SUBSTANTIVE im Plural ihr grammatisches Geschlecht, aber Sie haben noch nicht wirklich nachgewiesen, dass auch PERSONALPRONOMEN und ARTIKEL, isoliert betrachtet, im Plural ein grammatisches Geschlecht haben.
Personalpronomen und Artikel haben isoliert betrachtet überhaupt kein Geschlecht, sie signalisieren Kombinationen aus Genus, Kasus und Numerus. (Wobei die Sache bei Personalpronomen bei deiktischer Verwenden aufgrund des natürlichen Geschlechts natürlich etwas komplizierter ist).
In der Duden-Grammatik lese ich gerade: “Hingegen stimmen die Pluralformen des bestimmten Artikels für alle drei Genera überein, so daß im Plural die Kategorie Genus nicht zum Ausdruck kommt.” Das hatte ich in etwa gemeint.
@Anatol: Bei Nomen gehe ich sofort mit, keine Frage, auch wenn da der Zahn der Zeit (vor allem bei der Einebnung der weiblichen Formen im Plural) seine Spuren besonders deutlich hinterlassen hat.
Richtig spannend wird Thema im Sprachvergleich (Sol/Sonne; Luna/Mond).
… und noch ein Nachtrag: Wer z. B. Personalpronomina als Indiz für einen männlich perspektivierten Sprachgebauch interpretieren möchte, wird im Altniederdeutschen fündig. Die häufigsten Personalpronomina als Ingwäonismen, die sehr zeitig auftreten sind “he” und “it”.
@Anatol Stefanowitsch:
“Personalpronomen und Artikel […] signalisieren Kombinationen aus Genus, Kasus und Numerus.”
Genau, und das Genus signalisieren sie im Plural eben nicht.
@Clemens: einfach im oberen Beispiel die Substantive durch Pronomina ersetzen, und schon ist klar, dass auch dort ein Genus auftritt: jeder von ihnen, jede von ihnen, jedes von ihnen usw.
Ja natürlich, weil das Personalpronomen “ihnen” Substantive aller drei Genera vertreten kann. Ich wollte ja auch nicht sagen, dass es das Genus im Plural gar nicht gibt, sondern dass es im Plural von Artikeln und Personalpronomen eben “nicht zum Ausdruck kommt” (Duden). Meine Theorie, dass die Pluralformen genusübergreifend oder genusindifferent sind, erscheint mir jedenfalls immer noch einfacher als die Theorie, es gebe auch im Plural drei genusspezifische Formen, die zufälligerweise alle drei gleich lauten.
…jedes von denen, jeder der beiden, jede der anderen…
Abgesehen davon, daß der Dativ eine Ausnahme darstellt, hat diese Behauptung schon allein deswegen ihre Berechtigung, weil sie wahr ist. Das kann man ohne jegliche Theorie überprüfen. Es geht aber um die Frage, ob aus der bloßen formalen Identität auf das feminine Genus der Pluralform geschlossen werden kann, und das geht weder dann, wenn man annimmt, daß die Pluralartikel jedes Genus haben können, noch dann, wenn man annimmt, daß sie gar keines haben.
So sieht es auch zunächst aus. Diese Annahme rächt sich aber, wenn man die Theorie der Nominalphrasen formulieren möchte. Nimmt man an, daß auch die Pluralformen Genusträger sind, so kommt man zu der einfachen Gesetzmäßigkeit:
KNG([Art + N])=KNG(Art)=KNG(N)
Das soll besagen, daß in einer NP der Form [Art + N] stets die Kasus‑, Numerus- und Genusmerkmale von Artikel und Substantiv untereinander und mit denen der NP übereinstimmen.
Wollte man erreichen, daß die Pluralartikel genusneutral sind, so müßte man das etwa so formulieren:
KN([Art + N]) = KN(Art)=KN(N) und
G([Art + N]) = G(Art) = G(N) falls N([Art + N]) = singular
G([Art + N]) = G(N) falls N([Art + N]) = plural
Das ist deutlich umständlicher.
Es muß allerdings nicht zwingend so umständlich sein; aber da spielen dann Details der zugrundegelegten Theorie mit rein. Falls KNG einfach nur eine Menge von Merkmalen sein sollte, so könnte die Formulierung:
KNG(Art) ⊆ KNG([Art + N]) = KNG(N)
ausreichend sein, die auch wieder recht einfach ist. Man sieht allerdings, daß es grundsätzlich vorkommen kann, daß eine vermeintliche Vereinfachung an einer Stelle des Systems Verkomplizierungen an anderen Stellen zur Folge hat. Deswegen sollte eine solche Vereinfachung nie für sich allein sondern immer nur im Gesamtbild betrachtet werden.
Die Aufhebung der Grenzen zwischen den Genera im Plural wie im Deutschen ist ungewöhnlich unter den Sprachen der Welt, die sich weit verbreitet haben.
