Die französische Sprache steht kurz vor dem Aussterben: zu einer „banalen“, ja „toten Sprache“ werde es, befürchtet der Sprachschützer Bernard Pivot, wenn die französische Bildungsministerin sich mit ihrem Plan durchsetze, an französischen Universitäten auch das Englische als Unterrichtssprache zuzulassen. Denn Sprache, so Pivot, sei das, was eine Nation ausmache und schon seit jeher sei es so gewesen, dass Siegermächte den Besiegten ihre Sprache aufgezwungen hätten. Als Franzose kennt er sich da aus, denn die Kolonialmacht Frankreich hat das bestens vorgemacht, was es Pivot ermöglicht, in einem Nebensatz von „unseren“ – also französischen – „großen Schriftstellern aus Afrika und von den Antillen“ zu schwärmen. Aber wenn es das Französische ist, das verdrängt wird, und sei es nur aus ein paar Seminaren, dann steht die französische Nation vor dem Aus. Auch die Ironie, dass mit dem Englischen eine Sprache nach Frankreich zurückkehrt, die sich durch eine jahrhundertelange französische Besatzung bis zur Unkenntlichkeit verändert hat, entgeht ihm offensichtlich.
Das Französische ist ja bekanntlich ohnehin nur eine banalisierte Varietät des Lateinischen, das sich für eine tatsächlich tote Sprache aber erstaunlich hartnäckig hält. So stellt die WELT die etwas gewagte Behauptung auf, die „Sprache Ciceros“ erlebe durch Papst Franziskus einen Popularitätsschub — ablesbar an den 101 000 Followern seines lateinischen Twitterkontos. Und es stimmt, im Vergleich zu den nur knapp 700 Followern des Daily Klingon Word ist das tatsächlich ziemlich beeindruckend.
Damit eine Sprache lebendig bleibt, muss ihr Vokabular sich weiterentwickeln. Das erledigt normalerweise die Sprachgemeinschaft ganz nebenbei. Bei einer halbtoten Sprache wie dem Französischen muss das eine Akademie übernehmen, bei einer ganz toten Sprache wie dem Lateinischen natürlich ein, äh, finnischer Radiosender. YLE RADIO 1 strahlt seit 1989 ein lateinischsprachiges Programm aus und muss dazu natürlich, wie die DEUTSCHE WELLE berichtet, Wörter wie investigatio genorum („Genforschung“) und arma perniciosa („Massenvernichtungswaffen“) erfinden. Nur vor dem iPod schreckt man zurück, weil das von den Moderator/innen vorgeschlagene ee-poose (das ich nicht nachvollziehen kann) ihnen selbst „blöd“ vorkommt. Viellicht kann ja jemand eine bessere Übersetzung vorschlagen (egoFolliculus schiene mir akkurat und angemessen). Auf jeden Fall sollte sich yle Radio 1 schon jetzt in Stellung bringen, um nach Inkrafttreten des neuen französischen Bildungsgesetzes auch in französischer Sprache zu senden (moiPellicule? jeGousse?).
Grausame Vorstellung: Welche Studentin wird sich dann noch die Mühe machen Französisch zu lernen? Sie wird ihren Café dann eben auch auf Englisch bestellen…
Ich kann nur hoffen, dass die Franzosen sich dagegen wehren werden.