Am Montag scheiterte bei Wer wird Millionär? ein Kandidat an der „Wortherkunft“ von Tribüne, deren Herleitung RTL immerhin 125.000€ wert gewesen wäre. Was zunächst von RTL als einfach suggeriert und in der Folge von vielen Boulevardjournalisten und Kommentatoren als „offensichtlich“ dargestellt wurde, ist aber etwas komplexer (das Sprachlog twitterte).
Die Frage lautete:
Wer auf der „Tribüne“ Platz nimmt, tut dies der Wortherkunft zufolge eigentlich, um…?
A) gekrönt zu werden
B) Recht zu sprechen
C) Orgien zu feiern
D) Almosen zu verteilen
RTL erwartete, dass für Tribüne als „Wortherkunft“ der ‚erhöhte Platz für den Richterstuhl‘ erkannt wird, so Jauch in der Auflösung. Der Telefonjoker hatte instinktiv B vermutet, eine 19jährige Jurastudentin im Publikum riet dem Kandidaten dann aber ab, weil sie B definitiv ausschließen könne. Der Kandidat entschied sich für D und ging mit 500€ nach Hause. Damit wär’s eigentlich erledigt gewesen. Die Frage rief am Montag aber vor allem die Boulevardpresse und Kommentatoren auf den Plan, für die die Verbindung Tribun(al)—Tribüne—>Rechtssprechung selbstgefällig und „für jeden Siebtklässler“ natürlich „total offensichtlich“ gewesen sein muss. Aber der Reihe nach.
Es ergeben sich gleich mehrere Fragen: Woher kommt Tribüne? Ist B tatsächlich richtig? Was ist mit den Almosen? Lag die Studentin so „irrsinnig peinlich“ daneben? Vorweg: schwierig, jein, (vermutlich) egal und nein. Und: wir können und wollen die Etymologie von Tribüne nicht klären — aber aufzeigen, dass es eben alles ein bisschen komplexer ist, als von der RTL-Redaktion und den Boulevardmedien dargestellt.
Das Problem ist zunächst, dass die Frage unglücklich gestellt war. Denn sie suggeriert, dass es für ein Wort die eine, eindeutige und — immer irreführend — ursprüngliche Herkunft gäbe. Sie ignoriert, dass Bedeutungsentwicklung von sehr komplexen Wandelprozessen und Wortmigrationen beeinflusst wird.
Die drei Begriffe Tribun, Tribunal und Tribüne, die in der Diskussion während der Sendung ins Spiel kamen, können auf tribus zurückgeführt werden, das ist relativ unstrittig. Schwieriger ist die Frage, welche Wege sie jeweils genommen haben.
Nimmt man tribus ‚Stamm, Bezirk‘ (siehe engl. tribe) als Ausgangspunkt, sieht man, dass dieser bereits mehrdeutig war und als Basis für viele Bedeutungserweiterungen auf verwandte, aber unterschiedliche Konzepte gedient haben muss, denn immerhin wird tribus schon als Personen(gruppen)- und Ortbezeichnung verwendet. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass man für ein und dieselbe Form und seine Ableitungen eine irre Anzahl an Übersetzungen findet, weil es natürlich auch den einen Kontext nicht gibt: beispielsweise für tribun/-(u)s ‚Oberst, Kommandeur, Hauptmann, Magistrat‘ oder ‚römischer Amsträger oder Vorsteher einer Tribus in politischer, religiöser oder militärischer Sicht‘ (DWDS); für tribunal ‚Gerichtshof, Plattform, Richterstuhl, erhöhte Gerichtsbühne, Podest (in einer Kirche), Amtssitz‘. Dass tribunal über die Zeit auch als ‚Richterstuhl‘ belegt ist bzw. übersetzt wird…
ducit illum ad tribunal Aeaci
Pedo led him to the judgement seat of Aeacus.
