[AdJ 2011] Where’s my Masterand?

Von Susanne Flach

Nominiert wurde Mas­terand von Leser/in kww:

Ich möchte das Wort “Mas­terand” vorschla­gen. Es ist natür­lich eine Analo­giebil­dung zu Diplo­mand, d.h. es beze­ich­net jeman­den, der an sein­er Mas­ter­ar­beit arbeitet.

Mir ist dieses Wort in diesem Jahr zum ersten Mal und bish­er nur in mündlich­er Form untergekom­men. Nach der Umstel­lung von den Diplom­stu­di­engän­gen zu Bach­e­lor/­Mas­ter-Stu­di­engän­gen taucht diese Sorte Men­schen jet­zt zum ersten Mal auf (zumin­d­est in mein­er Umge­bung). Google zeigt, dass es auch schriftlich vorkommt, vor allem in Stel­lenanzeigen und da meis­tens in der Kom­bi­na­tion “Diplomand/Masterand”.

Begeben wir uns auf Exkur­sion und begin­nen ein wenig früher.

Der Begriff Mas­ter, genau wie der unter augen­schein­lich­er Ver­drän­gung lei­dende Mag­is­ter, geht — wenig über­raschend — auf das Lateinis­che mag­is­ter zurück (Kluge 1889; Grimm­sches Wörter­buch [DWB]). In verkürzter Form wird mag­is­ter meist als ‘Lehrer, Gelehrter, Meis­ter’ wiedergegeben. Es ist auch ver­wandt mit dem deutschen Meis­ter und deshalb auch mit allen möglichen Ämtern (Bürg­er­meis­ter, ursprünglich wohl antonymisch-ana­log gebildet: Min­is­ter); also irgend­wie im Wort­feld der Gelehrten und Mächti­gen. Der Duden erwäh­nt gar die mor­phol­o­gis­che Ver­wandtschaft zu Mag­nat [s. ‘Herkun­ft’, da magis ‘mehr’, als adv. zu mag­nus, siehe auch magna cum laude, Magna Car­ta — alles irgend­wie Große halt].

Mag­is­ter (lat.) erfuhr im Deutschen nach der schon in früheren Sprach­sta­di­en geklaut­en lateinis­chen Bedeu­tung und Entlehnung Meis­ter im Mit­te­lal­ter eine weit­ere, zweite Entlehnung unter Kon­servierung des lateinis­chen Begriffs, näm­lich eine “von den uni­ver­sitäten seit dem 15. jahrh. aus­ge­hende, mit beibehal­tung der gelehrten lateinis­chen form: mag­is­ter lib­er­al­i­um artium wurde der in der artis­ten- (philosophis­chen) fac­ultät zum range der lehrerschaft erhobene genan­nt; auch doc­toren der the­olo­gie hieszen mag­istri” (DWB).

Immer noch ein Gelehrter (und stre­it­bar Mächtiger), aber eben mit der Bedeu­tungss­chat­tierung im akademis­chen Rahmen.

Warum das alles? Weil es im Englis­chen ähn­lich ablief. Also auch hier mag­is­ter > maystr (in diversen Schrei­bun­gen) > mas­ter. Schauen wir uns dazu mal eine Auswahl der reich­halti­gen Belegsamm­lung des OED unter dem Stich­wort mas­ter[1. “mas­ter, n.1 and adj.”. OED Online. Decem­ber 2011. Oxford Uni­ver­si­ty Press. 20 Jan­u­ary 2012 <http://www.oed.com/viewdictionaryentry/Entry/114751>.] an, wo allerd­ings die über­wälti­gende Anzahl an Ein­trä­gen (Bedeu­tun­gen) meine Vorstel­lungskraft von Wortbe­deu­tungs­ket­ten und ‑rela­tio­nen auf eine herbe Probe stellt — deshalb wirk­lich Auswahl:

In der Bedeu­tung als erster Ein­trag: ‘Herrsch­er, Mächtiger, Führer’

