Sprachliche Minderheiten stoßen bei der Mehrheit selten auf offene Ohren, wenn sie einen offiziellen Status für ihre Sprache einfordern. „Wer hier leben will, soll gefälligst unsere Sprache sprechen“ gilt weithin als legitiaume Forderung (außer bei deutschen Auswanderern, die stattdessen nach dem Prinzip „Wo ich leben will, sollen die gefälligst meine Sprache sprechen“ handeln).
Für autochthone sprachlichen Minderheiten (also solche, die auf einem Staatsgebiet schon gelebt haben, bevor der Staat eine Sprache vorgegeben hat), gibt es häufig Ausnahmen (in Deutschland z.B. für die sorbischen Sprachgemeinschaften in Sachsen und Brandenburg). Die russischsprachige Minderheit in der Ukraine hatte seit der Unabhängigkeit des Landes dieses Privileg nicht mehr, wobei vermutlich eine Rolle gespielt haben dürfte, dass das Russische bis zur Unabhängigkeit des Staates die einzige Amtssprache war und die ukrainischsprachige Mehrheit sprachlich unterdrückt war. Diese Benachteiligung ist nun beendet: Russisch darf nun überall dort als zweite Amtssprache genutzt werden, wo mehr als zehn Prozent der Bevölkerung russischsprachig sind.
Während in der Ukraine also ein Stück sprachliche Freiheit wiederhergestellt wird, schränkt Sachsen diese ein — zum Glück nur im Fremdsprachenunterricht: Weil die Schulen den Bedarf an Spanischunterricht nicht decken können, wird dort ausgelost, wer als zweite Fremdsprache Spanisch — Amtssprache in 23 Ländern, fünf amerikanischen Bundesstaaten und sieben internationelen Organisationen mit fast vierhundert Millionen Muttersprachler/innen und sechzig Millionen Zweitsprachler/innen — lernen darf, und wer Latein — Amtssprache in in einem einzigen Land (Vatikanstadt) mit null Muttersprachler/innen. So motiviert man junge Menschen, ihre Freude am Lernen zu entdecken.
Ganz und gar freiwillig gibt dagegen die österreichische Jugend das österreichische Deutsch zugunsten norddeutsch eingefärbter Varianten des Standarddeutschen auf — „noch deutscher als Bayern“ könnte die Sprache in Österreich nach den Befürchtungen des Germanisten Peter Wiesinger bald klingen — Kassa wird zu Kasse, Schlagobers zu Sahne und Stiege zu Treppe. Das finde ich schade und rufen unseren österreichischen Nachbar/innen zu: Habt ihr Paradeiser auf den Augen? Seht ihr nicht, was ihr da tut? Lasst den Topfen!
[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Version enthält möglicherweise Korrekturen und Aktualisierungen. Auch die Kommentare wurden möglicherweise nicht vollständig übernommen.]
Sinn und Unsinn von Fremdsprachen
Jede Fremdsprache außer Englisch hat nur dann einen “Sinn”, wenn der Schüler oder die Schülerin später genau diese Sprache anwenden möchte, also im Fall von Spanisch in einem spanischsprachigen Land lebt oder Spanischsprecher als Kunden betreut etc. Für alle anderen ist jede Fremdsprache außer Englisch ziemlich “überflüssig”. Englisch wird praktisch überall verstanden, auch dort, wo man Spanisch spricht.
Jetzt könnte man noch einwenden, dass das Lerner einer Sprache *an sich* einen Sinn hat. Sehr richtig. Man erkennt Strukturen, vertieft die Kenntnisse in der Grammatik, auch in der eigenen. Nur: Diese Aufgabe erfüllt Latein besser als jede andere Sprache. Das Gesprochene fällt weg, man konzentriert sich auf den Aufbau der Sprache, lernt analytisches Denken und so weiter. Außerdem schult Übersetzen den Stil und den sicheren Umgang mit dem Deutschen wie keine andere Tätigkeit.
Deutsche im Ausland
Meine Erfahrung mit deutschen Auswanderern (oder beruflich im Ausland lebenden Deutschen) ist eher gegenteilig: Nämlich das die meist kein Problem damit haben, die Landessprache zu erlernen.
Dass dies bei den Auswanderern, die immer prominent im deutschen TV präsentiert werden, nicht der Fall ist, ist da eher nicht repräsentativ. Ebenso wie die Regionen, in die diese Auswandern. 😉
Latein
@schwarzmalerin: “Das Gesprochene fällt weg” — tatsächlich, da haben wir ihn, den Sinn von Sprache.
Wie wär’s mit Sumerisch? Da hätte man noch nicht mal den Nachteil, zumindest ein wenig was damit anfangen zu können. Schult bestimmt noch mehr.
@ schwarzmalerin
Wenn die zweite Fremdsprache in der Schule einsetzt, was meines Wissens meistens in der 6. oder 7. Klasse geschieht, können die Schüler noch gar nicht wissen, was sie später im Leben machen werden. Daher bietet es sich aus Sicht des Bildungssystems an, eine Fremdsprache zu unterrichten, die maximalen praktischen Nutzen verspricht. Dass Englisch hierfür unangefochten an erster Stelle steht dürfte logisch sein. Bei der zweiten Fremdsprache ist maximaler Nutzen gegeben für entweder Französisch, was in Deutschland von besonderer Bedeutung ist wegen der engen Handelsbeziehungen zu Frankreich, aber auch aus politischen und kulturellen Gründen, oder für Spanisch, was sich zur zweiten Weltsprache aufschwingt und außerdem praktisch von vielen Schülern im Urlaub angewandt werden kann. Immerhin ist Spanien eines der beliebtesten Urlaubsziele der Deutschen.
