Wortgewaltphantasien

Von Anatol Stefanowitsch

Das mit den Eski­mos und ihren Wörter für Schnee ist ja inzwis­chen abge­früh­stückt – kein Men­sch glaubt mehr an ein aus­gedehntes, lexikalisch man­i­festes Inter­esse der Völk­er des nördlichen Polarkreis­es am kristallför­mi­gen Nierder­schlag. Höch­ste Zeit also für neue Vari­anten des zugrun­deliegen­den Mythos, dass Sprachge­mein­schaften beson­ders viele Wörter für das haben, was ihnen beson­ders wichtig ist.

Auf eine inter­es­sante Vari­ante wies mich SciLog­ger Dierk Haa­sis (Con Text) neulich hin. Es geht dabei um die Kun­st­sprache Dothra­ki, die im Game-of-Thrones-Romanzyk­lus (dt. „Das Lied von Eis und Feuer“) von George R.R. Mar­tin angedeutet wird und die der Lin­guist und Con­langer David J. Peter­son für die gle­ich­namige Fernsehserie mit Vok­ab­u­lar und Gram­matik aus­ges­tat­tet hat. Als fik­tionale Sprach ist Dothra­ki mäßig inter­es­sant — ihm fehlt die solide anti-typol­o­gis­che Exotik, die z.B. das Klin­go­nis­che oder das Na’vi kennzeichnet.

So musste sich die Sci­ence-Fic­tion- und Fan­ta­sy-Web­seite Den of Geek! sehr anstren­gen, um für eine Rezen­sion der Serie etwas Bericht­enswertes zum Dothra­ki zu find­en:

There are more words in the invent­ed Dothra­ki for “kill” than for “love”. (Es gibt im erfun­de­nen Dothra­ki mehr Wörter für „töten“ als für „lieben“.)

Das scheint zu stim­men. Das Dothra­ki Wiki nen­nt nur ein Wort für lieben — zhi­lat — aber drei für töten:

  • addri­vat: töten (vor allem wenn es absichtlich durch eine Per­son geschieht)
  • drozhat: töten (unab­sichtlich oder durch unbelebte Gegen­stände oder Tiere
  • ogat: ein Tier schlacht­en, einen Men­schen bru­tal töten (wie man ein Tier schlacht­en würde

Damit soll betont wer­den, was für ein kriegerisches Volk die Dothra­ki sind. Man stelle sich das vor! Mehr Wörter für das Töten als für die Liebe!

Aber natür­lich sind die Dothra­ki damit (lei­der) abso­lut unauf­fäl­lig. Mir ist keine Sprache bekan­nt, in der es anders wäre. Nehmen wir das Deutsche. Für „lieben“ haben wir, mal nachzählen, eins, zw– ah, ein Wort: lieben. Für „töten“ dage­gen haben wir so viele, dass wir die Dothra­ki mith­il­fe eines schlicht­en Wörter­buchs in Angst und Schreck­en ver­set­zten kön­nten (an dieser Stelle mal ein Dank an openthesaurus.de):

abknallen, abmurk­sen, abschlacht­en, abstechen, ausknipsen, aus­löschen, auss­chal­ten, beseit­i­gen, ein­schläferneli­m­inieren, entleiben, erdolchen, erdrosseln, erdrück­enerhän­gen, erlegenermor­den, ersäufen, erschießen, erschla­gen, erstechen, erstick­en, ertränken, erwür­gen, exeku­tieren, hin­richt­en, kalt­machen, killen, liq­ui­dieren, lynchen, mas­sakri­eren, meucheln, neu­tral­isieren, nie­der­met­zeln, steini­gen, ter­minieren, töten, tot­machen, tot­prügelntotsch­ießen, totschla­genumbrin­gen, umle­gen, ver­gasen, vergiften

Und da sind noch nicht Mal Redewen­dun­gen aus mehr als einem Wort dabei, wie den Garaus machen, ins Jen­seits befördern, um die Ecke brin­gen usw.

Aber vielle­icht sind wir Deutschen tat­säch­lich ein­fach ein sehr gewalt­tätiges Volk (man kön­nte es schließlich nie­man­dem ver­denken, der auf diese Idee käme)? Vielle­icht (die Angel­sach­sen dann allerd­ings auch).

Aber die Gründe für die lexikalis­che Vielfalt beim Töten liegen woan­ders. Erstens gibt es schlicht mehr Arten, jeman­den zu töten, als jeman­den zu lieben: Viele der oben aufge­führten Wörter spez­i­fizieren ein bes­timmtes Vorge­hen (z.B. ertränken, erstick­en), ein bes­timmtes Tötungsin­stru­ment (z.B. erschießen, steini­gen) oder eine bes­timmte Absicht (z.B. lynchen, hin­richt­en). Zweit­ens ist das Töten in unser­er Gesellschaft tabuisiert, und wir brauchen deshalb Euphemis­men, die das ganze etwas blu­miger (entleiben, kalt­machen), ser­iös­er (exeku­tieren, liq­ui­dieren), harm­los­er (auss­chal­ten, neu­tral­isieren) oder Dys­phemis­men, die es beson­ders bru­tal (abmurk­sen, tot­machen) klin­gen lassen.

Wenn die Dothra­ki also ein Kriegervolk sind, dann zeigt sich das eher daran, wie wenig Wörter sie für das Töten haben — für etwas Alltäglich­es und all­ge­mein Akzep­tiertes braucht eine Sprachge­mein­schaft nicht viele Worte.