Ðonne he gemette ða scylde ðe he stier­an scolde, hrædlice he gecyðde ðæt he wæs mag­is­ter & ealdormonn.
(10. Jhd., King Ælfred, Pas­toral Care, Hat­ton xvii. 117; Über­set­zung: van Gelderen 2010: 46)

witodlice he sette him weor­ca mægstras, þæt hy gehyn­don hi mid hefigum byrþenum.
(11. Jhd. Old Eng. Hexa­teuch: Exod. (Claud.) i. 11)

Heo­re aȝene pine neure nere þe lesse þah heo meistres weren.
(13. Jhd., MS Lamb. in R. Mor­ris Old Eng. Hom­i­lies (1868) 1st Ser. 43)

A kingis prou­ost may haue na mare pow­er na has his mais­ter.
(15. Jhd., G. Hay Bk. Law of Armys (2005) 103

(Ich bitte um Entschuldigung — meine Altenglis­chken­nt­nisse reichen noch nicht aus, um mich in zeitlich vertret­barem Aufwand durch Kasuswin­dun­gen und Satzk­lam­mern zu friemeln.)

Es fol­gen 13 Hauptein­träge mit ein­er scroll­balke­natomisieren­den Zahl an unter Umstän­den obso­leten Unterbe­deu­tun­gen: Man­ag­er, Auf­se­her, Haushaltsvorste­her, Mil­itärober­er, Arbeit­ge­ber, Jeman­den-irgend­was-tuend-in-ein­er-Schule, irgend­was-tech­nis­ches (mas­ter slave), Haustierbe­sitzer (obäch­tle! Her­rchen!), Sieger ein­er Schlacht, Jemand-mit-Macht, Freier Mann, être maître, a woman’s huband, Schiff­skapitän, Besitzer von irgend­was — vielle­icht hätte ich mich auf Online Ety­mol­o­gy Dic­tio­nary beschränken sollen — Bridge­spielka­rte, Haupt­doku­ment, Gramophon­teil — oha, ab Bedeu­tung 11: Lehrer, in Kom­posi­ta auch als Schuldirek­tor, Lehrmeis­ter, Stil- und Kun­stikone — und wenn ich lange genug suchen würde, bes­timmt auch noch im Wort­feld des Spaßvogels.

Dreißig Kilo­me­ter (es fol­gen dann noch 10 weit­ere Ein­träge und eine Lat­te an offen­bar def­i­n­i­tion­swürdi­gen Kom­posi­ta) später sind wir also bei:

A hold­er of a senior degree from a uni­ver­si­ty or oth­er aca­d­e­m­ic insti­tu­tion, the degree being orig­i­nal­ly of a sta­tus which con­veyed author­i­ty to teach at a uni­ver­si­ty. Now usu­al­ly: the hold­er of a post­grad­u­ate degree below the lev­el of a doctorate.

Per­son mit einem weit­er­führen­den Abschluss ein­er Uni­ver­sität oder ein­er anderen akademis­chen Ein­rich­tung; der Grad befähigte ursprünglich zur Lehre an ein­er Uni­ver­sität. Jet­zt beze­ich­net mas­ter üblicher­weise den/die Träger/in eines post­graduierten Abschlusses unter­halb eines Doktorgrades.’

Bis ins 19. Jahrhun­dert beschränk­te sich mas­ter über­wiegend auf die Geis­teswis­senschaften (als Mas­ter of Arts oder mag­is­ter artium), das Dok­torat war das Pen­dant in den anderen Fäch­ern. In dieser Bedeu­tung ist mas­ter erst­mals 1380 belegt:

Heyr lyis Ingram of Kethenys prist maystr in arit.
(1380, Proc. Soc. Anti­quar­ies Scotl. (1896) 30 42.)