‚Pedo führte ihm zum Richterstuhl des Aeacus.‘ANNAEI SENECAE APOCOLOCYNTOSIS DIVI CLAVDII
(Übersetzung: Eden 1984: 58f)
…sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies in der Flut der Begriffe bei weitem nicht die einzige und schon gar nicht die „richtige“ oder „ursprüngliche“ Bedeutung ist. ((Falsch ist nach allem was die Recherche hergegeben hat sogar Jauchs Erklärung als „erhöhter Platz für einen Richterstuhl“. )) Wer vor einer gewissen linguistischen und chronologischen Unübersichtlichkeit nicht zurückschreckt, findet unter den entsprechenden Einträgen im DWDS, im Grimmschen Wörterbuch, hier oder hier ein bisschen Inspiration.
Noch unübersichtlicher (aber vielleicht etwas anschaulicher) wird es, wenn man Tribüne nicht direkt auf tribun(-us/-al) zurückführt, sondern annimmt, dass es sich um eine erneute Entlehnung aus dem Französischen handelt, und zwar deutlich später als das, was für Tribun, Volkstribun und Tribunal Modell stand. Dafür spricht zunächst die Orthografie, denn bei vielen Gallizismen wurde nach Entlehnung und Etablierung die deutsche Schreibung an die Lautung angepasst (aus <u> mach <ü>): amüsieren, Attitüde, brüskieren, Büro, Kalkül, Konfitüre, Kostüm, Menü, Parfüm, Plüsch (pluche) oder Resümee. Nicht ungewöhnlich wurde Tribüne im 19. Jahrhundert dementsprechend noch <Tribune> geschrieben:
An einem dieser Tage sah der Doge an der Seite seiner Gemahlinn, umgeben von einem glänzenden Hofstaate dem lauten Gewimmel von einer Tribune zu, auf der sich bald auch Michael Steno einfand, […]
1821. Conversationsblatt: Zeitschrift für wissenenschaftliche Unterhaltung 3(2). (via GoogleBooks)
Diesen Ansatz findet man auch in der Definition des DWDS (nach Pfeifer) für Tribüne: dabei handelt es sich in dieser Bedeutung um eine Entlehnung aus dem Französischen, das so auf das (mittel-)italienische Wort tribuna ‚erhöhter Platz (in der Kirche), Kirchenstuhl, Podium, Bühne‘ zurück geht. Nun kann man natürlich auch diesen Begriff auf tribu(-s/-n)- zurückverfolgen. Aber Sie sehen, wie weit wir uns schon von der linearen Abstammungsthese entfernt haben, weil wir in der Folge Tribun, Tribunal und Tribüne für deutlich trennbare Konzepte in unseren Sprachgebrauch integriert haben.
Wann sich welche Bedeutung aus welcher Form entwickelt hat, ist also so unmöglich nachzuzeichnen. Vor allem, weil sich die Begriffsanwendungen ungefähr so oft verändert haben dürften, wie Rechtssysteme und Machtverhältnisse. Ferner spielen linguistisch gesehen neben dem hohen Flexionsgrad des Lateinischen auch metonymische Erweiterungen eine große Rolle, also wenn beispielsweise ein Stuhl, ein Podest oder eben eine Tribüne als Begriff für die Personen verwendet wird, die darauf sitzend ihren Job machen — und umgekert (ich denke da spontan an abkanzeln oder Heiliger Stuhl). Damit wäre die Frage „Ist B tatsächlich richtig?“ mit einem eindeutigen Jein zu beantworten. Es ist eine der früheren Bedeutungen, bei weitem aber nicht die vorherrschende oder einzige oder gar ursprüngliche.
Für das Pech des Kandidaten und den unglücklichen Auftritt der Jurastudentin dürfte mitentscheidend gewesen sein, dass die Diskussion zwischen Kandidat und Moderator um Tribun, Volkstribun und „Recht sprechen“ die Studentin dazu ermunterte, dieser Herleitung korrekterweise vehement zu widersprechen.