Ich weiß außerdem nicht, wie gut Sie sich in spanischsprachigen Gebieten auskennen, aber mit Ihrer Behauptung, dass man dort Englisch “praktisch überall” verstehe, liegen Sie gnadenlos daneben. Ich selbst war erst vor ein paar Monaten in Spanien und habe überraschend häufig “no English” als Antwort auf eine Frage bekommen. Meine Mitbewohnerin, die ein paar Monate durch Ecuador, Peru und Bolivien gereist ist, erzählte mir außerdem, dass sie oft in Gegenden war, wo niemand Englisch sprach und sie ohne ihren Freund, der Spanisch studiert hat, völlig aufgeschmissen gewesen wäre.
Vor allem letzteres ist das schöne elitäre Argument, dass Kinder die Lateinunterricht hatten, besser Deutsch sprechen. Dass ich nicht lache. Ich vermute ja, dass die Prominenz des Lateinunterrichts v.a. darin begründet ist, dass man an vielen Schulen in Deutschland die umgekehrte Situation hat, nämlich einfach zu viele Lateinlehrer, die nicht entlassen werden können. Darum wird Latein mit fadenscheinigen und nicht nachweisbaren Argumenten (gut fürs Deutsche, schult analytisches Denken) oder durch Angstmacherei (ohne Latinum kannst d später nicht Medizin, Jura oder Geschichte studieren – was völliger Humbug ist) gepusht.
Die Leidtragenden sind am Ende die Schüler, die sich jahrelang mit einer Fremdsprache abquälen, die mit ihrer Lebensrealität absolut nichts zu tun hat. Die Nachhilfeindustrie profitiert und reibt sich die Hände.
@ohno (Sumerisch)
Das Sumerische hat mit unserer Sprache nichts zu tun und die sumerische Kultur auch nichts mit unserer. Bei Latein und den Römern ist das ganz anders. Alternativ bietet sich Griechisch an.
@impala
Mit 14, 15 Jahren ist eigentlich schon klar, welche Stärken und Schwächen ein Schüler hat. (Wenn nicht, hat das Schulsystem ohnehin versagt.) Wenn die Sprache nicht die Stärke ist, sondern zum Beispiel eher Mathematik und Naturwissenschaft, ist jede weitere Fremdsprache eigentlich unnütz. Der Schüler sollte seine wertvolle Zeit lieber mit Dingen verbringen, in denen er gut ist. Ob Spanisch oder Latein dann noch dazu kämen, ist nebensächlich. Er wird keines davon je in seinem Leben brauchen.
Zum Urlaub: Das sehe ich mir an, Touristen, die mit ihrem Schulspanisch ihren Urlaub verbringen, können die meisten doch nicht einmal auf Englisch ein Essen bestellen. Bisher hatte ich jedenfalls keine Probleme, überall mit Englisch zu bekommen, was ich wollte. Sogar in Spanien.
Naturwissenschaft und Sprache
@Schwarzmalerin
Das ist wirklich Unsinn. Ernsthaft. Ich bin Naturwissenschaftler und Englisch ist da selbstverständlich der Standard.
Die Behauptung, dass man in dem Bereich andere Sprachen “niemals brauchen wird” ist einfach falsch. Zumindest dann, wenn man in einem internationalen Unternehmen tätig ist. Es mag Stellen geben, wo das so ist. In vielen Bereichen sind mehrere Fremdsprachen aber mindestens von Vorteil — oft sogar notwendig.
Und ja, in weiten Teilen der Welt ist man nur mit Englisch tatsächlich Problemen ausgesetzt — die touristischen Ecken von Spanien mag das nicht betreffen. Osteuropa, Südamerika, Frankreich (!) dürften da aber durchaus relevant sein.
Als Norddeutscher sehe ich nicht so recht, liebe schwarzmalerin, was Latein oder die römische Kultur mit uns zu tun haben. Leider sind die nie bis zu uns gestoßen, da Sauerländer und Ostwestfalen sie vorher verprügelten.
Wenn sie denn unbedingt gegen eine praktische Auswahl bei unseren Fremdsprachen sind, scheint es mir sowieso sinnvoller, eine tote Sprache zu lernen, deren Strukturen und Kultur den Schülern komplett neu ist.
Reality Check für schwarzmalerin
Wer mit 14 oder 15 Jahren noch in der sechsten Klasse ist, hat ganz andere Schwierigkeiten.
Das können Schüler in der Mittel- und Oberstufe auch tun durch Wahlpflichtfächer und Profilbildung. Dennoch hat die Schule nicht die Aufgabe, Schüler zu Profis auf einem Gebiet auszubilden sondern die Schüler allgemein und damit in allen Teilgebieten zu bilden. Zwei Fremdsprachen sind auf dem Arbeitsmarkt mittlerweile in vielen Branchen gefragt.
