Sprachbrocken 23/2012

Von Anatol Stefanowitsch

Die Lübeck­er Nachricht­en waren diese Woche ein solch­er Quell sprach­lich­er Freuden, dass ich für die Sprach­brock­en woan­ders gar nicht mehr suchen musste. Da schreibt ein Peter Intel­mann zum Beispiel begeis­tert, aber anlass- und auch etwas ziel­los über die pol­nis­che Sprache. Und die ver­wirrt ihn sehr, denn sie benutzt zwar das lateinis­che Alpha­bet, „aber es sind eben lateinis­che Buch­staben mit pol­nis­chem Migra­tionsh­in­ter­grund“: Sie sind mit merk­würdi­gen Balken, Punk­ten und Häkchen verziert! Außer­dem spricht man die Wörter gar nicht so aus, wie man das als Deutsch­er denken würde! Und als ob das nicht reicht, ste­hen die Wörter in der falschen Rei­hen­folge! Ja, das haben Fremd­sprachen so an sich — sie sind nicht Deutsch.

Viel weniger Begeis­terung löst die Forderung türkischstäm­miger Eltern aus, dass ihre Kinder in der Schule ein­mal in der Woche Türkischunter­richt erhal­ten sollen. Die Lübeck­er Schulse­n­a­torin find­et die Idee gut, der Lübeck­er Schul­rat Gustaf Dreier find­et die Idee gut. Nicht so der Lübeck­er Lokalredak­teur Kai Dor­dowsky: „Zweifel sind ange­bracht“, find­et er. Warum? Weil sich der Aufwand nicht lohnt! Es bräuchte näm­lich uni­ver­sitär aus­ge­bildetes Lehrper­son­al. Lieber sollte man „noch mehr Mit­tel in den vorschulis­chen, deutschen Spra­chunter­richt zu investieren“. Ver­mut­lich braucht es für den kein qual­i­fiziertes Per­son­al, denn son­st wäre das ja auch aufwändig. Vielle­icht sollte sich Dor­dowsky gemein­sam mit Intel­mann mal das türkische Alpha­bet und die Wort­stel­lung anse­hen — ganz anders als das Pol­nis­che, soviel sei verraten.

Wirk­lich gut kommt dage­gen der Vere­in Deutsche Sprache weg, der seit heute in Lübeck tagt und dabei haupt­säch­lich alberne Alter­na­tiv­en für englis­che Lehn­wörter erfind­en wird — wenig­stens, wenn man dem Artikel von Lil­iane Jolitz glaubt, und der den VDS ken­nt, hat keinen Anlass, das nicht zu tun. Das Smart­phone etwa soll in Zukun­ft „Schlau­fon“ heißen (wem das nicht Deutsch genug ist, für den wird auch die lateinisch-griechis­che Alter­na­tive „intel­li­gentes Tele­fon“ vorgeschla­gen). Aber keine Sorge, es soll nicht allen Lehn­wörtern an den Kra­gen gehen: „Wörter, die längst Bestandteil des Deutschen sind, find­en Akzep­tanz. Gegen Kick­en für Fußball spie­len hat der Vere­in eben­so wenig etwas einzuwen­den wie gegen Team für Mannschaft.“ Puh, ger­ade nochmal glück gehabt, mit der EM und so. Ach so, weil ihr fragt: Das Wort smart wurde im erst kür­zlich, näm­lich im 19. Jahrhun­dert aus dem Englis­chen entlehnt. Die Wörter Team und kick­en sind viel älter: Sie stam­men aus dem 20. Jahrhundert.

[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Ver­sion enthält möglicher­weise Kor­rek­turen und Aktu­al­isierun­gen. Auch die Kom­mentare wur­den möglicher­weise nicht voll­ständig übernommen.]

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

12 Gedanken zu „Sprachbrocken 23/2012

  1. Robroy

    Ver­mut­lich braucht es für den kein qual­i­fiziertes Per­son­al, denn son­st wäre das ja auch aufwändig.” Ich kann nicht erken­nen, wo er das behauptet. Dem Text lässt sich recht deut­lich ent­nehmen, dass Dor­dowsky die Frage stellt, wo dieser Aufwand betrieben wer­den sollte — in der vorschulis­chen Sprach­förderung oder für ein Fach Türkisch. Das ist angesichts begren­zter Ressourcen keine abwegige Frage, auch wenn man natür­lich argu­men­tieren kann, dass man diese bei­den Ansatzpunk­te nicht gegeneinan­der ausspie­len sollte.