Nehmen wir die Orthografie als brauch­baren Indika­tor zur Aussprache, lis­tet der OED eine beein­druck­ende Liste an Entwick­lungssta­di­en von mag­is­ter > mas­ter:

Altenglisch (bis ca. 11. Jdh.): mæg­ster, magester, mag­is­ter, mægester, mægister
Im Über­gang zu Mit­te­lenglisch (11. Jdh.): mestre, mæstere
Mit­te­lenglisch (12.–14. Jdh.): maȝȝstre, mais­tere, maistr, mais­tur, maistyr, maystere, may­stir, maystur, maystyr, meis­ter, mei­s­tir, meistre, mesteir, meyster, mai­s­tir, mayster, maystre, maister,
Spätes Mit­te­lenglisch (15–16 Jhd.): masster, mas­tur, mas­tir, mastyr, mas­tre, mas­ter, mas­tar, muster;
Schot­tisch (17. Jhd.): maiester, mais­tere, mais­ter­ris (plur­al)
Eng. Region­al (18. Jhd.): maaster (north.), maas­ther (north.), maes­tur (west.), mais­ter,  mais­ther (north.), marster (south-east.), mayster, meast­er, meeast­er (north.), mester (north.), mes­ther (north.), mes­tur (north.);

Was auf­fällt: Bere­its im Mit­te­lenglis­chen war das <g> und ver­mut­lich lange davor auch das [ɡ] ver­schwun­den. Außer­dem war Mit­te­lenglisch recht nahe am heuti­gen Meis­ter. Durch Lautver­schiebun­gen und einem inten­siv­en Sprachkon­takt mit dem Alt­nordis­chen und Franzö­sis­chen (OED), lan­den wir im Früh­neuenglis­chen (etwa ab 1500) beim mas­ter. Man kön­nte fast sagen: Eine laut­liche Entwick­lung, die im Deutschen beim Meis­ter und akademisch beim Mag­is­ter ste­henge­blieben zu sein schein — die dann vom Bologna-Prozess aber hop­pla­hopp vor­angetrieben wurde.*

Kom­men wir zum Wesentlichen, son­st ste­ht nach­her im Kom­men­tar­bere­ich: “The­ma ver­fehlt!”. Immer­hin ist Mas­terand nominiert und die Fest­stel­lung, dass die Englis­che Sprache im Sprach­wan­del mal wieder n Zack­en flot­ter war, ist ja auch nicht so neu. Wie der/die Nominierende ver­mutete, ist Mas­terand eine analoge Bil­dung zu Diplo­mand und Mag­is­trand — also als Beze­ich­nung für jeman­den, der/die ger­ade kurz vor Erlan­gung des akademis­chen Grades ste­ht, also hier dem des Mas­ters. Mit Ein­führung der Bach­e­lor- und Mas­ter­ab­schlüsse und dem Aus­laufen der tra­di­tionellen Diplom- und Mag­is­ter­ab­schlüsse fehlen uns offen­bar auch die Gegen­stücke zu diplomieren und mag­istri­eren. Man kön­nte  ein­wen­den, dass mag­istri­eren gar nicht existiert — zugegeben, 255 Tre­f­fer sind im Ver­gle­ich zu über ein­er hal­ben Mil­lion für diplomieren nicht ger­ade üppig.

Wozu mag­istri­eren und diplomieren? Das Nom­i­nal­suf­fix -and ist ein Deriva­tion­ssuf­fix, das aus Ver­ben auf -ieren die entsprechen­den Nomen macht: neben den Diplo­man­den, Dok­toran­den und Habil­i­tanden gibt es auch die Proban­den, Kon­fir­man­den und Reha­bil­i­tanden, in der Math­e­matik (also unbelebte Entitäten) die Sum­man­den, Mul­ti­p­likan­den, Operan­den oder Inte­granden. Dieses Deriva­tion­ssuf­fix gibt es auch in der sel­teneren Alter­na­tive -end: Sub­tra­hend oder Div­i­dend — und aus dem Reich der Akademie natür­lich der Pro­movend.

