Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer gerierte sich stets als Beschützer der deutschen Sprache vor dem verderblichen Einfluss des Englischen und erntete dafür aus sprachnörgeligen Kreisen viel Lob. In Erinnerung bleiben wird der denen jetzt aber wohl (vermutlich gänzlich unverdienter Weise) als ihr Zerstörer, als jemand, der sich vom Tugendfuror der politisch Korrekten dazu treiben lassen hat, die Straßenverkehrsordnung nicht nur um einige saftige (aber absolut angemessene) Erhöhungen von Bußgeldern, sondern auch ein Bemühen um geschlechtergerechte Sprache ergänzt zu haben. Zu Fuß gehende statt Fußgänger und Fahrzeugführende statt Fahrzeugführer heißt es dort nun. Das dürfte vielen nur ein Schulterzucken wert sein, einigen von uns vielleicht ein anerkennendes Nicken angesichts der sprachlich gut gemachten Überarbeitung. Aber für den Verkehrsrechtsexperten des AUTO CLUB EUROPA, einen Volker Lempp, ist es ein Quell „unfreiwilliger Komik“, der nur einem „Studienabbrecher im Fach Germanistik“ zu verdanken sein kann. Was genau er an der gerechten Sprache so komisch findet, und warum er sein feines Sprachgefühl nicht lieber dem Deppenleerzeichen im Namen des Vereins widmet, für den er arbeitet, verschweigt er uns dabei. Nur, dass die Polizeibeamten in der StVO immer noch ganz maskulin Polizeibeamte heißen, lässt ihn — innerlich männlich glucksend — nach Alice Schwarzer schreien. Und wem bei Geschlechtergerechtigkeit nur Alice Schwarzer einfällt, der ist als Verkehrsrechtsexperte bei einem Verkehrsverein ja auch ganz gut aufgehoben.
Nicht um gerechte, sondern um markengerechte Sprache ringt derweil Google mit dem Schwedischen Sprachrat und hat dabei, entgegen der Interpretation diverser deutscher Medien, die erste Runde verloren. Wie THELOCAL.SE berichtet, hat der Sprachrat nämlich die Aufnahme des Wortes ogooglebar („ungooglebar“) auf die jährlich herausgegebene Liste neuer Wörter zurückgenommen. Das Wort, das dort mit der Bedeutung „im Internet mithilfe einer Suchmaschine nicht auffindbar“ stand, sollte nach Googles Wünschen nämnlich als „im Internet mithilfe von Google nicht auffindbar“ definiert werden. Vermutlich nicht, weil Google damit die Qualität der eigenen Suchergebnisse gegenüber anderen Suchmaschinen infrage stellen wollte, sondern, um die Wortmarke Google davor zu schützen, zu einem allgemeinen Wort für Suchmaschinen zu werden. Statt sich die Definition des Wortes von Google diktieren zu lassen, strich der Sprachrat das Wort aber kurzerhand ganz von der Liste. Der Sprachgebrauch sei es, der die Bedeutung eines Wortes bestimme, wird die Vorsitzende des Rates zitiert, und nicht ein multinationaler Konzern: „Sprache muss frei sein“, und das könne das anstößige Wort ja auch, ohne auf einer Liste zu stehen. In Deutschland war man da offensichtlich weniger prinzipientreu: googeln ist im DUDEN markenrechtlich sauber aber am Sprachgebrauch vorbei als „mit Google im Internet suchen, recherchieren“ definiert, und sogar die Bedeutung von Ego-Googeln ist laut Duden auf die „gezielte Suche nach dem eigenen Namen im Internet mithilfe der Suchmaschine Google®“ beschränkt. Wer sich in Bescheidenheit üben will, googelt — pardon, sucht sich also in Zukunft einfach mit Bing und verhindert so, dass andere über diese Tatsache reden können.
Um Geschlecht, Verkehr und Sprache geht es auch in den Suchanfragen einer amerikanischen Erotik-Suchmaschine. Wie HEUTE.AT berichtet, gehört dort neben erotischen Fachbegriffen wie „teen“, „milf“ und „anal“ die jeweilige Landessprache der Suchenden zu den häufigsten Suchwörtern. Obwohl Pornographie ja im großen und ganzen als visuelles Medium verschrien ist, sind die Nutzer offenbar nicht auf Äußerlichkeiten fixiert, sondern interessieren sich tatsächlich dafür, was die Teens und Milfs ihnen mitzuteilen haben — auch wenn die Dialoge häufig klingen, als stammten sie von Studienabbrechern im Fach Germanistik. Die betreffenden Filme mögen übrigens auf den ersten Blick ungooglebar erscheinen, aber das lässt sich in den Einstellungen der Suchmaschine ihres Vertrauens mit einem Klick ändern.
