[Anglizismus 2012] Mit gendern ändern?

Von Kristin Kopf

Heute geht’s um den AdJ-Kan­di­dat­en gen­dern und ich will gle­ich vorauss­chick­en, dass ich dem Mon­sterthe­ma zwar einige Köpfe abschla­gen kon­nte, aber immer neue nachgewach­sen sind. Also: Anspruch auf Unvollständigkeit.

Nominiert wurde gen­dern von David, mit fol­gen­der Begründung:

Das Wort wird vor allem in der Bedeu­tung »in geschlechterg­erechter Sprache schreiben« ver­wen­det. In Englisch gibt es das Verb »to gen­der« nicht, und das Nomen »gen­der« in der Bedeu­tung »soziales Geschlecht« ist eben­falls ver­gle­ich­sweise jung. Das Wort zeugt also von einem kreativ­en Umgang mit Sprache, außer­dem scheint es momen­tan Hochkon­junk­tur zu haben.

Für mich ist es aus min­destens zwei Grün­den ein sehr span­nen­des Wort:

Zum einen kam es mir zunächst sehr etabliert vor, für den Anglizis­mus des Jahres schon viel zu lange viel zu ver­bre­it­et. Aber vielle­icht ist das nur in mein­er sehr geis­teswis­senschaftlich-uni­ver­sitär geprägten Welt so, wo geschlechterg­erechte Sprache weit­ge­hend Kon­sens ist?

Zum anderen trage ich, trotz der hohen Ver­wen­dung­shäu­figkeit in meinem Umfeld, noch immer leise Zweifel mit mir herum, was das Wort denn nun heißen kann. Die sind darin begrün­det, dass ich in einem Sem­i­nar ein­mal gel­ernt habe, gen­dern würde zunehmend falsch ver­wen­det – es hieße näm­lich nicht ‘etwas in geschlechterg­erechte Sprache brin­gen’ son­dern ‘geschlechter­basierte Unter­schiede erzeu­gen’. Nach dieser Bedeu­tung wäre z.B. Baby­mode gegen­dert (rosa, Schmetter­linge und Blüm­chen für Mäd­chen – blau, Bag­ger und Flugzeuge für Jungs).

Diesen bei­den Punk­ten werde ich in diesem Beitrag auch haupt­säch­lich nachgehen.

Was war das Vorbild?

Der Anglizis­mus des Jahres muss, logisch, aus dem Englis­chen stam­men – was für unser deutsches Verb gen­dern mehr oder weniger direkt zutrifft. Es gibt zwei poten­zielle Wortliefer­an­ten: Zum einen das Sub­stan­tiv gen­der, das David im Ver­dacht hat, und zum anderen das Verb to gen­der, das es näm­lich sehr wohl gibt, wenn es auch im Gebrauch recht sel­ten ist.

Das Sub­stan­tiv haben wir auch als solch­es schon vor Län­gerem ins Deutsche entlehnt (Gen­der), wo es sich beson­ders in der Sozi­olo­gie (und den rel­a­tiv neuen Gen­der Stud­ies) als aus­ge­sprochen nüt­zlich erwiesen hat. Bis dahin gab es näm­lich nur Geschlecht, wo man auf Englisch zwei wichtige Aspek­te unter­schei­den kon­nte: Das biol­o­gis­che Geschlecht (sex) und das soziale Geschlecht (gen­der). Damit trägt man der Tat­sache Rechen­schaft, dass es gesellschafts- und kul­tur­spez­i­fis­che Geschlechter­rollen gibt, die stark vari­ieren kön­nen – zum Beispiel was Klei­dung, typ­is­che Tätigkeiten/Berufe etc. betrifft.