Die deut­lich pro­duk­ti­vere Vari­ante ist das Suf­fix­paar -ant/-ent: auch hier wer­den Nomen aus -ieren-Ver­ben abgeleit­et, allerd­ings mit einem sub­tilen seman­tis­chen Unter­schied: Absol­vent, Min­is­trant, Diri­gent, Emi­grant, Emi­tent, Fab­rikant, Kor­re­spon­dent, Demon­strant, Kon­tra­hent oder Queru­lant beze­ich­nen Per­so­n­en, die die Verb­hand­lung selb­st ausführen.

Die -and/-end-Nomen hinge­gen beze­ich­nen Per­so­n­en, die von der Verb­hand­lung betrof­fen sind (Canoo.net, Duden.de). Manche qual­i­fizieren sich also über den Min­is­tran­ten zum Kon­fir­man­den. Darin liegt vielle­icht auch eine der Gründe der Kon­fu­sion, ob man (selb­st) eigentlich pro­movieren kann oder ob man pro­moviert wird. (Dies ist mir bish­er vor allem von Sprach­pflegern vorge­hal­ten wor­den, weil ich sage: man kann auch *hüs­tel* selb­st pro­movieren; also sprach­lich.) Ergoexkurs: Müsste man nicht sog­ar eine Unter­schei­dung zwis­chen Pro­movent und Pro­movend ziehen?

In einem Forum­sar­tikel bei leo.org bericht­en einige Foris­ten von ihren Bauch­schmerzen beim Wort Mas­terand (was ana­log aber auch für Bach­e­lo­rand gilt): Warum nicht Mas­ter-Stu­dent? Weil es nicht aus­re­ichend genau ist: Ein Mas­ter-Stu­dent beze­ich­net all­ge­mein­er jeman­den, der in einem Mas­ter­stu­di­en­gang eingeschrieben ist. Der Mas­terand hinge­gen spez­i­fiziert den Zeit­punkt des Studi­ums — kurz vor dem Abschluss.

So suchen bere­its viele Unternehmen in Stel­len­börsen und ‑anzeigen Mas­teran­den, oft wer­den derzeit noch Diplo­man­den ange­sprochen. Die gesucht­en Mitar­beit­er wer­den meist aus tech­nis­chen Stu­di­engän­gen rekru­tiert, weil sie ihre Abschlus­sar­beit­en häu­fig als Werk­studierende in den Unternehmen schreiben kön­nen. Das dürfte auch der Grund sein, weshalb Mas­terand eine recht stat­tliche Anzahl von Google­tr­e­f­fern erzielt, aber in Trendlis­ten (z.B GoogleIn­sights) oder Kor­po­ra so gut wie gar nicht auf­taucht (weshalb die Nominierung in der Jury sehr skep­tisch gese­hen wurde) und wohl im all­ge­meinen Sprachge­brauch noch nicht angekom­men zu sein scheint.

Ein­er der Leo-Foris­ten merkt an, dass Mas­terand unsin­nig sei, weil — wenn sich Dok­torand und Diplo­mand von Ver­ben auf -ieren ableit­en — es gar kein mas­terieren gäbe. Nun ja, das ist aber auch nicht das Entschei­dende: Erstens kann man ana­log zu diplomieren oder pro­movieren natür­lich mas­terieren ver­wen­den, um die stres­sige Phase kurz vor dem akademis­chen Abschluss zu umschreiben. Zweit­ens ist auch diplomieren nicht ein­fach vom Him­mel gefall­en, son­dern eben­falls eine Deriva­tion, näm­lich von Diplom, dem Abschlussgrad also. So ist der Deriva­tion­sprozess Mas­ter > mas­terieren > Mas­terand qua­si impliz­it. Außer­dem finde ich diplomieren per­sön­lich auch nicht so nahe dran am Diplo­mand, wie beispiel­sweise pro­movieren am Doktoranden/Promovenden dran ist — weil bei der Dok­torar­beit jed­er nor­maler­weise bere­its mit dem Auf­schla­gen des ersten Buch­es pro­moviert, also während des gesamten Pro­mo­tion­sstudi­ums — und nicht erst in der heißen Endphase.

