Sprachbrocken 32/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Sprach­liche Min­der­heit­en stoßen bei der Mehrheit sel­ten auf offene Ohren, wenn sie einen offiziellen Sta­tus für ihre Sprache ein­fordern. „Wer hier leben will, soll gefäl­ligst unsere Sprache sprechen“ gilt wei­thin als legi­t­i­aume Forderung (außer bei deutschen Auswan­der­ern, die stattdessen nach dem Prinzip „Wo ich leben will, sollen die gefäl­ligst meine Sprache sprechen“ handeln).

Für autochthone sprach­lichen Min­der­heit­en (also solche, die auf einem Staats­ge­bi­et schon gelebt haben, bevor der Staat eine Sprache vorgegeben hat), gibt es häu­fig Aus­nah­men (in Deutsch­land z.B. für die sor­bis­chen Sprachge­mein­schaften in Sach­sen und Bran­den­burg). Die rus­sis­chsprachige Min­der­heit in der Ukraine hat­te seit der Unab­hängigkeit des Lan­des dieses Priv­i­leg nicht mehr, wobei ver­mut­lich eine Rolle gespielt haben dürfte, dass das Rus­sis­che bis zur Unab­hängigkeit des Staates die einzige Amtssprache war und die ukrainis­chsprachige Mehrheit sprach­lich unter­drückt war. Diese Benachteili­gung ist nun been­det: Rus­sisch darf nun über­all dort als zweite Amtssprache genutzt wer­den, wo mehr als zehn Prozent der Bevölkerung rus­sis­chsprachig sind.

Während in der Ukraine also ein Stück sprach­liche Frei­heit wieder­hergestellt wird, schränkt Sach­sen diese ein — zum Glück nur im Fremd­sprache­nun­ter­richt: Weil die Schulen den Bedarf an Spanis­chunter­richt nicht deck­en kön­nen, wird dort aus­gelost, wer als zweite Fremd­sprache Spanisch — Amtssprache in 23 Län­dern, fünf amerikanis­chen Bun­desstaat­en und sieben inter­na­tione­len Organ­i­sa­tio­nen mit fast vier­hun­dert Mil­lio­nen Muttersprachler/innen und sechzig Mil­lio­nen Zweitsprachler/innen — ler­nen darf, und wer Latein — Amtssprache in in einem einzi­gen Land (Vatikanstadt) mit null Muttersprachler/innen. So motiviert man junge Men­schen, ihre Freude am Ler­nen zu entdecken.

Ganz und gar frei­willig gibt dage­gen die öster­re­ichis­che Jugend das öster­re­ichis­che Deutsch zugun­sten nord­deutsch einge­färbter Vari­anten des Stan­dard­deutschen auf — „noch deutsch­er als Bay­ern“ kön­nte die Sprache in Öster­re­ich nach den Befürch­tun­gen des Ger­man­is­ten Peter Wiesinger bald klin­genKas­sa wird zu Kasse, Schlagob­ers zu Sahne und Stiege zu Treppe. Das finde ich schade und rufen unseren öster­re­ichis­chen Nachbar/innen zu: Habt ihr Paradeis­er auf den Augen? Seht ihr nicht, was ihr da tut? Lasst den Topfen!

[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Ver­sion enthält möglicher­weise Kor­rek­turen und Aktu­al­isierun­gen. Auch die Kom­mentare wur­den möglicher­weise nicht voll­ständig übernommen.]

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

42 Gedanken zu „Sprachbrocken 32/2012

  1. schwarzmalerin

    Sinn und Unsinn von Fremdsprachen
    Jede Fremd­sprache außer Englisch hat nur dann einen “Sinn”, wenn der Schüler oder die Schü­lerin später genau diese Sprache anwen­den möchte, also im Fall von Spanisch in einem spanis­chsprachi­gen Land lebt oder Spanis­chsprech­er als Kun­den betreut etc. Für alle anderen ist jede Fremd­sprache außer Englisch ziem­lich “über­flüs­sig”. Englisch wird prak­tisch über­all ver­standen, auch dort, wo man Spanisch spricht.
    Jet­zt kön­nte man noch ein­wen­den, dass das Lern­er ein­er Sprache *an sich* einen Sinn hat. Sehr richtig. Man erken­nt Struk­turen, ver­tieft die Ken­nt­nisse in der Gram­matik, auch in der eige­nen. Nur: Diese Auf­gabe erfüllt Latein bess­er als jede andere Sprache. Das Gesproch­ene fällt weg, man konzen­tri­ert sich auf den Auf­bau der Sprache, lernt ana­lytis­ches Denken und so weit­er. Außer­dem schult Über­set­zen den Stil und den sicheren Umgang mit dem Deutschen wie keine andere Tätigkeit.

  2. Stefan

    Deutsche im Ausland
    Meine Erfahrung mit deutschen Auswan­der­ern (oder beru­flich im Aus­land leben­den Deutschen) ist eher gegen­teilig: Näm­lich das die meist kein Prob­lem damit haben, die Lan­dessprache zu erlernen.
    Dass dies bei den Auswan­der­ern, die immer promi­nent im deutschen TV präsen­tiert wer­den, nicht der Fall ist, ist da eher nicht repräsen­ta­tiv. Eben­so wie die Regio­nen, in die diese Auswandern. 😉

  3. ohno

    Latein
    @schwarzmalerin: “Das Gesproch­ene fällt weg” — tat­säch­lich, da haben wir ihn, den Sinn von Sprache.
    Wie wär’s mit Sumerisch? Da hätte man noch nicht mal den Nachteil, zumin­d­est ein wenig was damit anfan­gen zu kön­nen. Schult bes­timmt noch mehr.

  4. impala

    @ schwarz­ma­lerin

    Jede Fremd­sprache außer Englisch hat nur dann einen “Sinn”, wenn der Schüler oder die Schü­lerin später genau diese Sprache anwen­den möchte, also im Fall von Spanisch in einem spanis­chsprachi­gen Land lebt oder Spanis­chsprech­er als Kun­den betreut etc. Für alle anderen ist jede Fremd­sprache außer Englisch ziem­lich “über­flüs­sig”. Englisch wird prak­tisch über­all ver­standen, auch dort, wo man Spanisch spricht.

