Fetzenlogik

Von Anatol Stefanowitsch

Ich wollte zum Vor­sitzen­den des Rechtschreibrates und dessen abstrusen Phan­tasien vom Zusam­men­hang zwis­chen Anal­pha­betismus und der „Fet­zen­lit­er­atur“ auf Twit­ter eigentlich nichts schreiben — ich kann schließlich nicht jeden Blödsinn kom­men­tieren, den irgen­dein Laien­sprach­nör­gler von sich gibt. Aber da ihr nicht aufhört, mir Links auf diese Geschichte zu schick­en, muss ich es wohl doch tun.

Die Geschichte begann eigentlich schon Ende Novem­ber 2011, als der Rechtschreibrat in ein­er Presseerk­lärung eine all­ge­meine Besorg­nis um die schrift­sprach­lichen Fähigkeit­en der Jugendlichen in Deutsch­land. Der Rat habe in ein­er Sitzung festgestellt,

dass der Sprache und ins­beson­dere ihrer Rechtschrei­bung hohe Bedeu­tung beigemessen, aber im Umgang mit ihr nach­läs­sig ver­fahren wird. In dieser Hal­tung ist mit eine Ursache dafür zu sehen, dass unge­fähr zwanzig Prozent eines Jahrgangs der 15-Jähri­gen als Anal­pha­beten gel­ten müssen; ein Zus­tand, der nicht hin­genom­men wer­den darf. [Presseerk­lärung des Rechtschreibrates, 29. Novem­ber 2011 (PDF)]

Kern­stück der Presseerk­lärung ist dann die Forderung nach ein­er besseren, benutzer­grup­pe­nadäquat­en Ver­mit­tlung der deutschen Rechtschrei­bung im deutschen Schul­sys­tem: „Rechtschrei­bung muss eine stärkere Rolle in Schule und Lehreraus­bil­dung ein­nehmen“, lautet das Rezept.

Was genau der Rechtschreibrat darüber­hin­aus meint, wenn er sagt, dass im „Umgang“ mit der deutschen Sprache und ihrer Rechtschrei­bung „nach­läs­sig ver­fahren“ würde, blieb in dieser Pressemel­dung unklar. Der Ratsvor­sitzende, der ehe­ma­lige stel­lvertre­tende bayrische Min­is­ter­präsi­dent Hans Zehet­mair, äußerte sich dazu erst Anfang Jan­u­ar 2011 gegenüber der dpa:

Twit­ter und Abkürzun­gen wie „HDL“ sind dem Chef des deutschen Rechtschreibrates, Hans Zehet­mair, ein Dorn im Auge. Diese „Fet­zen­lit­er­atur“ gefährde die Sprachkom­pe­tenz ganz­er Gen­er­a­tio­nen, meint er. Eine junge Gen­er­a­tion schreibe heute — um eine Liebe zum Aus­druck zu brin­gen — keine Briefe mehr, son­dern „HDL“ — „Hab Dich lieb“. Eine Schwierigkeit sei auch die steigende Zahl an Anglizis­men, die die deutsche Sprache über­flute. Nach Angaben von Lin­guis­ten müssten rund 20 Prozent der 15-Jähri­gen heute als Anal­pha­beten beze­ich­net wer­den, sagte Zehet­mair. [dpa, 1. Jan­u­ar 2012]

Wenn man aus diesem Unfug über­haupt etwas ler­nen will, muss man sich zwei Fra­gen stellen: Erstens: Wie ste­ht es mit dem Anal­pha­betismus in Deutsch­land? Und zweit­ens: Ist Twit­ter Schuld?

Zum Anal­pha­betismus gibt es zwei wichtige und rel­a­tiv aktuelle Quellen: Den Bericht „Edu­ca­tion at a glance“ der OECD, die regelmäßig den Alpha­betisierungs­grad der Welt­bevölkerung unter­sucht und das Forschung­spro­jekt „leo.“ der Uni­ver­sität Ham­burg.

Die OECD liefert Zahlen speziell für die 15-Jähri­gen, die Zehet­mair erwäh­nt, allerd­ings ver­wen­det man dort rel­a­tiv grobe Kat­e­gorien. Die niedrig­ste Stufe (Stufe 1) gilt für Men­schen mit sehr schwachen Fähigkeit­en, die (so das Beispiel der OECD) nicht in der Lage sind, die richtige Dosierung eines Medika­ments von der Ver­pack­ung abzule­sen. Stufe 2 beze­ich­net Men­schen, die nur mit ein­fachen, klar struk­turi­erten Mate­ri­alien zurecht kom­men und in Tests schlecht abschnei­den. Stufe 3 beze­ich­net Men­schen, die im Lebens- und Beruf­sall­t­ag ein­er kom­plex­en Gesellschaft gut zurechtkom­men (sie entspricht den Fähigkeit­en, die für die Auf­nahme eines Studi­ums voraus­ge­set­zt wer­den). Stufen 4 und 5 beze­ich­nen fort­geschrit­tene Kom­pe­ten­zen bei der Ver­ar­beitung schriftlich­er Informationen.