Drit­tens, und das ist entschei­dend, ist die Betra­ch­tung der Bil­dung von Mas­terand auf rein mor­phol­o­gisch-for­malen Aspek­ten über die Ableitung mas­terieren eigentlich eher unspan­nend. Plau­si­bler ist die Annahme, dass die Bil­dung auf der Analo­gie in einem fast iden­tis­chen, seman­tis­chen und konzeptuellen Rah­men beruht, also auf dem Abschlussgrad an sich.

Fazit

Wer es bis hier­hin geschafft hat: Her­zlichen Glück­wun­sch! Denn eigentlich ist die vor­weggenommene Schlussfol­gerung: Kein beson­ders heißer Kan­di­dat für den Anglizis­mus des Jahres.

Warum?

Erstens, und vielle­icht etwas wider­sprüch­lich für die Kri­te­rien der Wahl, weil die Über­lebenswahrschein­lichkeit von Mas­terand nahezu exor­bi­tant hoch ist — zumin­d­est bis wir Mas­ter namentlich durch einen anderen Abschluss erset­zt haben. Mas­terand wird Diplo­mand und Mag­is­trand in weni­gen Jahren kom­plett ver­drängt haben und der Kon­ven­tion­al­isierungsef­fekt wird auch die Bauch­schmerzen heilen. (Die Berufs­beze­ich­nun­gen Dipl-Ing oder Mag­is­ter wer­den mit ihren Trägern/-innen noch etwas überdauern.)

Zweit­ens, und das finde ich im End­ef­fekt für einen Kan­di­dat­en für den Anglizis­mus des Jahres zu wenig: Mas­terand bezieht sich in der Bil­dung auf einen Abschluss, der jeden Namen tra­gen kön­nte (es hat fast Eigen­na­men­charak­ter). Ergo: Es würde genau­so schnell wieder ver­schwinden. Was noch dazu kommt: Es find­et keine wirk­liche seman­tis­che Dif­feren­zierung statt. Also abge­se­hen von der Tat­sache, dass Diplom­stu­di­engänge jet­zt Mas­ter­stu­di­engänge sind — und es wirk­lich eine reine Analo­gie zu den beste­hen­den Begrif­f­en ist (durch Aus­tausch). Auch, dass dem Mas­ter ein Bach­e­lor­grad vorgeschal­tet wurde, ändert nichts an der Tat­sache, dass die Qualen, Pusteln und Stress­si­t­u­a­tio­nen die gle­ichen bleiben.

Drit­tens: Die einzige wirk­liche Bedeu­tungs­d­if­feren­zierung (siehe Nominierungskri­te­rien) befind­et sich eigentlich im Wort Mas­ter, nicht notwendi­ger­weise im Mas­terand. Mas­ter ist aber entsch­ieden zu alt, um 2011 noch irgend­je­man­den anglizis­mentech­nisch vom Hock­er zu hauen. Deshalb war mein erster Reflex auch eher: Und wo ist der Anglizis­mus? Mas­ter dif­feren­ziert aber nicht gegenüber Diplom, son­dern gegenüber seinem ety­mol­o­gis­chen Ver­wandten Meis­ter, also als Grau-Wieder-Re-Über­sprungs-Import. Man hätte für Mas­ter den Meis­ter im Bil­dungswe­sen aus nahe­liegen­den Grün­den aber nicht vorschla­gen kön­nen. Wir ver­tra­gen jede Menge Pol­y­semie — aber bei qual­i­fizieren­den Bil­dungs- und Beruf­s­graden hört die Pol­y­semiev­erträglichkeit auf fach­lich­er Grund­lage auf. Gut, die Nominierungskri­te­rien lassen auch zu, wenn etwas bis dato umständlich umschrieben wer­den musste: so erset­zt Mas­terand die Mas­ter­ar­beitschreiben­den oder gar ganze Phrasen wie die Studieren­den, die ihre Mas­ter­ar­beit schreiben.

