Wie man Männer zu Affen macht

Von Anatol Stefanowitsch

Die Rheinis­che Post hat gestern mit der Behaup­tung „Män­ner ähneln Affen mehr als Frauen“ die schlecht­este Schlagzeile eines pop­ulär­wis­senschaftlichen Artikels geliefert, die mir in diesem Jahr untergekom­men ist. Sie ist nicht nur falsch (was selb­st biol­o­gisch nur schwach gebilde­ten Men­schen intu­itiv klar sein dürfte), sie beruht außer­dem auf einem tief ver­wurzel­ten sex­is­tis­chen Denkmuster.

Aber von Anfang an. Die falsche Aus­sage und der sex­is­tis­che Denk­fehler stam­men gar nicht von der Rheinis­chen Post selb­st, son­dern aus ein­er aktuellen Reportage des Nation­al Geo­graph­ic Deutsch­land, in der es eigentlich um die Frage geht, ob Men­schenaf­fen einen moralis­chen Anspruch auf Grun­drechte haben, in der sich aber fol­gen­der Absatz findet:

Das Erbgut von Men­sch und Schim­panse, unserem näch­sten Ver­wandten, ist – je nach Analysemeth­ode – zu 93,5 bis 99,4 Prozent gle­ich. Volk­er Som­mer, Pro­fes­sor für Evo­lu­tionäre Anthro­polo­gie in Lon­don, schreibt in seinem Buch „Men­schenaf­fen wie wir“: „Die meis­ten Forsch­er nen­nen eine Übere­in­stim­mung von 98,5 Prozent.“ Anders aus­ge­drückt: Im Durch­schnitt bleibt ein Unter­schied zwis­chen Schim­panse und Men­sch von 1,5 Prozent. Der Unter­schied im Erbgut von Men­schen­frauen und Men­schen­män­nern kann zwei bis vier Prozent betra­gen. Es gibt also Paare, bei denen der Mann einem Schim­pansen­mann genetisch ähn­lich­er ist als sein­er Frau. [Jür­gen Nakott, Grun­drechte für Men­schenaf­fen, Nation­al Geo­graph­ic 7/2012]

Zunächst steckt in der kur­siv geset­zten Aus­sage ein rein biol­o­gis­ch­er Denk­fehler, den man häu­fig find­et, wenn die genetis­chen Unter­schiede zwis­chen Men­schen und Men­schenaf­fen mit der Vari­a­tion inner­halb der Men­schen ver­glichen wer­den: Es wird so getan, als ließen sich die quan­ti­ta­tiv­en Unter­schiede direkt ver­gle­ichen, also ohne zu berück­sichti­gen, dass sie qual­i­ta­tiv völ­lig unter­schiedlich sein kön­nen. Der Nation­al-Geo­graph­ic-Autor ignori­ert also die Tat­sache, dass die Unter­schiede zwis­chen Schim­pansen und Men­schen an völ­lig anderen Punk­ten im Genom auftreten, als die Unter­schiede zwis­chen Män­nern und Frauen.

In der fol­gen­den Grafik habe ich ver­sucht, das optisch darzustellen: Die ver­tikale Achse stellt die Dimen­sion dar, auf der Män­ner und Frauen sich unter­schei­den, die hor­i­zon­tale die, auf der Schim­pansen und Men­schen sich unter­schei­den. Die far­bigen Bere­iche zeigen die Vari­a­tion aus der oben zitierten Passage.

Affen und Menschen, Version 1

Die genetis­che Dis­tanz zwis­chen Schim­pansen und Menschen

Der Autor nimmt nun zunächst Durch­schnittswerte an, die bei Men­schen und Schim­pansen bei 1,5 Prozent liegen sollen, bei Män­nern und Frauen ver­mut­lich bei drei Prozent. Das ist in der fol­gen­den Grafik dargestellt:

Affen und Menschen, Version 2

Die durch­schnit­tliche genetis­che Dis­tanz zwis­chen Schim­pansen und Menschen

Der Autor ignori­ert nun aber wie gesagt die qual­i­ta­tiv­en Unter­schiede und bezieht sich nur auf die quan­tia­tiv­en. Er kippt also qua­si die ver­tikale Achse in die Hor­i­zon­tale und kommt so zu sein­er Aus­sage über die rel­a­tive Ähn­lichkeit zwis­chen Män­nern und Schim­pansen ein­er­seits und Män­nern und Frauen ander­er­seits. Und hier kommt das oben erwäh­nte sex­is­tis­che Denkmuster ins Spiel — der Autor set­zt die Begriffe „Men­sch“ und „Mann“ gle­ich und nimmt den Mann als Maßstab, von dem aus er die genetis­che Dis­tanz sowohl zum Schim­pansen als auch zur Frau berechnet:

 

Affen und Menschen, Version 3

Die genetis­che Dis­tanz zwis­chen Affen und Men­schen laut Nakott

Nur so kommt er zu sein­er Aus­sage, dass bei manchen Paaren der Mann genetisch einem Schim­pansen ähn­lich­er sei als sein­er Frau. Hätte er näm­lich die Frau als gemein­samen Ver­gle­ichs­maßstab genom­men, wäre er zur gegen­teili­gen Aus­sage gelangt — dass es Paare gibt, bei denen die Frau einem Schim­pansen genetisch ähn­lich­er ist als ihrem Mann:

Affen und Menschen, Version 4

Die genetis­che Dis­tanz zwis­chen Schim­pansen und Men­schen wie Nakott sie sich auch hätte vorstellen können

Tat­säch­lich hätte es auch noch eine dritte Möglichkeit gegeben: Er hätte den Schim­pansen als gemein­samen Ver­gle­ichs­maßstab für Män­ner und Frauen nehmen kön­nen. So wäre er zu der Aus­sage gelangt, dass Män­ner und Frauen jew­eils genetisch näher am Schim­pansen sind, als am anderen Geschlecht:

Affen und Menschen, Version 5

Die genetis­che Dis­tanz zwis­chen Schim­pansen und Men­schen wie Nakott sie sich mit etwas Phan­tasie auch noch hätte vorstellen können

(Dieser Ver­gle­ich wäre in ein­er Geschlech­ter­diskus­sion nur logisch: Bekan­ntlich kom­men Frauen ja von der Venus und Män­ner vom Mars, während Schim­pansen von der Erde kom­men. Und wo liegt die Erde? Richtig, genau zwis­chen Venus und Mars.)

Die Rheinis­che Post übern­immt nun den oben zitierten Absatz fast wortwörtlich und fügt nicht nur die ein­gangs zitierte Schlagzeile hinzu, son­dern auch fol­gende Zusammenfassung:

Manche mögen das ins­ge­heim schon immer geah­nt haben: Män­ner und Affen sind sich ähn­lich­er als Män­ner und Frauen. Zu diesem Ergeb­nis kom­men neueste Forschun­gen. [Rheinis­che Post, Män­ner ähneln Affen mehr als Frauen, 24.6.2012]

So führt ein sex­is­tis­ch­er Denk­fehler, der Män­ner mit Men­schen gle­ich­set­zt, zu einem sex­is­tis­chen Denk­fehler, der Män­ner mit Affen gleichsetzt.

Und dieser Schwachsinn, veröf­fentlicht in der Rubrik „Wissen/Forschung“ ein­er großen deutschen Tageszeitung und mit­tler­weile dutzend­fach von anderen Medi­en über­nom­men, set­zt sich dann in den Köpfen flüchtiger Leser/innen fest und hil­ft ganz und gar nicht dabei, Men­schen nicht als Vertreter/innen stereo­typer Geschlechterkat­e­gorien wahrzunehmen.

[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Ver­sion enthält möglicher­weise Kor­rek­turen und Aktu­al­isierun­gen. Auch die Kom­mentare wur­den möglicher­weise nicht voll­ständig übernommen.]

24 Gedanken zu „Wie man Männer zu Affen macht

  1. fatmike182

    Nation­al Gro­graph­ic hat mit der Aus­sage doch 100%ig recht — solche Paare “gibt es”. Eben­so gibt es das umgekehrt und gle­ich weit entfernt.
    Diese Rela­tion soll doch nur einen gut gemein­ten Ver­gle­ich darstellen, wie man ihn aus Genetikdiskus­sio­nen um die Nich­tex­is­tenz von Men­schen­rassen ken­nt: 2 Men­schen sind inner­halb ein­er Kohorte schon so divers, dass der Unter­schied größer sein kann, als im Ver­gle­ich mit ein­er Per­son ein­er anderen Kohorte (nur lässt sich in diesem Fall aber eben abgrenzen…)
    Sehe den Fehler alleine bei der RheinIs­chia Post…
    Außer­dem sind wir alle ein biss­chen mehr Bonobo.