Deutsche Schüler lernen ab der 1. oder 3. Klasse Englisch und setzen dies bis zur 12. oder 13. Klasse fort, haben also ungefähr 10 bis 12 Jahre Englischunterricht. Danach ist jeder Schüler imstande, Essen auf Englisch zu bestellen.
Ja, Sie leben in einer Welt, in der Deutsche auf Englisch kein Essen bestellen können, Spanier aber berühmt für Ihre Englischkenntnisse sind. Chapeau! (wenn Sie mir diesen Abstecher ins überflüssige Reich der zweiten Fremdsprache erlauben…)
* ihre Englischkenntnisse. 5 Jahre Lateinunterricht genossen und ich kann doch nicht richtig Deutsch!
Klassenzählung, Naturwissenschaft, Essen
Die Klassenzählung ist bei uns offenbar anders als bei euch. 🙂
Bei der Naturwissenschaft war natürlich “eine andere Fremdsprache” (neben Englisch) gemeint. Mir ist natürlich bewusst, dass Englisch lingua franca in dem Bereich ist. Jede weitere Fremdsprache hat keinen großen Sinn, es sei denn, man möchte in diesem Land arbeiten.
Ja, Schüler sind wohl imstande, auf Englisch zu bestellen. 10 Jahre später, wenn SIE dann die Touristen sind, dann nicht mehr. 😉
Wiederholung
Ich wiederhole mich zwar, aber nochmal:
Neben Englisch, was ja praktisch Vorraussetzung für viele Karrieren ist, sind auch weitere Fremdsprachen absolut sinnvoll und oft notwendig. Spanisch oder Französisch z.B., Russisch könnte u.U. auch nicht schlecht sein.
Übrigens ist Deutsch tatsächliche eine der Sprachen, die einem Vorteile im internationalen Bereichen bringen kann.
Die oben genannten Regionen werden ihnen aber sowohl mit Deutsch als auch Englisch einige Probleme bereiten.
Ergänzung
Das gilt in meinen Auge nicht nur, wenn man dort leben will, sondern schon dann, wenn das Unternehmen Geschäftsbeziehungen in diesen Bereichen pflegt.
Wir sind uns doch einig
Ich habe doch von Anfang an eingeräumt, dass etwa Spanisch sinnvoll ist, wenn man später “spanischsprachige Kunden betreut”. Hat man aber beruflich nichts damit zu tun, bringt die Sprache nicht mehr als Latein. Bei Englisch ist das anders. Kann man kein Englisch, ist man praktisch Analphabet.
¡Increíble pero cierto!
Weil es genauso viel lateinsprachige (das ist nichtmal ein Wort!) wie spanischsprachige Länder gibt, in die man z.B. in den Urlaub fahren könnte? Da kann man Menschen unter Umständen auf Englisch etwas fragen (darüber haben wir uns ja nun hinlänglich ausgetauscht), aber jeder der schonmal im Urlaub war, wird wissen, dass es sich einfacher lebt, wenn man Schilder und Beschreibungen in der Landessprache lesen kann – siehe Supermarktfehlkäufe, missverstandene Wegweiser etc.
Allgemeinbildung
Für mich persönlich ist es auch eine Frage des Respektes, Menschen in ihrem Heimatland auf ihrer Muttersprache anzureden.
Natürlich kann man nicht sämtliche Sprachen der Erde lernen, aber es schadet sicherlich nicht, zusätzlich zu Englisch noch ein oder zwei weitere Sprachen zu erlernen. Und von den Menschen im Ausland regelrecht zu erwarten, dem Englischen mächtig zu sein, empfinde ich als sehr unhöflich und ignorant.
Englisch ist eigentlich nur in der westlichen Welt wirklich verbreitet. Wer keine Ambitionen hat, auch mal über den Tellerrand der eigenen Welt hinauszublicken, kommt mit Englisch vielleicht aus, aber in Lateinamerika oder den meisten islamischen Ländern beispielsweise wird man mit Englisch so seine Probleme haben.
Für mich gehört das Lernen von Fremdsprachen etwa genauso zur Allgemeinbildung wie ein grundlegendes Wissen über Geschichte oder Politik, auch wenn man die in seinem Beruf später genausowenig braucht.
Sinn-Kriterien, norddeutsches Latein
Eines vorweg: Dass über die Frage, welcher Schüler welche Fremdsprache erlernen muss, das Los geworfen wird, ist ein Skandal. Solange in Deutschland solche Zustände herrschen, sollte jeder, der die Worte “Bildungsrepublik Deutschland” in den Mund nimmt, sich etwas schämen!
Dies gilt unabhängig davon, ob das Erlernen der Sprache, die den “Verlierern” zukommt, mehr oder weniger Nutzen stiftet, als der Erwerb der gewünschten Sprache. Ja, ich möchte bezweifeln, dass sich die Sinnhaftigkeit des Erwerbs verschiedener Fremdsprachen überhaupt objektivieren lässt.