Im Deutschen Ref­eren­zko­r­pus habe ich das Sub­stan­tiv ein­mal für deutschsprachige Zeitun­gen recher­chiert. ((Im W‑Archiv der geschriebe­nen Sprache, ohne Wikipedia, zugänglich via Cos­mas II.)) Belegt ist es dort erst­mals 1994, wobei das Kor­pus auch erst ab 1990 eine gewisse Größe erre­icht. ((Ins­ge­samt sind die Zahlen sehr klein (332 bere­inigte Tre­f­fer; Es wur­den ent­fer­nt: Vorkom­men inner­halb englis­ch­er Zitate, Vorkom­men als Erst­glied eines Kom­posi­tums, Fehltr­e­f­fer wie Eigen­na­men oder falsche Seg­men­tierun­gen), ich habe es den­noch gewagt, sie ein­mal auf Vorkom­men pro Mil­lion Wörter zu nor­mal­isieren und in fol­gen­des Dia­gramm zu packen:

Gen­der pro Mio Wörter im DeReKo. Rot: In Anführungsze­ichen, grün: Rest.

Die Zeit, in der Gen­der unun­ter­brochen erk­lärt wer­den musste (und als fremdes Ele­ment in Anführungsze­ichen geset­zt wurde), scheint vor­bei zu sein, aber beson­ders häu­fig ist es auch heute nicht.)) In Büch­ern lässt sich das Wort ver­mehrt seit den 1980ern nach­weisen. ((Logisch, weil die Anfänge des Wortes in den Sozial­wis­senschaften zu suchen sind, und bis wis­senschaftliche Ter­mi­nolo­gie in Zeitun­gen über­schwappt, dauert es ein­fach. Eine Google-Buch-Suche für 1900 bis 1990 lieferte keine deutschen Belege – alle von mir durchge­se­henen 26 Tre­f­fer­seit­en beste­hen aus Englisch, Sil­ben­tren­nung (Typ fol-gen­der) oder falsch­er Datierung. Schaut man aber ein­mal mit dem Ngram-View­er, wobei hier auch englis­che Buchti­tel und Zitate etc. hinein­spie­len wer­den, lässt sich eine schöne Kurve beobachten:

))

Ob das deutsche Verb gen­dern vom entlehn­ten Sub­stan­tiv abgeleit­et wurde, oder ob es sich um eine Entle­hung des englis­chen Verbs han­delt, muss hier lei­der ungek­lärt bleiben, dazu müsste man sich, denke ich, speziell gesellschaftswis­senschaftliche Texte anschauen. Soll­ten sich unter den Sprachlog-LeserIn­nen Fach­leute befind­en, freue ich mich über Hinweise!

Was heißt es?

Dass bei (oder nach) der Entlehnung seman­tisch einiges passiert sein muss, sagt uns aber der gesunde Men­schen­ver­stand: Englisch hat das Prob­lem mit dem »gener­ischen Maskulinum« qua­si nicht, weil es kein Maskulinum (als Genus, d.h. gram­ma­tis­ches Geschlecht) besitzt. ((Was natür­lich nicht heißt, dass alle per­so­n­en­beze­ich­nen­den Sub­stan­tive als geschlecht­sneu­tral wahrgenom­men wür­den, natür­lich existieren Geschlechter­rollen auch dann, wenn sie sprach­lich weit­ge­hend »unsicht­bar« sind. Dieses Rät­sel ist ja sich­er hin­re­ichend bekan­nt.)) Dem Deutschen ver­gle­ich­bare Prob­leme treten im Pronom­i­nal­sys­tem auf, wo man sich bei Men­schen für he oder she entschei­den muss – eine Lösung des Prob­lems ist das Plu­ral­pronomen they im Sin­gu­lar, oft wer­den (zumin­d­est in geschrieben­er Sprache) auch Mis­chfor­men wie s/he benutzt. ((Eben­falls disku­tiert wer­den Per­so­n­en­beze­ich­nun­gen auf -man wie chair­man, die häu­fig durch -per­son erset­zt wer­den.)) Es existiert also ein Diskurs darüber, wie man geschlecht­sneu­trale Sprache erre­ichen kann, aber die erforder­lichen sprach­lichen Verän­derun­gen (oder Hacks) sind bei weit­em nicht so umfan­gre­ich wie im Deutschen. Ein Verb wie gen­dern in der Bedeu­tung ‘geschlechterg­erechte Sprache ver­wen­den’ hat das Deutsche also defin­i­tiv nötiger als das Englische.