  2. Wentus

    Keine Geschlechter bei Affen?
    Es wun­dert mich, dass selb­st A.S. nicht kri­tisiert hat, dass es bei dieser Darstel­lung anscheinend keine Geschlechter bei Affen gibt. Hat Nation­al Geo­graph­ic einen “Durch­schnittsaf­fen”, also einen Zwit­ter angenommen?
    Die Darstel­lung als Dimen­sion ist eine gute Idee von A.S. und kann dabei eine zusät­zliche Klarheit geben, indem man nicht nur Män­ner und Frauen getren­nt einze­ich­net, son­dern auch Affen­män­nchen und ‑Weibchen. Genaugenom­men müsste man jedoch ein vield­imen­sion­ales Dia­gramm bilden, bei dem jedes (pos­tulierte) Gen eine Dimen­sion darstellt. (Diese Meth­ode wird für Berech­nun­gen in der Ther­mo­dy­namik benutzt).

  3. Dierk

    Durch­schnittswerte über Grup­pen mit konkreten Werten von Indi­viduen zu ver­gle­ichen, ist auch nicht wirk­lich das Gelbe vom Ei. Genetis­che Unter­schiede zwis­chen Indi­viduen sind rel­a­tiv hoch; der Witz bei Durch­schnittswerten über Grup­pen beste­ht eben darin, diese indi­vidu­ellen Unter­schied wegzubügeln.

  4. Anatol Stefanowitsch

    @bruno jen­nrich: Sie kön­nen gerne auf der ent­fer­n­ten Möglichkeit beste­hen, dass der Autor Prädikaten­logik im Kopf hat­te und dass er aus­gewür­felt hat, welche der genetisch möglichen Kon­fig­u­ra­tio­nen er nen­nen soll — dann kön­nte man, mit fatmike182 argu­men­tieren, dass die Nation­al Geo­graph­ic alles richtig gemacht hat und der Denk­fehler allein bei der Rheinis­chen Post liegt. Ich halte mich lieber an die offen­sichtlichere Möglichkeit, dass der Autor „Men­sch“ und „Mann“ gle­ichge­set­zt hat und die Aus­sage so gemeint hat, wie sie natür­lich­sprach­lich inter­pretiert wird.

  5. Fjunchclick

    Naja, ich weiß nicht, ob da nicht doch etwas dran ist.
    Wenn ich mir so anse­he, wer ger­ade in den let­zten Tagen geschmückt in Schwarz-Rot-Gold, mit Fäh­nchen in der Hand unter ani­malis­chem Gegröle durch die Straßen torkelt…
    Viele Frauen sind nicht darunter. 😉

  6. klaus Stein

    Schimpanenmann vs. Schimpane
    Die Rheiniche Poſt zitiert hier nicht kor­rekt. Der Autor in der Nation­al Geo­graph­ic ſagt nur, daß ſich die Genſequenzen von Män­nern und Frauen im beſtimmten Fällen ſtärker unterſcheiden kön­nen als die Genſequenzen von Män­nern und männlichen Schimpanſen. Mit anderen Worten: Der Unterſchied X- und Y‑Chromoſom beim Menſchen iſt größer als der zwiſchen dem geſamten Genom von Menſchen- und Schimpanſenmann, die bei­de ein Y‑Chromoſom haben.
    Das wäre erſtmal auch gar nichts ver­wun­der­lich­es, auch wenn es wahrſcheinlich nicht ſtimmt, ſiehe z.B. .
    So richtig falſch wird die Ausſage dann in der Rheinichen Poſt, wo aus dem Schimpanſen_mann_ plöt­zlich ein Affe wird (anſcheinend iſt nun nicht nur das Gechlecht ſondern auch die Art egal).
    Zumindet für den Orig­inal­text im Nation­al Geo­graph­ic paſſen dann allerd­ings die Graphiken im Blog­a­r­tikel nicht mehr.

  7. Anatol Stefanowitsch


    @impala In der Tat.
    @Klaus Stein: Der NG-Artikel nen­nt ja die genetis­che Übere­in­stim­mung gar nicht getren­nt für Schim­pansen­män­nchen und Weibchen, son­dern nur für Schim­pansen all­ge­mein. Um die kur­sivge­set­zte Aus­sage aus dem vorher gesagten ableit­en zu kön­nen, muss der Autor also tat­säch­lich den sex­is­tis­chen Denk­fehler auch für die Schim­pansen gemacht haben: Schim­panse = Schim­pansen­män­nchen. Ich habe in mein­er Grafik auch extra ein Schim­pansen­män­nchen ver­wen­det (erkennbar daran, dass es kein Kleid trägt).

