Anglizismus des Jahres: Ferner liefen

Von Anatol Stefanowitsch

Nach­dem die Anglizis­mus-des-Jahres-Jury die Wortkan­di­dat­en zur Diskus­sion unter sich aufgeteilt hat, sind fünf Wörter übrigge­blieben, die nie­mand haben wollte: Bro­mance, Bub­ble Tea, Eurobonds, Hair­cut und Part­ner­ing. Das bedeutet noch nicht zwin­gend, dass diese Wörter keine Chance mehr auf einen Sieg haben, denn wir haben uns die Wörter, mit denen wir uns aus­führlich beschäfti­gen woll­ten, eher nach per­sön­lichem Geschmack und Inter­esse aus­ge­sucht, als nach der Frage, ob sie aus­sicht­sre­iche Kan­di­dat­en sind. Und eine ganze Rei­he der bish­er disku­tierten Wörter sind ja in ihren Aus­sicht­en eher zurück­hal­tend bew­ertet worden.

Trotz­dem muss sich natür­lich irgend­je­mand dieser fünf Wörter annehmen, denn wenn sie gar nicht disku­tiert wer­den, ger­at­en sie am Ende doch in Vergessen­heit, wenn wir in den näch­sten Tagen die noch verbleiben­den Kan­di­dat­en aus­führlich­er disku­tieren. Also sollen sie hier wenig­stens eine Kurzrezen­sion erhalten.

Bro­mance. Eine Bro­mance ist laut Wikipedia eine „nicht sex­uelle, sehr innige Beziehung zwis­chen zwei Män­nern“ (Wikipedia, s.v. Brud­er). Was es von ein­er „Män­ner­fre­und­schaft“ unter­schei­det, erschließt sich mir selb­st bei der Lek­türe des recht lan­gen Ein­trags in der englis­chen Wikipedia nicht. Die Herkun­ft des Wortes ist wohl in der MTV-Real­i­ty-Show „Bro­mance“ zu suchen, die ab 2008 gesendet wurde. Die Ver­bre­itung des Wortes im Deutschen scheint eher begren­zt. Es find­en sich zwar fast 1 Mil­lion Tre­f­fer auf .de-Web­seit­en, aber die große Mehrzahl davon beste­ht aus Ver­weisen auf die Fernsehserie oder andere Medi­enerzeug­nisse mit diesem Wort im Titel oder aus Artikeln, die das Wort selb­st erk­lären. Im Deutschen Ref­eren­zko­r­pus gibt es nur drei Tre­f­fer, die alle aus einem Inter­view der Ham­burg­er Mor­gen­post vom 22.8.2009 stam­men:

Helders: P. Did­dy hat mich neulich durch seine Nobel-Hütte in Mia­mi geführt. Er behauptet jet­zt sog­ar, er wäre unser fün­ftes Bandmitglied!

MOPO: Der Begriff „Bro­mance“ macht seit Ihrem Zusam­men­tr­e­f­fen die Runde.

Helders: In Ameri­ka gibt es eine Real­i­ty-TV-Show, die so heißt. Ich habe keine Ahnung, warum sie es nicht ein­fach Fre­und­schaft nen­nen. Aber nun haben Did­dy und ich eben diese „Bro­mance“.

Das Google-News-Archiv liefert ganze 21 Tre­f­fer für die Jahre zwis­chen 2001 und 2011. Diese begin­nen 2009 und stam­men mehrheitlich von 2011, und unter ihnen find­en sich tat­säch­lich ein paar Artikel, die das Wort ver­wen­den, statt nur darüber zu reden — dabei geht es dann meis­tens um Hol­ly­wood-Stars. Ob das Wort über­haupt außer­halb der Klatsch­presse ver­wen­det wird, ist für mich aber nicht ersichtlich. Eine Bere­icherung scheint mir das Wort schon im Englis­chen nicht zu sein, geschweige denn im Deutschen. Es mag sein, dass es sich in den näch­sten Jahren aus­bre­it­et und dann durch eine Aus­d­if­feren­zierung sein­er Bedeu­tung tat­säch­lich eine lexikalis­che Lücke füllt. Dann darf es sich wieder bewer­ben. Bis dahin sehe ich es wie Arc­tic-Mon­keys-Schlagzeuge Matt Helders — keine Ahnung, warum sie es nicht ein­fach „Fre­und­schaft“ nennen.