Es kommt eben darauf an, was man mit seinen Fremdsprachenkenntnissen anfangen will. Wer diese an den “beliebtesten Urlaubsziele[n] der Deutschen” (impala) einsetzen möchte, zieht aus Spanisch zugegebenermaßen größeren Nutzen als aus Latein. Es soll allerdings auch Schüler geben, die sich vom Gymnasialunterricht in noch vor der Erleichterung ihrer sommerlichen Restaurantbesuche die Befähigung zum Hochschulstudium versprechen. Die an deutschen Hochschulen angebotenen Studiengänge zu zählen, für die Lateinkenntnisse Voraussetzung sind, und sie mit der Zahl derjenigen Studiengänge zu vergleichen, die Spanischkenntnisse erfordern, ist eine Fleißarbeit, auf die ich gerade keine Lust habe. Ich biete aber die Wette an, dass dieser akademische Schwanzvergleich zugunsten des Lateinischen ausgeht.
Hochproblematisch erscheint es mir auch, die Zahl der Muttersprachler und Zweitsprachler ins Feld zu führen. Bekanntlich schwanken die Schätzungen der Zahl der Englisch-Zweitsprachler sehr stark — laut Wikipedia zwischen “Zahlen von unter 200 Mio. bis weit über 1 Mrd.” — je nachdem welches Sprachniveau man verlangt. Setzt man die Zahl der Englisch-Zweitsprachler vorsichtig an und addiert hierzu die 340 Mio. Englisch-Muttersprachler, erhält man eine Zahl die kleiner ist als die 845 Mio. allein Chinesisch-MUTTERsprachler. Ist es deshalb sinnvoller Chinesisch als Englisch zu lernen? Es kommt auch hier darauf an, was man damit machen möchte.
Dierk schrieb: “Als Norddeutscher sehe ich nicht so recht, liebe schwarzmalerin, was Latein oder die römische Kultur mit uns zu tun haben. Leider sind die nie bis zu uns gestoßen, da Sauerländer und Ostwestfalen sie vorher verprügelten.”
Verstehe ich Sie richtig? Die Sauerländer und Ostwestfalen haben Latein und die römische Kultur verprügelt?
Wenn Sie Norddeutscher sind, bedeutet Ihnen vielleicht die Universität Rostock etwas, die älteste Universität sowohl Norddeutschlands als auch des gesamten Ostseeraums. Was meinen Sie, in welcher Sprache um 1419 die Gründungsdokumente abgefasst wurden, in welcher Sprache die ersten 400 Jahre Vorlesungen gehalten wurden und welcher Sprache der Ehrenname der Universität “Vandaliae lumen” entstammt? Mekelborgsch-Vörpommersch?
@ phaeke
Die gibt es sicherlich, aber die haben Latein genauso wenig nötig, wie diejenigen, die lieber Sprachkenntnisse für ihren Sommerurlaub erwerben und ein bisschen mehr über Kuba oder Argentinien erfahren als zehn blumige Übersetzungsmöglichkeiten für den Abl. Abs. zu lernen und sich mit Ciceros Gerichtsreden auseinanderzusetzen.
Da wäre ich vorsichtig, denn hier verliert das Lateinische ganz schnell. Generell sind an den meisten Universitäten in Deutschland heute Englischkenntnisse die Voraussetzung zum Bachelorstudium. Kenntnisse einer zweiten Fremdsprache werden vor allem dann vorausgesetzt, wenn es sich um diese Fremdsprache handelt und diese eine Schulfremdsprache ist (logisch), und ansonsten häufiger bei sprachwissenschaftlichen oder kommunikationswissenschaftlichen Studiengängen. Latein wird nur noch sehr selten vorausgesetzt. Bei den Studiengängen, von denen es früher immer hieß, dass man es haben müsse, ist es längst passé (Medizin, Jura, Germanistik) und auch Studiengänge wie Geschichte, Romanistik und Philosophie – in denen Lateinkenntnisse noch von größerer Bedeutung wären – setzen diese meist nicht mehr voraus. Schauen Sie mal auf den Uni-Seiten nach. Sie werden staunen.
Urindogermanisch
Sollte man statt Latein nicht lieber rekonstruiertes Urindogermanisch unterrichten? Wie aktuell im Film “Prometheus” zu sehen, taugt diese Sprache sogar zur Kommunikation mit Außerirdischen.
@phaeake
So weit ich mich erinnere, sowohl aus dem Geschichts- wie aus dem Lateinunterricht, ging das römische Reich ungefähr 1000 Jahre* vor Gründung der Uni Rostock zu Ende. Die römischen Legionen und damit die Kultur kamen nie über die Gegend um Osnabrück raus — und auch dorthin reichte es gerade für einige Vorposten.
Ich bin ansonsten sicher, dass Ihnen eine gewisse Pointierung eines berechtigten Einwandes in meiner Frage an schwarzmalerin aufgefallen ist.
*give or take a few years
Es ist Rostocker Sechstklässlern sicher auch gut zu vermitteln, dass sie Latein lernen sollen, weil 1419 das Gründungsdokument ihrer Uni in der Sprache verfasst wurde.
Spanisch am wenigsten betroffen
Es ist natürlich sehr bedauerlich, daß einige sächsische Gymnasien nicht allen Schülern ihren Fremdsprachenwunsch erfüllen können. Allerdings ist Spanisch davon am wenigsten betroffen. Lateinisch ist dagegen am stärksten betroffen!
Die Chemnitzer Morgenpost vom 6. August enthält genauere Angaben. Danach gibt es an 24 Gymnasien ein Losverfahren. Die Zahl der jeweils betroffenen Sprachen:
Latein: 11
Französisch: 8
Russisch: 4
Spanisch: 2
Das ergibt 25 Losverfahren. Also gibt es (wenn kein Fehler vorliegt) an einer Schule Losverfahren bei zwei Sprachen.
