Anlässlich der französischen Wortneuschöpfung mot-dièse, dem staatlichen Versuch, den overten Anglizismus hashtag durch einen verdeckten zu ersetzen, habe ich mich gefragt, warum das #-Zeichen eigentlich dièse heißt, wie in zahlreichen Pressemeldungen zu lesen:
»Dièse« heißt im französischen [sic!] das Raute-Zeichen »#«, mit dem »Hashtags« vor dem Schlüsselwort [sic!] in Texten etwa im Kurzmitteilungsdienst Twitter markiert werden. (Focus)
Kurioserweise musste ich dabei feststellen, dass (nicht nur) ich von einer falschen Prämisse ausgegangen war: Das französische Wort für unser Doppelkreuz (a.k.a. Rautenzeichen) ist nämlich nicht dièse, sondern croisillon (oder carré). Wie die französische Wikipedia dabei anmerkt:
Il est souvent confondu avec le dièse « ♯ ».
[Meine Übersetzung: ‘Es wird oft mit dem (Noten-)Kreuz ♯ verwechselt’]
In der Bezeichnung für das Hashtag, das immer mit einem vorangestellten # markiert wird, nutzt man also das Wort für das ♯. Das ist ärgerlicherweise dem ein oder anderen Typografiefreak aufgefallen und entsprechend verschnupft reagierte man auch auf Twitter (willkürliche Auswahl).
Die neue Bezeichnung wurde am Mittwoch im »Journal officiel de la République française« bekanntgegeben, und den MacherInnen scheint die Verwechslung nicht aufgefallen zu sein – # wird explizit als dièse benannt:
mot-dièse, n.m.
Domaine : Télécommunications-Informatique/Internet.
Définition : Suite signifiante de caractères sans espace commençant par le signe # (dièse), qui signale un sujet d’intérêt et est insérée dans un message par son rédacteur afin d’en faciliter le repérage.
Note :
[…]
3. Pluriel : mots-dièse.
Équivalent étranger : hashtag.(Quelle, Text 103, auch hier recherchierbar. Farbige Hervorhebung von mir, übersetzt: ‘Bedeutungstragende Zeichenkette ohne Leerzeichen, die mit dem Zeichen # (dièse) beginnt’)
Das neue Wort hat also schon einmal einen suboptimalen Start ins Leben hingelegt. Man darf gespannt sein, ob es dennoch aufgegriffen wird – und von wem.
Kleine Typografische Entwicklungshilfe
Damit so etwas nicht wieder passiert, anbei ein wenig Hilfestellung für die Zukunft, lieber französischer Staat:
1 | ≠ | l |
ß | ≠ | B |
0 | ≠ | O |
< | ≠ | ‹ |
- | ≠ | – |
5 | ≠ | S |
W | ≠ | M |
3 | ≠ | ß |
/ | ≠ | \ |
I | ≠ | l |
d | ≠ | b |
v | ≠ | ^ |
’ | ≠ | ’ |
Und woher kommt nun das Wort dièse? Aus dem Lateinischen, das es vom Griechischen diesis, u.a. ‘kleinstes Intervall einer Tonleiter’, hat. ((Vgl. Le Trésor de la Langue Française informatisé (TLFi) und Greek Word Study Tool.))
Aber Ist Es Letztlich nicht dasselbe Zeichen?
Die Zeichen ♯ und # sind keine optischen Varianten eines Zeichens – sie haben unterschiedliche Entstehungsgeschichten und sind in ihrer Verwendung klar getrennt.
Das ♯ wird in der Musik verwendet, um Noten um einen Halbton zu erhöhen. Entstanden ist es aus einem eckigen, harten <b> (b durum, daher später auch Dur ((Vgl. Pfeifer, Wolfgang (1993): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2. Aufl. 2 Bde. Berlin.)) ), das in mittelalterlichen Noten verwendet wurde.
Das # hingegen ist wahrscheinlich (so die Wikipedia) aus einer Ligatur von <l> und <b> entstanden: <℔>. Das war eine Abkürzung der Gewichtsangabe libra, ‘Pfund’ – daher auch die im angloamerikanischen Sprachraum verbreitete Bezeichnung pound sign (in Großbritannien und Irland logischerweise anderweitig besetzt). Die Umfunktionalisierung als Zeichen für ‘Nummer’, wie in #1, erfolgte später.
