Mein Vortrag „Sprache und Plattformneutralität“, in dem ich über einige Aspekte von Ungleichheit und Diskriminierung von Sprache spreche, ist auf YouTube verfügbar. Ich verlinke ihn hier nur noch einmal, um einen Ort für die Literaturliste und für kleine inhaltliche Korrekturen zu haben.
Errata
(Wem Fehler auffallen — gerne an mich melden!)
1. Es gab eine Zwischenfrage aus dem Publikum, warum man auf Schwedisch det människa („Mensch“) sage, also das Neutrum verwende. Das tut man aber gar nicht, människa fällt genau wie man und kvinna in die Kategorie Utrum, die für Personen beiderlei Geschlechts gilt (en man, en kvinna, en människa). Ich habe bei meiner Antwort nicht an människa, sondern an das dänische Wort mandsling gedacht (vielleicht, weil der Frager eine dänische Fahne am Revers trug), das mir vertraut war, weil es eine der wenigen Diminutiv-Formen ist, die sich im Dänischen finden. Allerdings stimmt meine Antwort trotzdem nicht: Auch Diminutiv-Formen fallen im Schwedischen (und Dänischen) ins Utrum.
Allgemeine Lektüre zum Einstieg in die Thematik
Fachliteratur
- Pusch, L F (1984) Das Deutsche als Männersprache: Aufsätze und Glossen zur feministischen Linguistik, Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main.
- Pusch, L F (1990) Alle Menschen werden Schwestern: feministische Sprachkritik, Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main.
- Stefanowitsch A (2012) Sprache und Ungleichheit. Aus Politik und Zeitgeschichte 62(16/17), 27–33 (Open Access)
Ein Roman
- Gert Brantenberg, Die Töchter Egalias, 1980 [ISBN 3–88104-163‑X] (Vergriffen, antiquarisch relativ gut erhältlich)
Im Vortrag zitierte Literatur
Sprache, Kategorisierung und Ungleichheit
- Stefanowitsch A (2012) Sprache und Ungleichheit. Aus Politik und Zeitgeschichte 62(16/17), 27–33 (Open Access)
Konnotative Leiter/Euphemismus-Tretmühle
- Pinker, S (1994) The game of the name. New York Times, 5. April 1994. (Auf der Webseite des Autors)
- Nübling, D. (2011) Von der ‘Jungfrau’ zur ‘Magd’, vom ‘Mädchen’ zur ‘Prostituierten’: Die Pejorisierung der Frauenbezeichnungen als Zerrspiegel der Kultur und als Effekt männlicher Galanterie? In: Riecke, J (Hg.): Historische Semantik. Jahrbuch für Germanistische Sprachgeschichte, Bd. 1. Berlin/New York: de Gruyter, 344–359. (Auf der Webseite der Autorin).
Systematische Aspekte von Genus im Deutschen
- Köpcke, K M & D Zubin (1996) Prinzipien für die Genuszuweisung im Deutschen. In: Lang E & Zifonun G (Hg.): Deutsch typologisch. Jahrbuch des Instituts für Deutsche Sprache 1995. Berlin: de Gruyter, 473–491. (Auf der Webseite des Autors)
Kinder geben Gegenständen Namen, die deren grammatischem Genuns entsprechen
- Flaherty, M (2001) How a language gender system creeps into perception. Journal of Cross-Cultural Psychology 32(1): 18–31.doi: 10.1177/0022022101032001005 (Bezahlwand)
Grammatisches Genus abstrakter Wörter beeinflusst das Geschlecht von Personifizierungen in der Kunst
- Segel E & Boroditsky L (2011) Grammar in art. Frontiers in Cultural Psychology 1: 244. doi: 10.3389/fpsyg.2010.00244 (Open Access).
Kein Einfluss von grammatischem Genus auf Geschlechtszuweisungen unter experimentellen Bedingungen, die strategische Zuweisung verhindern
- Bender, A, Beller S & Klauer K C (2011) Grammatical gender in German: A case for linguistic relativity? The Quarterly Journal of Experimental Psychology, 64(9): 1821–1835.DOI:10.1080/17470218.2011.582128 (Bezahlwand).