Interessant ist die arabische Regel, den Plural der Adjektive von Sachen unabhängig vom Genus als Feminine Form zu bilden. Aber für Personen unterscheidet man das Genus auch im Plural.
Faszinierend — zumindest für mich als von HERRschaftssprache betroffenen Frau — und Nicht-Sprachwissenschaftlerin —
Das der eigentliche Diskurs von den HERRen hier wieder mal nicht geführt wird.
Wann begreift ihr es endlich Jungs- ich als Frau bin “nicht Teil von” — es reicht mir nicht huldvoll miteingeschlossen zu werden von HERRschaftssprache
Das generische Maskulinum ist eben nicht nur ein Linguistisches Problem sondern ein HERRschaftsinstrument
Die Frau Pusch und ihre linguistischen Ergüsse können mir gestohlen bleiben. Wenn Feministinnen argumentieren, der für beide Geschlechter geltende Plural z.B. “die Arbeiter” sei in Wirklichkeit ein männlicher und kein neutraler, weil er orthografisch ident mit ersterem ist, dann gälte im Umkehrschluss: “Sie” als Plural mehrerer Personen ist weiblich und nicht neutral, weil orthografisch ident mit dem weiblichen Plural. Beides ist falsch.
@ Mathias Miller-Aichholz: Laut Ihrer Webseite halten Sie sich ja für einen „Textspezialisten“ – ich habe einen Spezialisten-Tipp für Sie: Texte werden besser, wenn man Ahnung von dem hat, über das man schreibt. Das ist bei Ihrem Kommentar ganz offensichtlich nicht der Fall, wenn Sie glauben, dass es Feministinnen oder irgendjemandem sonst darum geht, ob etwas „orthogafisch ident“ ist. Das sogenannte „generische“ Maskulinum ist ein stinknormales auf Männer bezogenes Maskulinum, weil es sprachsystemisch identisch mit dem normalen Maskulinum ist und weil es psycholinguistisch wie ein normales Maskulinum interpretiert wird. Das Plural ist *kein* Femininum, weil es sprachsystemisch nicht einmal annäherungsweise mit diesem identisch ist und psycholinguistisch auch nicht so interpretiert wird. Und jetzt gehen Sie doch einfach mal in sich, lernen entweder etwas über die Funktionsweise von Sprache oder überdenken Ihre Berufswahl, und ersparen uns Ihre amateurlinguistischen Ergüsse.
Es gbt sehr wohl generische Feminina im Deutschen: ›die Zicke‹ oder ›die Schlampe‹ z.B. werden sowohl für Männchen als auch für Weibchen verwendet. Auch mit ›eine Petze‹ werden Männer sehr viel häufiger etikettiert als mit der zumindest existenten wenn auch seltenen maskulinen Form ›ein Petzer‹.
Ihr seht liebe weibliche Leser, es ist doch gerecht.
😉
Puschs und Ihre Argumentation sind formal vollkommen korrekt, aber beziehen sie sich auf den Kern des Problems?
Pusch geht davon aus, dass ein Begriff wie „Frau“ oder „Mann“ ein bestimmtes Genus habe und dass dieses in der Flektion unveränderlich sei. Wenn es im Dativ „der Frau“ oder im Nominativ Plural „die Männer“ heiße, folge daraus offensichtlich, dass die Form des Pronomens vom Genus vollkommen unabhängig sei.
Das ist allerdings ein formaler Ansatz, den man hinterfragen kann.
Nehmen wir an, dass das biologische Geschlecht einer Person und das neutrale eines Dings eine andere Kategorie darstelle als der sprachliche Genus. Konventioneller Weise bezeichnen wir diesen auch als „weiblich“, „männlich“ oder „neutral“, was im Fall seiner kategorischen Andersartigkeit verwirrend ist. Bezeichnen wir den Genus also z.B. als „sw“ (sprachlich weiblich), „sm“ und „sn“.
Die Frage ist nun: was genau bezeichnet der sprachliche Genus? Es liegt sicher auf der Hand, dass er mit dem biologischen Geschlecht korreliert ist, immerhin ist für die Kommunikation in einer Gesellschaft das biologische Geschlecht des Gegenstands von hoher Bedeutung. Dennoch können auch andere Faktoren Einfluss haben, denn was ist denn ein Mann / eine Frau in der Gesellschaft? Das biologische Geschlecht spielt im Familienzusammenhang eine Rolle; wichtige Aspekte sind aber auch Dominanz vs. Unterordnung, Aktivität vs. Ruhe, Berechenbarkeit vs. Spontaneität und viele andere. Möglicherweise hat sich aus einer großen Zahl von gesellschaftlich relevanten Aspektpolaritäten eine Zuordnung zu den drei Mengen „sw“, „sm“ und „sn“ herausgebildet, in denen zwar das biologische Geschlecht des Gegenstands eine große, aber nicht die alleinige Rolle spielt.