Bew­er­tung der Anwartschaft: 1/5 Sternchen (die ich auch als Sternchen darstellen würde, wenn die Blog­soft­ware, auf der wir hier bei den SciLogs arbeit­en müssen, dazu in der Lage wäre).

Bub­ble Tea. Bub­ble Tea ist ein Getränk aus Tee, Zuck­er, Frucht­sirup, Milch, Stärke und Farb­stoff, das in den 1980er Jahren in Tai­wan ent­stand und in den let­zten Jahren Deutsch­land erre­icht hat. Einen sehr tiefen Ein­druck hat es in der deutschen Sprache bish­er nicht hin­ter­lassen: Im DeReKo gibt es für Bub­ble Tea nur fünf Tre­f­fer aus zwei Artikeln. Die sind aber immer­hin bei­de von 2011 und in bei­den Artikeln wird erk­lärt, was Bub­ble Tea ist, woher er kommt, wie man ihn zubere­it­et — ein Hin­weis darauf, dass es sich nicht nur bei dem Wort, son­dern auch beim dazuge­höri­gen Getränk um eine in Deutsch­land noch recht neue Erschei­n­ung han­delt. Der Voll­ständigkeit hal­ber sei aber erwäh­nt, dass es auf .de-Web­seit­en schon weit über eine Mil­lion Tre­f­fer für Bub­ble Tea gibt. Den Wikipedia-Ein­trag für Bub­ble Tea gibt es schon seit 2007, aber in den frühen Ver­sio­nen wird noch expliz­it darauf hingewiesen, dass das Getränk „vor allem in Tai­wan, Chi­na und Südostasien sehr beliebt [ist], aber seit einiger Zeit auch in den USA und in Aus­tralien“ (Wikipedia, s.v. Bub­ble Tea, 18.10.2007). Der erste Bub­ble-Tea-Shop in Deutsch­land war möglicher­weise das „Bobo Q“ in Berlin, das am 20. Feb­ru­ar 2010 eröffnete. Lehn­wörter gelan­gen häu­fig gemein­sam mit dem neuen Pro­dukt oder der neuen Kul­turtech­nik, die sie beze­ich­nen, in eine Sprache und insofern ist Bub­ble Tea ein klas­sis­ches Lehn­wort. Es füllt die lexikalis­che Lücke, die durch das neue Getränk geschaf­fen wurde. Die direk­te deutsche Über­set­zung, Blasen­tee ist seman­tisch bere­its anders belegt und ste­ht somit nicht zur Ver­fü­gung. Eine Bere­icherung für die deutsche Sprache ist das Wort damit wohl, und neu ist es auch. Es ist halt etwas lang­weilig (das einzig inter­es­sante ist vielle­icht, dass es, obwohl es ein englis­ches Wort zu sein scheint, möglicher­weise in Tai­wan enstand, also ein Scheinan­glizis­mus war, der erst später in die englis­che Sprache über­nom­men wurde), aber Langeweile ist kein Disqualifizierungsgrund.

Bew­er­tung der Anwartschaft: 4/5 Sternchen.

Eurobonds. Mit Eurobonds (oder Euro-Bonds) meint man heute (hypo­thetis­che) Staat­san­lei­hen der Europäis­chen Union. Über die wird seit 2010 disku­tiert, 2011 hat sich die Debat­te inten­siviert, was einen klaren Häu­figkeit­sanstieg des Wortes zur Folge hat­te. Inter­es­san­ter­weise ist das Jahr 2011 aber nicht der erste Häu­figkeits­gipfel, der sich im DeReKo findet:

Häufigkeitsentwicklung des Wortes Eurobonds

Häu­figkeit­sen­twick­lung des Wortes Eurobonds

Der Gipfel im Jahr 1999 ist ein­er ganz anderen Bedeu­tung des Wortes zu ver­danken, näm­lich der von Aktien, deren Wert in Euro aus­gewiesen ist. Über die kon­nte natür­lich erst mit Ein­führung des Euro aus­führlich gesprochen wer­den, nach ein paar Jahren war der Euro dann so nor­mal gewor­den, dass es kein eigenes Wort mehr für diese Aktien brauchte. Um es kurz zu machen: Das Wort ist (in sein­er aktuellen Bedeu­tung) neu und seine alte Bedeu­tung wird nicht mehr gebraucht, und es füllt eine lexikalis­che Lücke (erst recht dann, wenn Euro-Bonds wirk­lich einge­führt wer­den soll­ten). Die offen­sichtliche Alter­na­tiv­en EU-Staat­san­lei­he und Euro-Staat­san­lei­he, die sich vere­inzelt find­en, sind unge­nau, weil die EU kein Staat ist, und sie haben den Nachteil, bere­its zur Beze­ich­nung von Staat­san­lei­hen einzel­ner Euro-Staat­en ver­wen­det zu wer­den. Das Wort ist, als ein­fach­es Kom­posi­tum, nicht sehr inter­es­sant, qual­i­fiziert sich aber trotz­dem ein­deutig für die Endrunde.

Bew­er­tung der Anwartschaft: 5/5 Sternchen.

Hair­cut. Mit Hair­cut, so erfahren wir aus dem Fach­lexikon für Wirtschaft des Han­dels­blattes, beze­ich­net man in der Finanzwelt „Abschläge vom Wert von Kred­it­sicher­heit­en“. Rel­e­vant wurde das Wort Ende 2010, als im Zusam­men­hang mit Staat­san­lei­hen gewiss­er EU-Staat­en erst­mals begonnen wurde, über Forderungsverzichte der Gläu­biger zu disku­tieren, die dann eben­falls mit dem Wort Hair­cut beze­ich­net wur­den. Zu diesem Zeit­punkt taucht es auch erst­mals im DeReKo auf, allerd­ings nur mit 14 Tre­f­fern. In 2011 kon­nte das Wort seine Tre­f­fer­zahl immer­hin auf 28 ver­dop­peln. Das Wort ist also neu und füllte in sein­er all­ge­mein­sprach­lichen Bedeu­tung („Forderungsverzicht bei Staat­san­lei­hen“) anfangs eine lexikalis­che Lücke. Trotz­dem kann es sich nicht für den Anglizis­mus des Jahres 2011 qual­i­fizieren, und zwar deshalb, weil seine 15 Minuten Ruhm schnell vor­bei waren. Wie es bei Lehn­wörtern häu­fig geschieht, fand sich näm­lich schnell ein deutsches Wort, das seinen Platz ein­nahm: das Wort Schulden­schnitt, das es 2010 auf einen einzi­gen Tre­f­fer im DeReKo brachte, das sich aber im let­zen Jahr auf beachtliche 248 Tre­f­fer steigern konnte.

Bew­er­tung der Anwartschaft: 0/5 Sternchen.

Part­ner­ing. Mit (Busi­ness) Part­ner­ing beze­ich­nen Unternehmens­ber­ater in der englis­chsprachi­gen Welt laut Wikipedia die langfristige Zusam­me­nar­beit zwis­chen Fir­men zum bei­der­seit­i­gen Vorteil (Wikipedia, s.v. Busi­ness Part­ner­ing). In dieser Bedeu­tung taucht es seit 1996 vere­inzelt auch im DeReKo auf. Einen Pop­u­lar­itätss­chub erhielt es aber ertst 2010, als die USA began­nen, die Zusam­me­nar­beit zwis­chen Nato-Stre­itkräften und dem afghanis­chen Mil­itär so zu beze­ich­nen und der dama­lige Vertei­di­gungsmin­is­ter Karl-Theodor zu Gut­ten­berg das Wort begeis­tert auf­griff. Von 12 Tre­f­fern in 2010 steigerte sich das Wort dann 2011 auf 33 Tre­f­fer. An einem fehlen­den Häu­figkeit­szuwachs scheit­ert die Kan­di­datur dieses Wortes deshalb nicht. Allerd­ings ist das Wort ins­ge­samt sel­ten geblieben und kon­nte sich aus dem ursprünglichen Ver­wen­dungszusam­men­hang bish­er nicht lösen, und ob es eine lexikalis­che Lücke füllt, darf auch bezweifelt werden.

Bew­er­tung der Anwartschaft: 1/5 Sternchen.

[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Ver­sion enthält möglicher­weise Kor­rek­turen und Aktu­al­isierun­gen. Auch die Kom­mentare wur­den möglicher­weise nicht voll­ständig übernommen.]