Es ist auch nicht gesagt, daß den Schülern für Spanisch nur die Alternative Latein angeboten würde. Die naheliegende Alternative wäre Französisch. Die Kenntnis des Französischen erleichtert ja erheblich das spätere Erlernen des Spanischen. Es wäre wohl ein sehr unglücklicher Zufall, wenn einem Schüler keines der beiden Sprachen angeboten werden könnte.
Demnach erscheint die Lage bei Spanisch nicht besonders dramatisch. Die Anhänger des Latein hätten mehr Grund sich zu beklagen.
Sumerisch
Die Sumerer haben nichts mit unserer Kultur zu tun? Immerhin benutzen wir deren 60er-System wenn es um Zeit und Winkel geht.
Aber vielleicht sollte man doch lieber das Dänische lernen, wenn es um Norddeutschland geht. 😉
Der Punkt ist doch der: Man vermittelt in der Schule ein breites Allgemeinwissen, da man nicht weiß, was die Schüler später brauchen werden. Manche brauchen nie englisch, manche nie spanisch. Aber die Chance, dass sie Spanisch oder Englisch brauchen (oder dass es sich als nützlich erweisen würde) ist sicherlich höher als bei Latein, dessen Anwendung nun mal vor allem bei Studium von Quellen in Geschichte oder Philosophie liegt — und dort kann man es dann wirklich immer noch lernen.
Historisch hatte Latein früher seine Berechtigung, weil es der Elite vorbehalten war, Latein zu können. Heute ist das anders…
Esperanto – eine Minderheitensprache?
Es gibt auch Sprecher einer gemeinsamen Sprache, die über die ganze Welt verstreut sind. Es gibt sie in über 100 Ländern und überall sind sie so minderheitlich, dass man es kaum unterbieten kann.
Aber alle Esperantosprecher zusammengenommen sind (weniger der Zahl nach, aber nach Erscheinen im Internet) eine beachtliche Sprechergruppe. Darüber hinaus lohnt es, sich einmal ernsthaft mit Esperanto zu befassen. So erfüllt es z. B. eher die Erwartungen, die an “tote” Sprachen gerichtet werden: Stichwort “Latein fördert das logische Denken”.
Dass man sich mit dem Thema auch wissenschaftlich befassen kann, beweist folgender Artikel: http://www2.hu-berlin.de/…h/klare-esperanto.html
Schade, dass der Artikel zum Verlust des österreichischen Deutsch auch nicht ohne die ollen Kamellen von “Denglisch”, Jugendlichen, die nur noch im SMS-Stil schreiben können u.ä. auskommt.
Darum auch die zahlreichen Berichte über deutsche Gymnasiasten, die alles dafür geben würden, ihren Herzenswunsch erfüllt zu bekommen und Latein lernen zu dürfen, denen die Chance aber auf brutale Weise vorenthalten wird.
@ impala, @ Dierk
impala schrieb: “Bei den Studiengängen, von denen es früher immer hieß, dass man es haben müsse, ist es längst passé (Medizin, Jura, Germanistik) und auch Studiengänge wie Geschichte, Romanistik und Philosophie – in denen Lateinkenntnisse noch von größerer Bedeutung wären – setzen diese meist nicht mehr voraus. Schauen Sie mal auf den Uni-Seiten nach. Sie werden staunen.”
Wie gesagt, ich hatte und habe keine Lust auf diese ausgesprochen fiselige Recherche, aber zu einer Stichprobe reichte meine Lust. § 7 Abs. 4 der Promotionsordnung der Universität Erlangen-Nürnberg für den Grad eines Dr. phil. — zuletzt geändert am 27. April 2011 — lautet:
“In folgenden Fächern ist der Nachweis von gesicherten Lateinkenntnissen zu erbringen: Alte Geschichte, Mittlere Geschichte, Neuere und Neueste Geschichte, Bayerische und Fränkische Landesgeschichte, Osteuropäische Geschichte, Landes- und Volkskunde, Klassische Archäologie, Musikwissenschaft, Griechisch, Latein, Mittel- und Neulatein, Indogermanistik, Indoiranistik, Germanische und Deutsche Philologie, Slavische Philologie. Im Fach Slavische Philologie kann der Nachweis von Kenntnissen im Altgriechischen an die Stelle des Nachweises von gesicherten Lateinkenntnissen treten.”
Ich bin gespannt auf eine längere Liste für Spanisch als Promotionsvoraussetzung.
Dierk schrieb:
“Ich bin ansonsten sicher, dass Ihnen eine gewisse Pointierung eines berechtigten Einwandes in meiner Frage an schwarzmalerin aufgefallen ist.”
Die Pointierung ist mir in der Tat aufgefallen — nicht jedoch, dass Sie schwarzmalerin ein Frage gestellt hätten, und auch nicht, dass Ihr Einwand berechtigt wäre.
Ihr etwas sprunghafter Satzanschluss markiert eben genau auch die logische Schwachstelle Ihrer Argumentation. Man kann eben NICHT aus dem Untergang des (west)römischen Reiches schließen, dass die lateininische Sprache für die europäische Kultur im allgemeinen und die norddeutsche im Besonderen
keine Bedeutung mehr gehabt hätte.