Und tat­säch­lich, im Englis­chen hat to gen­der dieser Bedeu­tung nicht, zumin­d­est liefert ein Blick ins OED nur fol­gende Definition:

To assign or attribute a gen­der to; to divide, clas­si­fy, or dif­fer­en­ti­ate on the basis of gen­der. rare before mid 20th cent.

[‘Ein Geschlecht zuweisen oder zuschreiben; tren­nen, klas­si­fizieren oder unter­schei­den auf der Grund­lage des Geschlechts. Vor Mitte des 20. Jhs sel­ten’, meine Übersetzung]

Zur Illus­tra­tion ein Beleg von 1990:

Rea­son was gen­dered as mas­cu­line and attrib­uted to per­sons of rank, pas­sion was gen­dered as fem­i­nine and char­ac­ter­is­tic of com­mon people.

[aus: C. Jor­dan: Renais­sance Fem­i­nism; ‘Ver­nun­ft wurde als männlich konzip­iert und rang­ho­hen Per­so­n­en zugeschrieben, Lei­den­schaft wurde als weib­lich und typ­isch für rang­niedere Men­schen konzip­iert’, meine Übersetzung]

Hier geht es also um gesellschaftliche Unter­schiede vom Typ Rosa-und-Blau, den ich ein­gangs erwäh­nt habe. Im Deutschen habe ich keine Belege für eine solche Ver­wen­dung gefun­den – was nichts heißen muss, auch dazu sind Hin­weise hochwillkommen!

Ich gehe nun also im Fol­gen­den davon aus, dass die Bedeu­tungsver­schiebung hin zum Bedeu­tungs­be­standteil ‘Geschlechterg­erechtigkeit’ eine deutsche Inno­va­tion ist und will ver­suchen, sie etwas aufzu­dröseln. Ganz grob – und ich bin wirk­lich sehr grob, denn es ist mit­tler­weile 2:30 Uhr – kann das deutsche gen­dern zwei Bedeu­tun­gen haben, eine, die sich nur auf Sprache bezieht und eine, die sich auf gesellschaftliche Struk­turen bezieht.

Die Sprachdefinition

Das ist die, für die David das Wort nominiert hat, also unge­fähr ‘etwas in geschlechterg­erechte Sprache brin­gen, in geschlechterg­erechter Sprache for­mulieren’. Gemeint ist also die Besei­t­i­gung oder Ver­mei­dung rein masku­lin­er For­men (irrtüm­licher­weise oft als »gener­isches Maskulinum« beze­ich­net) zugun­sten von Bei­d­nen­nung (Blog­gerin­nen und Blog­ger), Binnen‑I (Blog­gerIn­nen), Schrägstrich (Blogger/innen) o.a. (Blogger_innen, Blogger*innen, Bloggende, …).

Hier ein Ver­wen­dungs­beispiel aus ein­er Zeitung (via DeReKo):

Frauen­min­is­terin Heinisch-Hosek (SPÖ) griff das The­ma auf und trat im Jän­ner 2009 mit Ihrem Wun­sch an die Öffentlichkeit, die Öster­re­ichis­che Bun­deshymne „zu gen­dern“, also den männlichen und weib­lichen Teil gle­ich zu erwäh­nen.

(in: Bur­gen­ländis­che Volk­szeitung, 21.07.2011; Töchter nun besungen)

Die Gesellschaftsdefinition

Duden online schreibt dem Verb aber eine viel bre­it­ere Bedeu­tung zu, näm­lich ‘das Gen­der-Main­stream­ing (auf etwas) anwen­den’. Das kann zum einen Chan­cen­gle­ich­heit ungeachtet des Geschlechts bedeuten (z.B. keine Gehalt­sun­ter­schiede), zum anderen die gle­iche Berück­sich­ti­gung bei­der Geschlechter (d.h. von als unterschiedlich/geschlechtsspezifisch wahrgenomme­nen Bedürfnissen).