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

17 Gedanken zu „Anglizismus des Jahres: Ferner liefen

  1. MCBuhl

    Busi­ness partnership
    Die Zweifel, ob da eine lexikalis­che Lücke gefüllt wäre, beste­hen zu Recht. Man spricht gerne von “part­ner­schaftlich­er Zusam­me­nar­beit”, “Koop­er­a­tion” — oder auch “fairem Miteinander”.
    Die “Koop­er­a­tion” hat den Vorteil, dass sie inter­na­tion­al ver­ständlich ist…

  2. Alexander Lasch

    Bro­mance
    “Bro­mance” ist in der west­lichen Welt gebucht auf die Beziehung der zwei Titelfig­uren in der “Gears of War”-Reihe, die bish­er in drei Teilen (http://goo.gl/MfET2, http://goo.gl/EaSm3, http://goo.gl/U4Jt9) für die XBox360 erschien.
    Auch wenn man VG Charts aus ver­schiede­nen (hier nicht nen­nenswerten) Grün­den mit Vor­sicht genießen sollte, so sind die (angenomme­nen) Verkauf­szahlen der Rei­he beein­druck­end — wir sprechen von weltweit ins­ge­samt 17,45 Mil­lio­nen verkauften (nicht geliehenen oder weit­er­verkauften) Ein­heit­en (http://goo.gl/yVbWR). In Europa wur­den knapp 5 Mil­lio­nen Ein­heit­en abge­set­zt, obwohl Deutsch­land nach Eng­land der kaufkräftig­ste Markt ist und die ersten bei­den Teile hier indiziert waren.
    Mein­er Mei­n­ung nach spricht also viel dafür, dass mit der Kom­mu­nika­tion über diese Spiel­erei­he auch der Begriff schließlich seinen Weg ver­bun­den mit einem klaren Konzept nach Mit­teleu­ropa gefun­den hat.

  3. impala

    Haha ja, genau, das Wort Bro­mance ist über die Xbox in den deutschen Wortschatz – nein in den Wortschatz der west­lichen Welt! – vorge­drun­gen. Das glauben Sie ja wohl selb­st nicht. Aber immer­hin haben Sie mit Ihrem Beitrag schön Wer­bung für das Spiel gemacht.

  4. Anatol Stefanowitsch

    Gears of War
    Dass Gears of War ein wichtiger Bezugspunkt für die Ver­wen­dung des Wortes Bro­mance ist, bezwei­fle ich angesichts der Tat­sache, dass [bro­mance “Gears of War” site:de] nur 1.620 Google-Tre­f­fer liefert, [bro­mance -“Gears of War” site:de] dage­gen 2.320.000.

  5. Alexander Lasch

    @impala Das war ja ein kon­struk­tiv­er Beitrag! Besten Dank!
    @A.S. Die Ver­mu­tung rührte daher, dass auch die Com­mu­ni­ty in Deutsch­land — wie über­all anders auch — weltweit und damit in Englisch kom­mu­niziert (z.B. im englis­chsprachi­gen NeoGAF [http://www.neogaf.com/forum/index.php%5D) und sich beson­ders in den let­zten Monat­en (also der fraglichen Zeit für die Wahl zum Angliszis­mus 2011) der Begriff “Bro­mance” just an Kom­mentare zu dieser Rei­he fest­set­zte und eventuell dies u.a. auch deutschsprachige User zur Über­nahme des Begriffs bewegte. Das ist sta­tis­tisch möglicher­weise (noch) nicht beleg­bar und mit Sicher­heit auch ger­ade nicht auf der deutschen Google-Seite, ich habe allerd­ings auch nicht den Gegen­test auf Google.com gemacht.
    Wie dem auch sei, meine zweite Ver­mu­tung, “Scrubs”, eine TV-Serie, führt, nimmt man den Google-Test als vor­läu­fige Hypothe­sen­prü­fung an, deut­lich weit­er (bro­mance scrubs [456.000]; bro­mance ‑scrubs [25.000.000]).

