Da wir Sprachlog-Autorinnen so eine Art Mischung aus Hitzefrei und Hausarbeitenkorrekturzwang haben, hier ein Lesetipp für zwischendurch.
Die Universität Leipzig hat mit ihrer Entscheidung, in ihrer Satzung das generische Femininum zu verwenden, eine interessante öffentliche Debatte um geschlechtergerechte Sprache ausgelöst, bei der – anders als es bei Diskussionen um Sprache sonst häufig der Fall ist – auch Sprachwissenschaftler/innen zu Wort kamen. So hat der Tagesspiegel meinen FU-Kollegen Horst Simon interviewt, ich selbst durfte Spiegel Online Rede und Antwort stehen, und Luise Pusch, eine der geistigen Mütter der Feministischen Sprachwissenschaft, hat der Deutschen Welle erklärt, worum es geht (eine Langversion ihres Interviews hat sie in ihrem Blog Laut & Luise veröffentlicht. Das ist aber noch gar nicht der Lesetipp, denn auf diese Texte haben wir in unserem Blogspektrogramm bereits verlinkt.
Da Simon, Pusch und ich uns einmütig wohlwollend zum generischen Femininum geäußert haben, war es nur eine Frage der Zeit, bis jemand nach Gegenstimmen suchen würde. Und die FAZ und die WELT haben jeweils einen Sprachwissenschaftler gefunden, der bereit war, diese Gegenstimme zu sein. In der FAZ hat der emeritierte Freiburger Romaniste Hans-Martin Gauger seine Sicht der Dinge dargestellt. Da dieser hinter einer Bezahlwand steht, hat ihn kaum jemand gelesen – ich auch nicht – und so ist auch er ist nicht unser Lesetipp. Die WELT konnte den Berliner Sprachwissenschaftler André Meinunger (Autor des unglücklich betitelten aber inhaltlich absolut empfehlenswerten Buches Sick of Sick) für einen Gastbeitrag gewinnen. Auch dieser Gastbeitrag ist nicht unser Lesetipp, seine Lektüre empfiehlt sich aber als Vorbereitung auf unseren Lesetipp.
Und der kommt jetzt: Luise Pusch hat in ihrem Blog auf beide Beiträge geantwortet:
- Generisches Femininum erregt Maskulinguisten, Teil 1 (Antwort auf Gauger)
- Generisches Femininum erregt Maskulinguisten, Teil 2: Plötzlich weiblich? (Antwort auf Meinunger)
Wobei – „geantwortet“ ist etwas harmlos ausgedrückt. Sie seziert die Texte so, dass nichts von ihnen übrig bleibt. Und das fällt ihr aus zwei Gründen nicht schwer: Erstens, weil sie eine brillante Sprachwissenschaftlerin ist, und zweitens, weil Gauger und Meinunger nur Argumente wiederkäuen, die Pusch schon seit dreißig Jahren in der Luft zerfetzt.
Wobei ich den Meinunger-Artikel auf der Liste für ein Blogspektrogramm hatte — ich mich aber dafür entschieden haben, ihn als „Empfehlung“ nicht unkommentiert zu verlinken. Und für einen solchen Kommentar hatte noch keine von uns Zeit, so gesehen.
Ich kommentiere Meinungers zentrales Argument in den nächsten Tagen noch etwas detaillierter.
Ich werde wohl nie verstehen, wie man aus sprachwissenschaftlicher Sicht einen aktiven Eingriff in die Sprache befürwrorten kann (wie ihn die feministische Linguistik fordert). Natürlich gibt es viele gute Gründe für eine geschlechtergerechte Sprache, aber “deskriptiv” ist dies meines Erachtens absolut nicht mehr.
Medizin ist auch nicht deskriptiv, wird aber trotzdem von der überwältigenden Mehrheit der Biolog/innen befürwortet. Warum sollten Linguist/innen nicht ebenso Anwendungen ihrer Forschung befürworten? Im übrigen schlägt Pusch konkret immer nur Eingriffe in den Sprachgebrauch vor, ins Sprachsystem nur im Rahmen von Gedankenexperimenten.
Hmm… darüber muss ich mal nachdenken…
Natürlich finde ich geschlechtergerechte Sprache auch gut und notwendig, aber nicht als Linguist sondern… als aufgeklärter Mensch?
Mich stört im Grunde ja nur, dass dieser aktive Eingriff in den Sprachgebrauch so dargestellt wird, als würde er im Namen der Wissenschaft durchgeführt und nicht im Namen einer (wenn auch zu begrüßenden) Agenda.
Ein Biologe fordert ja auch nicht, dass mehr männliche als weibliche Vertreter einer Gattung geboren werden sondern stellt das erstmal nur fest…
Ein Biologe forscht aber sehr wohl an der Pille für den Mann.
Das ist für viele schon ein Dorn im Auge, sei es doch gefälligst Aufgabe der Frau, für Verhütung zu sorgen. Von einem Mann könne man dies ja nicht verlangen.…
> Ein Biologe forscht aber sehr wohl an der Pille für den Mann.
Machen das nicht eher Pharmazeuten?
Gaugers Position ist tatsächlich lächerlich: Er behauptet, das generische Maskulinum sei eine Neutralisierungsform und unterstellt den Linguisten unter den Feministen, dass sie nicht zwischen Genus und Sexus zu unterschieden wüssten. Das gilt kaum für die meisten linguistischen Feministen, und ganz sicher nicht für Luise F. Pusch.
Meinunger hingegen verirrt sich in eine verstiegenen These (der Plural als generisches Femininum), aber weist in die richtige Richtung: Wenn nämlich das so bezeichnete “generische Maskulinum” im vollen Wortsinn generisch wäre, dann würde es sich so verhalten wie der Plural, nämlich absolut geschlechtsneutral.
(1) Peter und Franz sind Professoren, die immer bei Rot über die Straße gehen.
(2) Luise ist ein Linguist, der originelle Aufsätze geschrieben hat.
Erst wenn Sätze wie (2) völlig akzeptabel wären, hätten Gauger und Meinunger Recht. So aber verharmlost ihre Kritik leider das Problem.
Generisches Femininum erregt Maskulinguisten, Teil 1
“Was ist daran falsch? Frauen endlich sichtbar zu machen?”
Es ist Falsch, weil aufgrund der “Sichtbarmachung” von Frauen die Gleichberechtigung der Geschlechter auch nicht kommt. Überall muss plötzlich z.B. in Berufsbeschreibungen auch die weibliche Form stehen, Bewerberinnen werden trotzdem nicht angenommen. Sprache hat einfach nichts mit Gleichberechtigung zu tun und die Begeisterung die hier aufgewendet wird lenkt nur vom eigentlichen Problem ab. Ich als Frau weiß was ich Wert bin, ob man mich nun Student oder Studentin nennt, macht für mich keinen Unterschied, weil ich einfach davon ausgehe, dass keiner Besteht.
Ich hab eine Sonderbehandlung oder Änderung der Sprache in der Hinsicht genauso wenig nötig wie die neue Deutsche Rechtschreibung. Das Beharren auf der Notwendigkeit der “Feminisierung” der Sprache weckt in mir eher das Gefühl, vielleicht doch nicht Gleichwertig zu sein als dass es mich in irgendeiner Weise dem Gefühl der Gleichberechtigung näherbringt.