“Gerechte Sprache” finde ich als Begriff ja immer noch etwas eigenartig.
Das ist wahrscheinlich dem Umstand geschuldet, daß “Beamt-” adjektivisch dekliniert wird und grundsätzlich in der Lage sein sollte, sein Geschlecht so geschmeidig den Umständen anzupassen wie ein Tleilaxu Face Dancer. So ist etwa “Bekannt-” allem Anschein nach völlig neutral, selbst
kommt mir völlig unauffällig vor.
Finde ich hingegen tatsächlich deutlich auffälliger. Zudem belegt die Existenz von “Beamtin” (n.b. nicht “Beamterin”) im Gegensatz zu “Bekanntin”, daß das Substantiv inzwischen anscheinend tatsächlich als inhärent maskulin aufgefaßt wird.
Frappierend, wenn eine solche Entwicklung wirklich ein grammatisch genuin geschlechtsneutrales Substantiv seiner Neutralität beraubt haben sollte.
Ob nun Fahrzeugführer oder Fahrzeugführende, beides ist schlechtes Deutsch und kommt vor allem in Polizeiberichten und ‑Akten vor. Kein Mensch sagt Fahrzeugführer oder Fahrzeugführerin. Es heißt schlicht Autofahrer oder LastwagenFahrerin oder was auch immer gemeint ist. Es sei denn, der Autor ist Polizist oder Verkehrsminister.
Manchmal ist es halt seltsam, was geschlechtergerecht umgesetzt wird und was nicht. Im Paragrafen 40 der Biersteuerverordnung heißt es:
(1) In zugelassenen Brauereien ist Bier von der Steuer befreit, das als Haustrunk unentgeltlich an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgegeben wird, die mit der Beschaffung oder Behandlung der zur Bierherstellung bestimmten Rohstoffe, der Herstellung des Bieres oder seinem Vertrieb aus der Brauerei und den auf ihre Rechnung geführten Niederlagen unmittelbar oder mittelbar beschäftigt sind.
(2) Der Brauereiinhaber hat anhand betrieblicher Aufzeichnungen nachzuweisen, welche Personen in einem Monat zum Empfang von steuerfreiem Haustrunk berechtigt waren und welche Haustrunkmengen unentgeltlich abgegeben worden sind.
Darf man sich da fragen, ob hier Brauereiinhaberinnen diskrimniert werden oder ist das schon beckmesserisch?
Es sind ja nur wenige Stichwörter, an denen Lob und Kritik festgemacht werden, aber Zu Fuß gehende wirkt nicht gerade wie Teil einer „sprachlich gut gemachten Überarbeitung“, wo es doch Gehende viel besser täte.
Leider ist das deutsche Genussystem asymmetrisch organisiert. Ich empfinde bei den “zu Fuß gehenden” auch einen Missklang. Sprachlich ist im Deutschen eine Partizipialkonstruktion nicht sonderlich elegant im Vergleich zu einer Nominalbildung. Einfache Lösungen gibt es nicht. Ich empfehle genusneutrale Formen oder Doppelformen, wenn tatsächlich die Gefahr von (positiv oder negativ) diskriminierenden Lesarten besteht. Beim Fußgänger sehe ich das nicht, beim Fahrzeugführer / Autofahrer schon eher.
Hat schon jemand sich durch die Novelle gearbeitet und überprüft, ob des SPONs Sprachmetzger überhaupt Recht hat? Gibt es wirklich Instanzen — gar viele davon -, die ein wenig spröde klingen? Und sind die neuen Begriffe tatsächlich spröder als die alten [an die wir uns nur gewöhnt haben]?
Ist SpRöDe nicht die Abkürzung für Straßenverkehrsordnung? Ich verstehe nicht, was das soll, mangelnde Kunstfertigkeit in ministeriellen Sprachwerken zu beklagen. Oder um es mit dem schwedischen Sprachrat zu sagen: Weil Sprache frei sein muss, muss Behördensprache anders sein.
Verkehrsrecht-Sexperte. Chrchrchrchrchr.
@Susanne:
Das Beharren auf “Fahrzeugführer” gewinnt bei selbststeuernden Autos wieder an Bedeutung. In so einem Auto sind im Prinzip alle Insassen erst einmal Autofahrer, da jeder von ihnen einen Steuerbefehl geben könnte, wenn er die notwendigen technischen Vorrausetzungen hat. Es besteht kein Zusammenhang mehr mit der Sitzposition im Auto.
Ganz abgesehen davon, dass “Autofahrer” ein sehr unspezifischer Begriff ist, dessen Verwendung nicht einmal explizit erfordert, dass derjenige tatsächlich ein Fahrzeug im jeweiligen Moment bedient.