  6. impala

    Unge­fähr so kon­struk­tiv wie Ihre wilden Ver­mu­tun­gen. Dass die englis­chsprachi­gen Filme und Fernsehse­rien, die das Konzept Bro­mance aufge­grif­f­en haben, weitaus mehr zu sein­er Ver­bre­itung beige­tra­gen haben, dürfte doch offen­sichtlich sein. Die Klatsch­presse hat dann sich­er in bes­timmten Bevölkerungss­chicht­en auch die Pop­u­lar­ität des Begriffs gefördert. Dass irgendwelche Charak­tere in dem von Ihnen genan­nten Spiel eine “Bro­mance” haben und das in der dazuge­höri­gen Szene auch so benan­nt wird, will ich ja gar nicht abstre­it­en. Wenn so viele unter­schiedliche Kon­texte zusam­men­spie­len, ist es allerd­ings ganz schön hanebüchen, ein erfol­gre­ich­es Baller­spiel, designt für eine mit­telmäßig erfol­gre­iche Kon­sole, als Ursache der Ver­wen­dung “in Mit­teleu­ropa” oder “der west­lichen Welt” zu sehen. Vor allem, wenn das gän­zlich ohne Belege passiert.

  7. NörglerIn

    Blasen­tee???
    Es wäre ja vielle­icht denkbar, etwas mehr Zeit und Phan­tasie aufzuwen­den, um eine angemessene deutsche Entsprechung für einen Aus­druck wie bub­ble tea zu finden.
    Blasen­tee ist ein ger­adezu pro­to­typ­is­ches Beispiel für eine mißglück­te Wort-für-Wort-Über­set­zung. Hinzu kommt, daß schon das die Beze­ich­nung bub­ble tea selb­st höchst irreführend ist. Diese Teegetränke haben mit Blasen so gut wie nichts zu tun. Ein Englis­chsprechen­der, der das Wort zum ersten mal hört, dürfte eher an sprudel­nden Tee denken, ana­log zu bub­ble water oder bub­bly water, Beze­ich­nun­gen für Sprudel­wass­er. Eine etwas angemessenere wortwörtliche Über­set­zung wäre daher Bläschen­tee. Eine Ver­wech­slung mit Blasen­tee ist dabei auszuschließen. Zufrieden­stel­lend wäre aber auch das nicht, denn anscheinend sprudelt der bub­ble tea so gut wie gar nicht.
    Woher die Beze­ich­nung bub­ble tea kommt, ist unklar. Die ver­schiede­nen Chi­ne­sis­chen Aus­drücke haben mit Bläschen nichts zu tun. Allerd­ings wer­den in den meis­ten Vari­anten kleine Stärkeperlchen ins Getränk getan. Perlchen und Bläschen haben immer­hin eine gewisse For­manalo­gie. Vielle­icht ist auch das chi­ne­sis­che Wort boba zu bub­ble ver­ball­hornt. Meis­tens erhält das Getränk durch schüt­teln eine Schaumkro­ne. Neben der Haupt­vari­ante bub­ble tea gibt es daher auch andere englis­che Vari­anten wie pearl tea, boba tea und foam tea. Denkbare deutsche Beze­ich­nun­gen wäre daher Bläschen­tee, Perlchen­tee, Boba-Tee oder Schaum­tee.
    Ich zwei­fle den­noch nicht daran, daß es auch im Deutschen bei bub­ble tea bleiben wird, allerd­ings ganz bes­timmt nicht deshalb, weil die falsche „direk­te deutsche Über­set­zung“Blasen­tee „seman­tisch bere­its anders belegt“ sei.

  8. Alexander Lasch

    @impala
    Es ging aber ger­ade auch im Aus­gang­s­text von A.S. mMn darum, dass trotz geringer Belegdichte (etwa bei Google News) der Begriff den­noch in der Wahl zum Anglizis­mus des Jahres auf­taucht — und das ist doch zumin­d­est bemerkenswert. Nun ist es eine Moeglichkeit, sich hinzustellen und eine Herkun­ft aus dem dumpfen Medi­en­ver­bund aus alten und neuen Medi­en anzunehmen und es darauf beruhen zu lassen. Das andere jedoch ist, moegliche Quellen zu benen­nen, die nicht so ein­flus­s­los sind, wie Sie glauben, selb­st wenn es nur Ver­mu­tun­gen sind: Wichtig ist — so unbe­deut­sam der Begriff “Bro­mance” auch sein mag –, dass seine Anwen­dungskon­texte sehr beschraenkt sind und es ein Begriff ist, der nur aus der Beobachter­per­spek­tive ver­wen­det wird, eben dann, wenn ueber ein bes­timmtes (hier medi­al ver­mit­teltes) The­ma, naem­lich eine spezielle Art von ‘Maen­ner­fre­und­schaft’ gesprochen wird. Und auch, wenn Sie es nicht glauben, aber 17.5 Mil­lio­nen verkaufte Titel, ueber die weltweit gesprochen wird und in deren Zen­trum eine spezielle Art von ‘Maen­ner­fre­und­schaft’ ste­ht, koen­nen Aus­loeser sein fuer die Ueber­nahme eines Begriffs. Allerd­ings erhaelt dieser mit hier bere­its 7 Kom­mentaren mehr Aufmerk­samkeit, als er ver­di­ent hat 😉