Bleiben die Almosen: am Tag nach der Sendung mailte uns ein Leser und fragte, ob die Herleitung von (und Ähnlichkeit mit) tribuere ‚verteilen, zuteilen‘ nicht für Antwort D gesprochen hätte (das stand in der Sendung nicht zur Debatte). Jetzt hab ich nicht mal das Nano-Latinum, deshalb müssten mir Latinistinnen aushelfen. Meine initiale Reaktion: das war möglicherweise die Klippe, die die Redaktion bei 125.000€ eben genau aufgrund der Ähnlichkeit eingebaut hat. Natürlich könnten beide, tribuere (siehe Tribut und Distribution) und tribun(us), auf einen gemeinsamen Stamm zurückgehen. Falls dem so ist, wäre Weil dem so ist, ist der Kern der Frage, wie man „ursprünglich“ interpretiert — denn dann wäre D streitbarerweise ursprünglicher als B. Plausibler erscheint mir da also die Annahme einer Verwirrtaktik der Redaktion.
Fazit
Antwort B ist nicht per se falsch, die Herleitung der Studentin aber auch nicht — der Tribun hatte nichts mit der Rechtssprechung zu tun. Außerdem sollte man bei 125.000€ schon mal ins Grübeln kommen, ob das „so krass offensichtliche“ nicht doch unzutreffend ist. Man hätte die Frage aber anders stellen sollen (wobei ich bezweifele, dass dies etwas an der Sache geändert hätte). Tribüne geht tatsächlich auf etwas zurück, was auch mal zur Bezeichnung eines Richterstuhls benutzt wurde, aber eben nur auf Umwegen. Die Entlehnung, der wir Tribüne vermutlich verdanken, hatte da nichts mehr mit der Rechtssprechung zu tun, sondern bezog sich auf einen erhöhten Platz.
Kurz: die WWM-Redaktion hat sich eine zeitlich und linguistisch ziemlich willkürliche Bedeutungsvariante rausgepickt — und sie als die „eigentliche“ verkauft.
Jetzt wollte ich ja noch was zur Arroganz schreiben. Dieser arrogante, ahnungslose Tribünen-Plebs-Pöbel, der sich nicht zu widerlich ist, eine Facebook-Seite einzurichten … ach suz, lass doch gut sein. Aber wenn das hier alles, wofür ich zwei Tage recherchiert habe, all diejenigen gewusst haben wollen, die so wissend mit dem Kopf geschüttelt haben — Chapeau!
Ein Zusammenhang zwischen ‘tribun’ und ‘tribuo’ ist schnell hergestellt: Beides hat etwas mit dem Stamm [tribus] zu tun — der wiederum etwas mit dem Drittel zu tun hat. Das römische Volk hatte drei Urstämme, es gab also je ein Drittel des römischen Volkes als Stamm.
Darauf bezieht sich dann der Bezirk, als Steuerbezirk, der wiederum einem Tribun unterstand.
Es ließen sich somit für drei der vier vorgegebenen Antworten gute Begründungen aufstellen, auch wenn aus dem Pott die der Redaktion gewählte — im Kontext des Spiels — schon die klarste ist. Und die Zahl ‘Drei’ bzw eine Ableitung davon kommt ja in der Auswahl erst gar nicht vor.
@Dierk: danke! Yup, *drei* war auch auf meinem Zettel, der Hintergrund mit den drei Steuerbezirken nicht (womit sich für mich die Verwandtschaft eher stark an den Haaren herbeigezogen hätte). Und mit dem dritten meinst du „gekrönt“ werden?
Danke für den wirklich lesenswerten Artikel. Ohne tatsächlich in der Lage gewesen zu sein, das irgendwie etymologisch oder sonst wie gut zu begründen, hatte ich meine Schwierigkeiten mit der Erklärung der richtigen (?) Lösung. Ich habe selber ein bisschen nachgelesen, was denn der gemeine Tribun den lieben langen Tag getrieben hat, und auf Rechtsprechung bin ich nicht gestoßen.
Sehr gute Recherchearbeit! 🙂
“Meine initiale Reaktion: das war möglicherweise die Klippe, die die Redaktion bei 125.000€ eben genau aufgrund der Ähnlichkeit eingebaut hat.”
Hihi, mein Gedankengang war gerade andersrum: “Tribunal und Gericht ist zu naheliegend und nur als Falle eingebaut.” Ein lateinischer Ausdruck für ‘Rechtssprechung’ (iwas mit ‘ius’) steckt ja nun nicht in ‘Tribüne’, aber eben der Ausdruck fürs ‘Verteilen/Zuteilen/Teilen’ (‘tribuere’).