 

Nach­trag. Aus gegeben­em Anlass ver­weise ich hier für diejeni­gen, die sich tat­säch­lich noch ein­mal mit den Eski­mowörtern für Schnee befassen wollen, auf aus­gewählte Beiträge dazu im Bre­mer Sprach­blog, im Sprachlog und anderswo:

[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Ver­sion enthält möglicher­weise Kor­rek­turen und Aktu­al­isierun­gen. Auch die Kom­mentare wur­den möglicher­weise nicht voll­ständig übernommen.]

Dieser Beitrag wurde unter Altes Sprachlog abgelegt am von .

Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

45 Gedanken zu „Wortgewaltphantasien

  1. Pompeius

    Exotik
    Ein schön­er Artikel. Vie­len Dank.
    Der Hin­weis auf exo­tis­che Züge von Klin­go­nisch und Na’vi ist span­nend. Über einen Artikel, was eine Kun­st­sprache für einen Lin­guis­ten ansprechend macht oder auch über bekan­ntere Kun­st­sprachen an sich, würde ich mich freuen.

  2. D. Müller

    All about love
    Dem Open The­saurus fall­en fol­gende “Syn­onyme” für “lieben” ein:
    auf jeman­den ste­hen umgangssprach­lich [1]
    gefall­en [5]
    Gefall­en find­en an [2]
    gern­hab­en [2]
    in jeman­den ver­liebt sein [1]
    sehr) mögen [1]
    vergöt­tern [3]
    Mir fällt noch anhim­meln, sehr schätzen, Sex haben ein. Je nach Kontext.
    Es sind natür­lich nur sin­nver­wandte Wörter. Aber so furcht­bar ein­schichtig ist
    das Deutsche nicht, wenn es um pos­i­tive Gefüh­le geht. Schön.

  3. Björn

    Kommt drauf an.
    Die Sache dürfte wesentlich enger wer­den, wenn man auch alle Wörter für die kör­per­liche Liebe miteinschließt. 🙂

  4. Philip

    Englisch?
    Schade, dass es den Artikel nicht in Englisch gibt. Die meis­ten Fan­seit­en zu dem The­ma sind englis­chsprachig und wür­den sich bes­timmt auch bren­nend für diese Analyse interessieren.
    Noch eine Kleinigkeit: Der Zyk­lus heißt auch im Englis­chen “A Song of Ice and Fire”. Lediglich der erste Band heißt “A Game of Thrones”. Die Fernsehserie wiederum nen­nt sich auch in Anlehnung an den ersten Band “A Game of Thrones”.

  5. Balanus

    @Björn hat es bere­its angedeutet: Wie sieht es aus, wenn man “lieben” mit “has­sen” ver­gle­icht und “töten” mit “kop­ulieren”?

  6. sven

    äääh? und was ist mit:
    bum­sen, fick­en, vögeln, kop­ulieren, ram­meln, pop­pen, pim­peln, nageln…

  7. sven

    Oh, ein wenig spät. Öfter mal einen Refresh machen (zumin­d­est alle Stunde).
    Aber schön zu wis­sen, daß ich nicht der einzige mit schmutzi­gen Gedanken bin.

  8. Kronf

    Samisch
    Lieber Herr Stefanowitsch,
    wo sie von den Eski­mos sprechen, fällt mir der zuge­hörige Artikel der englis­chen Wikipedia ein: http://en.wikipedia.org/wiki/Eskimo_words_for_snow
    Hier hat vor einiger Zeit jemand die Aus­sage einge­fügt, auf Samisch gäbe es tat­säch­lich eine der­ar­tige Vok­a­belvielfalt. Dies wurde auf der Diskus­sion­s­seite natür­lich sofort stark angezweifelt, aber der Bear­beit­er hat­te einige Belege vorzuweisen.
    — Auf das Zitat aus “ACIA 2005, Artic Cli­mate Impact Assess­ment” würde ich über­haupt nichts geben. Einen Klimabericht als Quelle zu lin­guis­tis­chen The­men anzugeben ist schon etwas weit herge­holt. Und mit genau der gle­ichen Art von Zitat­en kön­nte man die Eski­mo-Geschichte tausend­fach “nach­weisen”.
    — Die Broschüre “The Sami Lan­guage” vom Depart­ment of Scan­di­na­vian Stud­ies der Uni­ver­sität Wis­con­sin-Madi­son ist da schon etwas inter­es­san­ter. http://scandinavian.wisc.edu/…/LanguageToday.pdf
    — Schließlich aber gibt er einen Link zu dem Auf­satz “Diver­si­ty in Saa­mi ter­mi­nol­o­gy for rein­deer and snow” eines Dr. Ole Hen­rik Mag­ga an. Hier ist tat­säch­lich eine detail­lierte Auflis­tung dutzen­der Wörter enthal­ten. Solch ein Beleg ist natür­lich schw­er zu entkräften, vor allem, wenn man kein Samisch spricht. http://www.arcticlanguages.com/…eer_and_Snow.pdf
    Mich würde Ihre geschätzte Mei­n­ung dazu inter­essieren, falls Sie Zeit und Lust finden.