Genus bei Personenbezeichnungen, generisches Maskulinum, Möglichkeiten der geschlechtergerechten Sprache
- Pusch, L F (1980) Das Deutsche als Männersprache: Diagnose und Therapievorschläge. Linguistische Berichte 69: 59–74. (Nicht online verfügbar)
- Pusch, L F (1983) Von Menschen und Frauen. In: Pusch L F, Das Deutsche als Männersprache. Frankfurt/M. 15–19. (Nicht online verfügbar)
Geschichte des „generischen Maskulinums“
- Doleschal U (2002) Ein historischer Spaziergang durch die deutsche Grammatikschreibung von der Renaissance bis zur Postmoderne. Linguistik Online 11(2): 39–70. (Open Access)
Verarbeitung des „generischen Maskulinums“
- Gygax P, Gabriel U, Sarrassin O, Oakhill J & Garnham A (2008) Generically intended, but specifically interpreted: When beauticians, musicians, and mechanics are all men. Language and Cognitive Processes 23(3), 464–485. (Bezahlwand)
- (Siehe auch: Sprachlog, Frauen natürlich ausgenommen)
Gerechte Sprache in Schweden
- Milles K (2011) Feminist language planning in Sweden. Current Issues in Language Planning 12(1), 21–33. (Bezahlwand)
Gerechte Sprache und gesellschaftliche Gerechtigkeit
- Prewitt-Freilino J L, Caswell T A & Laakso E K (2011) The gendering of language: a comparison of gender equality in countries with gendered, natural gender, and genderless languages. Sex Roles 66: 268–281. (Bezahlwand)
Gerechte Sprache in der Satzung der Piratenpartei
- Le Ker, H (2012) Der, die, das Pirat, Spiegel 28/2012. (Link)
- Liquid-Feedback-Initiativen zur Satzungsänderung (#1933)
- (Siehe auch: Sprachlog, Sind Piratinnen Piraten)
[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Version enthält möglicherweise Korrekturen und Aktualisierungen. Auch die Kommentare wurden möglicherweise nicht vollständig übernommen.]
människa
Mich hat im Schwedischen verblüfft, dass das Wort “människa” weiblich ist. Man sieht es ihm aufgrund des Utrums nicht an, aber wer sich im Schwedischen auf “människa” bezieht, nutzt “henne” (sie) und nicht “han”(er). (Allerdings ist die Endung “-ska” typisch für weibliche Wortformen.)
Ein sehr guter Vortrag, wie ich fand, der bei mir so einige „Ach so meint der das“-Momente ausgelöst hat.
Ich bin jetzt ein bisschen verwirrt. Jahrelang haben Sie uns hier gepredigt, Sprache habe keine Einfluss auf das Denken. Jetzt zitieren Sie eine Studie, die genau das in Bezug auf Geschlechterdifferenz nahelegt. Und nun?
Die fehlenden Fragen
1) Warum darf nie wieder jemanden einen Neger nennen, während man die einst weitaus drastischer abgewerteten Juden heute und in Zukunft weiter Juden nennen darf? Wieso dürfen wir dem Wort Neger eine negative Konnotation zuschreiben, dem Wort Jude hingegen nicht?
2) Welche Umstände führen zu einem Anspruch darauf, den Sprachgebrauch anderer in Bezug auf sich selbst bestimmen zu dürfen? Hätte beispielsweise ein Rassist einen Anspruch darauf, zur Vermeidung von Diskriminierungen als Anhänger historischer Menschenbilder bezeichnet zu werden?
3) Hat der orwellsche Ansatz, Unerwünschtes per Neusprech unsagbar zu machen, jemals nachweislich funktioniert?
4) Was würde die Euphemismus-Tretmühle aus einer “gerechten” Sprache machen, handelte es sich dabei um ein verbreitetes Phänomen und nicht nur um eine subkulturelle Manieriertheit? Inwieweit treibt der Versuch der Sprachverbesserung selbst die Tretmühle an? War Neger bereits ein Schimpfwort _bevor_ wohlmeinende Weltverbesserer die Verwendung anderer Bezeichnungen forderten, oder hat es gerade dadurch seine neue Bedeutung gewonnen?
5) Wir wissen aus der Geschichte wie aus der Gegenwart, dass sich der Mensch gerne überschätzt, wenn es um die Steuerung großer Systeme geht. Demokratie funktioniert besser als Diktatur oder Monarchie, eine freie Marktwirtschaft besser als eine zentral gesteuerte Planwirtschaft, mit Englisch kommt man in der Welt weiter als mit Esperanto, Evolution erscheint uns plausibler als intelligentes Design, usw. Welche Argumente sprechen für den möglichen Erfolg einer Sprachplanung, insbesondere angesichts der gleichzeitig weiterlaufenden Sprachevolution?