Ja, Susanne, die Krönung, wenn ich den Begriff nicht zu eng auslege [Krone aufsetzen]. Der ursprüngliche Tribun war ja von Patriziern eingesetzt, um den Plebejern eine Machtteilhabe zu geben — so gesehen eine Krönung [offizielle Regalia gab es m.E.n. auch]. Im Kaiserreich gingen die Vollmachten, aber nicht die Position, auf den Kaiser über. Auch das eine Krönung.
Wie gesagt, es lässt sich eine gute Begründung konstruieren …
Als ich das erste Mal von dieser Sache hörte, erwartete ich eigentlich eine Antwort mit Steuern. Völlig verbildet ich bin.
*Alles sehr gerafft in beiden Kommentaren.
@Dierk: aha! Wenn wir so weiter machen, finden wir auch noch irgendwo ne Orgie. Vielleicht das nach der Krönung auf der Tribüne mit dem Volkstribun gemeinsam — wer weiß!
@Christian: ja gut, so rum kann man es natürlich auch sehen — allerdings wäre, um Recht sprechen nach dieser Logik auszuschließen, aber immer noch der Begriff Tribunal problematisch gewesen.
Die Frage war aber doch die nach der Wortherkunft von “Tribüne”, was, da dieses Wort seinerseits unbestritten von lat. “tribunal” herrührt, identisch ist mit der Etymologie von lat. “tribunal”.
Fragt man deshalb weiter nach der erstmaligen Verwendung von lat. “tribunal” als erhöhtem Platz eines wichtigen Amtsträgers, kommt man eben nicht umhin, weiter zu fragen, was der Tribun, der als erster auf dem “tribunal” gesessen hat, seinerzeit eigentlich gemacht hat. Und weil die Antwort hierauf lauten muss: Rechtsprechung jedenfalls nicht, war die Antwort B dann doch wohl richtig falsch und nicht einmal “halb richtig”.
@Katharina: na, ganz so einfach ist es eben nicht. Es ist eben *nicht* unbestritten, dass Tribüne von Tribunal „herrührt“ — es kann alles *mal* auf eine gemeinsame Wurzel zurückgeführt werden, was aber nicht heißt, dass es *identisch* ist mit der Etymologie von irgendwas anderem. Außerdem haben Tribun und Tribunal zwei unterschiedliche Entwicklungspfade hinter sich (also dass sich nicht eins aus dem anderen notwendigerweise ableiten lässt, weder linguistisch noch konzeptuell), weshalb Ihre Herleitung von Antwort B als „völlig falsch“ so nicht stehen bleiben kann.
“..es eben alles ein bisschen komplexer ist, als von der RTL-Redaktion und den Boulevardmedien dargestellt.”
Überraschung ^^
Ok. Zwei Anmerkungen zum Fazit.
Es ist nicht “der Plebus”, sondern “die Plebs”.
Dass der (Volks-)Tribun nichts mit Rechtsprechung zu tun hat, ist auch nicht so ganz richtig, er trat nämlich als gelegentlich als Ankläger bei duellio-Prozessen vor der Volksversammlung auf. Wohlgemerkt nicht selbst als Richter, denn das Urteil war das Votum der Versammlung.
@Pompeius: ist korrigiert, danke.
@ Susanne Flach: Sie sagen das so bestimmt. Haben Sie für beide Thesen auch irgendeinen Beleg? Wir wissen immerhin, dass “tribunus” und “tribunal” sehr alt sind (mind. 5./6. Jahrh. v. Chr.), und dass Ersterer auf Letzterem gesessen hat. Für eine Wortbildung, die sich vor >2500 Jahren vollzogen hat, ist das doch schonmal was, d.h. wer da an einem etymologischen Zusammenhang zweifelt, sollte dafür doch einen Ansatz benennen können.
Mit zugegebenermaßen geringerer, aber doch immer noch beachtlicher Evidenz gilt das gleiche für die Weiterentwicklung von “erhöhter Sitz”/“Podest” (auf der ein einzelner Amtsträger seinen Platz nimmt) zu “erhöhte Bühne”/“Galerie” (auf der viele Leute Platz finden).