  9. Nathalie

    Liebe
    Inter­es­sant, dass in den Kom­mentaren bei “lieben” gle­ich an Fortpflanzung gedacht wird. Das wäre mir so schnell nicht in den Sinn gekom­men. Gibt es da vielle­icht Geschlechtsunterschiede? 😉

  10. Phaeake

    Fühlen und Tun
    Auch wenn mir über den Open The­saurus hin­aus noch ein paar Syn­ony­ma für Lieben als Gefühl ein­fall­en (lieb­haben, in jeman­den vernar­rt sein, sich in jeman­den ver­guckt haben, jeman­dem ver­fall­en sein), glaube ich auch, dass es im Deutschen deut­lich mehr Wörter für Töten gibt.
    Aber ließe es sich wirk­lich bele­gen, dass es weniger Arten gibt, jeman­den zu lieben als jeman­den zu töten? Geschwis­ter lieben sich — das wäre meine These — schon ziem­lich anders als Eheleute. Eltern lieben ihre Kinder anders als vice ver­sa — vielle­icht liebt sog­ar der Vater anders als die Mut­ter. Der Men­sch liebt Gott anders als sich Frischver­liebte lieben. Das Meer liebt man in der Regel anders als sein Vater­land und so fort an.
    Kön­nte es nicht eher damit zusam­men­hän­gen, dass Men­schen über äußer­lich wahrnehm­bare Hand­lun­gen sehr viel häu­figer und schon seit sehr viel län­ger­er Zeit sprechen als über innere Vorgänge. Diet­rich Schwanitz hat sehr pointiert geschrieben, was Ver­liebt­sein ist, wisse die Men­schheit erst seit Shake­spear­es “Romeo und Julia”.
    Das erk­lärte dann auch, warum “jeman­den lieben” in der Bedeu­tung “mit jeman­dem Geschlechtsverkehr haben” — wie Björn zutr­e­f­fend bemerk­te — in der Zahl der Syn­ony­ma das Töten lock­er erre­ichen dürfte.
    “Reden” dürfte auch deut­lich mehr Syn­ony­ma haben als “Denken”. Und man wird kaum sagen kön­nen, dass Reden stärk­er tabuisiert sei als Denken. Und nur weil es mehr Wörter fürs Reden und Töten als fürs Denken und Lieben gibt, ist man dem Schluss zugeneigt, dass es mehr Arten des erst­ge­nan­nten Hand­lungsweisen als der zweit­ge­nan­nten Geis­teszustände gäbe.

  11. Phaeake

    @Nathalie
    Min­destens eben­so beze­ich­nend finde ich, dass “Sie als Frau” beim Geschlechtsverkehr gle­ich die Fortpflanzung assoziieren 🙂

  12. Nathalie

    Zur kör­per­lichen Liebe
    “Vielle­icht sind wir Deutschen tat­säch­lich ein­fach ein sehr liebestolles Volk (aber wer käme schon auf diese Idee)? Vielleicht.
    Aber die Gründe für die lexikalis­che Vielfalt beim Sex liegen woan­ders. Erstens gibt es schlicht sehr viele Arten, Sex zu haben: Viele der bekan­nten Wörter und Wen­dun­gen spez­i­fizieren ein bes­timmtes Vorge­hen (z.B. blasen, reit­en), die Beziehung zwis­chen den Beteiligten (z.B. fremdge­hen, die Ehe vol­lziehen) oder eine bes­timmte Absicht (z.B. schwängern, entjungfern). Zweit­ens ist Sex in unser­er Gesellschaft tabuisiert, und wir brauchen deshalb Euphemis­men, die das ganze etwas blu­miger (vögeln), ser­iös­er (kop­ulieren, pen­etri­eren), harm­los­er (schnack­seln, Liebe machen) oder Dys­phemis­men, die es beson­ders bru­tal (ram­meln, nageln) klin­gen lassen.”
    Kon­nte nicht wiederstehen 😉

  13. Nathalie

    @Phaeake
    Hihi, ja, kön­nte man so sehen. Wobei ich das gerne auf den Kon­text “Leben been­den” vs. “Leben zeu­gen” schieben würde 😉

  14. Rúna Gísladóttir

    Ste­fanow­itsch silaappoq
    Ich kenne schon recht viele Begriffe und Wen­dun­gen im Grön­ländis­chen, die mit Schnee und seinen Erschei­n­ungs­for­men zu tun haben. Es kön­nte vielle­icht daran liegen, dass ich kein Hochsta­pler bin, der irgend­woher etwas aufgeschnappt hat und sich im Inter­net als Fachkundi­ger auf­spielt, son­dern auf einem isländis­chen Hof mit vie­len Gas­tar­beit­ern aus Grön­land aufgewach­sen bin.
    Ich würde mich sehr gerne mal mit Dir auf grön­ländisch über Schnee unter­hal­ten, am besten vor ein­er Kam­era, so dass alle sehen und hören kön­nen, wie tief Dein Wis­sen ist. Meine E‑Mail hast Du ja. Ich komme jed­erzeit zu Dir nach Ham­burg und kann auch noch ein paar Grön­län­der mitbringen.
    Rúna Gísladóttir
    [Sehr geehrte Frau Gís­ladót­tir, Sie dür­fen Ihre Bauern­hof-Erfahrun­gen gerne auf Ihrer eige­nen Web­seite ver­ar­beit­en. Vielle­icht gelingt es Ihnen ja, die staunende Fach­welt von ein­er Vielzahl von Wörtern für Schnee im Grön­ländis­chen zu überzeu­gen, aber wahrschein­lich­er ist es wohl, dass Sie nur ein weit­eres Mal Ihr Unver­ständ­nis bezüglich sprach­lich­er Struk­tur­prinzip­i­en und Funk­tion­sweisen doku­men­tieren. Mir wäre bei­des recht, solange Sie (und die anderen Mitwirk­enden Ihrer gerne­großen, pseudo­bil­dungs­bürg­ertümel­nden Lang­weil­er­seite) mir hier im Sprachlog damit nicht auf den Geist gehen. Um Ihnen dabei zu helfen, Ihre dümm­lichen Pöbeleien in Zukun­ft für sich zu behal­ten, sind Sie für Kom­mentare hier ab jet­zt ges­per­rt. — A.S.]