In dieser Bedeu­tung find­et es sich auch in Zeitun­gen, inter­es­san­ter­weise ganz beson­ders in Öster­re­ich. So wird gefordert, Bud­gets zu gen­dern (d.h. aufzuschlüs­seln, wie viel Geld für bes­timmte gesellschaftliche Grup­pen aus­gegeben wird, hier sind, sehr span­nend, auch Men­schen mit Migra­tionsh­in­ter­grund und Senior­In­nen mit­ge­meint), man gen­dert Spielplätze (d.h. sowohl Jun­gen als auch Mäd­chen wur­den danach befragt, welche Spiel­geräte es geben sollte) oder Gemein­den (d.h. man erhebt, welche gesellschaftlichen Grup­pen welche Gemein­de­struk­turen beson­ders nutzen und nimmt evtl. Verän­derun­gen vor).

Weitere Definitionen

Ich habe gestern auf Face­book gefragt, was die, äh, Lik­erIn­nen unser­er Seite unter gen­dern ver­ste­hen. Der Großteil (14, Mehrfach­nen­nun­gen möglich) spricht sich aktuell für die sprach­liche Def­i­n­i­tion aus, eine Min­der­heit (3) für die Gesellschafts­de­f­i­n­i­tion. Außer­dem gibt es zwei Anhänger der englis­chen Def­i­n­i­tion und schließlich wurde noch eine weit­ere vorgeschla­gen, näm­lich ‘Gen­derdekon­struk­tion/-kri­tik betreiben’, die eben­falls zwei Per­so­n­en vertreten.

Nun hätte ich gerne ein patentes Mit­tel, um die Häu­figkeit der ver­schiede­nen Bedeu­tun­gen im all­ge­meinen Sprachge­brauch zu messen – gibt’s aber nicht. Nor­maler­weise würde ich in Erman­gelung von Alter­na­tiv­en irgend­was mit Google hin­trick­sen, das ver­bi­etet sich in diesem Fall jedoch auf­grund der ide­ol­o­gis­chen Aufge­laden­heit des Wortes. Also, es gin­ge natür­lich schon, aber ich ertrage die ganzen unqual­i­fizierten Glossen und Foren­beiträge vom Typ SalzstreuerIn ein­fach nicht. Ein grobes Scrollen über die ersten Ergeb­nis­seit­en weist aber ganz klar auf die Sprachde­f­i­n­i­tion hin.

Füllt gen­dern damit

[…] eine inter­es­sante Lücke im deutschen Wortschatz […], indem [es] eine vorhan­dene Wortbe­deu­tung weit­er ausdifferenzier[t] oder indem [es] ein Wort für etwas bereitstell[t], was es vorher nicht gab oder was vorher nur müh­sam umschrieben wer­den kon­nte? (vgl. hier)

Für die Sprache: Ganz ein­deutig, ja. Ungetüme wie in geschlechterg­erechter Sprache sagen/schreiben oder sich geschlechterg­erecht aus­drück­en sind damit unnötig. In dieser Bedeu­tung prophezei­he ich dem Wort eine sichere Zukunft.

Für die gesellschaftliche Ebene, die ich hier als weniger ver­bre­it­ete Nebenbe­deu­tung anse­he, fehlt dem Verb aber, ähn­lich wie dem Konzept, m.E. eine gewisse Ein­deutigkeit. Geht es darum, Unter­schiede zu beseit­i­gen? Unter­schiede beson­ders zu berück­sichti­gen? Wenn Kindergärt­ner­In­nen vorgeschla­gen wird, einen Gen­dertag einzuführen, an dem die Mäd­chen typ­is­che Jun­gen­spiele spie­len sollen und umgekehrt, wer­den dann nicht eher Unter­schiede zemen­tiert als beseit­igt? Ohne mich genauer eingear­beit­et zu haben – mit­tler­weile ist es halb fünf – würde ich dieser Bedeu­tung eine gewisse Kau­gum­mi­haftigkeit zus­prechen, die sie an ihrem Fortkom­men hin­dern kön­nte, aber nicht muss. Außer­dem lassen sich in vie­len Sit­u­a­tio­nen auch schon länger bekan­nte Ver­ben wie gle­ich­berechti­gen und gle­ich­stellen nutzen.