    Wenn die zweite Fremd­sprache in der Schule ein­set­zt, was meines Wis­sens meis­tens in der 6. oder 7. Klasse geschieht, kön­nen die Schüler noch gar nicht wis­sen, was sie später im Leben machen wer­den. Daher bietet es sich aus Sicht des Bil­dungssys­tems an, eine Fremd­sprache zu unter­richt­en, die max­i­malen prak­tis­chen Nutzen ver­spricht. Dass Englisch hier­für unange­focht­en an erster Stelle ste­ht dürfte logisch sein. Bei der zweit­en Fremd­sprache ist max­i­maler Nutzen gegeben für entwed­er Franzö­sisch, was in Deutsch­land von beson­der­er Bedeu­tung ist wegen der engen Han­dels­beziehun­gen zu Frankre­ich, aber auch aus poli­tis­chen und kul­turellen Grün­den, oder für Spanisch, was sich zur zweit­en Welt­sprache auf­schwingt und außer­dem prak­tisch von vie­len Schülern im Urlaub ange­wandt wer­den kann. Immer­hin ist Spanien eines der beliebtesten Urlaub­sziele der Deutschen.
    Ich weiß außer­dem nicht, wie gut Sie sich in spanis­chsprachi­gen Gebi­eten ausken­nen, aber mit Ihrer Behaup­tung, dass man dort Englisch “prak­tisch über­all” ver­ste­he, liegen Sie gnaden­los daneben. Ich selb­st war erst vor ein paar Monat­en in Spanien und habe über­raschend häu­fig “no Eng­lish” als Antwort auf eine Frage bekom­men. Meine Mit­be­wohner­in, die ein paar Monate durch Ecuador, Peru und Bolivien gereist ist, erzählte mir außer­dem, dass sie oft in Gegen­den war, wo nie­mand Englisch sprach und sie ohne ihren Fre­und, der Spanisch studiert hat, völ­lig aufgeschmis­sen gewe­sen wäre.

    Diese Auf­gabe erfüllt Latein bess­er als jede andere Sprache. Das Gesproch­ene fällt weg, man konzen­tri­ert sich auf den Auf­bau der Sprache, lernt ana­lytis­ches Denken und so weit­er. Außer­dem schult Über­set­zen den Stil und den sicheren Umgang mit dem Deutschen wie keine andere Tätigkeit.

    Vor allem let­zteres ist das schöne elitäre Argu­ment, dass Kinder die Latei­n­un­ter­richt hat­ten, bess­er Deutsch sprechen. Dass ich nicht lache. Ich ver­mute ja, dass die Promi­nenz des Latei­n­un­ter­richts v.a. darin begrün­det ist, dass man an vie­len Schulen in Deutsch­land die umgekehrte Sit­u­a­tion hat, näm­lich ein­fach zu viele Latein­lehrer, die nicht ent­lassen wer­den kön­nen. Darum wird Latein mit faden­scheini­gen und nicht nach­weis­baren Argu­menten (gut fürs Deutsche, schult ana­lytis­ches Denken) oder durch Angst­macherei (ohne Lat­inum kannst d später nicht Medi­zin, Jura oder Geschichte studieren – was völ­liger Hum­bug ist) gepusht.
    Die Lei­d­tra­gen­den sind am Ende die Schüler, die sich jahre­lang mit ein­er Fremd­sprache abquälen, die mit ihrer Leben­sre­al­ität abso­lut nichts zu tun hat. Die Nach­hil­fein­dus­trie prof­i­tiert und reibt sich die Hände.

  5. schwarzmalerin

    @ohno (Sumerisch)
    Das Sumerische hat mit unser­er Sprache nichts zu tun und die sumerische Kul­tur auch nichts mit unser­er. Bei Latein und den Römern ist das ganz anders. Alter­na­tiv bietet sich Griechisch an.

  6. schwarzmalerin

    @impala
    Mit 14, 15 Jahren ist eigentlich schon klar, welche Stärken und Schwächen ein Schüler hat. (Wenn nicht, hat das Schul­sys­tem ohne­hin ver­sagt.) Wenn die Sprache nicht die Stärke ist, son­dern zum Beispiel eher Math­e­matik und Natur­wis­senschaft, ist jede weit­ere Fremd­sprache eigentlich unnütz. Der Schüler sollte seine wertvolle Zeit lieber mit Din­gen ver­brin­gen, in denen er gut ist. Ob Spanisch oder Latein dann noch dazu kämen, ist neben­säch­lich. Er wird keines davon je in seinem Leben brauchen.
    Zum Urlaub: Das sehe ich mir an, Touris­ten, die mit ihrem Schulspanisch ihren Urlaub ver­brin­gen, kön­nen die meis­ten doch nicht ein­mal auf Englisch ein Essen bestellen. Bish­er hat­te ich jeden­falls keine Prob­leme, über­all mit Englisch zu bekom­men, was ich wollte. Sog­ar in Spanien.

  7. Stefan

    Natur­wis­senschaft und Sprache
    @Schwarzmalerin
    Das ist wirk­lich Unsinn. Ern­sthaft. Ich bin Natur­wis­senschaftler und Englisch ist da selb­stver­ständlich der Standard.
    Die Behaup­tung, dass man in dem Bere­ich andere Sprachen “niemals brauchen wird” ist ein­fach falsch. Zumin­d­est dann, wenn man in einem inter­na­tionalen Unternehmen tätig ist. Es mag Stellen geben, wo das so ist. In vie­len Bere­ichen sind mehrere Fremd­sprachen aber min­destens von Vorteil — oft sog­ar notwendig.
    Und ja, in weit­en Teilen der Welt ist man nur mit Englisch tat­säch­lich Prob­le­men aus­ge­set­zt — die touris­tis­chen Eck­en von Spanien mag das nicht betr­e­f­fen. Osteu­ropa, Südameri­ka, Frankre­ich (!) dürften da aber dur­chaus rel­e­vant sein.

  8. Dierk

    Als Nord­deutsch­er sehe ich nicht so recht, liebe schwarz­ma­lerin, was Latein oder die römis­che Kul­tur mit uns zu tun haben. Lei­der sind die nie bis zu uns gestoßen, da Sauer­län­der und Ost­west­falen sie vorher verprügelten.
    Wenn sie denn unbe­d­ingt gegen eine prak­tis­che Auswahl bei unseren Fremd­sprachen sind, scheint es mir sowieso sin­nvoller, eine tote Sprache zu ler­nen, deren Struk­turen und Kul­tur den Schülern kom­plett neu ist.

  9. impala

    Real­i­ty Check für schwarzmalerin

    Mit 14, 15 Jahren ist eigentlich schon klar, welche Stärken und Schwächen ein Schüler hat.

    Wer mit 14 oder 15 Jahren noch in der sech­sten Klasse ist, hat ganz andere Schwierigkeiten.

    Der Schüler sollte seine wertvolle Zeit lieber mit Din­gen ver­brin­gen, in denen er gut ist.