Die Karriere Lateins als internationale Sprache der Gebildeten begann vielleicht erst nach dem Erlöschen der weströmischen Militärmacht. Zuvor war dies nämlich das Griechische.
Ukraine
Es war ja erwartbar, dass die Kommentare zu diesem Post einmal mehr von der Frage nach dem Sinn und Unsinn des Lateinunterrichts geprägt sein würden.
Streitet Euch nur weiter (ich habe übrigens gern Latein gelernt, das nur am Rande), ich möchte dann doch die Gelegenheit nutzen, Herrn Stefanowitsch dafür zu danken, dass er die jüngste Aufwertung des Russischen in der Ukraine als das bezeichnet, was sie ist: Als Wiederherstellung sprachlicher Freiheit. Mit dieser Ansicht steht er leider in der veröffentlichten Meinung in Deutschland recht allein da.
Es ist schon bemerkenswert, wie viel Verständnis die deutschsprachigen Medien für die Position der “prowestlichen Kräfte” hatten, der Muttersprache von ca. 30% der Bevölkerung den Status einer (regionalen) Amtssprache zu verweigern. Man stelle sich einmal die Reaktion hiesiger Medien vor, wenn die russische Regierung den amtlichen Status der gut 30 regionalen Amtssprachen des Landes abzuschaffen gedächte. Offenbar gilt auch hier das “our son of a bitch”-Prinzip: Putin böse, Janukowitsch böse, ukrainische Opposition gut, völlig unabhängig vom einzelnen Streitfall.
Und nein, ich bin weder Russe noch Ukrainer, noch habe ich irgendeinen engeren persönlichen Bezug zu den beiden Ländern.
Es heißt ’ Für autochthone sprachliche Minderheiten’.
Motivation zum Lernen
Da ja oben kritisiert wurde, Sachsen beschränke die Lernmöglichkeiten seiner Schüler und damit deren Motivation — ist gewiss folgende Studie interessant: Sachsen hat das leistungsfähigste Bildungssystem.
Vielleicht sollte auch ein Sprachwissenschaftler etwas breiter denken bevor er einzele Punkte verallgemeinert — denn manche von der eigenen Perspektive abweichende inhaltliche Wertung kann durchaus der Sache dienen…
zum österreichischen Deutsch8
Nach allem was der “Kleine”-Artikel und ähnliche Medienberichte erkennen lassen, bietet Wiesingers Studie eigentlich auch nicht annähernd einen Hinweis darauf, dass ÖsterreicherInnen (Jugendliche oder sonstwer) “noch deutscher als Bayern” klingen könnten. Die Studie selbst konnte ich leider weder über Wiesingers Homepage noch über Google Scholar auffinden, dafür gibt aber der ORF-Artikel zumindest einen vagen Hinweis auf die Methodologie (siehe hier: http://science.orf.at/stories/1703039/); demnach ließ Wiesinger “Studenten Bilder betiteln”. Statt ein Aussterben des österreichischen Deutsch herbeizufabulieren wäre da doch eine naheliegendere Erklärung, dass gewisse Ausdrücke gefühlt (eventuell zunehmend, aber dazu müsste man als Vergleichsbasis die Ergebnisse des gleichen Tests vor ein paar Jahrzehnten haben, etwas worauf ich keinen Hinweis finde) einen informellen Charakter haben und deshalb in hochformellen Kontexten vermieden werden, und viel formeller als von einem emeritierten Germanistikprofessor gefragt zu werden, man möge die Begriffe nach Bildern schriftlich niederschreiben geht ja wohl gar nicht. Das sagt genau gar nichts darüber aus, ob und wie sie im Alltag (in der gesprochenen Sprache wie auch in informelleren Kontexten — also fast allen — schriftlich) verwendet werden. Schiller hat auch Ausdrücke verwendet, die man seit gut 100 Jahren in gehobener Schriftsprache eher nicht mehr findet — trotzdem sind sie quicklebendig in der schwäbischen Umgangssprache.
Zum Teil sind auch die Beispiele schlecht gewählt — ein Wort wie “Paradeiser” war immer schon auch in Österreich in seiner Verbreitung eingeschränkt. Dort wo ich aufgewachsen bin hat man es zwar passiv verstanden, aber als Wienerisch betrachtet (und sich u.U. auch darüber lustig gemacht). Wenn jetzt ein Gutteil der ProbandInnen “Tomaten” schreibt ist das womöglich weder ein Einfluss aus Deutschland, noch auch nur ein Zeichen dass regionale Ausdrücke zunehmend eine informelle Aura haben, sondern ganz einfach ein Zeichen dass die entsprechende Person aus Oberösterreich kommt.
Ich kann jedenfalls versichern dass “stehen/sitzen/liegen” weiterhin das Auxiliar “sein” fordern und eine “Bohne” ein ausgelöster Kern ist, während das gleiche in der Schote weiterhin eine “Fisole” bleibt (wie sollte man die beiden sonst unterscheiden?).
@NörglerIn
“Demnach erscheint die Lage bei Spanisch nicht besonders dramatisch. Die Anhänger des Latein hätten mehr Grund sich zu beklagen.”