Das hält natürlich praktisch veranlagte Menschen nicht davon ab, das auf der Tastatur nicht vorhandene ♯ durch das # zu ersetzen, wie in C# oder bei Gitarrenakkorden. Solche Verwendungen könnten zum französischen Fauxpas beigetragen haben.
Man beachte in diesem Zusammenhang auch die von Microsoft erschaffene Programmiersprache “C#”, welche “C‑sharp” genant wird. Allerdings ist “sharp” nicht das englische Wort für “#” sondern für “♯”. Die Franzosen sind also nicht die ersten, die da was verwechselt haben. Wenn man dem Wikipedia-Artikel http://en.wikipedia.org/wiki/C_Sharp_%28programming_language%29#Name glauben schenken darf, war das Microsoft aber bewusst und sie haben “#” aus praktischen Überlegungen gegenüber “♯” bevorzugt.
Interessanter Eintrag, das wusste ich nicht. Ich lebe nun seit vielen Jahren im französischen Sprachraum und kann bestätigen, dass dièse inzwischen die Standardbezeichnung für das Rautenzeichen ist. Hätte man croisillon verwendet (ich höre das Wort zum ersten Mal), hätte es vermutlich noch mehr Kopfkaratzen ausgelöst. Was aber auch schön zeigt, wie die Sprachhüterinnen und ‑hüter nicht vom Voksmund abgeschirmt sind.
Ich persönlich finde ja, unser Staat könnte sich vom französischen da eine Scheibe abschneiden:
412+. ! 66:
1)|€ VV|_|3|2|)3 |)€5 /\/\3|\|5(3|\| !57 v242745745784?.
Ich mag das Grundgesetz nicht besonders, aber wenn es ein bisschen mehr 1337 wäre, könnte ich meine Position da nochmal überdenken.
@Muriel: |)4 5!2|) 483|2 20(# 3!2 |°44|2 7!|°|°|=3#|_3|2 |)|2!2 … 😉
Ich lebe seit über 20 Jahren im französischen Sprachraum und habe noch nie eine andere Bezeichnung für “Raute” gehört, als “dièse”.
Deshalb: Danke, wieder was gelernt!
ᐯⱸς♄ᥱᨓɮꜪ Ꮞ丂⒎⡀ 长ﻪꕀϝꕊ |-|﹍
Also, zumindest http://de.wikipedia.org/wiki/Raute behauptet:
“Das Zeichen U+25C6 ◆ heißt „schwarze Raute“, U+25C7 ◇ „weiße Raute“, U+25CA ◊ „Rhombus“. (…) Das Doppelkreuz # wird fälschlicherweise oft in Verbindung mit Telefon- und Computertastaturen als Raute bezeichnet.”
Das sieht doch so aus, als wären wir unseren westlichen Nachbarn bei diesem Thema irgendwie sehr ähnlich 😉
@Klappnase: Hmja, aber.
@Kristin Kopf: PH&£&2 51?1) &1?& PH246& 1)&2 |D&25|D&X71\/&.
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Das dièse-Symbol vor dem Hashtag wäre doch eine super Gelegenheit, in Screenreadern die Grundfrequenz bei den mots-dièse um genau einen Halbton zu erhöhen. Man würde sie prima raushören, und zwar ohne eine den Textfluss unterbrechende Bezeichnung für das #-Symbol selbst. Künstler würden Musik-Tweets für Screenreader komponieren, und Ton würde am Ende womöglich Einzug in die europäischen Sprachen halten… @mentions (wie heißen die eigentlich auf Deutsch?) könnte man provisorisch einen Halbton tiefer lesen.
Um das ganze noch ein wenig komplexer zu machen: Ein Luxemburger Kollege hat mir auf meine entsprechende Nachfrage berichtet, dass im Luxemburgischen Französisch das Musik-Kreuz-Zeichen auch “dièse” (bzw. “dièze”) genannt wird.