6) Welche Rolle spielt die Sprachökonomie? Umfangreiche, komplizierte Begriffsnetze mit wenigen Zeichen referenzieren zu können, ist ein Feature und kein Fehler einer Sprache. Man denke beispielsweise auch an Metaphern. Ist eine exaktere Spezifikation tatsächlich praktikabel und wünschenswert? Sind Stereotype tatsächlich ein Problem und nicht vielmehr eine Lösung?
Ich will den gesellschaftspolitischen Aspekt hier komplett außen vor lassen, da man über diesen unzweifelhaft sehr unterschiedlicher Ansicht sein kann und er, wie generell Sprachpräskriptivismus, auch nicht per se wissenschaftlich sein (also maximal auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbauen) *kann*. Ebenfalls ignorieren will ich Einwände, die ich gegen die logische Stringenz der gesamten Argumentation hervorbringen könnte.
Stattdessen will ich mich hier auf strikt linguistische Punkte beschränken, die aus meiner Sicht mindestens problematisch, stellenweise sogar fehlgeleitet oder komplett falsch sind:
1. Es handelt sich zwar um einen an ein Laienpublikum ausgerichteten Vortrag, trotzdem finde ich es verkehrt, Dinge simpler darzustellen als sie es sind. Theorien der Bedeutung gibt es unzählige. Die intensionale, mentalistische, die hier vertreten wird ist weder die aktuellste noch (persönliche Meinung) die solideste. Natürlich kann man nicht von Prototypentheorie über Konnektionismus bis Embodiment alles abhandeln; man ist es dem Laien aber dennoch meines Erachtens schuldig, auf die Komplexität wenigstens hinzuweisen, und zu erwähnen, daß es sehr unterschiedliche Theorien von Bedeutung gibt (selbst wenn man im Konkreten auf eine bestimmte davon aufbaut). Es ist insbesondere problematisch, direkt alternativlos abzustreiten (bzw. die These als “naiv” zu bezeichnen), daß ein direkter Link zwischen physischer Realität und Bezeichnung existiert, da das durchaus nicht von allen Schulen in der Radikalität gesehen wird.
2. So man denn eine Theorie der Semantik einzuführen versucht (die meines Erachtens für die Kernthesen des Talks gar nicht notwendig sind), wäre es dann mindestens auch angebracht, sauber zwischen Denotation und Konnotation sowie zwischen Semantik und Pragmatik zu unterscheiden.
3. Die Kontextabhängigkeit von Bedeutung wird komplett ausgeblendet — es wird hier quasi so getan als würde ein Begriff stur einem mentalen Konzept entsprechen, ganz unabhängig davon, wer Sprecher und wer Rezipient ist; natürlich bedeutet “Nigger”, wenn ein schwarzer Rapper das Wort äußert, etwas ganz anderes als wenn ein White-Power-Anhänger das sagt; für Worte wie “Schwuler” oder “Hete” gilt selbstverständlich dasselbe.
4. Die Behauptung, daß phrasale Begriffe — im Gegensatz zu einfachen Wörtern — nicht oder schwerer mit (negativen) Konnotationen aufgeladen werden können, ist eigentlich nur das: eine Behauptung. Zum einen fehlt hier auch nur der Hauch einer Begründung (ganz zu schweigen von empirischer Evidenz), zum anderen wird hier natürlich auch die Definitionsproblematik der Kategorie “Wort” schlicht umgangen. In einem streng lexikalistischen Sinn ist “Mensch mit Migrationshintergrund”, ein Begriff übrigens, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob er wirklich so “neutral” belegt ist, genau so sehr ein Lexikoneintrag wie “Ausländer” und die morphosyntaktische Struktur ist absolut unabhängig davon; jedenfalls gibt es in der Sprache genügend Beispiele davon, wie ganze Phrasen (Idiome zum Beispiel) mit Konnotationen aufgeladen werden.
5. Die Praxis, irgendwelche Sätze zu konstruieren, die sich nur in kleinen Details unterscheiden, und dann diese qua Intuition nach Grammatikalität oder Akzeptabilität abzuklopfen (bei der symptomatisch natürlich am Ende fast überall Fragezeichen stehen, was auch ein Fragezeichen für einen theoretischen Status haben soll), kenne ich eigentlich nur noch aus den unbelehrbarster generativistischen Literatur, die die theoretische und methodische Problematisierung und das Aufkommen von Techniken etwa der Korpuslinguistik total verschlafen hat.
