Auf dem Bundeskongress der Altphilologen in Erfurt hat der Österreichische Bildungsminister Karlheinz Töchterle eine überraschende aber höchst plausible Lösung für die „derzeitige Krise“ im Bildungssystem präsentiert: Mehr Lateinunterricht! Denn gerade in Krisenzeiten, so zitiert die Thüriger Allgemeine den promovierten Altphilologen, seien häufig sprachliche und literarische Rückbesinnungen zu beobachten. Außerdem vermutet er positive Auswirkungen auf die Muttersprache der Schüler/innen: „Mit Latein können Schüler modellhaft lernen, wie Sprache funktioniert und damit die eigene Sprache mit ihrer Grammatik besser verstehen.“ Nennt mich verrückt, aber könnten sie nicht auch anhand ihrer eigenen Sprache(n) modellhaft lernen, wie Sprache funktioniert? Und hätte das nicht den Vorteil, dass die Unterrichtszeit, die sonst auf das Erlernen einer toten Sprache verschwendet würde, für Nebensächlichkeiten wie moderne Fremdsprachen zur Verfügung stünde, an denen man modellhaft lernen könnte, wie man sich mit Menschen aus anderen Ländern und Kulturen unterhält?
Andererseits könnte ein wenig klassische Bildung den einen oder anderen Shitstorm verhindern. Wir erinnern uns, wie es dem Firmensprecher von Schlecker (kennen Sie Schlecker noch?) seinerzeit beinahe gelungen wäre, durch ein klares Bekenntnis zu einem an der Sprachkunst der Antike orientieren Sprachstil die Empörung über die Tatsache, dass er die Kunden seiner Firma für dumm und ungebildet hielt, schon im Keim zu ersticken. Wie ungeschickt erscheint im Vergleich zu dieser altphilologischen Eleganz die Antwort „roflcopter gtfo“, mit der die Piratenpartei dieser Tage auf das absolut nachvollziehbare Ansinnen eines selbsternannten Parteinamenwarts reagierte, sie mögen doch bitte ihren Namen in etwas weniger piratiges ändern. Dass hier kein Shitstorm losbrach, lag sicher nur daran, dass niemand wusste, was dieses kryptische Akronym bedeuten könnte. Der Westen schuf flugs Abhilfe, in dem er einen „Grundwortschatz zum Chatten“ veröffentlichte. Darin wird ausfühlich diskutiert, was roflcopter bedeutet, und auch geheimnisvolle Neuwörter wie lol, nope und sry werden erläutert. Was gtfo heißt, mochte man den Leser/innen wohl nicht zumuten. Wir sind weniger zimperlich: Es bedeutet in etwa „Extra omnes, vel pedicabo ego vos et irrumabo“.
Aber es gibt Hoffnung: Zwar verfällt der Sprachgebrauch der Jungend mit zunehmender Geschwindigkeit, aber dafür, berichtet die AFP, haben französische Forscher gezeigt, dass Paviane lesen können. Na gut, nicht „lesen“, eher „Kombinationen von Buchstaben von anderen Kombinationen von Buchstaben unterscheiden“, was aber natürlich weniger catchy klingt. Aber immerhin bedeutet das, dass man in der Pressestelle der Piratenpartei einen Pavian beschäftigen könnte, um den ausgehenden E‑Mail-Verkehr auf potenziell injuriöse Akronyme zu kontrollieren. Er könnte sogar das beleidigende GTFO vom frölich-harmlosen TGIF und das anstößige WTF vom lobenden FTW unterscheiden. Fäkalausdrücke im mündlichen Sprachgebrauch könnte so ein Pavian leider nicht verhindern, dafür bräuchte man mindestens einen Ältestenrat.
[Dieser Beitrag erschien ursprünglich als Gastbeitrag hier, wo auch Kommentare dazu zu finden sind.]