Die Flektions-Fälle bezeichnen primär die syntaktische Funktion eines Wortes, sie bezeichnen aber auch Aspekte eines Dings. Demnach kann „Frau“ im Dativ theoretisch durchaus in eine andere Zuordnungsgruppe rutschen als im Nominativ. „Männer“ ist eine Gruppe und damit etwas anderes als „Mann“, von einem Individuum ganz zu schweigen. Eine Gruppe „Männer“ hat offensichtlich andere Eigenschaften als „ein Mann“ und dieser wieder andere als „Thomas“. Zumindest theoretisch kann daher der Begriff „Männer“ den Genus „sw“ besitzen, während „Mann“ den Genus „sm“ hat.
Wir könnten uns auch vorstellen, dass statt mittels Sprache mit Malerei kommuniziert werde. Die Farbe Rosa könnte dabei stark für das biologisch Weibliche und Blau für das Männliche stehen. Eine Person könnte dann im Bild mehr mit Rosa- oder mehr mit Blautönen und eine Gruppe eher in Rosa als in Blau dargestellt werden oder dominante Personen der Gruppe in Rosa und der Rest in Blau. Analoges wäre in musikalischer Kommunikation möglich.
Unser aktuelles Problem ist, dass Menschen, die sich selbst über ihr biologisches Geschlecht definieren, sich sprachlich unpassend beschrieben oder sprachlich ausgegrenzt empfinden. Das ist sehr subjektiv. Während eine Frau darauf bestehen kann, als Kanzlerin bezeichnet zu werden, hat der/die andere den Eindruck, „Kanzlerin“ sei die dem Kanzler zugeordnete und von ihm abhängige Person („Frau Bürgermeisterin“ als Frau des Bürgermeisters) und damit ein eher diskriminierender Begriff – eine aktive und autonome Frau sei daher eher ein „Kanzler“.
In den vergangenen Jahrhunderten waren bestimmte Lebensbereiche weiblich und andere männlich dominiert. In den sprachlichen Bezeichnungen ist damit sicherlich oft der biologische Aspekt in den Vordergrund getreten. Um diese Dominanz aufzubrechen, wäre der naheliegende Weg, sie physisch zu verändern, statt indirekt sprachlich. Da der Mechanismus der sprachlichen Genus-Zuordnung offensichtlich noch nahezu vollständig unverstanden ist, dürften primitive Umbenennungen auch keinen nachhaltigen Effekt haben.
Jetzt mal ganz doof gefragt, was ist mit Hauptwörtern im Plural, die entweder keine Singularform haben, oder aber solche, die nicht nur zu einer Singularform gehören?
Haben die kein Genus? Oder mehr als eines? Oder sind das getarnte Utren (Plural von “Utrum”, das Gegenteil von Neutrum)?
- Leute (Menschen, Frauen, Männer, Kinder, etc.)
— Eltern (Mutter, Vater, Elternteil)
— Geschwister (Schwester, Bruder, Geschwisterchen)
— Intersexuelle (die Intersexuelle, der Intersexuelle, das intersexuelle menschliche Wesen, welches sich weigert, sich der chronischen Zweigenderung unserer Gesellschaft zu unterwerfen, aber nicht mit “es” bezeichnet werden will, und gerne ein eigenes Pronomen hätte)
— Möbel (das Möbelstück, ok, vermutlich Neutrum)
— Deutsche
(Reihenfolge willkürlich gewählt)
Ich weiß nicht, ob das hier jetzt die richtige Stelle für diese Frage ist.
@Mycroft: Das hat zwar wenig mit dem Beitrag zu tun, aber: Intersexuelle und Deutsche sind ursprünglich Adjektive und können entsprechend (wie Adjektive auch) sowohl maskulin als auch feminin sein (vgl. hier, im Sprachlog gabs auch mal was dazu).
Manche der anderen haben einen Singular (einfach mal im eben verlinkten Wörterbuch checken), andere nicht — und wo kein Singular, da natürlich auch keine Genusbestimmung nötig (und sinnvoll).
Ok, dann bedanke ich mich trotzdem für die Antwort.
Es gibt zwar viele Dinge, die nicht nötig oder sinnvoll sind, und trotzdem getan werden, aber gut, was nicht geht, geht nicht. 😉
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Die Frage ist möglicherweise nur falsch formuliert…
Wir sollten uns vielleicht fragen Ob das deutsche Femininum ursprünglich nicht ein Pluralform entspricht? Es spricht viel dafür: ‑er wird für die Superlativbildung/die Präzisierung, ‑es für das “unbestimmt” und ‑ie für “mehr/mehrere” verwent.
Im Dativ wird “die” zu “der” > Der Mann ist mit di(es)er Frau gekommen…