Mommsen, der sich intensiv mit den römischen “tribus” befasst hat, meinte übrigens am Ende (Römisches Staatsrecht, 1887, III, S. 95 f.), der Begriff habe nichts mit dem Zahlwort für drei zu tun, sondern entstamme — im Hinblick auf sehr ähnliche Worte in der benachbarten umbrischen und der keltischen Sprache — einem lokalen Urwort für “Gemeinde”.
Als “tribunal” wurde nach Mommsen a.a.O. (S. 383 Fn. 5, 386, 401, 419) vor allem das Podest bezeichnet, von dem aus die Wahlen und Abstimmungen der Volksversammlung geleitet wurden.
Der Richter (praetor) saß zwar auch auf einem “tribunal”, aber nach alledem nicht mehr und nicht weniger als alle anderen Amtsträger.
Bei Mommsen a.a.O. (S. XII Fn. 1) findet sich übrigens auch ein aufschlussreiches Livius-Zitat zum “tribunal”, wonach der Angeklagte (Q. Fabius) “ex inferiore loco ad tribunal accessit”, d.h. vom “Parkett” zum Podest des Prätors hochkommen musste.
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Ich verstehe wenig von Linguistik. Was ich jedoch gut kenne, ist ein Frauenhass, der mit seiner Schwester, der Wissensfeindlichkeit, auf Hetzjagd geht. Egal was die “eigentlich” richtige Antwort gewesen wäre — was nach der Antwort mit der Studentin gemacht wurde, ist eigentlich falsch und richtig traurig.
Wäre schön, wenn die Redaktion von Wer wird Millionär einsieht, dass die Frage nicht eindeutig zu beantworten war und dem Kandidaten eine neue Frage gibt. Das würde helfen, denn ich glaube RTL ist eine Autorität, die die meisten akzeptieren, die jetzt noch Hohn speien.
Ich versuche meinen Beitrag zu leisten, indem ich diesen Artikel verbreite.
P.S.: Ich glaube in den letzten Absätzen des Artikels müsste es “eigentlich” heißen, nicht “ursprünglich”.
Liebe Susanne,
es ist zwar vorbildlich, dass du in penibelster Kleinstarbeit sämtliche Wortstämme und Herleitungen herausgesucht hast um sie nahezu haarspalterisch zu sezieren.
Das eigentliche Problem der WWM-Show war allerdings weniger die falsche Antwort, die du gegeben hast, sondern vielmehr die Selbstverständlichkeit und das übersteigerte Selbstbewusstsein mit welcher diese gegeben wurde.
Rechtfertigungen und stoisch fachlich hochgestochene Artikel ändern an der naheliegenden Antwort allerdings auch nichts. Wer auf diesem Stuhl sitzt muss sich auf den Publikumsjoker zu 100% verlassen können und genau dieser Punkt wurde dir zum Verhängnis. Ich glaube, dass du das instinktiv weißt und aus diesem Grund halte ich von der Hetzjagd auch nichts, aber nimm dir lieber das zu Herzen anstatt eine Rechtfertigung zu suchen.
Gruß,
M.
Liebe Frau Flach,
da versuchen Sie ein bißchen Verwirrung zu stiften, wo die Dinge am Ende eigentlich doch klar sind. Nur zwei Anmerkungen:
1. Die Bedeutung “Richterpodest” ist für lat. “tribunal” durchaus die bei weitem vorherrschende und nicht nur eine unter vielen anderen ebenso gut möglichen. Alle anderen Bedeutungen sind seltene Variationen davon, die für die RTL-Aufgabe keine Rolle spielen konnten (ausgenommen natürlich die ursprünglichste, aber ebenfalls seltene Bedeutung “Podest des Tribunen”). Um das zu wissen, muß man sich allerdings etwas besser in der lateinischen Literatur auskennen, da reicht nicht ein Nano-Latinum oder ein Blick ins Wörterbuch (wo die häufigen und die sehr seltenen Bedeutungen ununterscheidbar nebeneinander stehen).