Das geht aus Ihren Angaben nicht hervor, bzw. nur wenn Sie davon ausgehen, dass Spanisch auch tatsächlich an allen Gymnasien angeboten wird. Ist das in Sachsen der Fall? In Österreich zumindest gibt es noch heute viele Schulen, die Spanisch nicht oder nur im Umfang eines Wahlfachs, nicht jedoch als 2. Fremdsprache anbieten. Unter der Annahme dass das in Sachsen ähnlich ist: Wieviele der Gymnasien, bei denen Spanisch keinem Losverfahren unterworfen ist, bieten die Sprache überhaupt an? Wir können wohl davon ausgehen, dass Latein überall angeboten wird, also gibt es nach Ihren Angaben 24–11=13 Schulen, wo man ohne jedes Losverfahren reinkommt so man sich dafür interessiert. Wenn dagegen 24–2=22 Schulen stünden, an denen man sich ohne Losverfahren zum Spanischunterricht anmelden könnte hätten Sie natürlich recht, aber ist das wirklich so? Mir scheint eher realistisch, dass man bei zwei von ohnehin recht wenigen Schulen die Spanisch überhaupt im vollen Umfang einer 2. Fremdsprache anbieten jetzt darum bangen muss ob man denn reinkommt.
Wir sprachen über Studienvoraussetzungen nicht Promotionsvoraussetzung. Wie viel Prozent deutscher Abiturienten promovieren? Nicht genug um die Aufrechterhaltung des Lateinunterrichts rechtzufertigen.
Darüber hinaus zitieren Sie natürlich eine Universität aus dem erzkonservativen Bayern, wo Latein mutmaßlich noch am weitesten verbreitet ist. An der FU z.B. kräht kein Hahn nach dem Latinum.
* zu rechtfertigen. Als Kind des Ruhrgebiets sehe man mir diesen Fehler nach.
Worüber ich sprach
impala schrieb: “Wir sprachen über Studienvoraussetzungen nicht Promotionsvoraussetzung.”
Studium und Promotion sind keine Gegenbegriffe. Ich sprach von Voraussetzungen für Studiengänge. Zu diesen gehören Promotionsstudiengänge nicht weniger als zum Beispiel Magisterstudiengänge.
“Wie viel Prozent deutscher Abiturienten promovieren? Nicht genug um die Aufrechterhaltung des Lateinunterrichts rechtzufertigen.”
Solange es genügend Schüler gibt die FREIWILLIG Latein lernen wollen (und nicht aufgrund von Lospech lernen müssen), finde ich es anmaßend, dass Sie für Unterrichtsfächer anscheinend eine Mindestquote an Abiturienten angeben möchten, die das Fach brauchen. Wie viele Abiturienten brauchen später die Kenntnisse über die Vermehrung der Farne?
“Darüber hinaus zitieren Sie natürlich eine Universität aus dem erzkonservativen Bayern”
Es gibt gar nicht so wenige Abiturienten, die eigens fürs Studium ins “erzkonservativen Bayern” ziehen.
Promotionsstudiengänge gehören da wohl sehr viel sehr weniger zu, da sie zahlenmäßig eine viel kleinere Gruppe betreffen. Im Übrigen sind Magisterstudiengänge längst abgeschafft.
Es geht darum, dass Latein oft durch Vortäuschung falscher Tatsachen beworben wird, so wie Sie es hier auch machen, indem Sie allgemein von “Studiengängen” sprechen, also etwas das grundsätzlich alle Studenten betrifft, aber eigentlich “Promotionsstudiengänge” meinen, was nicht mehr als eine kleine Minderheit der Studenten interessiert.
Schüler wählen oft “freiwillig” Latein, damit sie es “hinterher nicht bereuen”, was unterstellt, dass die Entscheidung gegen Latein ungeahnte Konsequenz für z.B. das Studium haben könnte. Mit so einer Argumentation kann man auf 12-Jährige sehr wohl Eindruck machen. Nicht selten ist die Entscheidung der Sechstklässler sowieso durch das Denken der Eltern bestimmt, was auch das Prestigegefühl einiger Eltern wieder ins Spiel bringt.
Ich führe übrigens keine Mindestquote von Abiturienten an, für die das Fach nützlich sein muss. Sie waren derjenige, der auf die angeblich Nützlichkeit des Lateins für “Studiengänge” verwies, woraufhin ich erwiderte, dass die Nützlichkeit für mich nicht nachgewiesen ist, wenn eine bayrische Provinzuni für die Promotion in drei Themengebieten das Latinum verlangt. Und ich wage zu bezweifeln, dass Erlangen-Nürnberg ein Studentenmagnet erster Güte ist.
Für Spanisch oder Französisch muss ich solche abstrusen Nachweise übrigens nicht führen, weil deren Vorteil nicht die Nützlichkeit für irgendwelche Studiengänge ist sondern schlichtweg seine weltweite Verbreitung (Spanisch) bzw. seine unerreichte wirtschaftliche und politische Bedeutung für Deutschland (Französisch).
@Jakob
Sie haben ja vollkommen recht. Vielleicht gibt es ja in Sachsen überhaupt nur zwei Gymnasien, die Spanisch anbieten.
Allerdings sollten Sie Ihre Kritik dann auf den Ausgangsbeitrag richten. Dort wurde ja allein aus der Auslosung ein Skandalon gemacht – nicht aus dem möglicherweise unzureichenden Angebot von Spanisch überhaupt.
