Alle Wege führen zum Sprachlog! Deshalb begrüßen wir die ZDFinfo-Zuschauer/innen, die über Anatols Besuch in der Sendung login hierher gespült wurden. Und für den Fall, dass Sie diese Unterrichtsstunde zum Klassiker der Apokalypsethemen verpasst haben, können Sie seit heute morgen in der Mediathek Ihre Hausaufgaben nachholen (und das Chatprotokoll von nach der Sendung). Möglicherweise stellen Sie sich danach aber die Frage, wer eigentlich „gewonnen“ hat, wenn man so will. Zwar „kippte“ die Stimmung unter den Zuschauer/innen während der Sendung zugunsten der sachlichen Diskussionsführung. Erstaunlich ist aber, dass die Gegenseite gewohnt argumentfrei, unerwartet schlecht vorbereitet und mit einem vorhersagbaren Plattitüdenbingo immer noch 43% der Publikumsgunst auf sich ziehen konnte.
Aber der Reihe nach.
Weil Anatol bei Twitter gerne unangekündigte Tests schreiben lässt, versorgen wir Sie mit einem kleinen Rückblick auf die gestrige Sendung, gespickt mit vielen Hinweisen und weiterführenden Informationen.
Das Thema der Sendung — „Muss die deutsche Sprache geschützt werden?“ — ist ja so eine klassische Suggestivfrage. Schützen? Oh toll, schützen ist immer gut! So zu fragen meldet sofort, dass irgendwas bedroht ist. Aber alles, was hier bedroht ist (oder leider gar nicht erst vorhanden), ist die Anerkennung, dass Sprachvielfalt sehr komplex ist und sich auf so vielen unterschiedlichen Ebenen äußert; nicht nur am offensichtlichsten an der Dialektvielfalt, sondern — und für jede/n — am alltäglichen, kontextgebundenen und deshalb permanent variablen Sprachgebrauch.
Los ging‘s standesgemäß mit der Spitze des Eisbergs, dem sogenannten Denglisch, das den Diskussionspartner der Sendung, Thomas Paulwitz, Chefredakteur der „Zeitschrift“ DEUTSCHE SPRACHWELT, nach eigenen Angaben „am meisten stört“ (oder war‘s Kiezdeutsch, was ihn mehr aufregt, weil‘s eigentlich ne „Diagnose“ ist und kein Dialekt?). Das Problem hier: es wird entweder auf Anglizismen rumgeritten, die längst Teil des Deutschen sind (wer immer noch nicht weiß, was Sale oder Service bedeutet, hat ein deutlich größeres Problem, als einen paar harmlose Anglizismen). Oder es sind weitgehend unbelegte Pseudokreationen, die häufig nur deshalb existieren, weil sich Sprachschützer über Denglisch aufregen und/oder lustig machen wollen. Ein Beispiel dazu war gestern der Einspieler der Redaktion, Funeral Master. Googeln Sie mal.
Bei der Frage nach Dialekten offenbart sich wieder das „wir“ und „die“ dieser Diskussion. Fremdes klingt „aggressiv“. Unsere Dialekte sind super, weil „sie so schön klingen“. Naja, bis auf Sächsisch, weil… keiner mag Sächsisch (trotz Goethe!). Dies liegt an mit dem Dialekt verbundenen Stereotypen — was auch erklärt, weshalb Kiezdeutsch diese heftigen emotionalen Reaktionen auslöst.
Ein zweiter Aufhänger war eben jenes Kiezdeutsch. Als Gast geladen war dazu Idil Baydar, die als Jilet Ayse mit Klischees spielt. Das war kein unkluger Schachzug der Redaktion, weil Baydar sogar Hochdeutsch spricht. Unklug war er möglicherweise aber deshalb, weil er maskiert, dass es sich bei Kiezdeutsch um eine urbane Jugendvarietät handelt (und Baydar keine typische Sprecherin ist). Stein des Anstoßes der hitzigen öffentlichen Debatte um Kiezdeutsch war ein populärwissenschaftliches Buch von Heike Wiese, das in den Medien für einige Aufruhr gesorgt hat. Kristin hatte es damals exzellent und durchaus kritisch rezensiert — denn der Status als Dialekt ist, auch in Bezug auf das allgemeinsprachliche Verständnis des Begriffs Dialekt, nicht unumstritten. Aber Paulwitz ging es bei seiner „Diagnose“ eben nicht um die sprachlichen Muster, die dem Kiezdeutschen zu Grunde liegen oder den Faktoren seiner Entstehung (und die, wie für jeden Dialekt, entsprechend sprachwissenschaftlich untersucht werden können).