    Das kön­nen Schüler in der Mit­tel- und Ober­stufe auch tun durch Wahlpflicht­fäch­er und Pro­fil­bil­dung. Den­noch hat die Schule nicht die Auf­gabe, Schüler zu Profis auf einem Gebi­et auszu­bilden son­dern die Schüler all­ge­mein und damit in allen Teil­ge­bi­eten zu bilden. Zwei Fremd­sprachen sind auf dem Arbeits­markt mit­tler­weile in vie­len Branchen gefragt.

    Das sehe ich mir an, Touris­ten, die mit ihrem Schulspanisch ihren Urlaub ver­brin­gen, kön­nen die meis­ten doch nicht ein­mal auf Englisch ein Essen bestellen.

    Deutsche Schüler ler­nen ab der 1. oder 3. Klasse Englisch und set­zen dies bis zur 12. oder 13. Klasse fort, haben also unge­fähr 10 bis 12 Jahre Englis­chunter­richt. Danach ist jed­er Schüler imstande, Essen auf Englisch zu bestellen.

    Bish­er hat­te ich jeden­falls keine Prob­leme, über­all mit Englisch zu bekom­men, was ich wollte. Sog­ar in Spanien.

    Ja, Sie leben in ein­er Welt, in der Deutsche auf Englisch kein Essen bestellen kön­nen, Spanier aber berühmt für Ihre Englis­chken­nt­nisse sind. Cha­peau! (wenn Sie mir diesen Abstech­er ins über­flüs­sige Reich der zweit­en Fremd­sprache erlauben…)

  10. impala

    * ihre Englis­chken­nt­nisse. 5 Jahre Latei­n­un­ter­richt genossen und ich kann doch nicht richtig Deutsch!

  11. schwarzmalerin

    Klassen­zäh­lung, Natur­wis­senschaft, Essen
    Die Klassen­zäh­lung ist bei uns offen­bar anders als bei euch. 🙂
    Bei der Natur­wis­senschaft war natür­lich “eine andere Fremd­sprache” (neben Englisch) gemeint. Mir ist natür­lich bewusst, dass Englisch lin­gua fran­ca in dem Bere­ich ist. Jede weit­ere Fremd­sprache hat keinen großen Sinn, es sei denn, man möchte in diesem Land arbeiten.
    Ja, Schüler sind wohl imstande, auf Englisch zu bestellen. 10 Jahre später, wenn SIE dann die Touris­ten sind, dann nicht mehr. 😉

  12. Stefan

    Wieder­hol­ung
    Ich wieder­hole mich zwar, aber nochmal:
    Neben Englisch, was ja prak­tisch Vor­raus­set­zung für viele Kar­ri­eren ist, sind auch weit­ere Fremd­sprachen abso­lut sin­nvoll und oft notwendig. Spanisch oder Franzö­sisch z.B., Rus­sisch kön­nte u.U. auch nicht schlecht sein.
    Übri­gens ist Deutsch tat­säch­liche eine der Sprachen, die einem Vorteile im inter­na­tionalen Bere­ichen brin­gen kann.
    Die oben genan­nten Regio­nen wer­den ihnen aber sowohl mit Deutsch als auch Englisch einige Prob­leme bereiten.

  13. Stefan

    Ergänzung
    Das gilt in meinen Auge nicht nur, wenn man dort leben will, son­dern schon dann, wenn das Unternehmen Geschäfts­beziehun­gen in diesen Bere­ichen pflegt.

  14. schwarzmalerin

    Wir sind uns doch einig
    Ich habe doch von Anfang an eingeräumt, dass etwa Spanisch sin­nvoll ist, wenn man später “spanis­chsprachige Kun­den betreut”. Hat man aber beru­flich nichts damit zu tun, bringt die Sprache nicht mehr als Latein. Bei Englisch ist das anders. Kann man kein Englisch, ist man prak­tisch Analphabet.

  15. impala

    ¡Increíble pero cierto!

    Hat man aber beru­flich nichts damit zu tun, bringt die Sprache nicht mehr als Latein.

    Weil es genau­so viel latein­sprachige (das ist nicht­mal ein Wort!) wie spanis­chsprachige Län­der gibt, in die man z.B. in den Urlaub fahren kön­nte? Da kann man Men­schen unter Umstän­den auf Englisch etwas fra­gen (darüber haben wir uns ja nun hin­länglich aus­ge­tauscht), aber jed­er der schon­mal im Urlaub war, wird wis­sen, dass es sich ein­fach­er lebt, wenn man Schilder und Beschrei­bun­gen in der Lan­dessprache lesen kann – siehe Super­mark­t­fehlkäufe, missver­standene Weg­weis­er etc.

  16. Johannes Hansen

    All­ge­mein­bil­dung
    Für mich per­sön­lich ist es auch eine Frage des Respek­tes, Men­schen in ihrem Heimat­land auf ihrer Mut­ter­sprache anzureden.
    Natür­lich kann man nicht sämtliche Sprachen der Erde ler­nen, aber es schadet sicher­lich nicht, zusät­zlich zu Englisch noch ein oder zwei weit­ere Sprachen zu erler­nen. Und von den Men­schen im Aus­land regel­recht zu erwarten, dem Englis­chen mächtig zu sein, empfinde ich als sehr unhöflich und ignorant.
    Englisch ist eigentlich nur in der west­lichen Welt wirk­lich ver­bre­it­et. Wer keine Ambi­tio­nen hat, auch mal über den Teller­rand der eige­nen Welt hin­auszublick­en, kommt mit Englisch vielle­icht aus, aber in Lateinameri­ka oder den meis­ten islamis­chen Län­dern beispiel­sweise wird man mit Englisch so seine Prob­leme haben.
    Für mich gehört das Ler­nen von Fremd­sprachen etwa genau­so zur All­ge­mein­bil­dung wie ein grundle­gen­des Wis­sen über Geschichte oder Poli­tik, auch wenn man die in seinem Beruf später genau­sowenig braucht.

