Willkommen zum dreiundzwanzigsten Blogspektrogramm des Jahres, diesmal mit Sonderberichterstattung zum generischen Femininum und zum neusten (naja) Coup des VDS.
- Auf LAUT & LUISE äußert sich die Linguistin Luise Pusch in einem Interview anlässlich des Leipziger Senatsbeschlusses zum generischen Femininum in der Grundordnung der Uni (wir berichteten) zum Thema: »Ich bezeichne das generische Femininum schon seit 30 Jahren als Empathietraining für Männer, damit sie mal eine Vorstellung davon entwickeln, was es eigentlich bedeutet, immer nur mitgemeint zu sein und eigentlich nie genau zu wissen, ob mann eigentlich überhaupt gemeint ist.«
- Auch der TAGESSPIEGEL hat ein Interview dazu geführt, mit dem Berliner Germanisten Horst Simon: »Gerade Leute, die schon länger aus der Schule raus sind, mögen es nicht, wenn gut gelerntes Wissen entwertet wird und einem so Möglichkeiten genommen werden, sich von schlechter Gebildeten abzuheben. Beim feministischen Sprachgebrauch haben nun außerdem vor allem Männer Angst, dass ihre Pfründe verloren gehen. Das amüsiert mich.«
- Wer sich dafür interessiert, welche Art von Kommentar es nicht durch die Sprachlog-Kontrolle schafft, kann sich auf EPHEMERA informieren — und kriegt gleich noch eine scharfsinnige Analyse von Anatol Stefanowitsch dazu.
- Anlässlich der VDS-Nominierung der Duden-Redaktion als »Sprachpanscher des Jahres« (wir berichteten) analysiert ERBLOGGTES die darin verwendete Phase die große Hure Duden: »Damit eine Beleidigung als Hure auch nur einigermaßen plausibel wird, muss man die jeweilige Ware für heilig erklären und behaupten, diese dürfe nicht gegen Geld getauscht werden. Dem VDS dürfte “die deutsche Sprache” ein solches Heiligtum sein, und der Verkauf von herkömmlichen Wörterbüchern demnach eine Entweihung.«
- Detlef Gürtler (WORTISTIK) findet im VDS-Nominierungstext zwischen allen sprachlichen Unflätigkeiten hingegen kein altes, sondern ein ganz neues Wort: Amitümler.
- Ein Interview mit der Linguistin Kilu von Prince, die zwei Sprachen in Vanuatu erforscht, hat der TAGESSPIEGEL anlässlich des auslaufenden DOBES-Projekts zur Dokumentation bedrohter Sprachen geführt.
Das mit dem gut gelerntem Wissen ist gut gesagt. Gerade im Netz definieren sich viele darüber, dass sie fleischgewordene Rechtschreibprüfung sind. Da sibd Änderungen natürlich fatal und untergraben die Autorität.
Das “Empathietraining” für geschlechtergerechte Sprache wirkt tatsächlich. Insbesondere finde ich den Vorschlag verlockend, das Neutrum für Berufsbezeichnungen beiderlei Geschlechts einzuführen.
Ich benutze deshalb in eMails an gemischte Gruppen gerne das Wort “Mitglied” für die persönliche Ansprache. Aber auch der Plural von Partizipien ist sehr praktisch, z.B. Studierende.
Im Ungarischen und einigen anderen Sprachen könnte man glauben, dass es mangels Genus diese Probleme nicht gibt, aber die Sprecher haben künstlich die Probleme neu geschaffen, indem sie das Wort für “Frau” an die neutralen Wörter angehängt haben: z.B. “barát” für Freund und “barátnö” für Freundin.
Im Chinesischen gibt es zwar in der gesprochenen Sprache keinen Unterschied zwischen “er” und “sie”, aber in der Schrift werden diese Wörter mit maskulinen und femininen Zeichen markiert. Dort müsste man diese Markierungen nur weglassen.
In allen Sprachen wird man die Kriterien für Gerechtigkeit irgendwann erfüllen müssen. Das bezieht sich nicht nur auf die Geschlechter durch Geburt, sondern auch auf die gewählten: Als ich Rosa von Praunheim getroffen habe, war ich hin- und hergerissen, “er” oder “sie” zu sagen.