6. Die Bemerkungen zum “generischen Maskulinum” sind albern oder unsinnig. Was ist damit gemeint, daß etwas nicht “sein eigener Oberbegriff sein kann”? Das ist entweder tautologisch (wenn man das Etwas als eine ganz konkrete Bedeutung versteht) oder falsch (wenn man ein Wort an sich betrachtet, wo es etwa im Falle Tierbezeichnungen, Körperteilen, usw., absolut häufig ist, einen Oberbegriff auch für eine spezielle Unterkategorie anzuwenden). Daß das generische Maskulinum eine Ausnahme wäre, ist jedenfalls auch nicht richtig; es entspricht etwa dem Phänomen, daß in manchen Sprachen Singular auch für unspezifizierten Numerus verwendet werden kann o.ä. Im Prinzip handelt es sich dabei um nichts anderes als das Prinzip der Unmarkiertheit (natürlich könnte man argumentieren, daß es sexistisch ist, das Männliche als “unmarkiert” zu betrachten; darum geht es aber gerade gar nicht, sondern darum, daß hier behauptet wird, es handle sich hierbei um einen linguistischen Sonderfall).
7. Die Studie von Prewitt-Freilino et al. ist immerhin zumindest einmal empirische Evidenz. Falls sich diese Korrelation in Folgestudien auch nachweisen kann, ist das erst einmal interessant. Trotzdem, selbst wenn sorgfältig für Drittvariablen zu kontrollieren, gibt es einen Aspekt, der mich ein bißchen an der Aussagekraft dieser Studie zweifeln läßt (ich habe sie allerdings nur raschen überflogen, kann mich hier also in die Nesseln setzen): nämlich die Tatsache, daß es wohl generell sehr wenige Weltgegenden gibt, in denen Geschlechtergleichheit herrscht (wie auch immer diese definiert ist) — die Grundgesamtheit dürfte also im Bezug darauf eher ziemlich schief verteilt sein. Natürlich besteht (wie immer) auch so oder so die Problematik, daß sich zwar eine Korrelation nachweisen läßt, über eine mögliche kausale Beziehung aber noch nichts gesagt ist (insbesondere finde ich es hier persönlich wahrscheinlicher, daß Geschlechterungleichheit Genus hervorbringt (bzw. hervorbrachte — die historische Dimension muß ja auch mitberücksichtigt werden, schließlichen tragen Sprachen ja den Ballast längst vergangener Gesellschaftsstrukturen noch mit) als daß die Kausalität in die umgekehrte Richtung wirkt).
Das sind nun einfach einige Punkte, die ich linguistisch für problematisch bzw. zumindest für diskutabel halte, weswegen ich es immer für sehr fragwürdig halte, sich dann hinzustellen und zu sagen “ich als Linguist sage euch wie es *ist*”. Die Mehrheit der Kernthesen haben auch mit Linguistik wenig zu tun, sondern viel mehr mit weltanschaulich-gesellschaftspolitischen Einstellungen.
Wenn die Ergebnisse der Studie zur Korrelation von Genus und Gleichberechtigung zutreffend sind, dann sind Bemühungen, die Geschlechter in den Sprachgebrauch hinein statt hinaus zu bringen (“sichtbar zu machen”), völlig kontraproduktiv. Dann müsste man statt dessen generische Formen zu etablieren versuchen. Wenn Obiges also zutrifft, könnte der Backlash sogar auch eine Folge der “feministischen” Sprache sein.
Dass es im Mittelalter kein generisches Maskulinum gab, ist hinsichtlich der oben genannten Studie kaum verwunderlich, denn die Idee der Gleichberechtigung wäre damals sicher als abwegig wahrgenommem worden.
Den historischen Ballast von Wörtern betreffend müsste man das Wort Mädchen als sexistisch ablehnen.
Als Philosoph, der sich seit 2007 mit Peirce beschäftigt, bin ich hocherfreut, dass dieser Vortrag damit anfängt, klarzustellen, dass Zeichen-Objekt-Beziehungen nicht zweiseitig und unmittelbar sind. Vielen Dank!
Aber interessant: Wenn man das generische Maskulinum aufgrund von geringen Verzögerungen vollständig desavouiert, dann aber über die Müllerin sagt: “…die brauch gar nicht zu arbeiten … die kann sich zu Hause um die Kinder kümmern…” (O‑Ton Stefanowitsch), zeigt man die wissenschaftliche Strenge, die man an das Thema anlegt. Oder darf ich mit gleicher Münze heimzahlen und durch ihre Aussage belegen, dass Sie die Kinderbetreuung als “Gedöns” einordnen?