  17. phaeake

    Sinn-Kri­te­rien, nord­deutsches Latein
    Eines vor­weg: Dass über die Frage, welch­er Schüler welche Fremd­sprache erler­nen muss, das Los gewor­fen wird, ist ein Skan­dal. Solange in Deutsch­land solche Zustände herrschen, sollte jed­er, der die Worte “Bil­dungsre­pub­lik Deutsch­land” in den Mund nimmt, sich etwas schämen!
    Dies gilt unab­hängig davon, ob das Erler­nen der Sprache, die den “Ver­lier­ern” zukommt, mehr oder weniger Nutzen stiftet, als der Erwerb der gewün­scht­en Sprache. Ja, ich möchte bezweifeln, dass sich die Sinnhaftigkeit des Erwerbs ver­schieden­er Fremd­sprachen über­haupt objek­tivieren lässt.
    Es kommt eben darauf an, was man mit seinen Fremd­sprachenken­nt­nis­sen anfan­gen will. Wer diese an den “beliebtesten Urlaubsziele[n] der Deutschen” (impala) ein­set­zen möchte, zieht aus Spanisch zugegeben­er­maßen größeren Nutzen als aus Latein. Es soll allerd­ings auch Schüler geben, die sich vom Gym­nasialun­ter­richt in noch vor der Erle­ichterung ihrer som­mer­lichen Restau­rantbe­suche die Befähi­gung zum Hochschul­studi­um ver­sprechen. Die an deutschen Hochschulen ange­bote­nen Stu­di­engänge zu zählen, für die Lateinken­nt­nisse Voraus­set­zung sind, und sie mit der Zahl der­jeni­gen Stu­di­engänge zu ver­gle­ichen, die Spanis­chken­nt­nisse erfordern, ist eine Fleißar­beit, auf die ich ger­ade keine Lust habe. Ich biete aber die Wette an, dass dieser akademis­che Schwanzver­gle­ich zugun­sten des Lateinis­chen ausgeht.
    Hoch­prob­lema­tisch erscheint es mir auch, die Zahl der Mut­ter­sprach­ler und Zweit­sprach­ler ins Feld zu führen. Bekan­ntlich schwanken die Schätzun­gen der Zahl der Englisch-Zweit­sprach­ler sehr stark — laut Wikipedia zwis­chen “Zahlen von unter 200 Mio. bis weit über 1 Mrd.” — je nach­dem welch­es Sprach­niveau man ver­langt. Set­zt man die Zahl der Englisch-Zweit­sprach­ler vor­sichtig an und addiert hierzu die 340 Mio. Englisch-Mut­ter­sprach­ler, erhält man eine Zahl die klein­er ist als die 845 Mio. allein Chi­ne­sisch-MUT­TER­sprach­ler. Ist es deshalb sin­nvoller Chi­ne­sisch als Englisch zu ler­nen? Es kommt auch hier darauf an, was man damit machen möchte.
    Dierk schrieb: “Als Nord­deutsch­er sehe ich nicht so recht, liebe schwarz­ma­lerin, was Latein oder die römis­che Kul­tur mit uns zu tun haben. Lei­der sind die nie bis zu uns gestoßen, da Sauer­län­der und Ost­west­falen sie vorher verprügelten.”
    Ver­ste­he ich Sie richtig? Die Sauer­län­der und Ost­west­falen haben Latein und die römis­che Kul­tur verprügelt?
    Wenn Sie Nord­deutsch­er sind, bedeutet Ihnen vielle­icht die Uni­ver­sität Ros­tock etwas, die älteste Uni­ver­sität sowohl Nord­deutsch­lands als auch des gesamten Ost­seer­aums. Was meinen Sie, in welch­er Sprache um 1419 die Grün­dungs­doku­mente abge­fasst wur­den, in welch­er Sprache die ersten 400 Jahre Vor­lesun­gen gehal­ten wur­den und welch­er Sprache der Ehren­name der Uni­ver­sität “Van­dali­ae lumen” entstammt? Mekelborgsch-Vörpommersch?

  18. impala

    @ phaeke

    Es soll allerd­ings auch Schüler geben, die sich vom Gym­nasialun­ter­richt in noch vor der Erle­ichterung ihrer som­mer­lichen Restau­rantbe­suche die Befähi­gung zum Hochschul­studi­um versprechen.

    Die gibt es sicher­lich, aber die haben Latein genau­so wenig nötig, wie diejeni­gen, die lieber Sprachken­nt­nisse für ihren Som­merurlaub erwer­ben und ein biss­chen mehr über Kuba oder Argen­tinien erfahren als zehn blu­mige Über­set­zungsmöglichkeit­en für den Abl. Abs. zu ler­nen und sich mit Ciceros Gericht­sre­den auseinanderzusetzen.

    Ich biete aber die Wette an, dass dieser akademis­che Schwanzver­gle­ich zugun­sten des Lateinis­chen ausgeht.

    Da wäre ich vor­sichtig, denn hier ver­liert das Lateinis­che ganz schnell. Generell sind an den meis­ten Uni­ver­sitäten in Deutsch­land heute Englis­chken­nt­nisse die Voraus­set­zung zum Bach­e­lorstudi­um. Ken­nt­nisse ein­er zweit­en Fremd­sprache wer­den vor allem dann voraus­ge­set­zt, wenn es sich um diese Fremd­sprache han­delt und diese eine Schul­fremd­sprache ist (logisch), und anson­sten häu­figer bei sprach­wis­senschaftlichen oder kom­mu­nika­tion­swis­senschaftlichen Stu­di­engän­gen. Latein wird nur noch sehr sel­ten voraus­ge­set­zt. Bei den Stu­di­engän­gen, von denen es früher immer hieß, dass man es haben müsse, ist es längst passé (Medi­zin, Jura, Ger­man­is­tik) und auch Stu­di­engänge wie Geschichte, Roman­is­tik und Philoso­phie – in denen Lateinken­nt­nisse noch von größer­er Bedeu­tung wären – set­zen diese meist nicht mehr voraus. Schauen Sie mal auf den Uni-Seit­en nach. Sie wer­den staunen.

  19. SegaTakai

    Urindoger­man­isch
    Sollte man statt Latein nicht lieber rekon­stru­iertes Urindoger­man­isch unter­richt­en? Wie aktuell im Film “Prometheus” zu sehen, taugt diese Sprache sog­ar zur Kom­mu­nika­tion mit Außerirdischen.

  20. Dierk

    @phaeake
    So weit ich mich erin­nere, sowohl aus dem Geschichts- wie aus dem Latei­n­un­ter­richt, ging das römis­che Reich unge­fähr 1000 Jahre* vor Grün­dung der Uni Ros­tock zu Ende. Die römis­chen Legio­nen und damit die Kul­tur kamen nie über die Gegend um Osnabrück raus — und auch dor­thin reichte es ger­ade für einige Vorposten.
    Ich bin anson­sten sich­er, dass Ihnen eine gewisse Pointierung eines berechtigten Ein­wan­des in mein­er Frage an schwarz­ma­lerin aufge­fall­en ist.
    *give or take a few years

  21. impala

    Es ist Ros­tock­er Sech­stk­lässlern sich­er auch gut zu ver­mit­teln, dass sie Latein ler­nen sollen, weil 1419 das Grün­dungs­doku­ment ihrer Uni in der Sprache ver­fasst wurde.