Seit wann Benutzt man es – und wie oft?

So. Jet­zt müssen wir uns natür­lich noch fra­gen, ob das Wort 2012 einen Zuwachs in der Gebrauchshäu­figkeit erfahren hat, denn eines der Kri­te­rien für den Anglizis­mus des Jahres ist ja, dass er

[…] im laufend­en Jahr zum ersten Mal  ins Bewusst­sein und den Sprachge­brauch ein­er bre­it­en Öffentlichkeit gelangt sein [muss]

Das Bewusst­sein lässt sich schw­er messen, der Gebrauch etwas leichter.

Eine Ngram-View­er-Suche für Büch­er fördert bei gen­dern lei­der zu viel Müll zutage, um irgendwelche Aus­sagen über Ten­den­zen der let­zten Jahre (bis 2008) zuzu­lassen. ((U.a. scheinen viele Fehlschrei­bun­gen von geän­dert dabeizusein.))

Im Deutschen Ref­eren­zko­r­pus taucht das Verb acht Jahre nach dem Sub­stan­tiv Gen­der, also erst 2002 auf und steigert sich dann zwar recht kon­tinuier­lich, aber doch in sehr, sehr beschei­den­em Maße. Sieben Vorkom­men im Jahr 2012 sind zwar absoluter DeReKo-Reko­rd, aber fürs Bewusst­sein ein­er bre­it­en Öffentlichkeit reichen sie wahrschein­lich nicht. Fast alle Belege (22 von 29) stam­men übri­gens aus öster­re­ichis­chen Zeitun­gen. ((Die genauen Zahlen:

Jahr abso­lut pro Mio Wörter
2002 2 0,023
2003 0 0,000
2004 0 0,000
2005 0 0,000
2006 3 0,019
2007 5 0,024
2008 4 0,018
2009 3 0,014
2010 3 0,017
2011 2 0,011
Erste Hälfte 2012 7 0,062

Gesucht wurde im W‑Archiv der geschriebe­nen Sprache (ohne Wikipedia) nach: gen­dern OR gen­dere OR gen­der­st OR gen­dert OR gen­derte OR gen­dertest OR gen­derten OR gen­dertet OR gegendert))

Bleibt noch Google Trends – hier wird die (geschätzte) Häu­figkeit von Suchan­fra­gen bei Google abge­bildet. Man sieht also nicht die Ver­wen­dung­shäu­figkeit, son­dern wie oft ein Begriff gesucht wurde.

Mit viel gutem Willen kann man Such­in­ter­esse mit Bewusst­sein in Zusam­men­hang brin­gen und stellt dann fest, dass sich hier im ver­gan­genen Jahr einiges getan hat.

Kurios: Auch bei Google Trends spielt Öster­re­ich wieder ganz vorne mit. Das Suchaufkom­men scheint ganz bedeu­tend über dem für Deutsch­land zu liegen (und in der Schweiz inter­essiert man sich gar nicht für gen­dern). Eventuell hat das mit dem seit 2009 geset­zlich ver­ankerten Gen­der Bud­get­ing zu tun, bei dem sich gen­dern dann in der Gesellschafts­be­deu­tung auf den bei­de Geschlechter gle­icher­maßen berück­sichti­gen­den Finanzhaushalt bezieht. ((Danke für den Hin­weis an Hagen.)) Genau in dem Jahr geht es bei den Trends näm­lich los mit den steil ansteigen­den Kurven.

Damit wird dann fraglich, ob gen­dern zum Anglizis­mus des Jahres 2012 taugt. Nicht, dass der öster­re­ichis­che Sprachge­brauch aus­ge­blendet wer­den soll – aber hier scheint der sprung­hafte Anstieg schon vor 2012 stattge­fun­den zu haben, 2010 oder 2011.