  15. Dierk

    Schnee
    Ist ja nicht so, als gäbe es im Deutschen [oder Englis­chen, Franzö­sis­chen etc.] nicht auch reich­lich Wörter für die ver­schiede­nen Erschei­n­ungsweisen von ‘Schnee’.
    Ich habe lei­der ger­ade so viel Anderes zu tun, dass ich den dem ‘viele Wörter für Schnee’ zugrunde liegen­den Denk­fehler hier nicht auseinan­derk­lamüsere. Vielle­icht kom­men ja alle selb­st drauf, der erste Satz dieses Kom­men­tars reicht ja wohl als Denkanstoß.

  16. professorbunsen

    Spielte man das für “Beis­chlaf” und die Syn­onyme durch, müssten wir auch in ein­er extrem lustvollen Gesellschaft leben.

  17. Pechmarie

    @Kronf
    Dass es im Samis­chen viele Wörter für ver­schiedene Arten von Ren­tieren gibt halte ich für wenig ver­wun­der­lich, im Deutschen gibt es ja auch sehr viele Wörter für ver­schiedene Arten von Rindern.
    Spon­tan fall­en mir Ochse, Bulle, Sti­er, Kalb, Färse, Rind (in der Fach­sprache eine Kuh, die das erste Mal kalbt), Kuh und Vieh/Viech (bei den mir bekan­nten Bauern ist das ein neu­traler Begriff) ein.
    Dazu kom­men noch Beze­ich­nun­gen für ver­schiedene Rinder­rassen, aber davon habe ich wirk­lich keine Ahnung.
    In Deutsch­land wer­den Rinder nur für Fleis­cherzeu­gung und Milch­wirtschaft gehal­ten, die Ren­tiere der Saa­mi sind außer­dem noch Zugtiere, was ver­mut­lich zu ein­er weit­eren sprach­lichen Aus­d­if­feren­zierung führt.

  18. CB

    Als fik­tionale Sprach ist Dothra­ki mäßig inter­es­sant – ihm fehlt die solide anti-typol­o­gis­che Exotik, die z.B. das Klin­go­nis­che oder das Na’vi kennzeichnet.”
    Dothra­ki wird allerd­ings von Men­schen gesprochen, nicht von außerirdis­chen Wesen wie Klin­go­nen oder Na’vi. Entsprechend gehe ich nicht davon aus, dass aus­ge­sproch­ene typol­o­gis­che Exotik hier notwendi­ger­weise ein Designziel war/sein muss.

  19. Marén

    Syn­onyme für “lieben”
    Aus dem Duden online:
    Syn­onyme zu lieben:
    anbeten, gern­hab­en, hän­gen an, ins Herz geschlossen haben, lieb haben, mögen, sein Herz ver­loren haben, vergöt­tern, ver­liebt sein, vernar­rt sein; (gehoben) verehren, zärtliche Gefüh­le hegen, zuge­tan sein; (umgangssprach­lich) anhim­meln, eine Schwäche/Vorliebe haben, etwas übrighaben für, schwär­men; (umgangssprach­lich) abfahren auf, Feuer und Flamme sein, toll find­en, ver­rückt sein auf/nach; (umgangssprach­lich, beson­ders Jugend­sprache) ste­hen auf
    Plus 29 syn­onym ver­wend­bare Phrasen/Wörter für Sex (und das dürften bei Weit­em nicht alle sein).
    Ihrer Her­leitung zufolge wären wir ein sehr lieblos­es Volk, was ich nicht so recht glauben möchte.

  20. Anatol Stefanowitsch

    @D. Müller, Marén: Das sind alles keine Syn­onyme für „lieben“, son­dern nur lose bedeu­tungsver­wandte Wörter. Die Redewen­dun­gen, die Phaeake nen­nt, sind da schon näher dran.
    @Phaeake: Die ver­schiede­nen Arten der Liebe — wäre eine inter­es­sante Frage, ob es Sprachen gibt, die hier unter­schei­den (dass Schwanitz allerd­ings das Konzept der roman­tis­chen Ver­liebtheit auf Shake­speare zurück­führt, zeugt von ein­er erstaunlichen Unken­nt­nis der roman­tis­chen Lit­er­atur vor und außer­halb des elis­a­bethanis­chen Eng­land. Aber nun, der Mann war anglis­tis­ch­er Lit­er­atur­wis­senschaftler). Die Frage nach dem Zusam­men­hang mit der äußer­lichen Wahrnehm­barkeit ist eben­falls inter­es­sant, man müsste das mal sys­tem­a­tisch untersuchen.
    @Nathalie: Ja, für das aus­d­if­feren­zierte Geschlechtsverkehrvok­ab­u­lar würde ich diese Argu­men­ta­tion sofort unterschreiben.