  22. NörglerIn

    Spanisch am wenig­sten betroffen
    Es ist natür­lich sehr bedauer­lich, daß einige säch­sis­che Gym­nasien nicht allen Schülern ihren Fremd­sprachen­wun­sch erfüllen kön­nen. Allerd­ings ist Spanisch davon am wenig­sten betrof­fen. Lateinisch ist dage­gen am stärk­sten betroffen!
    Die Chem­nitzer Mor­gen­post vom 6. August enthält genauere Angaben. Danach gibt es an 24 Gym­nasien ein Losver­fahren. Die Zahl der jew­eils betrof­fe­nen Sprachen:
    Latein: 11
    Franzö­sisch: 8
    Rus­sisch: 4
    Spanisch: 2
    Das ergibt 25 Losver­fahren. Also gibt es (wenn kein Fehler vor­liegt) an ein­er Schule Losver­fahren bei zwei Sprachen.
    Es ist auch nicht gesagt, daß den Schülern für Spanisch nur die Alter­na­tive Latein ange­boten würde. Die nahe­liegende Alter­na­tive wäre Franzö­sisch. Die Ken­nt­nis des Franzö­sis­chen erle­ichtert ja erhe­blich das spätere Erler­nen des Spanis­chen. Es wäre wohl ein sehr unglück­lich­er Zufall, wenn einem Schüler keines der bei­den Sprachen ange­boten wer­den könnte.
    Dem­nach erscheint die Lage bei Spanisch nicht beson­ders drama­tisch. Die Anhänger des Latein hät­ten mehr Grund sich zu beklagen.

  23. Peer

    Sumerisch
    Die Sumer­er haben nichts mit unser­er Kul­tur zu tun? Immer­hin benutzen wir deren 60er-Sys­tem wenn es um Zeit und Winkel geht.
    Aber vielle­icht sollte man doch lieber das Dänis­che ler­nen, wenn es um Nord­deutsch­land geht. 😉
    Der Punkt ist doch der: Man ver­mit­telt in der Schule ein bre­ites All­ge­mein­wis­sen, da man nicht weiß, was die Schüler später brauchen wer­den. Manche brauchen nie englisch, manche nie spanisch. Aber die Chance, dass sie Spanisch oder Englisch brauchen (oder dass es sich als nüt­zlich erweisen würde) ist sicher­lich höher als bei Latein, dessen Anwen­dung nun mal vor allem bei Studi­um von Quellen in Geschichte oder Philoso­phie liegt — und dort kann man es dann wirk­lich immer noch lernen.
    His­torisch hat­te Latein früher seine Berech­ti­gung, weil es der Elite vor­be­hal­ten war, Latein zu kön­nen. Heute ist das anders…

  24. esocom

    Esperan­to – eine Minderheitensprache?
    Es gibt auch Sprech­er ein­er gemein­samen Sprache, die über die ganze Welt ver­streut sind. Es gibt sie in über 100 Län­dern und über­all sind sie so min­der­heitlich, dass man es kaum unter­bi­eten kann.
    Aber alle Esperan­tosprech­er zusam­mengenom­men sind (weniger der Zahl nach, aber nach Erscheinen im Inter­net) eine beachtliche Sprecher­gruppe. Darüber hin­aus lohnt es, sich ein­mal ern­sthaft mit Esperan­to zu befassen. So erfüllt es z. B. eher die Erwartun­gen, die an “tote” Sprachen gerichtet wer­den: Stich­wort “Latein fördert das logis­che Denken”.
    Dass man sich mit dem The­ma auch wis­senschaftlich befassen kann, beweist fol­gen­der Artikel: http://www2.hu-berlin.de/…h/klare-esperanto.html

  25. Robroy

    Schade, dass der Artikel zum Ver­lust des öster­re­ichis­chen Deutsch auch nicht ohne die ollen Kamellen von “Denglisch”, Jugendlichen, die nur noch im SMS-Stil schreiben kön­nen u.ä. auskommt.

  26. impala

    Die Anhänger des Latein hät­ten mehr Grund sich zu beklagen.

    Darum auch die zahlre­ichen Berichte über deutsche Gym­nasi­as­ten, die alles dafür geben wür­den, ihren Herzenswun­sch erfüllt zu bekom­men und Latein ler­nen zu dür­fen, denen die Chance aber auf bru­tale Weise voren­thal­ten wird.

  27. Phaeake

    @ impala, @ Dierk
    impala schrieb: “Bei den Stu­di­engän­gen, von denen es früher immer hieß, dass man es haben müsse, ist es längst passé (Medi­zin, Jura, Ger­man­is­tik) und auch Stu­di­engänge wie Geschichte, Roman­is­tik und Philoso­phie – in denen Lateinken­nt­nisse noch von größer­er Bedeu­tung wären – set­zen diese meist nicht mehr voraus. Schauen Sie mal auf den Uni-Seit­en nach. Sie wer­den staunen.”
    Wie gesagt, ich hat­te und habe keine Lust auf diese aus­ge­sprochen fiselige Recherche, aber zu ein­er Stich­probe reichte meine Lust. § 7 Abs. 4 der Pro­mo­tion­sor­d­nung der Uni­ver­sität Erlan­gen-Nürn­berg für den Grad eines Dr. phil. — zulet­zt geän­dert am 27. April 2011 — lautet:
    “In fol­gen­den Fäch­ern ist der Nach­weis von gesicherten Lateinken­nt­nis­sen zu erbrin­gen: Alte Geschichte, Mit­tlere Geschichte, Neuere und Neueste Geschichte, Bay­erische und Fränkische Lan­des­geschichte, Osteu­ropäis­che Geschichte, Lan­des- und Volk­skunde, Klas­sis­che Archäolo­gie, Musik­wis­senschaft, Griechisch, Latein, Mit­tel- und Neu­latein, Indoger­man­is­tik, Indoiranis­tik, Ger­man­is­che und Deutsche Philolo­gie, Slavis­che Philolo­gie. Im Fach Slavis­che Philolo­gie kann der Nach­weis von Ken­nt­nis­sen im Alt­griechis­chen an die Stelle des Nach­weis­es von gesicherten Lateinken­nt­nis­sen treten.”
    Ich bin ges­pan­nt auf eine län­gere Liste für Spanisch als Promotionsvoraussetzung.
    Dierk schrieb:
    “Ich bin anson­sten sich­er, dass Ihnen eine gewisse Pointierung eines berechtigten Ein­wan­des in mein­er Frage an schwarz­ma­lerin aufge­fall­en ist.”
    Die Pointierung ist mir in der Tat aufge­fall­en — nicht jedoch, dass Sie schwarz­ma­lerin ein Frage gestellt hät­ten, und auch nicht, dass Ihr Ein­wand berechtigt wäre.
    Ihr etwas sprung­hafter Satzan­schluss markiert eben genau auch die logis­che Schwach­stelle Ihrer Argu­men­ta­tion. Man kann eben NICHT aus dem Unter­gang des (west)römischen Reich­es schließen, dass die lateininis­che Sprache für die europäis­che Kul­tur im all­ge­meinen und die nord­deutsche im Besonderen
    keine Bedeu­tung mehr gehabt hätte.
    Die Kar­riere Lateins als inter­na­tionale Sprache der Gebilde­ten begann vielle­icht erst nach dem Erlöschen der weströmis­chen Mil­itär­ma­cht. Zuvor war dies näm­lich das Griechische.