Ich finde aber: Das reicht nicht.

Eine let­zte Bemerkung, der ich wirk­lich nicht wider­ste­hen kann: Die Meis­ternör­gler hin­ter dem Anglizis­musin­dex des VDS find­en, dass Mas­ter in den Natur­wis­senschaften ergänzend, für die Geis­teswis­senschaften aber ver­drän­gend ist — das ver­ste­he im Ungle­ich­schritt der Lexiko­nen­twick­lung im Deutschen und Englis­chen wer will: Ger­ade in den Geis­teswis­senschaften wäre der Mas­ter doch eine seman­tisch-ver­wandte Weit­er­en­twick­lung zu Mag­is­ter. Na, was soll’s.

Oder aber ich hab trotz­dem das The­ma ver­fehlt und hätte eigentlich über die Entwick­lung von -and/-end aus dem lateinis­chen Gerun­di­v­suf­fix -andus sin­nieren sollen. Ich set­ze es mal auf meine lange “irgen­wann noch zu bloggen”-Liste.

Spaß gemacht hat’s trotzdem.

DWB: Grimm, Jakob und Wil­helm Grimm. 1854–1961. Deutsches Wörter­buch [DWB]. Leipzig 1971. [Online]

Kluge, Friedrich. 1889. Ety­mol­o­gis­ches Wörter­buch der deutschen Sprache. Straßburg: Trüb­n­er. [Online].

8 Gedanken zu „[AdJ 2011] Where’s my Masterand?

  1. Kristin

    Hey­hey, so viel Input! Ich hätte eigentlich recht viele Anmerkun­gen von mehr oder weniger großer Rel­e­vanz, ich werfe ein­fach recht willkür­lich ein paar davon in den Raum.
    Zunächst mal finde ich das Wort toll! Englis­che Basis, Deriva­tion mit urspr. lateinis­chem Fremd­suf­fix, sehr unüblich und wirk­lich nur über die starke Analo­gie von Diplo­mand erk­lär­bar. Mein Wort­bil­dung­sh­erz rast!
    Dann: mag­istri­eren und diplomieren kenne ich in den hier angegebe­nen Bedeu­tun­gen über­haupt nicht, was mich wun­dert, zumin­d­est ersteres hätte mir doch mal über den Weg laufen müssen. Kenne dafür wirk­lich nur “Und was machst du grade?” — “(Ich schreibe grade meine) Mag­is­ter­ar­beit”. Kön­nte Mag­is­trand nicht genau­so wie Mas­terand in direk­ter Analo­gie zu Diplo­mand, Dok­torand gebildet wor­den sein?
    (Bei diplomieren kommt mir auch als erstes ‘mit Diplom verse­hen’ in den Kopf, nicht ‘Diplom erwerben’.)
    Außer­dem: Min­is­tran­ten und Kon­fir­ma­tion zusam­men­zubrin­gen — seeehr gewagt, aber Plus­punkt für den öku­menis­chen Ansatz 😉
    A pro­pos seman­tis­che Lücke, sag mal, wie dif­feren­ziert Ihr eigentlich zwis­chen B.A. und B.Ed.? Bei uns gibt es da noch keine richtig gute Lösung. Wir sagen manch­mal Fach­bach­e­lor und Lehramts­bach­e­lor, let­ztere wer­den auch intern ab und an liebevoll Bet­tler genan­nt oder man sagt auf Lehramt dazu, aber für erstere iss­es irgend­wie schwierig.

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  3. Nightstallion

    (Die Berufs­beze­ich­nun­gen Dipl-Ing oder Mag­is­ter wer­den mit ihren Trägern/-innen noch etwas überdauern.)”

    Insofern ein Irrtum, als (zumin­d­est in Öster­re­ich) die Tech­nis­chen Uni­ver­sitäten auch nach Abschluss des Mas­ter­studi­ums einen Diplom-Inge­nieur vergeben und keinen MSc. Daher wird der Dipl.-Ing. weit­er beste­hen und besten­falls der Mag. ausster­ben (aber auch hier sträuben sich ja Phar­mazeuten und Juris­ten gegen eine Umstel­lung ihrer Studien …).