Die zentrale Frage (gegen Ende) war, ob Deutsch durch das Grundgesetz geschützt werden muss. Regelmäßige Leser/innen des alten Sprachlogs kennen die Petition „Kein Deutsch ins Grundgesetz“, die Anfang 2011 als Reaktion auf „Deutsch ins Grundgesetz“ des Vereins Deutsche Sprache (VDS) eingereicht wurde (und dessen Verhandlung im Petitionsausschuss hier verlinkt ist). Einen umfassenden Überblicksartikel zum Thema schrieb Anatol gegen Ende der Petitionslaufzeit.
Schlecht vorbereitet — oder schlimmer: ignorant — war Paulwitz gestern eigentlich nicht deshalb, weil er (wieder) keine Argumente für die Aufnahme hatte, sondern weil er sie erneut allein damit begründen wollte, dass „18 Länder in Europa“ ihre Sprache in der Verfassung festgeschrieben haben. Er hätte wissen können, dass Anatol ins Feld führt, warum die meisten dieser Länder das tun (nämlich weil sie mehrsprachig sind). Dieses Argument und andere Einwürfe und Obskuritäten hatte ich damals in diesem Beitrag zerlegt.
Wenn alles wegargumentiert ist, bleiben uns aber trotzdem immer noch die Anglizismen. Also die können einem wirklich auf den Keks gehen!
Wenn Sie jetzt ganz hektisch genickt haben, halten Sie kurz inne. Denn der Anglizismus Keks ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie Entlehnung und linguistische Integration funktioniert (Teil II dazu ist in Arbeit). Wer wann wo wie die Grenze zwischen „darf bleiben“ und „muss der Sprache verwiesen werden“ ziehen kann, bleibt ja grundsätzlich unbeantwortet. Ich trieb nämlich während der Sendung immer wieder die Frage vor mir her, wie man den logischen Fehlschluss erklären will, dass es überall doch nur völlig unverständlich für den Rest der Sprachgemeinschaft „Sale, Sale, Sale“ heißt, aber nie erklärt wird, warum es trotzdem alle verstehen (ich nenne es mal provisorisch das Denglisch-Paradoxon).
Hübsch war die Anspielung auf Shakespeare, der seine große Zeit nach einer radikalen Umbruchphase des Englischen hatte. Gemessen am Sprachkontakt des Englischen vor allem mit Französisch wirkt die wahrgenommene Anglizismenflut im Deutschen eher wie ein Rinnsal. Shakespeare jedenfalls spielte mit der sprachlichen Kreativität wie kaum ein zweiter — und erfand eine unfassbar große Menge an Wörtern und Redewendungen. Shakespeares Werk war zu seiner Zeit allerdings eher pöbelkompatible Unterhaltungsliteratur — ich möchte mir jetzt nicht ausmalen, welche kulturpessimistischen Dämme brechen würden, wenn Dieter Bohlen mit englischen Elementen Wörter inventen würde, die in 2013 noch keinen Sinn machen.
Was fehlt? Der abschließende Kommentar dazu, dass „schützen wollen“ nur kreative Verwendung sein kann — zum Beispiel die Jungs von De fofftig Penns, die auf Platt rappen, aber auf englisches Lehngut nicht verzichten. Es ist ein inhärenter Widerspruch der Sprachkritik, die Einheitssprache und korrektes Deutsch festschreiben und einen wie auch immer gearteten Standard wahren zu wollen — und gleichzeitig für sich in Anspruch zu nehmen, für Kreativität und Ausdrucksfähigkeit zu plädieren.
Fazit: fachlich und argumentativ eine eher einseitige, alles in allem aber spaßige Veranstaltung, der nicht ein gewisser Popcorncharakter fehlte. Das Format ist etwas unglücklich, wenn man ein Streitgespräch erwartet, die Moderatoren aber immer dann abwürgen, wenn‘s spannend wird.
In diesem Sinne: auf zum Feierabendbier.
In der Sendung wurde u.a. auch gefragt (von JennyGER), ob es zuerst Hochdeutsch oder Dialekte gegeben habe und welcher Dialekt der älteste sei.
Da Anatol dazu nicht so viel sagen konnte, hier noch ein paar Hinweise:
Die Entstehung unseres schriftsprachlichen Standards war ein jahrhundertelanger Ausgleichsprozess (ganz grob 14. bis 17. Jahrhundert) zwischen verschiedenen Schreibsprachen, die wiederum von den lokalen Dialekten geprägt waren. Die Dialekte waren also zuerst, auch wenn sie bis dahin niemand als solche betrachtet hätte.