  28. Dilettant

    Ukraine
    Es war ja erwart­bar, dass die Kom­mentare zu diesem Post ein­mal mehr von der Frage nach dem Sinn und Unsinn des Latei­n­un­ter­richts geprägt sein würden.
    Stre­it­et Euch nur weit­er (ich habe übri­gens gern Latein gel­ernt, das nur am Rande), ich möchte dann doch die Gele­gen­heit nutzen, Her­rn Ste­fanow­itsch dafür zu danken, dass er die jüng­ste Aufw­er­tung des Rus­sis­chen in der Ukraine als das beze­ich­net, was sie ist: Als Wieder­her­stel­lung sprach­lich­er Frei­heit. Mit dieser Ansicht ste­ht er lei­der in der veröf­fentlicht­en Mei­n­ung in Deutsch­land recht allein da.
    Es ist schon bemerkenswert, wie viel Ver­ständ­nis die deutschsprachi­gen Medi­en für die Posi­tion der “prow­est­lichen Kräfte” hat­ten, der Mut­ter­sprache von ca. 30% der Bevölkerung den Sta­tus ein­er (regionalen) Amtssprache zu ver­weigern. Man stelle sich ein­mal die Reak­tion hiesiger Medi­en vor, wenn die rus­sis­che Regierung den amtlichen Sta­tus der gut 30 regionalen Amtssprachen des Lan­des abzuschaf­fen gedächte. Offen­bar gilt auch hier das “our son of a bitch”-Prinzip: Putin böse, Janukow­itsch böse, ukrainis­che Oppo­si­tion gut, völ­lig unab­hängig vom einzel­nen Streitfall.
    Und nein, ich bin wed­er Russe noch Ukrain­er, noch habe ich irgen­deinen engeren per­sön­lichen Bezug zu den bei­den Ländern.

  29. Noyt der Tiger

    Moti­va­tion zum Lernen
    Da ja oben kri­tisiert wurde, Sach­sen beschränke die Lern­möglichkeit­en sein­er Schüler und damit deren Moti­va­tion — ist gewiss fol­gende Studie inter­es­sant: Sach­sen hat das leis­tungs­fähig­ste Bil­dungssys­tem.
    Vielle­icht sollte auch ein Sprach­wis­senschaftler etwas bre­it­er denken bevor er einzele Punk­te ver­all­ge­mein­ert — denn manche von der eige­nen Per­spek­tive abwe­ichende inhaltliche Wer­tung kann dur­chaus der Sache dienen…

  30. Jakob

    zum öster­re­ichis­chen Deutsch8
    Nach allem was der “Kleine”-Artikel und ähn­liche Medi­en­berichte erken­nen lassen, bietet Wiesingers Studie eigentlich auch nicht annäh­ernd einen Hin­weis darauf, dass Öster­re­icherIn­nen (Jugendliche oder sonst­wer) “noch deutsch­er als Bay­ern” klin­gen kön­nten. Die Studie selb­st kon­nte ich lei­der wed­er über Wiesingers Home­page noch über Google Schol­ar auffind­en, dafür gibt aber der ORF-Artikel zumin­d­est einen vagen Hin­weis auf die Method­olo­gie (siehe hier: http://science.orf.at/stories/1703039/); dem­nach ließ Wiesinger “Stu­den­ten Bilder betiteln”. Statt ein Ausster­ben des öster­re­ichis­chen Deutsch her­beiz­u­fab­u­lieren wäre da doch eine nahe­liegen­dere Erk­lärung, dass gewisse Aus­drücke gefühlt (eventuell zunehmend, aber dazu müsste man als Ver­gle­ichs­ba­sis die Ergeb­nisse des gle­ichen Tests vor ein paar Jahrzehn­ten haben, etwas worauf ich keinen Hin­weis finde) einen informellen Charak­ter haben und deshalb in hochformellen Kon­tex­ten ver­mieden wer­den, und viel formeller als von einem emer­i­tierten Ger­man­is­tikpro­fes­sor gefragt zu wer­den, man möge die Begriffe nach Bildern schriftlich nieder­schreiben geht ja wohl gar nicht. Das sagt genau gar nichts darüber aus, ob und wie sie im All­t­ag (in der gesproch­enen Sprache wie auch in informelleren Kon­tex­ten — also fast allen — schriftlich) ver­wen­det wer­den. Schiller hat auch Aus­drücke ver­wen­det, die man seit gut 100 Jahren in gehoben­er Schrift­sprache eher nicht mehr find­et — trotz­dem sind sie quick­lebendig in der schwäbis­chen Umgangssprache.
    Zum Teil sind auch die Beispiele schlecht gewählt — ein Wort wie “Paradeis­er” war immer schon auch in Öster­re­ich in sein­er Ver­bre­itung eingeschränkt. Dort wo ich aufgewach­sen bin hat man es zwar pas­siv ver­standen, aber als Wiener­isch betra­chtet (und sich u.U. auch darüber lustig gemacht). Wenn jet­zt ein Gut­teil der ProbandIn­nen “Tomat­en” schreibt ist das wom­öglich wed­er ein Ein­fluss aus Deutsch­land, noch auch nur ein Zeichen dass regionale Aus­drücke zunehmend eine informelle Aura haben, son­dern ganz ein­fach ein Zeichen dass die entsprechende Per­son aus Oberöster­re­ich kommt.
    Ich kann jeden­falls ver­sich­ern dass “stehen/sitzen/liegen” weit­er­hin das Aux­il­iar “sein” fordern und eine “Bohne” ein aus­gelöster Kern ist, während das gle­iche in der Schote weit­er­hin eine “Fisole” bleibt (wie sollte man die bei­den son­st unterscheiden?).