Ich habe in meinem Beitrag ja nur gezeigt, daß sich allein aus der Auslosung von Spanisch an zwei Gymnasien keine Rückschlüsse im Vergleich zu anderen Sprachen ziehen lassen.
Im übrigen ist es natürlich klar, daß unmöglich jedes Gymnasium jede gewünschte Sprache anbieten kann. Wie steht es etwa um das Angebot von Chinesisch in Sachsen – oder jedem anderen Bundesland?
Es macht keinen Sinn, Chinesisch in der Schule anzubieten, daher ist das nicht so wichtig.
Autokrat Impala
Interessant, jetzt ist auch der Unterricht in einer so verbreiteten Sprache wie Chinesisch sinnlos.
In diesem Artikel
http://www.spiegel.de/…nn-ja-jeder-a-416276.html
aus dem Jahr 2006 heißt es:
“Heute bieten 30 Gymnasium Chinesisch als reguläres Unterrichtsfach an, Tendenz steigend.”
Demnach bieten 70 weitere Schulen Chinesisch als AG-Fach an.
Aber alles wahrscheinlich völlige Idioten, die ihre Zeit verschwenden.
Lieber Herr impala, bitte sagen Sie Bescheid, wenn Sie irgendwo Kultusminister werden, in diesem Land möchte ich dann nämlich nicht wohnen
Es in der Tat relativ unsinnig, Chinesisch in der Schule zu unterrichten, weil man innerhalb der kurzen Zeit, die man zur Verfügung hat, die Schüler allenfalls zu besseren Analphabeten ausbilden kann. Die Lese- und Schreibfähigkeit ist nach ein paar Jahren Unterricht minimal (oft nicht mehr als 500 bis 800 Zeichen) und wenn man bedenkt, wie viele Schüler schon mit der englischen Aussprache ihre Schwierigkeiten haben, möchte ich nicht wissen, wie gut sie das chinesische Tonsystem beherrschen.
Noch dazu ist Chinesisch überhaupt nicht so weit verbreitet, es wird nur von vielen Leuten in derselben Region gesprochen. Das gleiche lässt sich von indischen Sprachen sagen, die auch niemand auf den Lehrplan setzt. Aus einem mir unerfindlichen Grund ist Chinesisch populär geworden bei Eltern, die sich davon versprechen, dass das Kind mit den beinahe nonexistenten Sprachkenntnissen in der Wirtschaft groß Karriere macht. Schade nur, dass Chinesisch auf dem Arbeitsmarkt doch nicht so gefragt ist. Hat man nicht mehr viel davon. Der Ottonormalverbraucher macht halt auch nicht mal eben Urlaub in China oder hört chinesische Musik.
Ich wohne nicht in Deutschland, habe also auch keine Chance Kultusminister zu werden, aber ich denke auch, dass die Schüler in Scharen unglücklich würden und auf die Barrikaden gingen, wenn sie für die zweite Fremdsprache wie von mir vorgeschlagen zwischen Französisch und Spanisch wählen müssten. Äußerst fern von der Lebensrealität der meisten deutschen Zwölfjährigen, die nichts lieber tun, als sich mit dem römischen Reich zu beschäftigen und Strandurlaub in Hainan zu machen.
Glühbirne
Jetzt wird mir auch klar, warum Latein und Altgriechisch jahrhundertelang zum Bildungskanon gehörten. Die Verantwortlichen hatten sich auch damals schon die Urlaubsgewohnheiten von Ottonormalverbraucher zum Nützlichkeitsmaßstab gesetzt. Und da diese Anno Tobak nicht das fremdsprachige Ausland erreichten, ist ihnen einfach nichts Besseres eingefallen.
Es spricht natürlich viel für Spanisch oder Französisch als zweite Frendsprache. Und wenn schon zwei wirklich gute Alternativen zu Verfügung stehen, kann man ja die Auswahl auch auf diese beiden beschränken. Da wird schon niemand auf die Barrikaden gehen. Dieser Schluss verlockt und ist dennoch schrecklich.
Chinesisch
Ich habe Chinesisch auch nur deshalb erwähnt, weil auch hier der Ausgangsbeitrag auf die Zahl der Spanischsprecher (Erst- und Zweitsprache) abgestellt hat. Chinesisch ist auch eine offizielle VN-Sprache, ebenso wie Arabisch und Russisch. Die Sprachstatistiken sind sehr unterschiedlich, damit läßt sich alles mögliche belegen. Nach Wikipedia gibt es aber immerhin mehr Erst- und Zweitsprachler bei Arabisch als bei Spanisch. Arabisch ist natürlich auch eine schwierige Sprache für uns, aber in sechs Gymnasialjahren ließe sich schon eine solide Grundlage bauen.
Jedenfalls ist klar, daß Französisch kulturell und historisch viel wichtiger ist als Spanisch – für uns als deutsche Nachbarn erst recht. Auf Französisch zugunsten von Spanisch zu verzichten, erschiene mir daher nicht als empfehlenswert. Beide so nah verwandte Sprachen in der Schule zu lernen, erscheint mir auch nicht sinnvoll.
Nach meinem Eindruck steht Spanisch in dem Ruf, „einfacher“ als Französisch zu sein. Ob das den Wunsch einiger Schüler, Spanisch zu lernen, beflügelt?