  9. impala

    Nochmal zur Verdeut­lichung: Ich stre­ite nicht ab, dass die in Deutsch­land verkauften Exem­plare (und das sind natür­lich nicht die 17 Mil­lio­nen, die Sie gerne wieder­holen) dieses Videospiels zur Ver­bre­itung des Begriffs beige­tra­gen haben. Natür­lich sind so Men­schen mit dem Wort in Berührung gekom­men, die vielle­icht nie die Klatsch­presse oder amerikanis­che Serien in der OV gese­hen hät­ten. Ich fand Ihre Behaup­tung albern, das Spiel hätte den Begriff “in der west­lichen Welt” etabliert. Und dabei kön­nen wir es dann in der Tat gerne belassen.

  10. Anatol Stefanowitsch

    @Jens: Das ist gut möglich und würde durch diesen Artikel in der Ham­burg­er Mor­gen­post bestätigt, der mit der Phrase Tee mit Glup­schkugeln übri­gens auch eine schöne deutsche Alter­na­tive zu Bub­ble Tea bereitstellt.
    @Nörgler: Wenn Sie die Texte lesen wür­den, bevor Sie kom­men­tieren, wären ihre Kom­mentare vielle­icht weniger irrel­e­vant (aber ver­mut­lich nicht interessanter).
    @impala und Alexan­der: Con­te­nance, meine Her­ren. Wir kämpfen doch alle auf der sel­ben Seite.

  11. Alexander Lasch

    @A.S. Um bei der Kriegsmetaphorik zu bleiben: Der Mei­n­ungskrieg entzün­dete sich an der nicht glück­lichen For­mulierung mein­er­seits, dass “mit der Kom­mu­nika­tion über diese Spiel­erei­he auch der Begriff schließlich seinen Weg ver­bun­den mit einem klaren Konzept nach Mit­teleu­ropa gefun­den” habe — das klingt, wenn so ver­standen, nach ein­er monokausalen Erk­lärung und damit nach dem einzi­gen auszu­machen­den ‘Ein­fall­stor’. Dass ich das so nicht ver­standen wis­sen wollte, spielt keine Rolle — es hätte wohl eines dif­feren­zierten Kom­men­tars bedurft. Darüber sind wir uns im Klaren und einig — die Fron­ten sind also geklärt 😉

  12. Peer

    @Nörgler
    Ich denke auch dass Bub­ble Tea von Boba abgeleit­et ist, aber da kein­er weiß, was “Boba” bedeutet, ist das ja auch in Ord­nung (oder sind ihnen ‑oder sonst­wem — Lehn­wörter aus dem chi­ne­sis­chen ein­fach mehr genehm als aus dem englischen?)
    Und sich­er man kön­nte auch Bläschen­tee sagen. Oder Glub­schkugel­tee oder Stär­ke­tee. Man kön­nte auch sitt für “nicht mehr durstig ver­wen­den”. Ist dieselbe Liga.
    Das Sprache sich aber nicht am Reißbrett entwer­fen lässt, ist Ihnen ver­mut­lich aber bekannt.
    (OK die Rechtschreibre­form hat genau das gemacht, was die Anglizis­mengeg­n­er fordern: Sprache regle­men­tiert. Aber das war sicher­lich eine Ausnahme)

  13. NörglerIn

    @Peer
    Boba hätte immer­hin den Vorzug, daß es für einen Deutschen nichts bedeutet, und daher keine irreführen­den Vorstel­lun­gen weckt, wie Bub­ble Tea es tut. Übri­gens gibt es anscheinend in Berlin eine Bub­ble Tea Bar, die sich Babbel T nen­nt. Die Beze­ich­nung Babbel­tee fände ich wirk­lich hüb­sch (dafür würde ich die Assozi­a­tion mit dem Verb babbeln gerne in Kauf nehmen). Sie wäre jeden­falls lustiger als die prim­i­tive Über­nahme des englis­chen Aus­drucks. Das finde ich lang­weilig und stimme damit mal ganz mit A.S. überein.
    Im übri­gen ging es mir ja gar nicht darum, irgendwelche deutsche Ersatzwörter für Bub­ble Tea vorzuschla­gen. Dafür ist der Zug schon längst abge­fahren, wie ich am Ende meines Beitrags glaube deut­lich gemacht zu haben. Ich habe mich nur an der Aus­sage zur ange­blich “direk­ten deutschen Über­set­zung Blasen­tee” gestoßen.