  31. Jakob

    @NörglerIn
    “Dem­nach erscheint die Lage bei Spanisch nicht beson­ders drama­tisch. Die Anhänger des Latein hät­ten mehr Grund sich zu beklagen.”
    Das geht aus Ihren Angaben nicht her­vor, bzw. nur wenn Sie davon aus­ge­hen, dass Spanisch auch tat­säch­lich an allen Gym­nasien ange­boten wird. Ist das in Sach­sen der Fall? In Öster­re­ich zumin­d­est gibt es noch heute viele Schulen, die Spanisch nicht oder nur im Umfang eines Wahlfachs, nicht jedoch als 2. Fremd­sprache anbi­eten. Unter der Annahme dass das in Sach­sen ähn­lich ist: Wieviele der Gym­nasien, bei denen Spanisch keinem Losver­fahren unter­wor­fen ist, bieten die Sprache über­haupt an? Wir kön­nen wohl davon aus­ge­hen, dass Latein über­all ange­boten wird, also gibt es nach Ihren Angaben 24–11=13 Schulen, wo man ohne jedes Losver­fahren reinkommt so man sich dafür inter­essiert. Wenn dage­gen 24–2=22 Schulen stün­den, an denen man sich ohne Losver­fahren zum Spanis­chunter­richt anmelden kön­nte hät­ten Sie natür­lich recht, aber ist das wirk­lich so? Mir scheint eher real­is­tisch, dass man bei zwei von ohne­hin recht weni­gen Schulen die Spanisch über­haupt im vollen Umfang ein­er 2. Fremd­sprache anbi­eten jet­zt darum ban­gen muss ob man denn reinkommt.

  32. impala

    Ich bin ges­pan­nt auf eine län­gere Liste für Spanisch als Promotionsvoraussetzung.

    Wir sprachen über Stu­di­en­vo­raus­set­zun­gen nicht Pro­mo­tionsvo­raus­set­zung. Wie viel Prozent deutsch­er Abi­turi­en­ten pro­movieren? Nicht genug um die Aufrechter­hal­tung des Latei­n­un­ter­richts rechtzufertigen.
    Darüber hin­aus zitieren Sie natür­lich eine Uni­ver­sität aus dem erzkon­ser­v­a­tiv­en Bay­ern, wo Latein mut­maßlich noch am weitesten ver­bre­it­et ist. An der FU z.B. kräht kein Hahn nach dem Latinum.

  33. impala

    * zu recht­fer­ti­gen. Als Kind des Ruhrge­bi­ets sehe man mir diesen Fehler nach.

  34. Phaeake

    Worüber ich sprach
    impala schrieb: “Wir sprachen über Stu­di­en­vo­raus­set­zun­gen nicht Promotionsvoraussetzung.”
    Studi­um und Pro­mo­tion sind keine Gegen­be­griffe. Ich sprach von Voraus­set­zun­gen für Stu­di­engänge. Zu diesen gehören Pro­mo­tion­sstu­di­engänge nicht weniger als zum Beispiel Magisterstudiengänge.
    “Wie viel Prozent deutsch­er Abi­turi­en­ten pro­movieren? Nicht genug um die Aufrechter­hal­tung des Latei­n­un­ter­richts rechtzufertigen.”
    Solange es genü­gend Schüler gibt die FREIWILLIG Latein ler­nen wollen (und nicht auf­grund von Lospech ler­nen müssen), finde ich es anmaßend, dass Sie für Unter­richts­fäch­er anscheinend eine Min­destquote an Abi­turi­en­ten angeben möcht­en, die das Fach brauchen. Wie viele Abi­turi­en­ten brauchen später die Ken­nt­nisse über die Ver­mehrung der Farne?
    “Darüber hin­aus zitieren Sie natür­lich eine Uni­ver­sität aus dem erzkon­ser­v­a­tiv­en Bayern”
    Es gibt gar nicht so wenige Abi­turi­en­ten, die eigens fürs Studi­um ins “erzkon­ser­v­a­tiv­en Bay­ern” ziehen.

  35. impala

    Pro­mo­tion­sstu­di­engänge gehören da wohl sehr viel sehr weniger zu, da sie zahlen­mäßig eine viel kleinere Gruppe betr­e­f­fen. Im Übri­gen sind Mag­is­ter­stu­di­engänge längst abgeschafft.
    Es geht darum, dass Latein oft durch Vortäuschung falsch­er Tat­sachen bewor­ben wird, so wie Sie es hier auch machen, indem Sie all­ge­mein von “Stu­di­engän­gen” sprechen, also etwas das grund­sät­zlich alle Stu­den­ten bet­rifft, aber eigentlich “Pro­mo­tion­sstu­di­engänge” meinen, was nicht mehr als eine kleine Min­der­heit der Stu­den­ten interessiert.
    Schüler wählen oft “frei­willig” Latein, damit sie es “hin­ter­her nicht bereuen”, was unter­stellt, dass die Entschei­dung gegen Latein ungeah­nte Kon­se­quenz für z.B. das Studi­um haben kön­nte. Mit so ein­er Argu­men­ta­tion kann man auf 12-Jährige sehr wohl Ein­druck machen. Nicht sel­ten ist die Entschei­dung der Sech­stk­lässler sowieso durch das Denken der Eltern bes­timmt, was auch das Pres­tigege­fühl einiger Eltern wieder ins Spiel bringt.
    Ich führe übri­gens keine Min­destquote von Abi­turi­en­ten an, für die das Fach nüt­zlich sein muss. Sie waren der­jenige, der auf die ange­blich Nüt­zlichkeit des Lateins für “Stu­di­engänge” ver­wies, woraufhin ich erwiderte, dass die Nüt­zlichkeit für mich nicht nachgewiesen ist, wenn eine bayrische Prov­inzu­ni für die Pro­mo­tion in drei The­menge­bi­eten das Lat­inum ver­langt. Und ich wage zu bezweifeln, dass Erlan­gen-Nürn­berg ein Stu­den­ten­mag­net erster Güte ist.
    Für Spanisch oder Franzö­sisch muss ich solche abstrusen Nach­weise übri­gens nicht führen, weil deren Vorteil nicht die Nüt­zlichkeit für irgendwelche Stu­di­engänge ist son­dern schlichtweg seine weltweite Ver­bre­itung (Spanisch) bzw. seine unerr­e­ichte wirtschaftliche und poli­tis­che Bedeu­tung für Deutsch­land (Franzö­sisch).