Maßgeblich beteiligt an diesem Ausgleich waren aufgrund politischer und wirtschaftlicher Bedeutsamkeit der ostmitteldeutsche Raum (“Meißner Deutsch”) und der ostoberdeutsche Raum (“Gemeines Deutsch”).
Eine einigermaßen standardisierte Aussprache kam erst viel später, dazu (und zum leidigen Hannover-Hype) habe ich hier mal was geschrieben.
Die Frage nach dem ältesten Dialekt ist schwierig zu beantworten, weil die Quellenlage immer dünner wird, je weiter man zurückgeht.
Wichtig dabei ist auch, dass die Dialekte vor tausend Jahren nicht so geklungen haben wie heute, da auch Dialekte permanentem Sprachwandel unterworfen sind. Wenn ich also sage, dass wir fürs Althochdeutsche (ab 750, vorher gibt es keine schriftlichen Zeugnisse des Deutschen) viele alemannische Quellen haben, dann war das eine ganz andere Form des Alemannischen als das, was man heute im Südwesten Deutschlands und in der deutschsprachigen Schweiz spricht. Auch Vorstufen des Bairischen und des Fränkischen (im Rheinland) sind in vielen Texten aus dieser Zeit zu finden.
Was man aber sicher sagen kann: Der ursprüngliche deutsche Sprachraum war bedeutend kleiner als heute, zu althochdeutscher Zeit gab es z.B. noch keinen direkten Vorgängerdialekt des heutigen Obersächsischen, weil das Gebiet, in dem es gesprochen wird, noch nicht zum deutschen Sprachraum gehörte. (Stichwort Deutsche Ostsiedlung)
Die Hauptorte der althochdeutschen Überlieferung (nach Sonderegger) finden sich in einem Gebiet, das folgendermaßen begrenzt ist: Köln — Fulda — Passau — Monsee — St. Gallen — Murbach — Echternach — Köln.
> Die Hauptorte der althochdeutschen Überlieferung (nach Sonderegger) finden sich in einem Gebiet, das folgendermaßen begrenzt ist: Köln — Fulda — Passau — Monsee — St. Gallen — Murbach — Echternach — Köln.
Die Orte kenne ich alle — bis auf “Monsee”. Fehlt da ein d? “Mondsee” könnte vom Geographischen her passen.
Bitte Fehler (so es einer ist) löschen und dann diese Meldung auch.
@Kristin:
Das Gebiet, das du jetzt beschrieben hast (Köln — Fulda — Passau — Monsee — St. Gallen — Murbach — Echternach — Köln) beinhaltet jetzt aber nur fränkische, alemannische und bairische Dialekte, oder?
Was ist mit den Sächsischen Dialekten im Nordwesten Deutschlands?
Ach Mist!
altHOCHdeutsche Überlieferung … Ich ziehe meine Frage zurück, manchmal sollte man vor dem abschicken nochmal nachdenken. 😀
Der unfreiwillig komischste Moment des Abends kam, als Herr Paulwitz gefragt wurde, wer denn entscheiden soll, was richtig oder falsch ist: “Das hat sich über Jahrhunderte herausentwickelt und ist in den Grammatiken und Wörterbüchern festgehalten. Und die Sprachwissenschaftler sollten das auch mal festhalten.” In diesen Sätzen offenbart sich die geballte Ahnungslosigkeit dieses Menschen. Erstens: der glaubt vermutlich, dass im Duden in jeder Auflage auch immer das Gleiche steht, während in Wahrheit der Wortschatz im Duden (und jedem anderen Wörterbuch) ständig erneuert und angepasst wird. Gleiches gilt für grammatische Regeln und Phänomene in den gängigen Grammatiken. Und zweitens werde alle Grammatiken (auch die Duden-Grammatik) in erster Linie von Sprachwissenschaftlern erstellt (Wörterbücher ebenfalls) und in der Dudenredaktion arbeiten davon ebenfalls eine ganze Menge. Paulwitz hat wohl nicht nur keine Ahnung von Sprache, sondern auch von der Arbeitsweise der Dudenredaktion. Klar, dass Herr Stefanowitsch da lachen musste.
@aw27: Ich hab die Schreibweise von Sonderegger übernommen — grade mal nachgeschaut, ja, heute heißt der Ort Mondsee, zu ahd. Zeit hatte er noch kein d (logisch, weil das d bei Mond erst viel später antrat).