  8. dg

    Ver­gle­iche
    “Es wird so getan, als ließen sich die quan­ti­ta­tiv­en Unter­schiede direkt ver­gle­ichen, also ohne zu berück­sichti­gen, dass sie qual­i­ta­tiv völ­lig unter­schiedlich sein können.”
    Es wird nicht nur so getan als ob das gin­ge, es wird sog­ar direkt auch gemacht. Geht also offensichtlich.
    Die Frage ist nur, wie aus­sagekräftig dieser Ver­gle­ich ist…
    Ich kann auch ’ne Metrik hin­schreiben, unter der Alpha Cen­tau­ri näher an der Erde ist als der Mond. “Sen­sa­tion: Forsch­er beweist: Alpha Cen­tau­ri ist näher als der Mond. Besuchen wir bald die Außerirdischen?”

  9. Made

    Was mich ja erschreckt, ist dass diese doch sehr offen­sichtliche Gle­ich­stel­lung von Mann und Men­sch mir hier erst vorex­erziert wer­den muss, damit ich sie bemerke. Das­selbe bei dem Fraue­nun­ter­leib­sklavier let­ztens. Und ich für meinen Teil bin da dankbar, dass Ana­tol (und auch andere) hier einem ein biss­chen die Augen öffnet, wenn man das denn zulässt.
    Das Wahrnehmen von Sex­is­mus ist für einen großen Teil der Män­ner in unser­er Gesellschaft anscheinend erfol­gre­ich wegerzo­gen worden.
    Und die man­gel­nde Wahrnehmung dessen, führt dann zu den schon so oft gese­henen Diskus­sio­nen: “Es gibt gar keinen Sex­is­mus mehr” — “Doch.” — “Ich seh keinen”

  10. impala

    Man kann Sex­is­mus aber auch böswillig unter­stellen. Ich denke, dass der Duden sich für das Bild eines männlichen nack­ten Oberkör­pers entsch­ieden hat, da die Darstel­lung weib­lich­er nack­ter Oberkör­p­er in diesem Kon­text nicht üblich ist und als anstößig emp­fun­den würde. Ist das jet­zt auch Sex­is­mus? Würde nicht umgekehrt genau­so über Sex­is­mus geklagt?

  11. Physiker

    Analysemeth­ode
    Mich stört bere­its an der zitierten Aus­sage von NG
    “Das Erbgut von Men­sch und Schim­panse, unserem näch­sten Ver­wandten, ist – je nach Analysemeth­ode – zu 93,5 bis 99,4 Prozent gleich”
    etwas ganz anderes:
    Offen­sichtlich gibt es ver­schiedene Analysemeth­o­d­en, die zu völ­lig ver­schiede­nen Ergeb­nis­sen kom­men: ein­mal zu einem Unter­schied im Genom von 6,5% und 0,6%. Die Angabe der meis­ten Forsch­er lautet 1,5%. Ich inter­pretiere diese Angaben nicht als Schwankun­gen um den “Mit­tel­w­ert” 1,5%, son­dern als unter­schiedliche Durch­schnittswerte, die mit unter­schiedlichen Meth­o­d­en gewon­nen wurden.
    Im Gegen­satz dazu ver­ste­he ich
    “Der Unter­schied im Erbgut von Men­schen­frauen und Men­schen­män­nern kann zwei bis vier Prozent betragen.”
    als Angabe über die Schwankungs­bre­ite zwis­chen ver­schiede­nen Indi­viduen. Allerd­ings bleibt da die Frage, welche Analysemeth­ode hier­bei ver­wen­det wurde. Diejenige, die in der obi­gen Aus­sage auf 0,6%, 1,5% oder gar auf 6,5% Unter­schied im Erbgut gekom­men ist?
    Da diese Aus­sage im Text fehlt, sind alle Zahle­nangaben wert­los weil kein Ver­gle­ich möglich ist. Dass der Autor diese Zahlen trotz­dem ver­gle­icht spricht nicht für die Qual­ität des Artikels (um es mal sehr vor­sichtig zu formulieren).
    P.S.: Als Laie denkt man im ersten Moment gar nicht daran, dass es ver­schiedene Möglichkeit­en gibt, die Unter­schiede im Genom zu zählen/wichten. Auf den zweit­en Blick merkt man aber schnell, dass das wohl gar nicht so ein­fach ist: nimmt man nur die Unter­schiede in den Genen, wie wertet man die mito­chon­dri­ale DNA, wie zählt man das Cross­ing-over, ver­schieden Zahl/Länge der Chro­mo­some etc.?