  36. NörglerIn

    @Jakob
    Sie haben ja vol­lkom­men recht. Vielle­icht gibt es ja in Sach­sen über­haupt nur zwei Gym­nasien, die Spanisch anbieten.
    Allerd­ings soll­ten Sie Ihre Kri­tik dann auf den Aus­gangs­beitrag richt­en. Dort wurde ja allein aus der Aus­lo­sung ein Skan­dalon gemacht – nicht aus dem möglicher­weise unzure­ichen­den Ange­bot von Spanisch überhaupt.
    Ich habe in meinem Beitrag ja nur gezeigt, daß sich allein aus der Aus­lo­sung von Spanisch an zwei Gym­nasien keine Rückschlüsse im Ver­gle­ich zu anderen Sprachen ziehen lassen.
    Im übri­gen ist es natür­lich klar, daß unmöglich jedes Gym­na­si­um jede gewün­schte Sprache anbi­eten kann. Wie ste­ht es etwa um das Ange­bot von Chi­ne­sisch in Sach­sen – oder jedem anderen Bundesland?

  37. impala

    Es macht keinen Sinn, Chi­ne­sisch in der Schule anzu­bi­eten, daher ist das nicht so wichtig.

  38. Phaeake

    Autokrat Impala
    Inter­es­sant, jet­zt ist auch der Unter­richt in ein­er so ver­bre­it­eten Sprache wie Chi­ne­sisch sinnlos.
    In diesem Artikel
    http://www.spiegel.de/…nn-ja-jeder-a-416276.html
    aus dem Jahr 2006 heißt es:
    “Heute bieten 30 Gym­na­si­um Chi­ne­sisch als reg­uläres Unter­richts­fach an, Ten­denz steigend.”
    Dem­nach bieten 70 weit­ere Schulen Chi­ne­sisch als AG-Fach an.
    Aber alles wahrschein­lich völ­lige Idioten, die ihre Zeit verschwenden.
    Lieber Herr impala, bitte sagen Sie Bescheid, wenn Sie irgend­wo Kul­tus­min­is­ter wer­den, in diesem Land möchte ich dann näm­lich nicht wohnen

  39. impala

    Es in der Tat rel­a­tiv unsin­nig, Chi­ne­sisch in der Schule zu unter­richt­en, weil man inner­halb der kurzen Zeit, die man zur Ver­fü­gung hat, die Schüler allen­falls zu besseren Anal­pha­beten aus­bilden kann. Die Lese- und Schreibfähigkeit ist nach ein paar Jahren Unter­richt min­i­mal (oft nicht mehr als 500 bis 800 Zeichen) und wenn man bedenkt, wie viele Schüler schon mit der englis­chen Aussprache ihre Schwierigkeit­en haben, möchte ich nicht wis­sen, wie gut sie das chi­ne­sis­che Ton­sys­tem beherrschen.
    Noch dazu ist Chi­ne­sisch über­haupt nicht so weit ver­bre­it­et, es wird nur von vie­len Leuten in der­sel­ben Region gesprochen. Das gle­iche lässt sich von indis­chen Sprachen sagen, die auch nie­mand auf den Lehrplan set­zt. Aus einem mir unerfind­lichen Grund ist Chi­ne­sisch pop­ulär gewor­den bei Eltern, die sich davon ver­sprechen, dass das Kind mit den beina­he nonex­is­ten­ten Sprachken­nt­nis­sen in der Wirtschaft groß Kar­riere macht. Schade nur, dass Chi­ne­sisch auf dem Arbeits­markt doch nicht so gefragt ist. Hat man nicht mehr viel davon. Der Otto­nor­malver­brauch­er macht halt auch nicht mal eben Urlaub in Chi­na oder hört chi­ne­sis­che Musik.
    Ich wohne nicht in Deutsch­land, habe also auch keine Chance Kul­tus­min­is­ter zu wer­den, aber ich denke auch, dass die Schüler in Scharen unglück­lich wür­den und auf die Bar­rikaden gin­gen, wenn sie für die zweite Fremd­sprache wie von mir vorgeschla­gen zwis­chen Franzö­sisch und Spanisch wählen müssten. Äußerst fern von der Leben­sre­al­ität der meis­ten deutschen Zwölfjähri­gen, die nichts lieber tun, als sich mit dem römis­chen Reich zu beschäfti­gen und Stran­durlaub in Hainan zu machen.

  40. phaeake

    Glüh­birne
    Jet­zt wird mir auch klar, warum Latein und Alt­griechisch jahrhun­derte­lang zum Bil­dungskanon gehörten. Die Ver­ant­wortlichen hat­ten sich auch damals schon die Urlaub­s­ge­wohn­heit­en von Otto­nor­malver­brauch­er zum Nüt­zlichkeits­maßstab geset­zt. Und da diese Anno Tobak nicht das fremd­sprachige Aus­land erre­icht­en, ist ihnen ein­fach nichts Besseres eingefallen.
    Es spricht natür­lich viel für Spanisch oder Franzö­sisch als zweite Frend­sprache. Und wenn schon zwei wirk­lich gute Alter­na­tiv­en zu Ver­fü­gung ste­hen, kann man ja die Auswahl auch auf diese bei­den beschränken. Da wird schon nie­mand auf die Bar­rikaden gehen. Dieser Schluss ver­lockt und ist den­noch schrecklich.

  41. NörglerIn

    Chi­ne­sisch
    Ich habe Chi­ne­sisch auch nur deshalb erwäh­nt, weil auch hier der Aus­gangs­beitrag auf die Zahl der Spanis­chsprech­er (Erst- und Zweit­sprache) abgestellt hat. Chi­ne­sisch ist auch eine offizielle VN-Sprache, eben­so wie Ara­bisch und Rus­sisch. Die Sprach­sta­tis­tiken sind sehr unter­schiedlich, damit läßt sich alles mögliche bele­gen. Nach Wikipedia gibt es aber immer­hin mehr Erst- und Zweit­sprach­ler bei Ara­bisch als bei Spanisch. Ara­bisch ist natür­lich auch eine schwierige Sprache für uns, aber in sechs Gym­nasial­jahren ließe sich schon eine solide Grund­lage bauen.
    Jeden­falls ist klar, daß Franzö­sisch kul­turell und his­torisch viel wichtiger ist als Spanisch – für uns als deutsche Nach­barn erst recht. Auf Franzö­sisch zugun­sten von Spanisch zu verzicht­en, erschiene mir daher nicht als empfehlenswert. Bei­de so nah ver­wandte Sprachen in der Schule zu ler­nen, erscheint mir auch nicht sinnvoll.
    Nach meinem Ein­druck ste­ht Spanisch in dem Ruf, „ein­fach­er“ als Franzö­sisch zu sein. Ob das den Wun­sch einiger Schüler, Spanisch zu ler­nen, beflügelt?

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