  21. gnaddrig

    @ Marén: Lieblos
    Tät ich auch lieber nicht glauben, aber schauen wir uns mal um: Wenn irgend­wo eine Aus­sage gegen Ras­sis­mus, Frauen­feindlichkeit, Homo­pho­bie o.ä. gemacht wird und die Autorin die Dreistigkeit besitzt, diese (oder beliebige andere) Spielarten von Diskri­m­inierung schlechtzuheißen und Mit­ge­fühl mit den Opfern zu äußern, kriegen Sie sofort einen Sturm has­ser­füll­ter Kom­mentare, die das für unsin­nig oder gefährlich hal­ten oder jede (ver­meintliche) Besser­be­hand­lung der Diskri­m­inierten strikt ablehnen. Ein Beispiel ist der Zeit-Artikel über die Gedenk­feier für die Opfer der NSU (hier). Die übel­sten Äußerun­gen sind von der Mod­er­a­tion ziem­lich schnell gelöscht wor­den, aber da weht so viel Hass oder wenig­stens Miss­gun­st durch die Kom­mentare, dass ich keine Prob­leme habe, die Deutschen für ein großen­teils lieblos­es und egozen­trisches Volk zu halten.
    Inwieweit man aus dem Vok­ab­u­lar ohne weit­eres solche Schlüsse ziehen kann, weiß ich nicht. Da muss man wahrschein­lich vor­sichtig sein…

  22. David

    Eigentlich zeigt doch schon der Ort, an dem “Romeo und Julia” sich zuträgt, von wem die Englän­der das Ver­liebt­sein gel­ernt haben…

  23. David

    Und in der größten deutschen Tragödie geht es um einen not­geilen alten Sack — was sagt uns das?

  24. Phaeake

    Die größte deutsche Tragödie
    han­delt von einem sehr sprachaffinen deutschen Hochschullehrer. Sie begin­nt mit der Suche nach der tre­f­fend­sten Über­set­zung des alt­griechis­chen Wortes ‘logos’. Das mit dem not­geilen alten Sack will ich über­hört haben.
    Ob es nun Shake­speare, Cat­ull oder Sap­pho die erste präzise Beschrei­bung des Ver­liebt­seins geleis­tet hat, finde ich gar nicht so wichtig. Bedeu­ten­der erscheint mir, dass eine Sprachge­mein­schaft recht weit entwick­elt sein muss, um hier­für das Vok­ab­u­lar zu entwick­eln. Jeden­falls weit­er als, die the­ma­tisiert, dass man Mam­mut tot gemacht habe.

  25. D. Müller

    @ A.S.: Die Begrün­dung a), dass die
    ver­schiede­nen Tötungsarten zu vie­len Syn­ony­men führen, leuchtet unmit­tel­bar ein, die Begrün­dung b) mit der Tabuisierung muss dif­feren­ziert wer­den. Denn auch “lieben” kann tabuisiert wer­den, und zwar nicht nur die kör­per­liche Form. Davon zeu­gen Syn­onyme und eng sin­nver­wandte Wen­dun­gen wie “(voll) abfahren auf” (ein 16-Jähriger redet sel­ten offen über Gefüh­le, jeden­falls solche) oder tief­sta­p­lerische Aus­drücke wie “gern haben” (muss kein Syn­onym für “lieben” sein, kann es aber, wenn der Sprechende z. B. fürchtet, aus­gelacht zu wer­den). Und natür­lich gibt es etliche roman­tisierende Metaphern.

  26. lupino

    Liebe und Sex
    Für „lieben“ im engeren Sinne gibt es tat­säch­lich keine oder nur sehr wenige wirk­liche Syn­onyme bzw Periphrasen (behaupte ich).
    Für „Sex haben“ dage­gen schon, Beispiele haben andere vor mir schon aus­re­ichend gegeben.
    Das Prob­lem ist hier wohl, dass (eine der Bedeu­tun­gen von) „lieben“ oder „liebe machen“ eine Periphrase für „Sex haben“ ist, statt dass „Sex haben“ eine von „lieben“ ist.
    Genau das bestätigt aber Ana­tols Hypothese, dass eine Sprache vor allem zu tabuisierten The­men eine ganze Fülle von Umschrei­bun­gen mit und ohne Kon­no­ta­tion her­vor­bringt. Und im Gegen­satz zum Konzept der „seel­is­chen“ Liebe ist das der kör­per­lichen im Deutschen heute wie damals extrem stark tabuisiert.

  27. Gerald Angerer

    Worte wer­den Wörter
    Off-Top­ic. Sor­ry. Muss es nicht “Das mit den Eski­mos und ihren WÖRTERN | resp. WORTEN ..” heißen?

  28. Dierk

    @A.S.
    Ich war zu Recht immer bekan­nt als jemand, der Schwanitz für weit über­schätzt hielt, aber hier muss ich ihn ein wenig in Schutz nehmen. Der Mann war schon hochge­bildet und wusste sehr wohl um die Lit­er­atur zur Liebe [und zum Tod selb­stver­ständlich — die bei­den The­men der Lit­er­atur]. Als Shake­speare-Ken­ner wusste er natür­lich, wo der größte Dichter aller Zeit­en raub­mord­kopiert — ‘tschuldigung: Inspi­ra­tion gefun­den — hatte.
    Die Inter­pre­ta­tion des von Phaeake para­phrasierten Satzes ist beina­he schon bösar­tig, ging es DS doch nur um eine Hyper­bel bzgl. der Großar­tigkeit WS’. Ein rhetorisch­er Kniff somit.
    PS: Als gesellschaftlich bedeut­sam, d.h. vom Ide­al zur ver­sucht­en Real­ität überge­gan­gen, würde ich die roman­tis­che Liebe übri­gens erst dem Ende des 18. bzw. dem Beginn des 19. Jahrhun­derts zuschla­gen. Aber dieses weite Feld mache ich irgend­wann mal bei mir im Blog auf.