Für Deutsch­land allein liegen weniger Dat­en vor, und die, die es gibt, zeigen einen leicht­en Anstieg im Jahr 2012. (Wenn man die Zahlen addiert – und ich bezwei­fle, dass man das darf – sind die Suchen von 2011 auf 2012 um ca. ein Drit­tel gestiegen.) Ob das zur Erfül­lung des Bewusst­sein­skri­teri­ums aus­re­icht? Ich weiß es nicht.

Ins­ge­samt halte ich gen­dern aber für einen inter­es­san­ten, bedenkenswerten Kan­di­dat­en und freue mich schon auf span­nende Diskus­sio­nen mit der Jury und den KommentatorInnen.

14 Gedanken zu „[Anglizismus 2012] Mit gendern ändern?

  1. Evanesca Feuerblut

    Ich glaube, das Wort wird ger­ade jet­zt seine Blüte erleben:
    Vor eini­gen Jahren habe ich von ein­er gegen­derten Bibel gele­sen (wenn sie auch damals nicht so genan­nt wurde). Musste etwas suchen, aber hier ist sie:
    http://www.bibel-in-gerechter-sprache.de/
    Zum Zeit­punkt des Pro­jek­ts war der Begriff “gen­dern” defin­i­tiv noch nicht im deutschen Sprachge­brauch außer­halb der Sozi­olo­gie verankert.
    2012 habe ich dage­gen im Rah­men meines Studi­ums einen Kurs besucht, in dem es unter anderem um Gen­der Stud­ies im Franzö­sis­chen ging. Daher halte ich es für einen vielver­sprechen­den Kandidat.

    Antworten
  2. Johannes

    Am Rande: Kommt es eigentlich häu­fig vor, dass mehrdeutige Wörter Begriffe beze­ich­nen, die (in einem weit­en Sinne) gegen­sät­zlich sind? Neben dem “gen­dern” (das mir bish­er nur in der Bedeu­tung “Aufteilen der Welt in einen blauen und einen rosa Teil” geläu­fig war) fällt mir noch das Wort “sank­tion­ieren” ein, das ein­er­seits “gutheißen”, ander­er­seits “mit Sank­tio­nen bestrafen” bedeuten kann.

    Antworten
  3. klappnase

    @Evanesca Feuerblut
    “Bibel in gerechter Sprache” ??
    Da weiss ich jet­zt ja nicht mehr, ob ich lachen oder weinen soll, was machen die denn da wohl aus Stellen wie:

    So spricht Gott, der HERR: Ich will die Götzen ver­til­gen und die Abgöt­ter aus­rot­ten aus Noph; es soll kein Ägypter mehr Fürst sein über das Land; ich will dem Land Ägypten Furcht ein­ja­gen, und will Patros ver­wüsten und in Zoan ein Feuer anzün­den, und will an No das Urteil vol­lziehen und will meinen Zorn über Sin, die Feste Ägyptens, auss­chüt­ten und die Volks­menge zu No aus­rot­ten. Und ich will Feuer an Ägypten leg­en. Sin soll sich krüm­men vor Schmerz, No soll erobert und Noph am hellen Tage geängstigt wer­den. Die Jünglinge von On und Pi-Beset sollen durchs Schw­ert fall­en, und sie selb­st in die Gefan­gen­schaft wandern.(etc.usw.)” (für Fans: Hes­ekiel 30 13–17)

    Das scheint ja mal eine echte Her­aus­forderung, aber 15,99 für’s Ebook ist mir das dann doch nicht wert 😉

    Antworten
  4. Evanesca Feuerblut

    @klappnase:
    Ich als Nicht-Christin hat­te nie einen Grund, mich über die sprach­liche Kuriosität hin­aus damit zu beschäfti­gen, aber ver­mut­lich heißt die Stelle irgend­was in Rich­tung “So spricht ER/SIE” und “es soll kein Ägypter und keine Ägypterin mehr Fürst oder Fürstin sein”.