Tja
“Einen gibt keinen anderen Fall, wo ein Wort sein eigener Oberbegriff ist.”
Möp. Generischer Singular.
Hans, ich weiß nicht genau, was Sie mit „generischer Singular“ meinen, da dies kein allgemein gebräuchlicher Fachbegriff ist. Er wird manchmal bedeutungsgleich zu „generisches Maskulinum“ verwendet; in diesem Fall ist er wohl kaum ein Argument gegen meine Aussage, dass es außer den Fällen des „generischen Maskulinums“ keine Wörter gebe, die ihr eigener Oberbegriff seien. Manchmal wird er auch verwendet, um Fälle zu bezeichnen, in denen ein Singular nicht für ein Individuum, sondern für eine ganze Kategorie steht — z.B. in Der Blauwal ist das größte lebende Säugetier. Hier ist die Singularform Blauwal aber kein Oberbegriff für sich selbst: Es steht hier nicht entweder für einen einzelnen Blauwal (singular) oder für mehrere Blauwale (plural), sondern für die Kategorie Blauwal an sich. Es hilft also nicht, einfach irgendwelche Begriffe in den Raum zu stellen, auch nicht, wenn man sie mit „Möp“ einleitet.
Sehr interessanter und stimulierender Vortrag, danke!
Nun bin ich selbst kein Linguist, darum hätte ich eine kurze Nachfrage: Gegen Ende des Vortrags wurde auch die auf Luise Pusch zurückgehende Variante “das Pirat” besprochen, wobei Sie — abgesehen davon dass die Idee aus Sicht der meisten Betrachter zweifelsohne “radikal” anmutet und darum Ablehnung erfahren dürfte — die Verwendung des Neutrums an dieser Stelle für eine gute Lösung hielten — falls ich Sie richtig verstanden habe.
Nehmen wir also an, es würde überall konsequent von “das Pirat” gesprochen, d.h. der Sexus, welcher für die meisten via Sprache zu transportierenden Ideen völlig unerheblich ist, würde keine Rolle mehr spielen. Das funktioniert zunächst auch ganz gut. Nehmen wir einen Beispielsatz: “Es spielte keine Rolle, was das Pirat sagte — die Vertreter der anderen Parteien nahmen es nicht ernst.”
Wenn wir aber nun einen unbestimmten Artikel verwenden, sieht die Sache anders aus: “Paul war immer harter Verfechter des derzeitigen Urheberrechtes, aber ein Pirat überzeugte ihn von anderen Ansätzen.” Der Sprecher hat “das Pirat” (Neutrum) im Hinterkopf, muss aber aus grammatischen Gründen trotzdem “ein Pirat” sagen. Der Zuhörer hört “ein Pirat” und denkt sofort an “der Pirat”, also einen Mann. Damit wäre rein gar nichts gewonnen, oder sehe ich das falsch?
Das Geschlecht ist der fundametalste Unterschied zwischen Menschen. Woher kommt das Begehren, ihn zu nivellieren? Kann man sich eigentlich keine Gesellschaft vorstellen, die den Geschlechtsunterschied betont, ohne ungerecht zu sein? In so einer Gesellschaft wäre eine starke geschlechtliche Markierung sehr natürlich.
Ich glaube, das Ziel der Geschlechtsnivellierung wird als selbstverständlich unterstellt, obwohl es von vielen gar nicht akzeptiert ist. Hier sehe ich eine ideologische Dominanz am Werk und letztlich den Versuch, über Sprache die Welt zu verändern.
Danke für diesen erbaulichen und erhellenden Vortrag.
Besonders interessant die Idee, sogar Personalpronomen (er und sie) zu hinterfragen, auch wenn der (biologisch) geschlechtliche Unterschied zwischen Menschen nun einmal der wohl signifikanteste ist, und daher sich vermutlich in den meisten Sprachen niederschlägt.
Aber der Vergleich mit min und max war natürlich bestrickend und zum Nachdenken anregend !
Jetzt einfach einmal ein paar Fragen unsortiert ins Blaue:
Kann man nicht einfach die „Gästin“ sagen, so wie die „Anwältin“?
Wie hört sich für Sie der Satz an: „Jemand hat ihren Lippenstift in der Damentoilette vergessen“ ?
Inwiefern ist „die Person“ oder „ die Hauptfigur“ kein generisches Femininum?
Warum bemüht sich niemand um Gleichstellung, wenn es um „VebrecherInnen, FoltererInnen, AusbeuterInnen und dergleichen geht. (ist zugegebenermaßen ein alter Hut)