  29. Anatol Stefanowitsch

    @Dierk
    Und ich habe Schwanitz immer für unter­schätzt gehal­ten — ger­ade seinen unmit­tel­baren Kol­le­gen (waren ja alles Kol­le­gEN, damals) ist es es schw­erge­fall­en, hin­ter sein­er nicht zu leug­nen­den Eit­elkeit und Öffentlichkeit­saffinität den höchst bril­lanten und vor allem orig­inellen Denker zu erken­nen. Er hätte es um ein Haar geschafft, mich von der Sprach­wis­senschaft weg zur Lit­er­atur­wis­senschaft zu brin­gen! Trotz­dem zeigt nicht nur das hier disku­tierte Zitat die Gren­zen seines Denkens, auch seine Schriften und seine Vor­lesun­gen haben immer deut­lich gemacht, dass er zwar sehr bele­sen, aber auch sehr gefan­gen in bes­timmten Strö­mungen der europäis­chen Geistes- und Kul­turgeschichte war. Hyper­bel hin oder her, ich habe von Schwanitz ganze Vor­lesun­gen über die roman­tis­che Liebe gehört (schw­er gestützt auf Luh­mann), und da hat er die Liebe natür­lich eben­falls als Phänomen der Mod­erne dargestellt (und sich eben­falls kräftig auf Shake­speare bezo­gen). Das kann man ja auch machen, wenn man Liebe genau auf das einengt, was die Lit­er­atur seit dem 18 Jahrhun­dert aus ihr gemacht hat. Aber das ist dann natür­lich zirkulär (was Literaturwissenschaftler/innen allerd­ings noch nie gestört hat). Da Dopamin, Adren­a­lin, Endor­phin und Cor­ti­sol aber deut­lich älter sind als Shake­spear­es Stücke, bleibe ich mal bei mein­er vor langer Zeit aufgestell­ten Arbeit­shy­pothese, dass die Idee von (roman­tis­ch­er) Liebe als Erfind­ung der Mod­erne ihrer­seits eine Erfind­ung von (europäis­chen, weißen) Män­nern mit­tleren Alters ist, deren Motive für jeden außer ihnen selb­st offen­sichtlich sein dürften. Also: Schwanitz war großar­tig und sein viel zu früher Tod ist auch aus intellek­tueller Sicht bedauer­lich, aber zu einem Experten in Sachen roman­tis­ch­er Liebe würde ich ihn nicht ernennen.

  30. Helmut Wicht

    @ Ste­fanow­itsch
    Man mache das­selbe “open thesaurus”-Spiel mit “leben” und “ster­ben”. Man wird wenige Syn­onyme für’s Leben, aber viele für’s Ster­ben find­en. Das­selbe bei “gelin­gen” (wenige Syn­o­myme) — “scheit­ern” (viele).
    Also liegt doch der Ver­dacht nahe, dass pos­i­tiv kon­notierte Ver­ben weniger Syn­onyme haben, als neg­a­tive. Oder, meta­ph­ysisch-philosophisch gesprochen: der Möglichkeit­sraum des Neg­a­tiv­en, dessen, was nicht/noch nicht ist oder nicht sein soll, ist wesentlich weit­er als der Raum des Pos­i­tiv-Seien­den — und die Sprache trägt dem Rechnung.

  31. David

    Kann man das The­ma “roma­tis­che Liebe in der englis­chen Lit­er­atur” sin­nvoll disku­tieren, ohne Chaucer mit ins Bild zu nehmen? Es kommt mir nach den Schilderun­gen so vor, als habe der bei Schwanitz nur ein Schat­ten­da­sein gefris­tet, aber das kann ich mir eigentlich nicht so recht vorstellen.

  32. David

    roma­tis­che Liebe

    Sollte natür­lich “aroma­tis­che Liebe” heißen.
    Neben­bei gefragt: denkt Ihr, Schwanitz wollte mit seinem Bil­dungs­buch der Men­schheit ern­sthaft gutes tun oder sich eher sub­til über diejeni­gen lustig machen, die es lesen?

  33. stefle

    Es wäre hil­fre­ich, wenn hier mal erläutert würde, wie Syn­onyme von bloß “bedeu­tungsver­wandten” Wörtern abge­gren­zt werden.
    “ver­gasen” und “erstick­en” sollen syn­onym sein, “lieben” und “ins Herz schließen” jedoch nur bedeutungsverwandt?
    Kann man diese ver­schiede­nen Kat­e­gorien so direkt ver­gle­ichen? Natür­lich ist jede Hand­lung, die den Tod eines Lebe­we­sens zur Folge hat, eine Form von “töten”. Ein wirk­lich sim­ples Kri­teri­um: Ist am Ende jemand tot, so hat man ein Syn­onym für “töten”. Übri­gens wur­den Syn­onyme für Selb­st­tö­tung­shand­lun­gen aus­ge­lassen. (Wahrschein­lich weil es nicht so gut in das beab­sichtigte Schema des Kriegerischen passt.)
    Was wäre das entsprechende Kri­teri­um, das alle Syn­onyme für “lieben” verbindet? Was ist denn das, was “lieben” von “mögen” (und der­gl.) unter­schei­det? Muss man dafür das Wort “lieben” nicht definieren?

  34. Christoph Päper

    Apples and oranges
    Ver­ben für eine akute Hand­lung mit denen für einen chro­nis­chen Gemüt­szu­s­tand zu ver­gle­ichen ist von vorn­here­in ein biss­chen apfel­birnig. Ob lex­emis­che Syn­onymfre­quenz über­haupt eine Aus­sagekraft hat, lässt sich an diesem Paar ganz bes­timmt nicht sin­nvoll untersuchen.

