Sprachbrocken 50/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Wie das Bun­despatent­gericht heute offiziell bekan­nt­gab, betra­chtet es einzelne Buch­staben — hier: das M — als Wort­marke für schutzfähig. BMW möchte das M in der Pro­duk­tk­lasse „Sport­wa­gen“ ganz für sich haben, und das Patent­gericht sieht darin kein Prob­lem, da das M „zum einen unter­schei­dungskräftig“ sei, „da der ange­sproch­ene Durch­schnittsver­brauch­er dem Buch­staben „M“ keine beschreibende Bedeu­tung“ für die beantragte Pro­duk­tk­lasse beimesse. Zum anderen sei der Buch­stabe „auch nicht für die Konkur­renten der Anmelderin frei­hal­tebedürftig“ — mit anderen Worten: Nie­mand brauche diesen Buch­staben unbe­d­ingt zur Beschrei­bung eines Sportwagens.

Das Patent­gericht stellt klar, dass die Schutzfähigkeit nur für den allein ste­hen­den Buch­staben M gelte, dass also z.B. die EG- Typen­beze­ich­nung Klasse M (für „Für die Per­so­n­en­be­förderung aus­gelegte und gebaute Kraft­fahrzeuge mit min­destens vier Rädern“ [StV­ZO, Anl. 29]) weit­er­hin ver­wend­bar bleibe. Die Idee, dass Buch­staben zum Eigen­tum Einzel­ner erk­lärt wer­den kön­nen, war aber auch mit dieser Ein­schränkung absurd genug, um der Piraten­partei eine unge­wohnt hin­ter­gründi­ge Pressemel­dung Wert zu sein: „*it der Entschei­dung, den Buch­staben * für die Bayrischen *otoren­werke für einen Sport­wa­gen *arken­rechtlich zu schützen, set­zt das Deutsche Patent- und *arkena*t (DP*A) den Trend fort, allge*eine Zeichen und Begriffe der Nutzung durch die Öffentlichkeit zu entziehen“, begin­nt die, und set­zt den Verzicht auf den frisch geschützten Buch­staben kon­se­quent fort.

Für diesen fast poet­is­chen Verzicht auf einen Buch­staben gibt es lit­er­arische Vor­bilder, von denen heute beson­ders das Gedicht „Der Tag, an dem das     ver­schwand“ des großen Robert Gern­hardt her­vorzuheben ist, der gestern 75 Jarhe alt gewor­den wäre. Während Gern­hardt den fehlen­den Buch­staben ein­fach aus­lässt, haben sich andere Autorin­nen und Autoren zu allen Zeit­en das Ziel geset­zt, Buch­staben dergestalt wegzu­lassen, dass alle Wörter, in denen sie vorkom­men, gemieden und durch Syn­onyme erset­zt wer­den. Der Roman Gads­by von Ernest Vin­cent Wright aus dem Jahre 1939 ist eins der bekan­ntesten und radikalsten Beispiele: Er verzichtet darin — kon­se­quent — auf den häu­fig­sten Buch­staben des Englis­chen: das E. Und schon 1903 schrieb Friederike Kemp­n­er Gedichte ohne r, auch keine leichte Aufgabe.

Also nehmt uns die Buch­staben weg, ihr Kau­fleute der freien Rede. Unsere Poet­innen und Poet­en wer­den uns auch darüber hinweghelfen.

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

8 Gedanken zu „Sprachbrocken 50/2012

  1. Muriel

    Naja. Ganz so ist es ja nicht.
    Der Schutz erstreckt sich ja nur auf den Buch­staben M als Beze­ich­nung für einen Sportwagen.
    Und da würde ich jet­zt denken, dass das in Ord­nung sein kann, wenn man nicht das ganze Konzept des Marken­rechts anzweifelt (was ich zum Beispiel tue).

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  2. Marc

    Die Ver­wirrung stammt wohl auch daher, dass die Pressemit­teilung vom Bun­despatent­gericht stammt und reflexar­tig angenom­men wird, BMW habe ein Patent erworben. 

    Anson­sten ist die Entschei­dung kaum eine Mel­dung wert, der­art Marken­schutz ist gang und gäbe. Peu­geot hat sich schon in den 20er-Jahren Typen­beze­ich­nun­gen mit ein­er Null in der Mitte schützen lassen: http://de.wikipedia.org/wiki/Porsche_901

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    1. Anatol Stefanowitsch Beitragsautor

      Mir ist nie­mand bekan­nt, der annimmt, BMW habe ein Patent erwor­ben. Davon abge­se­hen halte ich die Schutzfähigkeit einzel­ner Buch­staben und Wort­teile für einen schlecht­en Trep­pen­witz des aus lin­guis­tis­ch­er Per­spek­tive ohne­hin katas­trophalen Markenrechts.

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  3. Evanesca Feuerblut

    Auch Georges Perec hat mit dem Verzicht auf Buch­staben gespielt, siehe hier:http://de.wikipedia.org/wiki/Georges_Perec#Werk

    Einen franzö­sis­chen Roman ohne “e” zu schreiben, bedeutet, dass man nicht mal “Je” (ich) schreiben kann!

    Sich irgendwelche speziellen Pro­duk­t­beze­ich­nun­gen zu sich­ern, finde ich lächer­lich — ein­fach weil ganz vie­len Ver­brauch­ern dieses ange­blich her­ausste­hende Merk­mal nicht auf­fall­en wird!

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  4. Muriel

    @Anatol Ste­fanow­itsch: Siehst du denn da einen grund­sät­zlichen Unter­schied zur Schutzfähigkeit ganz­er Worte?
    Ich glaube, der leuchtet mir nicht ganz ein. Ist “M” als geschützte Marke für ein Auto anders zu bew­erten als “Speed­ster” oder “Käfer”?

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  5. klappnase

    Ich stimme Muriel und Marc zu. Wenn es für Renault oder VW möglich ist, sich gängige Vor­na­men wie “Zoe” oder bekan­nte Sportarten wie “Golf” exk­lu­siv zu reservieren, sehe ich nicht, wieso man BMW sich nicht das “M” reservieren lassen sollte. Einen “Audi M” oder “Porsche M” als Konkur­renz zum “BMW M” brauche ich ja eigentlich auch nicht wirk­lich. Ein “VW Golf M” scheint ja ohne weit­eres möglich zu sein, genau­so wie ein Fam­i­lien­van oder Klein­trans­porter “Fiat M”, also was soll’s?
    Man kann sich­er mit guten Grün­den das herrschende Marken­recht an sich anzweifeln, aber der beson­dere Aufreger-Fak­tor an diesem konkreten Beispiel erschliesst sich mir nicht.

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