  12. ke

    @A.S.:

    Der NG-Artikel nen­nt ja die genetis­che Übere­in­stim­mung gar nicht getren­nt für Schim­pansen­män­nchen und Weibchen, son­dern nur für Schim­pansen all­ge­mein. Um die kur­sivge­set­zte Aus­sage aus dem vorher gesagten ableit­en zu kön­nen, muss der Autor also tat­säch­lich den sex­is­tis­chen Denk­fehler auch für die Schim­pansen gemacht haben: Schim­panse = Schimpansenmännchen.

    Ich denke vielmehr, dass Nakott sich die größere Dif­ferenz zwis­chen Frauen und Män­nern als die zwis­chen Men­schen und Schim­pansen damit erk­lärt, dass Män­ner und Schim­pansen­män­nchen sowie Frauen und Schim­pansen­weibchen jew­eils eine gewisse Menge Gene teilen, die sie nicht mit den ander­s­geschlechtlichen Vertreter/innen der eige­nen Art teilen.
    So kommt man zu der fettge­druck­ten Aus­sage, und Nakott hätte genau so gut schreiben kön­nen: „Es gibt also Paare, bei denen die Frau ein­er Schim­pansen­frau genetisch ähn­lich­er ist als ihrem Mann.“ Er hat nur — zufäl­lig oder nicht — die andere Kon­fig­u­ra­tion als Beispiel gewählt.
    Ich plädiere also dafür, Nakott von diesem Sex­is­musvor­wurf freizusprechen.
    Was die RP daraus gemacht hat, ist natür­lich unsäglich.

  13. matthias

    Sex­is­mus wohin man auch sieht…

    Das Wahrnehmen von Sex­is­mus ist für einen großen Teil der Män­ner in unser­er Gesellschaft anscheinend erfol­gre­ich wegerzo­gen worden.

    Jaa… Ein ander­er Teil der Män­ner gibt sich jedoch sehr viel Mühe, das wieder auszugleichen.
    Mal ehrlich, was da am Ende bei der Rheinis­chen Post raus­gekom­men ist, ist ein­fach nur pein­lich. Aber den Sex­is­mus-Vor­wurf kann ich nun wirk­lich nicht nachvol­lziehen. Nur weil Nakott aus mehreren (gle­icher­maßen blödsin­ni­gen) Inter­pre­ta­tio­nen ein­er Studie die “Schim­panse ähnelt Mann ähnelt Frau” — Vari­ante nimmt, soll er sex­is­tisch denken? Weil die einzige Möglichkeit, wie das passieren kon­nte ein Gle­ich­set­zen von Men­sch und Mann war? Das finde ich jet­zt ähn­lich absurd wie diesen Zeitungsbericht.
    Andere Möglichkeit: Her­rn Nakott war dur­chaus bewusst, dass er auch hätte schreiben kön­nen, dass einige Frauen den Schim­pansen ähn­lich­er sind als den Män­nern. Aber er hat aus Höflichkeit die andere, den Män­nern weniger schme­ichel­nde Ver­sion genom­men — nicht ahnend, dass ihm auch das wieder als Sex­is­mus gegenüber Frauen angekrei­det wer­den würde.
    In diesem Anklagepunkt plädiere also auch ich auf Freispruch.

  14. rechenmonster

    Kreativ!
    “Män­ner ähneln Affen mehr als Frauen” — sich daraus einen Sex­is­musvor­wurf zu basteln, der Frauen diskri­m­iniere, ist für­wahr sehr kreativ.
    Es gibt böse Aff­is­ten, die behaupten, dass die kog­ni­tiv­en Fähigkeit­en von Affen nicht so hoch entwick­elt seien wie die von Men­schen, und daher den Affen eine gewisse “Prim­i­tiv­ität” attestieren.
    In bezug auf Men­schen attribu­tiert man gele­gentlich jenen, die als prim­i­tiv beze­ich­net wer­den, im Ver­gle­ich zu ihren Mit­men­schen eine gewisse kog­ni­tive Schwäche oder gar auch eine Unbe­holfen­heit in den Umgangsformen.
    “Män­ner ähneln Affen mehr als Frauen” — na klar, der geneigte Leser denkt zu allererst an die infame Gle­ich­set­zung von “Men­sch” und “Mann”, und niemals würde irgend jemand die Schlagzeile im Sinne von “Män­ner sind prim­i­tiv­er als Frauen” inter­pretieren, vor allem Frauen nicht.
    Aber manch­mal muss man sich seinen Kram zurecht kon­stru­ieren, damit man sich aufre­gen kann.
    Das kann ich zwar ver­ste­hen, habe in diesem Fall aber kein Verständnis.