    2006 las ich — jet­zt weiß ich es wieder — in ein­er Kolumne im GEO davon. Damals habe ich mich nicht weit­er damit beschäftigt, es diente eher als Anek­dote, die ich meinen Eltern und Fre­un­den erzählen kon­nte. (Ich war damals 15/16 Jahre alt).
    Seit­dem war es um diese Bibel aber sehr still. Dabei wäre sie das per­fek­te Beispiel für die aktuelle Debatte.

    Antworten
  5. klappnase

    @Evanesca Feuerblut
    “Seit­dem war es um diese Bibel aber sehr still. Dabei wäre sie das per­fek­te Beispiel für die aktuelle Debatte.”

    So wie ich mir dieses Werk vorstelle ver­mute ich, dass es eher Muni­tion für all die PC-Bash­er liefert, jeden­falls wenn ich mir den ersten Satz aus dem Hes­ekiel-Zitat umge­baut in etwas wie:
    “So spricht ER/SIE: Ich will die GötzIn­nen ver­til­gen und die Abgöt­tIn­nen aus­rot­ten aus Noph; es soll kein Ägypter und keine Ägypterin mehr Fürst oder Fürstin sein über das Land…” anse­he, dann fällt es mir zugegeben­er­massen schw­er mich nicht darüber lustig zu machen.

    Antworten
  6. Evanesca Feuerblut

    @Kristin Kopf: Dort habe ich bere­its nachgeschaut. Aber natür­lich weiß man nicht aus dem Kopf, wie die Beispiele genau im Wort­laut lauten.
    Dort ist auch die Begrün­dung angegeben, wieso man es getan hat. Und dass es sehr zwiespältig aufgenom­men wurde.

    Antworten
  7. klappnase

    @Kristin & Evanesca:
    Also, wenn ich mal den Abschnitt “Rezep­tion und Kri­tik” so über­fliege, scheint sich meine Ahnung von wegen “Muni­tion für PC-Bash­er” ja so einiger­masen zu bestätigen.
    Aber eigentlich ist das The­ma ja viel zu unin­ter­es­sant um so viel darüber zu debat­tieren; witzig finde ich es trotz­dem, wenn manche Anhänger der diversen christlichen Sek­ten offen­bar glauben, dass die Worte, die ihr ober­ster Götze doch ange­blich vor Jahrtausenden den Propheten direkt in die Fed­er dik­tiert hat, auf ein­mal “ungerecht” sind und drin­gend nachgebessert wer­den müssen.
    Da bleibt eigentlich nur noch die Hoff­nung, dass das fliegende Spaghet­ti­mon­ster in naher Zukun­ft alle Falschgläu­bi­gen in Knoblauch-Pesto ertränken wird 😉

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  9. ChristianS

    Ich habe zuerst in einem deutschen Text den Begriff “Doing Gen­der” (unge­fähr: Repro­duk­tion von Geschlechter­ver­hält­nis­sen) ken­nen gel­ernt. Später, aber auch schon vor langer Zeit, ist mir “gen­dern” im Sinne des Vorschlags untergekom­men. Mir kam es aber immer eher wie eine vere­in­fachte Form von “Doing Gen­der” vor. Deshalb kon­nte ich mich mit dem Begriff nicht so recht anfreunden.

    Bis mir aufging, dass die Ver­wen­dung geschlechterg­erechter Sprache oft dazu führt, dass aus­drück­lich zwei Geschlechter genan­nt wer­den und somit eine Repro­duk­tion der Geschlech­ter­di­chotomie stat­tfind­et. Das ist für meinen Geschmack dicht genug dran an der ersten Bedeu­tung, um zu passen. Jet­zt gefällt mir das Wort bess­er und die Prax­is weniger. Bin­go, so ist die Beze­ich­nung eine schöne Mah­nung daran, dass Dop­pel­nen­nung, Binnen‑I etc. nur eine Über­gangslö­sung sein sollten!

    Antworten
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