  14. D. Müller

    eurobonds
    Dass eurobonds ein lexikalis­che Lücke füllt, kann ich nicht erken­nen. Wie wär’s mit EU-Anlei­hen? Siehe http://de.wikipedia.org/wiki/EU-Anleihe
    Da lan­det man übri­gens als erstes, wenn man eurobonds bei ’ner bekan­nten Such­mas­chine eingibt.
    “EU-Anlei­he” ist ein klar­er und ver­ständlich­er Ausdruck.

  15. Kris

    Kris
    Ein biss­chen spät, aber zum The­ma Bub­ble-tea, den ich seit mein­er Zeit in Tai­wan liebe:
    á«6 pàomò hóngchá “Schaum-Schwarz­tee” ist in der Tat der Ursprung der Beze­ich­nung “Bub­ble Tea”. á« pàomò ist hier wohl bess­er mit Schaum über­set­zt, nur hat sich im Englis­chen “foam tea” nicht durch­set­zen kön­nen. Dieser Tee ist lediglich mit ein wenig Syrup gemis­cht, schön durchgerührt und so zum Schäu­men gebracht, aber ohne Tapio­ka oder Milch.
    Íàv6 hnzhk nÎichá “Perlen-Milch­tee”: Das ist die in Tai­wan gebräuch­lich­ste Beze­ich­nung, und ist sozusagen eine Weit­er­en­twick­lung des ursprünglichen á«6 pàomò hóngchá: es wer­den “Perlen” (Tapio­ka-Bällchen) sowie Milch beigegeben.
    â8v6 bMbà nÎichá “Boba-Milch­tee”: hier wurde schon spekuliert, ob “Bub­ble” eine Ver­ball­hor­nung von “Boba” sei. Es ist wohl aber anders herum. Diese Beze­ich­nung ist in Tai­wan nicht gebräuch­lich, und es wird auf der chi­ne­sis­chen Wikipedia-Seite spekuliert, dass die Beze­ich­nung vom gebroch­enen Englisch von asi­atis­chen Immi­granten in Ameri­ka stamme. â bM bedeutet “Welle” und 8 bà “Hege­mon”, was wobei die Zeichen hier nur für ihre Aussprache aus­gewählt wor­den sind (Boba Fett aus Star Wars z.B. ist auch â8 »y bMbà fèitè). Dieses Ver­fahren nen­nt sich im chi­ne­sis­chen óo yinyì “Laut-Über­set­zung”.
    Allerd­ings hat sich â8 im Chi­ne­sis­chen noch zu eine weit­eren Slan­gaus­druck entwick­elt. â bM “Welle” ist seit jeher ein Slang-Wort für die weib­liche Brust, auch redu­pliziert ââ bMbM. Kom­biniert mit 8 “Hege­mon” beze­ich­net â8 eine Frau mit großem Busen. Kein Wun­der, dass die Beze­ich­nung â8v6 im chi­ne­sis­chsprachi­gen Raum sich nicht durchge­set­zt hat. (Es ist lei­der nicht mit let­zter Sicher­heit festzustellen, ob â8 zuerst als Slang-Aus­druck für “Frau mit großem Busen” auftritt, oder als Rück­über­tra­gung des englis­chen “Bub­ble”. Es kann aber wohl aus­geschlossen wer­den, dass die Beze­ich­nung Boba-Tee irgend etwas mit Busen zu tun hat. Es wird zwar im Inter­net munter spekuliert, ob die Milch vom Boba-Milch­tee von glück­lichen Kühen kommt, aber das ist wohl eher als Volk­se­t­y­molo­gie abzulehnen)
    Daneben gibt es noch weit­ere chi­ne­sis­che Beze­ich­nun­gen für diese Art von Tee, aber die lasse ich jet­zt der Ein­fach­heit hal­ber weg.

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