  15. NörglerIn

    1. Die Dia­gramme erscheinen mir insofern irreführend, als sie zwar Män­ner und Frauen enthal­ten, die Schim­pansen aber anscheinend nur als geschlecht­slose Wesen. Als beson­ders irreführend empfinde ich das let­zte Dia­gramm, da es sug­geriert, Schim­pansen lägen genetisch zwis­chen Män­nern und Frauen.
    2. Nakott hat nicht gesagt,

    daß bei manchen Paaren der Mann genetisch einem Schim­pansen ähn­lich­er sei als sein­er Frau.

    Er hat gesagt:

    Es gibt also Paare, bei denen der Mann einem Schim­pansen­mann genetisch ähn­lich­er ist als sein­er Frau.

    Diese Aus­sage ist sorgfältig for­muliert und sach­lich kor­rekt (wenn man seinen in der Tat zweifel­haften Begriff der “genetis­chen Ähn­lichkeit” zu Grunde legt).
    Männliche und weib­liche Schim­pansen unter­schei­den sich genetisch ja wohl in etwa so wie Män­ner und Frauen. Also kann man natür­lich nur Män­ner und Schim­pansen, sowie Frauen und Schim­pansin­nen vergleichen.
    Außer­dem berück­sichtigt er mit dieser Aus­sage zugle­ich die Schwankungs­bre­ite der genetis­chen Unter­schiede. Die Aus­sage gilt eben nur für einige Paare, keineswegs für alle.
    Natür­lich hätte er auch sagen können:

    Es gibt also Paare, bei denen die Frau ein­er Schim­pansen­frau genetisch ähn­lich­er ist als ihrem Mann.

    Das wäre aber nicht die “gegen­teilige” son­dern die analoge Aus­sage gewesen.
    Warum hat er es so nicht gesagt? Vielle­icht, weil er dann erst recht den Vor­wurf des Sex­is­mus hätte befürcht­en müssen? Wäre ihm wom­öglich der Vor­wurf gemacht wor­den, die Frauen durch einen solchen Ver­gle­ich mit Affen zu belei­di­gen? Vielle­icht war es auch ein­fach alt­modis­che Galanterie, daß er lieber Män­ner und Affen ver­glichen hat.
    Die Aus­sage, “daß Män­ner und Frauen jew­eils genetisch näher am Schim­pansen seien, als am anderen Geschlecht” wäre dage­gen sach­lich falsch gewesen.
    Er hätte die bei­den analo­gen Aus­sagen auch kor­rekt zu ein­er zusam­men­fassen können:

    Es gibt also Paare, bei denen der Mann einem Schim­pansen­mann genetisch ähn­lich­er ist als sein­er Frau, und Paare, bei denen die Frau ein­er Schim­pansen­frau genetisch ähn­lich­er ist als ihrem Mann.

    Mit solch­er Pedan­terie hätte er aber die Geduld des Lesers arg strapaziert.

  16. Joachim

    @Nörglerin
    Natür­lich kann man ganz tolle Zeich­nun­gen machen und For­mulierun­gen find­en. Allerd­ings wäre es zusät­zlich schön, bei den Fak­ten zu bleiben. Oder wie Cordelia Fine rät: “Don’t make stuff up.”

  17. Susanne

    Ich finde den Beitrag sehr inter­es­sant, ins­beson­dere die Grafiken, auch wenn mich an dem NG-Artikel mehr gestört hat, daß man in der Tat mit so unsauberen Zahlen­ver­gle­ichen gar nichts anfan­gen kann. Von der­ar­ti­gen Schluß­fol­gerun­gen gar nicht zu reden.
    Aber ganz ehrlich: Intu­itiv habe ich die größere Nähe des Mannes zum Affen als zur Frau auch als unchar­mant gegenüber den Män­nern emp­fun­den und beim Stich­wort Sex­is­mus sofort daran gedacht. Nicht, daß mich das son­der­lich empören würde. Aber ich bin ja auch eine Frau (ich verzichte mal darauf, das hier zu vertiefen).

