Da aktualisiert die Duden-Redaktion ihr Wörterbuch mit über 5000 Wörtern, darunter urdeutsche (und hervorragend zueinander passende) Schönheiten wie Schuldenbremse und Vollpfosten, und alles, was die internationale Presse interessiert, ist – der Shitstorm. Nicht ganz unschuldig an dem internationalen Medieninteresse: Die Sprachlogger/innen, unter deren Federführung Shitstorm zum „Anglizismus des Jahres“ 2011 gewählt wurde. Kaum ein Artikel, der diese Wahl nicht als Aufhänger nimmt (unser Jurymitglied Michael Mann hat es über den damaligen Bericht auf The Local sogar in den Bericht der BBC geschafft).
Die BBC interessiert an dem Wort vor allem die Tatsache, dass dem deutsche Lehnwort seine Herkunft als Fäkalausdruck offenbar nicht nachhängt – sogar die Kanzlerin verwende es, berichtet der wegen seines exzessiven wegpiepens vulgärer Sprache auch als „Aunt Beep“ verspottete Fernsehsender (und das tut sie tatsächlich). Aber immerhin buchstabiert die BBC das anstößige Wort aus – anders als beispielsweise der INDEPENDENT, der verschämt titelt ‘S***storm’ adopted into German equivalent of the Oxford English Dictionary und, wie auch THE TELEGRAPH, die Sternchenschreibung auch im Artikel selbst konsequent durchhält.
Der GUARDIAN ist eins der wenigen internationalen Medien, das über den Shitstorm hinwegkommt und auch andere Wörter nennt, die mit der Aktualisierung den Sprung in den Duden geschafft haben – darunter crossdressing, digital native, social media, flashmob, e‑book Reader, app und Facebook. Letzteres musste sich vier Jahre länger gedulden als der Konkurrent Twitter, der bereits seit 2009 mit dem Substantiv Twitter und dem Verb twittern im Wörterbuch steht. „Wir wollten nur sicher gehen, dass das Wort sich auch tatsächlich etabliert”, zitiert der GUARDIAN einen Duden-Sprecher, der damit hoffentlich nur trockenen britischen Humor beweisen wollte. In der Meinungsspalte „Comment is free“ beschäftigt sich GUARDIAN-Autor Philip Oltermann außerdem mit der Frage, warum die Deutschen es angesichts ihrer sprichwörtlichen Obsession mit Exkrementen überhaupt nötig haben, ein Wort wie Shitstorm aus dem Englischen zu entlehnen.
Eine sch… verdammt gute Frage. ((Die ich hier schon einmal beantwortet habe.))
[Sprachbrocken 26/2013]
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Unter “Die BBC interessiert…” ist der Independent verlinkt.
Aber wirklich erstaunlich, dass ein so klangvolles Wort wie Vollpfosten nicht schon früher aufgenommen wurde.
Über “hinwegkommt” bin ich gleich gestolpert. Die Bedeutung hier ist weder in meinem Kopf noch im Duden vorzufinden:
“Bedeutungen und Beispiele
a. überstehen
Beispiel
über Notzeiten hinwegkommen
b. überwinden, verwinden
Beispiel
sie ist über den Verlust nicht hinweggekommen
c. es fertigbringen, sich über etwas hinwegzusetzen”
Ich schlage vor, “hinwegkommt und” durch “hinaus” zu ersetzen.
Warum übrigens heisst der Titel “SPRACHBROCKEN: DER SHITSTORM IST ESTABLISHMENT”? Warum nicht “SPRACHBROCKEN: DER SHITSTORM IST IM ESTABLISHMENT ANGEKOMMEN” oder “SPRACHBROCKEN: DER SHITSTORM IST ESTABLIERT”?