2. Dagegen hätten Sie aber auch als Nano-Lateinerin in zwei Tagen Recherchearbeit durchaus herausbekommen können, daß “tribunal” tatsächlich das Podest für einen Richterstuhl und nicht etwa den Stuhl selbst bezeichnet. Das steht nämlich wiederum in jedem nicht allzu kleinen Wörterbuch.
Deshalb: Doch, Frage und Antwort von RTL waren so eindeutig richtig, wie das für diese Fernsehsendung verlangt werden kann.
Das lateinische Verb “tribuere”, aus‑, verteilen; zuteilen, gewähren’ [auch: pecuniam/beneficia], das sich wohl von lat. “tribus” (urspr. ‘ein Drittel des Volkes’) herleitet, hat sicher auch einen gewissen Einfluss auf das Wortbedeutungsverständnis von “tribunus” und “tribunal” lateinischer Sprecher gehabt, d.h.: “tribunus (plebis)” ~ ‘derjenige, der (dem Volk) das Gebührende zuteilt/zukommen lässt’; “tribunal” ~ ‘Ort, an dem (von dem aus) zugeteilt/zugewiesen wird’. Allein diese inhaltlich-formale Nähe von “tribuere” zu den Begriffen “tribunus” und “tribunal” macht den Ausschluss der Antwort D (‘Almosen verteilen’) schwierig.
Also ich finde mit Wortherkunft ist der Anfang der Kette gemeint, also Tribus. Den Bezug auf eine spätere Verwendung des Wortes zu legen, finde ich bedenklich und für Menschen mit Latein-Kenntnissen irreführend, da sie etwas ausschließen können, so wie die Studentin. Und es ist grundlegendes Prinzip von WWM, Antworten auszuschließen.
Aber davon abgesehen, habe ich euch richtig verstanden: Tribunal bezeichnet nur das Gebäude Gericht oder den Stuhl des Versammlungsortes, an dem Gericht gehalten wurde. Dann steckt doch im keinen Falle in dem Wort die angeblich richtige Antwort “Recht zu sprechen” drin und ist diese Antwort doch unzweifelhaft falsch. Es war doch eindeutig nach der Wortherkunft gefragt und nicht nach “hat irgendetwas damit zu tun”.
Tribüne oder Vorlesepult geht auf das Alte Testament zurück etwa auf „Esra“. Das Wort Tribüne dürfte sich deshalb aus der Übersetzung aus dem hebräischen ins griechische und dann weiter entwickelt haben. Deshalb sind verschiedene Deutungen ganz zwangsläufig und damit zu erklären, dass die Stelle, von wo aus vorgelesen wurde, unterschiedlich benannt wurde. So wird die Stelle, von der aus vorgelesen wurde mit dem biblischen ….., wieder andere gebrauchten dafür das aus dem Tempel bekannte Wort … In jeder Gegend verwandte man eine andere Benennung, die sich aus der Bibel oder aus dem Talmud belegen lässt. Da die Stellen aus dem Tanach, die vorgelesen wurden,unterschiedlichen Inhalts waren, kam der Stelle auch eine unterschiedliche Bedeutung zu, auf jeden Fall die, Recht zu sprechen und/oder um Almosen zu bitten. Da sich der RTL-Redakteur von WWM auf Sekundärliteratur bezogen hat, sollte RTL die Größe haben, seinen Fehler zu korrigieren und den Kandidaten eine Runde weiterkommen lassen. Zumindest sollte vom Redakteur verlangt werden, die Bibel zu widerlegen, zumindest in dieser Aussage, wenn RTL bei seiner Meinung festhalten will.
Dr.-Ing. Michael Lersow, Breitenbrunn/Erzgeb.
Hier die Stellungnahme vom Redakteur:
http://www.focus.de/kultur/kino_tv/tid-31164/rtl-statement-zum-tribuenen-streit-so-reagiert-rtl-auf-das-wer-wird-millionaer-desaster_aid_987893.html
Also ich kann das nicht nachvollziehen.
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tributio (lat.) heißt “verteilen”!
Hat schon jemand Schiller zitiert? “Die Kraniche des Ibykus”?