  2. Dierk

    Fon! Was ein Hohn!
    Das ist eine verenglis­chte Kurz­form eines völ­lig untoitschen Begriffs! Richtig muss es selb­stver­ständlich ‘beweglich­er Gewitzt­fern­sprech­er’ heißen!

  3. Statistiker

    @ robroy
    Tja, also wenn ich den Artikel in der LN lese, ist es doch ein­deutig: Der Autor will statt für ordentlich aus­ge­bildetes Per­son­al das wenige Geld für etwas anderes aus­geben, also ger­ade nicht für ordentlich aus­ge­bildetes Personal.
    Anson­sten sind diese Beiträge typ­isch für die LN. Aus per­sön­lich­er, vielfach­er Erfahrung: Irgend­wie haben viele Lübeck­er einen Min­der­w­er­tigkeit­skom­plex, weil sie es nicht verknusen, dass Kiel lan­deshaupt­stadt und nicht diese alter­würdi­ge Hansestadt…
    PS: Bevor es jet­zt einen Auf­schrei gibt: Ich habe “viele” geschrieben, nicht “alle”.….man kann auch sagen: ich habe gesarrazint.…

  4. Klausi

    Den Artikel von Liane Jolitz
    …sollte man lesen und auch die Kom­mentare dazu. Und dann selb­st einen Kom­men­tar abzuschick­en ver­suchen. Let­zteres dürften die wenig­sten türkischen Eltern schaf­fen. Und fol­gte man dem Rat des Lübeck­er Schul­rates, Gustaf Dreier, mehr in den deutschsprachi­gen Schu­lun­ter­richt zu investieren, käme man auch in Zukun­ft mit der Lösung des Prob­lems, einen elek­tro­n­is­chen Leser­brief bei den Lübeck­er Nachricht­en loszuw­er­den, keinen Schritt weiter.
    Habe übri­gens selb­st, nur 15 Minuten “ago”, drauf verzichtet einen Leser­brief zu platzieren, in der Annahme, die sich dabei auftuende Sprach­hürde habe wohlmöglich einen nur nicht von mir ver­stande­nen Sinn. Ich hoffe, ich komme noch hin­ter das Geheimnis.

  5. Klaus

    @Robroy: Ja, der Mann fragt sich was. Ich frage mich, ob die Zeitung nicht bess­er in echte Jour­nal­is­ten invertieren sollte! Solch einen däm­lichen Kom­men­tar kann auch jed­er Hinz&Kunz am Stammtisch aussprechen oder auch im Sprachlog als Kom­men­tar schreiben.
    Von Jour­nal­is­ten, die dafür auch noch Geld bekom­men, erwarte ich erhe­blich mehr. Wo ist die Begrün­dung für seine “Mei­n­ung”? Gibt es dazu Stu­di­en? Aus welch­er Quelle bzw. welchem Tüm­pel schöpft er denn seine uner­messliche Weisheit?
    Keine Begrün­dung, keine Abwä­gung, kein wirk­lich fundiert­er Kom­men­tar. Nur ein plattes “Hääääh? Die sollen bess­er xyz machen!” Na, dann Dankeschön. Darauf kann die Welt wirk­lich verzichten.

  6. Gerald Fix

    Frage ohne Textbezug, sorry
    Herr Ste­fanow­itsch, ich erlaube mir hier mal einen Ein­schub zur Klärung ein­er aktuellen Frage (und hoffe, damit nicht zu sehr zu stören): Hät­ten Sie diesen Text unter dem geplanten Leis­tungss­chutzrecht noch schreiben dürfen?