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  4. MCBuhl

    Mag­is­trand? Ist das ein Aus­trizis­mus? Ich bin ein M.A., habe mich aber nie als Mag­is­trand gese­hen. Der Stu­di­en­ab­schluss hieß: Mag­is­ter­ar­beit schreiben.
    Mir scheint das alleine (!) eine Analo­giebil­dung zu Diplo­mand zu sein — und das aus dem gegebe­nen Grund, dass Fir­men — mithin Per­son­al­abteilun­gen — Per­so­n­en aus tech­nis­chen Fäch­ern suchen, die in der jew. Fir­ma ihre Abschlus­sar­beit schreiben. “Früher hieß das Diplo­mand,” sagt der anfordernde Dipl-Ing, “wie das heute heißt weiß ich auch nicht, aber Sie wer­den schon was find­en.” Also schnell an der “Uni­ver­si­ty of applied sci­ences” (vul­go: “Hochschule”) angerufen, wie der Abschluss jet­zt heißt und fix die Anzeige geschal­tet. Da das ganze jet­zt schon ein Paar Jahre so ist, wie es ist, und die Per­son­al­ref­er­enten aus­re­ichend Zeit hat­ten, auf Fort­bil­dun­gen zu net­zw­erken, ist das Begriff­s­paar eben einge­führt und jed­er schreibt genau so.
    Somit: Fachchi­ne­sisch aus der Personalverwaltung.
    Aber die, die den Abschluss in den Artes lib­erales suchen, die heißen nicht so. Das kann ich nicht bele­gen — mithin eine gefühlte Wahrheit, genährt durch den erlebten Hia­tus zwis­chen Tech­nikern und Geis­teswis­senschaftlern in der Berufswelt.

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  5. Nightstallion

    Aus­tri­azis­mus ist es ziem­lich sich­er kein­er (suz ist ja auch keine Öster­re­icherin), es ist wohl ein­fach nur nicht sehr weit verbreitet …

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  6. Michael

    Nur so neben­bei: Jemand, der sich über den Min­is­tran­ten zum Kon­fir­man­den qual­i­fiziert … ist das dann zwis­chen­durch ein Konvertant?
    Oder, ander­sherum, warum eigentlich nicht: ein Mas­ter­it, eine Masteritin? 🙂

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  7. suz Beitragsautor

    @Nightstallion: Ja, das ist ja kein Wider­spruch. Solange in Öster­re­ich der Dipl-Ing ver­liehen wird, wird’s ja auch Träger/innen geben 🙂

    @MCBuhl: Na, so häu­fig ist Magris­trand in der Tat nicht. Ich war ja fast nur von Mag­is­trandIn­nen umgeben (von den LA-Studieren­den mal abge­se­hen) und wirk­lich häu­fig war es nicht. Diplomand/in ist sicher­lich deut­lich ver­bre­it­ert­er, was auch daran liegen kön­nte, dass Diplo­mand/-in ja schon beina­he eine Berufs­beze­ich­nung ist, weil viele dieser Studieren­den in Unternehmen ihre Abschlus­sar­beit­en schreiben. Bei Mag­is­ter-Absol­ven­ten dürfte das eher die Aus­nahme sein.

    Aber ich halte die Analo­gie auch als plau­si­bel­ste Erk­lärung für die Bil­dung von Mag­is­trand bzw. Mas­terand.

    @Michael: *lol*. Wahrschein­lich. Wie Kristin schon anmerk­te, da hab ich mich wohl echt weeeei­i­ih­h­hi­it ausm Fen­ster gelehnt, also die Verbindung von Min­is­trant zu Kon­fir­man­den in einem Satz herzustellen. -it — muss ich mal näher beleucht­en, wenn ich Zeit habe.

    Antworten
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