  18. Phaeake

    Affen­satz ein­mal anders
    Man kann die inkri­m­inierte Über­schirft auch ganz anders inter­pretieren, wenn man näm­lich das Wort “Frauen” als Nom­i­na­tiv liest.
    Män­ner ähneln Affen mehr als Frauen (zu ergänzen: Affen ähneln.)
    Und dieser Satz scheint mir zuzutr­e­f­fen. Ein Unter­schied zwis­chen geschlecht­sreife Män­nern und Frauen liegt in der Behaarung des unteren Gesichts. Insoweit gle­ichen die Män­ner sowohl den weib­lichen als auch den männlichen Affen in stärk­erem Maße als Frauen den Affen bei­der­lei Geschlechts ähneln. Dage­gen fällt mir kein Merk­mal ein, in dem sich Män­ner und Frauen unter­schei­den und die Frauen den Affen stärk­er gle­ichen als die Män­ner den Affen.
    Mit Genetik hat das ja natür­lich nichts zu tun. Ich wollte nur die Über­schrift retten.

  19. Hartmut Tuber

    Nicht angegeben ist, auf was die genetis­chen Unter­schiede zwis­chen Mann, Frau und Schim­panz beruhen. Wie ste­hen die Unter­schiede zwichen male und female Schim­panzen? Auch wenn die Unter­schiede quan­ti­ta­tiv stim­men, so what! Welche Shluesse daraus? Das weib­liche Geschlecht ist mehr Men­sch als das maennliche?

  20. Joachim

    Nein, recht haben die mit Sicher­heit nicht. Mal wieder tun Jour­nal­is­ten so, als gin­ge es um einen genetis­chen Unter­schied zwis­chen Geschlechtern und nicht zwis­chen Indi­viduen. Sie hät­ten auch schreiben kön­nen: “Es gibt also Fre­und­schaften, bei denen ein Mann einem Schim­pansen­mann genetisch ähn­lich­er ist als seinem Fre­und.” Dass sie es nicht getan haben, offen­bar die Absicht, Geschlechterun­ter­schiede zu betonen.
    Übri­gens ist es leicht einzuse­hen, dass der Ver­gle­ich Unsinn ist. Man muss sich nur ein Wenig mit Biolo­gie ausken­nen: Jed­er Mann erbt etwas mehr als 50% seines Erbguts von ein­er Frau. Von den übri­gen fast 50% hat dessen Vater die Hälfte von ein­er Frau geerbt. Und so weit­er. Män­ner und Frauen tauschen in jed­er Gen­er­a­tion Erbgut miteinan­der aus. Dass zum let­zten Mal gemein­same Vor­fahren von Schim­pansen und Men­schen Erbgut miteinan­der aus­ge­tauscht haben, ist einige Mil­lio­nen Jahre her.

  21. bruno jennrich

    bitte mal “es gibt ein” und “für alle” nachschlagen.
    dann hätte sich der zweite teil des artikels auf einen satz reduzieren lassen.

  22. Christoph Bartoschek

    Ich kann bei der NG keinen Fehler erken­nen, außer dass der Autor in seinem Beispiel den Mann zuerst genan­nt hat. Vor allem ist diese Aus­sage nicht das Gegen­teil der analo­gen Aus­sage, die mit der Frau begin­nt. Der natür­liche Sprachge­brauch legt das auch gar nicht nahe. Es ist sehr weit herge­holt hier dem Autor die Gle­ich­stel­lung von Mann und Frau zu unterstellen.

  23. Joachim

    Noch ein Prob­lem. Mir fällt ger­ade auf: Im NG Zitat steht:
    “Das Erbgut von Men­sch und Schim­panse, unserem näch­sten Ver­wandten, ist – je nach Analysemeth­ode – zu 93,5 bis 99,4 Prozent gleich.”
    Das heißt also, der Unter­schied beträgt bis zu 6,5%. Weit­er unten ste­ht dann:
    “Der Unter­schied im Erbgut von Men­schen­frauen und Men­schen­män­nern kann zwei bis vier Prozent betragen.”
    Der ist also — wie zu erwarten — ein­deutig geringer.

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