Sprachbrocken 52/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Die CDU ist ohne Frage die deutschtümel­nd­ste Partei im deutschen Bun­destag, wie sich unter anderem am Wun­sch erken­nen lässt, Deutsch not­falls auch gegen die eigene Kan­z­lerin im Grundge­setz zu ver­ankern (das Sprachlog berichtete). Aber ab und zu wagt sich jemand aus ihren Rei­hen her­vor, um eine Lanze für die englis­che Sprache zu brechen, und dann kann man abso­lut sich­er sein, dass das aus den falschen Grün­den geschieht. Vor eini­gen Jahren wollte Gün­ther Oet­tinger Englisch zur Sprache des Beruf­slebens machen und das Deutsche in die Sphäre des traut­en Heims ver­ban­nen, und jet­zt hat Wolf­gang Schäu­ble ein Plä­doy­er für das Englis­che gehal­ten: Die „Sprache der europäis­chen Eini­gung“ sei es. Und warum? Wie vor ihm Oet­tinger beruft er sich auf die Bedarfe der Wirtschaft — „in glob­al agieren­den Unternehmen“ werde eben „nur noch Englisch gesprochen“. Sein eigenes Englisch schätzt er übri­gens real­is­tisch ein: Er bedauert diejeni­gen, die es ertra­gen müssen (und zwar zu recht).

Als Finanzmin­is­ter ist Schäu­ble ja so eine Art Wei­h­nachts­mann der Regierung, der zum Beispiel Geschenke an die braven Bürg­er verteilt, die ihre Kinder zu Hause erziehen. Der echte Wei­h­nacht­mann ist aber deut­lich sprachge­wandter: fast 300.000 Brief hat der näm­lich in seinem Wohnort im bran­den­bur­gis­chen Him­mel­sp­fort in diesem Jahr beant­wortet, und zwar in siebzehn Sprachen. Bei aller Liebe für Eltern, die ihren Kindern nicht die Wahrheit über den Wei­h­nachts­mann sagen wollen — dass der näm­lich nicht in Bran­den­burg, son­dern im Weltall lebt — frage ich mich, was diese Aktion wohl jährlich kosten mag, und ob sich davon nicht stattdessen ein paar Englisch-Stun­den für den Finanzmin­is­ter finanzieren ließen.

Das waren die let­zten Sprach­brock­en in diesem Jahr, aber im näch­sten Jahr geht es natür­lich weit­er. Allen Leserin­nen und Lesern des Sprachlogs wün­sche ich einen Start ins neue Jahr, der ihren Wün­schen entspricht!

5 Gedanken zu „Sprachbrocken 52/2012

  1. naddy

    Die “Bedarfe” der Wirtschaft? Ich hätte jet­zt spon­tan gesagt, dass es “Bedürfnisse” heißt und dass “Bedarf” nicht in der Mehrzahl ver­wen­det wird.

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  2. Pingback: zoom » Umleitung: Von der Sprache über die WAZ-Gruppe zur Bobbahn nach Winterberg. «

  3. Sophia

    @naddy Bedarf und Bedürf­nis sind Syn­onyme, allerd­ings wird in bes­timmten Bere­ichen nur das Wort Bedarf gebraucht, z.B. sagt man Per­son­albe­darf, Bedarf an Vit­a­mi­nen (nicht: Bedürfnis).
    Wiki erk­lärt noch:
    “In der Wirtschaftswis­senschaft wird ter­mi­nol­o­gisch der Bedarf vom Bedürf­nis unter­schieden. Bedarf ist ein mit Kaufkraft aus­ges­tat­tetes Bedürf­nis. Ein Bedarf set­zt voraus, dass jemand zur Bedürfnis­be­friedi­gung Kaufkraft ein­set­zen will und kann. Der Bedarf tritt auf dem Markt als Nach­frage nach einem Wirtschaftsgut (Waren, Dien­stleis­tun­gen) auf.”
    Und ja: der Plur­al von Bedarf heißt Bedarfe.

    Die Wün­sche für einen guten Start ins neue Jahr schicke ich gerne retour an den Sprachlog. 🙂

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  4. Sophia

    der, die, DAS Sprachlog! Par­don, alte Gewohn­heit von mir (der, statt das Blog zu sagenschreiben).
    Auf Wieder­lesen im neuen Jahr. Ick freu mir.

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