  35. stefle

    @Anatol
    Ich zitiere kurz aus einem dein­er Kommentare:
    “@D. Müller, Marén: Das sind alles keine Syn­onyme für „lieben“, son­dern nur lose bedeu­tungsver­wandte Wörter. Die Redewen­dun­gen, die Phaeake nen­nt, sind da schon näher dran.”
    (http://www.sprachlog.de/2012/03/14/wortgewaltphantasien/)
    Laut Wikipedia kann man statt von Syn­onymie “auch von Bedeutungs‑, Sinn- oder Ver­wen­dungs­gle­ich­heit, ‑ähn­lichkeit oder ‑ver­wandtschaft sprechen”.
    Die Wörter dein­er Beispiel­liste im Artikel beze­ichnest du alle als Wörter für “töten”. Offen­bar sind das für dich Syn­onyme, so inter­pretiere ich jeden­falls den oben zitierten Kom­men­tar. Lei­der bleibt völ­lig unklar, was du meinst. Syn­onyme im Sinne von “Bedeutungs‑, Sinn- oder Ver­wen­dungs­gle­ich­heit” kön­nen die von dir aufge­führten Beispiele nicht sein, zumin­d­est nicht alle dein­er Beispiele. “abstechen”, “erschießen” oder “vergiften” lassen sich nicht ohne weit­eres aus­tauschen. (Neben­bei bemerkt: Wenn man das Wort “erschießen” nicht hätte, müsste man sich mit ein­er Wort­gruppe behelfen, etwa “mit ein­er Schuss­waffe töten” — ist das noch eine Beudeutungs“verwandtschaft” oder geht das nicht weit darüber hinaus?)
    Schade, dass du sich dazu nicht äußern magst.

  36. impala

    lieben vs. abfahren/stehen auf etc.
    Ich weiß ja nicht, ob einige Autoren hier schon lange in ein­er monoga­men, ere­inigslosen Ehe steck­en und deshalb keine Unter­schiede mehr sehen, aber lieben und solche Aus­drücke wie abfahren auf oder ste­hen auf sind nicht annäh­ernd bedeu­tungsver­wandt und existieren mit Sicher­heit nicht nur, weil 16-Jährige nicht gerne über Gefüh­le reden. Man kann übri­gens auch noch mit 24 auf jeman­den abfahren.
    Wenn also ein Junge auf ein Mäd­chen aus sein­er Klasse abfährt, heißt das noch lange nicht, dass er sie liebt. Und wenn jemand sagt “ich ste­he auf Jungs”, liebt er nicht die Gesamtheit aller Jungen.

  37. Dierk

    @stefle
    Wo ist der Link zum WP-Artikel, aus dem du die Def­i­n­i­tion für ’syn­onym’ hast? Ist die dort ver­suchte Syn­onymisierung wis­senschaftlich halt­bar oder bloß Kon­ver­sa­tion­slexikon? Ist die WP über­haupt eine let­zt­gültige Quelle oder nur ein hil­fre­ich­er Start­punkt? Sind ‘Enzyk­lopädie’ und ‘Lexikon’ synonym?

  38. stefle

    Ich würde den kurzen Auss­chnitt, den ich zitiert hat­te, nicht als Def­i­n­i­tion bezeichnen.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Synonym
    (1. Absatz)
    Möglicher­weise lässt sich der Begriff des Syn­onyms ver­schieden definieren. Mich würde vor allem inter­essieren, wie Ana­tol seine Beis­pel­liste der Wörter für “töten” ver­ste­ht. Den Begriff “Syn­onym” hat er später in einem Kom­men­tar verwendet.
    Du musst deine Frage Ana­tol stellen.

  39. rittódalsíG anuR

    Die staunende Fachwelt
    Herr Pro­fes­sor, obwohl ich nur ein ein­fach­es Bauern­mäd­chen bin, darf ich den­noch zitieren, was die Fach­welt zu diesem abge­früh­stück­ten The­ma zu sagen hat?
    Jan Hen­rik Holst
    Ein­führung in die eski­mo-aleutis­chen Sprachen
    Ham­burg, 2005
    Seite 169f
    Im Wortschatz jed­er Sprache kommt es zu ein­er Anpas­sung an die Umwelt: Für Dinge, über die oft gesprochen wird, entwick­elt sich eine entsprechende Ter­mi­nolo­gie. In den Eski­mo-Sprachen gibt es u. a. über den Wal­fang, den Fis­chfang und das Kli­ma der Ark­tis einen ela­bori­erten Wortschatz. Das berühmteste Beispiel ist die Möglichkeit, viele Sorten von Schnee zu unter­schei­den. Dorais (1990:205) [Dorais, Louis-Jacque: The Cana­di­an Inu­it and their lan­guage. In: Col­lis (1990), Seite 185–289)] hat aus zwei Wörter­büch­ern von Lucien Schnei­der die fol­gen­den Schnee-Wörter im Arc­tic Que­bec Inuk­ti­tut zusammengestellt:
    qanik: fal­l­en­der Schnee
    qanit­taq: vor kurzem gefal­l­en­er Schnee
    aputi: Schnee auf dem Boden
    mau­jaq: weich­er Schnee auf dem Boden
    masak: nass­er fal­l­en­der Schnee
    mat­saaq: hal­bgeschmolzen­er Schnee auf dem Boden
    aqil­luqaaq: Treiben von weichem Schnee
    sit­il­luqaq: Treiben von hartem Schnee
    kaviRisiR­laq: durch Regen und Frost rauh gewor­den­er Schnee
    pukak: kristal­len­er Schnee auf dem Boden
    miN­uliq: fein­er Man­tel von pudrigem Schnee
    natiRu­vaaq: fein­er von Wind getra­gen­er Schnee
    piiR­tuRiniq: dün­ner Man­tel von weichem Schnee auf einem Objekt
    qiqumaaq: Schnee, dessen Ober­fläche gefroren ist
    katakaR­tanaq: harte Kruste von Schnee, die unter Fußstapfen nachgibt
    auman­naq: Schnee im Begriff zu schmelzen, auf dem Boden
    aniu: Schnee zum Her­stellen von Wasser
    SiR­miq: schmelzen­der Schnee als Bau­ma­te­r­i­al für ein Schneehaus
    illusaq: Schnee benutzbar zum Bauen eines Schneehauses
    isiRi­aR­taq: gel­ber oder rötlich fal­l­en­der Schnee
    kiniR­taq: kom­pak­ter Schnee
    maN­NUq: schmelzen­der Schnee
    qan­ni­alaq: leicht fal­l­en­der Schnee
    qan­nia­paluk: sehr leicht fal­l­en­der Schnee, noch in der Luft
    Ich selb­st kenne nur den Osten Grön­lands. Wenn man da von Sied­lung zu Sied­lung reist, erfährt man noch viel solch­er Wörter, die an die Schneebe­din­gun­gen des Ortes angepasst sind. Und die Menge ist örtlich immer viel größer als die Wörter oben in der Liste.