@Drumer: 🙂
“…wie man den logischen Fehlschluss erklären will, dass es überall doch nur völlig unverständlich für den Rest der Sprachgemeinschaft „Sale, Sale, Sale“ heißt, aber nie erklärt wird, warum es trotzdem alle verstehen…”
Na, in dem Fall liegt das natürlich an den beigefügten Prozentzeichen, die verstehen auch des Lesens Unkundige 🙂
“% bla % bla % bla %” würde vermutlich genauso gut funktionieren…
@klappnase: egal was — wir verstehen nur Salz. Und schmutzig.
“Fremdes klingt „aggressiv“.” Nu ja, ganz so platt war´s dann auch wieder nicht. Es ging darum, ob Kiez-Deutsch aggressiv, oder irgendwie aggressiver ist (als Hochdeutsch). Und natürlich ist es das. Es ist ja teilweise auf einen erhöhten Aggressions-Level ausgelegt, ob “Opfer”, Knacke”, “bist du schwul” usw. will aggressiv sein.
Ich habe hier beruflich mit jugendlichen Rappern zu tun, die rappen allerdings meist auf “Getto-English”, aber das folgt eben dem gleichen Prinzip: Aggressivität ist ein wichtiges Gebot. Da ist man nicht einfach besser als der andere, sondern “killt” ihn, entsprechend “vernichtet” man ihn im deutschen. Da gibt es so viele Beispiele … Ich gehe nicht davon aus, dass Herr Stefanowitsch das nicht weiß.
“weil… keiner mag Sächsisch (trotz Goethe!).”
Trotz? Dass Goethe kein Sachse war, könnten auch Linguisten wissen. 😉
Das tun sie. Sie wissen aber auch, dass er in Leipzig studiert hat und dass Weimar, wo er sich lange aufhielt, die Hauptstadt des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach war. 😉
Aber er soll bis ins hohe Alter seinen Frankfurter Dialekt beibehalten haben. (so wie Schiller schwäbelte) — So berichten seine Zeitgenossen. (Literatur: Weithase: Goethe als Sprecher und Sprecherzieher)
Die “Argumentation” des Herrn Paulwitz ist eine Beleidigung des Verstandes.
Dass der Herr Stefanowitsch so ruhig bleiben konnte…
Selbst wenn man den Standpunkt des Herrn Paulwitz verträte müsste man dessen zusammengestammelte oberflächliche Phrasen lächerlich finden.
Danke auf den Hinweis zu De fofftig Penns. Wer im Dialekt singt, der darf das. Die österreichische Band HMBC (holstuonarmusicbigbandclub) streut Englisch in vorarlberger Dialekt, und die Altschwabenrocker von Schwoißfuaß haben englische Einwürfe das schon in den 80ern als Stilmittel benutzt. Darf die Kunst das? Oder darf die Kunst das im Dialekt erst richtig? Ich vermute letzteres, aber das müsste man mal untersuchen. Letztendlich muss man Dialekt ja leider auch nicht so ernst nehmen. Mundart ist oft verbunden mit lockerem Witz und eben nicht tiefsinnigen Texten. Dabei haben gerade Schwoißfuaß gezeigt, dass das geht und womöglich genau deswegen nie den großen Erfolg gehabt.
Dass sich Gemüter über Englische Einflüsse so erhitzen, finde ich immer wieder erstaunlich — schließlich leben wir mit unseren Dialekten in einem quasi-mehrsprachigen Land, in dem Bayer und Friese auf Hochdeutsch zurückgreifen müssen, um sich zu verständigen. Wieso tut da Englisch so weh?
Die ganze Diskussion klebt natürlich nahezu ausschließlich an der Schriftsprache. Da tappen auch Nichtlinguisten in die Korpusfalle: Zeitungen und Sale-Schilder sind eben keine repräsentative Auswahl unserer Sprachverwendung. Um uns wirklich über “Sale” aufregen zu können (sollte man das wollen), müsste man erst eine Studie machen, ob das Wort tatsächlich im Alltag verwendet wird.
“Um uns wirklich über “Sale” aufregen zu können (sollte man das wollen), müsste man erst eine Studie machen, ob das Wort tatsächlich im Alltag verwendet wird.”
Es wird nicht im Alltag verwendet. Und daher ist es auch kein deutsches Wort.
Spannend war überigens Stephanowitschens Argumentation zum unegeliebten Sächsisch:
“Wir projizieren unsere Vorurteile gegen Ossis da hinein.”
Wen meint er eigentlich mit “wir”? Ist das die deutsche Normgesellschaft? Oder seine Peergroup? Oder ist seine Peergroup die Norm?