Man reißt und schleppt sie vor den Richter,
Die Szene wird zum TRIBUNAL,
Und es gestehn die Bösewichter,
Getroffen von der Rache Strahl.
Das hatte der Deutschlehrer am Telefon vielleicht im Kopf!
Endlich malne Diskussion zu diesem Thema, an der Leute teilnehmen, die Latein an der Schule hatten, denkfähig/(geistig) älter als “7/8. Klasse” sind/wissen, wie man Wikipedia benutzt/Informationsakkumulationen kritisch auswertet ;). @Dierk: Danke für den Aufzeig der Denkbarkeit uneigentlicher Gekröntheiten :).
Ansonsten:
Hab die Sendung selber nedd gsehn; will den ganzen Schmarrn erst gar nedd wissn, dens da wissn wolln :).
Hab mich dann aber sukkursartig aufner sturmscheissebefeuchteten Seite um Klärung bemüht: http://www.hornoxe.com/wer-wird-millionaer-traue-niemals-einer-jura-studentin/
Der verhältnismäßig, im Verhaltensverhältnis ;), überlange, leicht umgebungverhaltensangepasste, Beitrag am Schluss. Einige der Fragen, die ich bisher noch nicht (exakt) klären konnte (vor allem, weil ich zu faul war, um weiterzurecherchieren:)): Wurde nach Augustus zu irgendeiner Zeit irgendwer auf einem Tribunal zum Kaiser “gekrönt” (Soldatenkaiser): Nicht ganz unwahrscheinlich, oder 😉 (heerakklamtorische Erhebung zum Kaiser etc.)? Hat ein “Tribun” zu irgendeinem Zeitpunkt in der langen Geschichte dieses Amtes/besser: dieser Ämter irgendwann “Almosen”/ weiter gefasst: Geldgaben von einem Tribunal aus verteilt(auch recht wahrscheinlich nach dem Übergang der tribunicia potestas an Augustus/nachfolgende Kaiser (da, wo eine sella curulis ist, kann ein Tribunal doch, von Zeit(geschmack) zu Zeit(geschmack), nicht allzuweit sein ;)) http://de.wikipedia.org/wiki/Tribunizische_Gewalt
Da sitz ich grad dran: http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/secondary/SMIGRA*/Tribunus.html
Für alle uber-exakten Überexakter:
http://www.perseus.tufts.edu/hopper/wordfreq?lang=la&lookup=tribunus
Leider funktionieren gerade die links zu tribunal nicht ^^: http://www.perseus.tufts.edu/hopper/wordfreq?lang=la&lookup=tribunal
Mommsen: http://archive.org/stream/rmischegeschic01mommuoft#page/264/mode/1up
Keine Ahnung, obs mich genug interessiert, um das ganze über den bisher erreichten Punkt weiterzutreiben. Das einzige, was ich wirklich noch wissen wollte, ist, ob ein “eigentlicher” Tribun, sei es ein vorrepublikanischer Tribustribun oder ein republikanischer Volkstribun, jemals von einem Tribunal aus Almosen verteilt hat (also nicht der billige Ausweg über spendable Kaiser ;)), um einen wackeligen Eigentlichkeitsbeweis, halbwegst :), unwiderjauch/valderbar führen zu können :).
Natürlich auch noch interessant: War der Tribun, außer in der curia tributa, als accusator, zu irgendeinem Zeitpunkt ‑irgendwann in vorrepublikanischer Zeit?- als (Tribus-)Richter tätig?; Jauch hat ja selbst später in der Sendung seinen Ist-doch-selbstverständlich-Tribun-Tribunal-Richter-lapsus revidiert.
Genug, denne.
Ich denke, es war hier der Zusammenhang mit einem Tribunal gemeint: http://de.wikipedia.org/wiki/Tribunal
Wo sitzt so ein Tribunal? Auf der Tribüne.…
Aber wenn es um so ne Menge Knete geht, sollte die Frage schon eindeutig sein, bzw. die vorgegebenen Antworten mit der Frage nicht in Zusammenhang gebracht werden können.…
Vielen Dank für den Beitrag. Es wäre mal interessant zu sehen, bei wie vielem WWM-Fragen ähnliche Patzer vorkommen.
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