  40. David

    Daß es in diesen Sprachen viele Wörter für Schnee — aber auch für Hitze und Schmerz ‑gibt, bestre­it­et ja nie­mand. Es gibt nur keine bes­timmte endliche Zahl davon, son­dern vielmehr poten­tiell unendlich viele. Einen aus­sagekräfti­gen Ver­gle­ich mit etwa dem Deutschen erhält man nicht dann, wenn man Eski­mo-Aleutis­che Wörter mit den Wörtern die die erbärm­liche deutsche Mor­pholo­gie hergibt ver­gle­icht, son­dern dann, wenn man als Ver­gle­ich­spunkt etwa die deutsche Nom­i­nalphrase hern­immt. Dann zeigt sich (wie auch die Über­set­zun­gen Ihrer Beispiele schon nahele­gen), daß das Deutsche mit Nom­i­nalphrasen für Schnee über­re­ich geseg­net ist:
    ‑Schnee, der gestern gefall­en ist
    ‑Schnee, in den jemand gepinkelt hat
    ‑Schnee, auf dem ein­mal ein Tanz stattfand
    ‑Schnee, auf dem zweimal ein Tanz stattfand
    ‑Schnee, auf dem dreimal ein Tanz stattfand

  41. krass

    grön­ländisch und schnee
    die antwort ist nicht ger­ade befriedi­gend. es existiert schon ein unter­schied zwis­chen einem einem sub­stan­tiv + neben­satz und einem zusam­menge­set­zten wort.
    1. geht es erst mal darum, ob man sowas wie “durch frost rauh gewor­den­er schnee” im deutschen sagt. das bezwei­fle ich. wenn die grön­län­der allerd­ings wert darauf leg­en, diese unterteilung durchzuführen, dann kann man diese beschrei­bung sehr wohl als einzelnes wort anse­hen. im deutschen unter­schei­det man vielle­icht weichen schnee, harten schnee, matschi­gen schnee und schnee, der schlecht geeignet für die her­stel­lung von schnee­bällen ist.
    im grön­ländis­chen scheint es aber zig weit­ere unterteilun­gen zu geben, die den deutschen egal zu sein.
    somit ist die auf­führung all dieser begriffe gerecht­fer­tigt und das leug­nen dieser wortvielfalt ist lächerlich.
    2. find­et man in der liste genug zweisil­bige wörter, die wohl kaum aus einem adjek­tiv und sub­stan­tiv ent­standen sind. und selb­st wenn sind sie jet­zt feste wen­dun­gen. haben wir das wort “weich­schnee” oder “hartschnee”? zumin­d­est nicht im nor­malen sprachge­brauch. und wenn jemand auf einem bauern­hof aufwächst und dort solche wörter wie “weich­schnee” oder “rauh-durch-frost-schnee” ken­nel­ernt, dann sagt das EINIGES über das vok­ab­u­lar der grön­län­der aus.

  42. zr0wrk

    @krass
    Natür­lich gibt es einen Unter­schied zwis­chen zusam­menge­set­zten Wörtern und Neben­sätzen. In welch­er Sprache man sich welch­er Kon­struk­tion behil­ft, sagt aber nichts darüber aus, wieviele ver­schiedene Arten Schnee sich wer vorstellen kann. Vielle­icht soll­ten sie mal mit einem (deutschsprachi­gen) Schweiz­er Law­inen­forsch­er sprechen, der hat trotz sein­er man­nig­falti­gen Vorstel­lung ver­schieden­er Schneetypen wahrsce­hin­lich nur wenige Wörter parat, die nicht das Wort “Schnee” enthal­ten (Schwimm­schnee, Schneewechte, Schneewe­he, Trieb­schnee, Lock­er­schnee, Nasss­chnee, Neuschnee, Büßer­schnee, Firm­schnee). Natür­lich gibt es auch solche Wörter (Harsch oder Sulz), aber selb­st die lassen sich mit “~schnee” ver­wen­den. Dass der Schweiz­er Law­inen­forsch­er da so unflex­i­bel ist, liegt nicht daran, dass er oder seine Land­sleute zu wenig über Schnee nach­denken, son­dern daran, wie in ihrer Sprache — dem Deutschen näm­lich — Begriffe gebildet werden.
    Im Übri­gen gibt es auch im Deutschen ein Wort für roten Schnee: Blutschnee. Das klingt ein biss­chen gruselig, oder?

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