“Es wird nicht im Alltag verwendet. Und daher ist es auch kein deutsches Wort.”
Und woher weißt du das?
“Wen meint er eigentlich mit “wir”? Ist das die deutsche Normgesellschaft? Oder seine Peergroup? Oder ist seine Peergroup die Norm?”
Stefanowitsch hat ja gerade dieses Vorgehen angeprangert. Er selbst also schon mal gar nicht; dass andere das tun, wurde im Laufe des Abends mehr als klar.
Garlic_n_Onion sollte sich mal Gedanken machen über das inklusive, exklusive und das extensive “Wir”
Mit seiner Äußerung “Es wird nicht im Alltag verwendet.” bezeichnet er anscheinend ein inklusives Wir. Wie tragisch.….
@Martin,
mit einer Häufigkeit von 0,0002 % kann man es wohl kaum als Teil der Alltagssprache bezeichnen.
http://books.google.com/ngrams/graph?content=Sale&year_start=1900&year_end=2008&corpus=20&smoothing=3&share=
Eben, und im gleichen Atemzug hat er es selbst gezeigt. Damit hat er sein Anliegen als Pose entlarvt.
@Statistiker
siehe oben.
@Garlic_n_Onion: Ihr Belegsversuch hinkt. Sale ist für 2009 in diesem Korpus doppelt so häufig wie garstig — und dennoch würden vermutlich weder Sie noch ich auf die Idee kommen, garstig nicht als Teil der deutschen Sprache anzuerkennen. Der Punkt ist: Sale ist ein deutsches Wort — wir verwenden es. Es kann natürlich durchaus sein, dass es noch auf die Werbesprache beschränkt ist (obwohl eine deutsche Warenhauskette bereits gesprochensprachlich damit geworben hat), oder auf einzelne Gruppen der Sprachgemeinschaft oder oder oder… Aber Frequenz allein ist kein Indikator, was Teil unserer Sprache ist und was nicht.
@Garlic_n_Onion: der Ngram Viewer erfasst erstens nur Bücher und zweitens nur bis 2008. Beides nicht sehr gut geeignet für eine Aussage über den Sprachgebrauch im Alltag 2013.
Und was seine Aussage angeht: erstens ist Stefanowitsch ja nicht derjenige, der Sächsisch bzw. Kiezdeutsch verurteilt, deswegen lässt sich aus seiner Aussage auch kein Rückschluss auf sein eigenes Bild über diese Menschen ziehen. Und zweitens ist das “wir” in diesem Fall wohl als “wir Menschen” gemeint (er selbst ist ja in anderen Fällen möglicherweise auch nicht außen vor; ändert aber nichts an seiner Aussage und an der Tatsache, dass Dialekte auf dieser Grundlage nicht beurteilt werden dürfen).
“Sale ist ein deutsches Wort — wir verwenden es.”
Was ist eigentlich die Deutsche Sprache und wer entscheidet, was dazu gehört?
Sale gehört nicht zum Sprachschatz meiner Eltern — und ich könnte mir Vorstellen, dass es da noch einige mehr gibt.
Ich neige in dieser Diskussion ohne jegliche Recherche (!) eher garlic_n_onion zu — mir scheint Sale vor allem ein geschriebensprachliches Phänomen zu sein, und primär auch nur bei einer sehr eingeschränkten Art von Schriftstück (Werbung, Schaufensteraufkleber) aufzutreten, wo es fast eine Art Ideogramm darstellt.
Damit würde ich es zwar nicht aus dem deutschen Wortschatz verbannen, aber ihm doch eine sehr periphere Rolle zusprechen.
Vielleicht greift es aber, und darauf weist ja Suz’ Warenhauskettenwerbungshinweis hin, auch auf andere Ebenen über. Wäre mal spannend, das zu untersuchen, die Frage ist nur, welche Daten man dazu benutzt. (Wenn man z.B. an kaufhausinterne Rundschreiben o.ä. rankommen könnte, das wäre interessant.)
Kleiner verspäteter Nachtrag zum Sale. Andere Sprachen haben damit anscheinend auch Mühe:
“Neuenburg [in der Schweiz] geht gegen englische Begriffe vor: Während des Ausverkaufs müssen Ladenbesitzer herabgesetzte Preise zukünftig mit dem französischen Begriff «soldes» anschreiben – die alleinige Bezeichnung «Sale» soll nicht mehr erlaubt sein.” http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/In-Neuenburg-gibt-es-nie-wieder-Sale/story/27476324
Man hat ein Problem mit dem Signifié und greift das Signifiant an.