  7. Robroy

    @Statistiker, @Klaus
    @Statistiker: Einen Punkt haben Sie richtig erkan­nt: Er will das Geld für etwas anderes aus­geben. Hin­sichtlich seines Unter­schei­dungskri­teri­ums tre­f­fen Sie wie Herr Ste­vanow­itsch eine Annahme, die durch den Text nicht gedeckt ist.
    @Klaus: Viel argu­men­tiert hat er in seinem Kom­men­tar tat­säch­lich nicht, da kön­nte man einiges sach­lich dage­gen ein­wen­den, tut nur lustiger­weise nie­mand hier. Dass die Kom­men­ta­toren hier zu gle­ich­w­er­tigem in der Lage wären, hat hier noch nie­mand demon­stri­ert. Gut möglich, dass die Zeitung das Hon­o­rar für den Mann bess­er hätte investieren kön­nen, das würde ich allerd­ings ein Prob­lem der LN sein lassen.

  8. Dierk

    @Robroy
    Der Punkt ist doch, dass eine Gel­daus­gabe einzig mit Argu­ment A abgelehnt wird, die andere ohne irgen­dein Argu­ment aber gefordert. Daraus zu fol­gern, dass Herr. D immer noch mit Argu­ment A hantiert, ist alles andere als falsch. Es ist die Über­tra­gung des Grund­satzes Ceteris Paribus auf den Kommentar.
    [Für Sie und Her­rn D noch etwas aus­ge­führt: Er müsste erläutern, weshalb es bess­er ist, den Kindern Deutsch beizubrin­gen, statt zusät­zlich Türkisch. Sollte es nur ums Geld gehen, ist es — Achtung, Fachter­mi­nus! — Jacke wie Hose, was gemacht wird.]

  9. Statistiker

    @ robroy
    Bitte ver­wen­den Sie Argumente.
    Sie behaupten etwas, ohne konkret zu wer­den, bzw. Sie behaupten, Aus­län­der seiuen dumm ohne jegliche Legit­i­ma­tion, sprich: Sie sind frem­den­feindlich. Kön­nen Sie gerne sein, aber ohne mich.
    Ach ja, das wer­den Sie jet­zt abstre­it­en, nein, der arme, missver­standene Junge ist niczt frem­den­feindlich, oky, man mag Sarazz­in, den alten Het­zer, aber nein, man ist nicht fremdenfeindlich.….

  10. Azadeh Sepehri

    ein­fach­er als Französich
    “Außer­dem spricht man die Wörter gar nicht so aus, wie man das als Deutsch­er denken würde!”
    Was würde er wohl zu Fran­sö­sisch meinen?!

  11. gnaddrig

    Ein­deutschung, 2. Teil
    @ Dierk: Guter Ansatz, aber: 1. “Beweglich” sind auch klas­sis­che Fern­sprechap­pa­rate, die an Landlin­ien hän­gen (Sog­ar bei der alten Behör­den­post gab es auf Antrag Zehn­meterk­a­bel zur Steigerung der Beweglichkeit). Hier geht es dage­gen um nicht draht­ge­bun­dene Geräte, die über Funkwellen kom­mu­nizieren. 2. “Fern­sprech­er” ist nicht ein­deutig, es kann auf die fern­sprechende Per­son ver­weisen oder auf das dazu ver­wen­dete Gerät. Das kann ver­wirrend wirken und Missver­ständ­nis­sen Vorschub leis­ten. 3. “Gewitzt” schreibt (ähn­lich wie das anscheinend vom VDS favorisierte “schlau”) dem Gerät men­schliche Eigen­schaften zu, die derzeit tech­nisch noch nicht imi­tiert wer­den kön­nen. Das “smart” in Smart­phone dürfte eher auf die tech­nis­che Aufwändigkeit ver­weisen, auf die Raf­fi­nesse, die solche Geräte viel­seit­iger und leis­tungs­fähiger macht als gewöhn­liche dumme Telefonierhandys.
    Mein Vorschlag zur Behe­bung dieser drei Schön­heits­fehler: “Draht­los­es Raf­finiert­fern­sprechgerät”, kurz DRfg, oder “Raf­finiert­funk­fern­sprechgerät”, kurz RaFFeS­Ge (“das Raffesgé”).

  12. Christoph Rossmeissl

    @ gnad­drig
    Von der sel­ben Akri­bie getrieben, muss ich jedoch auch das “draht­los” bean­standen. Denn ohne Zweifel wer­den in einem solchen Gerät auch Drähte ver­wen­det. (Eine Alter­na­tive kann ich lei­der nicht anbi­eten, ohne jet­zt über­mäßig viel des drin­gend benötigten Schlafs zu opfern)

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