Das Pro­jekt „leo.“ ver­wen­det eine genauere Kat­e­gorisierung in soge­nan­nte „Alpha-Lev­els“: Alpha 1 ist die völ­lige Abwe­sen­heit von Lese­fähigkeit­en, auf Alpha 2 kön­nen zwar Wörter, aber keine Sätze lesend ver­standen wer­den. Alpha 3 bedeutet, dass jemand zwar kurze Sätze, aber keine Texte lesen kann, auf Alpha 4 kön­nen Texte gele­sen wer­den, aber es wird „fehler­haft“ geschrieben (die Rechtschrei­bung wird nicht kor­rekt beherrscht).

Welche dieser Kom­pe­ten­zniveaus als „Anal­pha­betismus“ beze­ich­net wer­den soll­ten, ist Def­i­n­i­tion­ssache. Unserem All­t­agsver­ständ­nis nach ist wohl Alpha 1 „echter“ Anal­pha­betismus, aber auch Alpha 2 und 3 wer­den in der Forschung als soge­nan­nter „funk­tionaler“ Anal­pha­betismus beze­ich­net — die Betrof­fe­nen kön­nen zwar the­o­retisch lesen, aber prak­tisch nützt ihnen dies nichts, da sie diese Fähigkeit nicht in angemessen­em Umfang umset­zen kön­nen. Alpha 4 ist kein Anal­pha­betismus nach irgen­dein­er Def­i­n­i­tion. Die OECD-Stufen sind nur grob ver­gle­ich­bar, aber Alpha 1 entspricht wohl der OECD-Kat­e­gorisierung „unter­halb Stufe 1“, Alpha 2 und 3 liegen inner­halb von OECD-Stufe 2. Für Alpha 4 gibt es keine genaue Entsprechung — je nach­dem, wie falsch hier geschrieben wird, dürfte dieses Niveau wohl zwis­chen OECD-Stufe 2 und 3 liegen. Auf jeden Fall ist OECD-Stufe 1 also „Anal­pha­betismus“ im engeren, all­t­agsprach­lichen Sinne, und Stufe 2 ist „funk­tionaler Anal­pha­betismus“, wobei dieser Begriff dann etwas weit­er gefasst ist als bei der leo.-Studie.

Nach dieser Vorrede nun die Zahlen. Laut OECD käme man bei den 15-Jähri­gen auf zehn Prozent Analphabet/innen im engeren Sinne und weit­ere 13 Prozent funk­tionale Analphabet/innen — also etwa auf die zwanzig Prozent, die Zehet­mair pauschal als „Anal­pha­beten“ bezeichnet.

Alphabetisierung der 15-Jährigen in Deutschland

Alpha­betisierung der 15-Jähri­gen in Deutschland

Dass wir uns als Gesellschaft mit dieser Zahl nicht zufrieden geben kön­nen, dürfte klar sein; trotz­dem sollte man hier zwis­chen der grund­sät­zlichen Lese­fähigkeit und der Fähigkeit, mit Tex­ten umzuge­hen, unterscheiden.

Über Zehet­mairs Ursachen­forschung kann man dage­gen nur den Kopf schüt­teln. Die These, dass aus­gerech­net Twit­ter für die schlecht­en Schreib- und Lese­fähigkeit­en der Jugendlichen ver­ant­wortlich sein soll, ist ja schon a pri­ori nicht plau­si­bel, und zwar aus min­destens drei Grün­den: Erstens sind Fün­fzehn­jährige auf Twit­ter kaum vertreten — nur etwa 4,5 Prozent der Jugendlichen zwis­chen 15 und 24 ver­wen­den den Kurz­nachrich­t­en­di­enst. Zweit­ens sind Twit­ter-Nutzer/in­nen über­durch­schnit­tlich gebildet: so haben z.B. fast 80 Prozent von ihnen Abitur. Drit­tens, und das ist das entschei­dende Argu­ment, mei­den Analphabet/innen soweit wie möglich jede Art von Tex­ten und schriftlich­er Kom­mu­nika­tion. Anal­pha­beten im engeren oder weit­eren Sinne wer­den deshalb grund­sät­zlich in allen sozialen Net­zw­erken unter­repräsen­tiert sein.

Tat­säch­lich brauchen wir aber über die Rolle von Twit­ter beim Anal­pha­betismus in Deutsch­land gar nicht aus­füh­lich zu sin­nieren, denn wir haben solide Hin­weise darauf, wo die eigentlichen Ursachen liegen.

Dazu müssen wir zunächst ver­ste­hen, dass Anal­pha­betismus kein neues Phänomen ist, und keines, das beson­ders die Jugend in Deutsch­land charak­ter­isiert. Wie die leo.-Studie zeigt, gibt es bei Alpha 1–3 keine großen Unter­schiede in den Alters­grup­pen zwis­chen 18 und 64 Jahren:

Alphabetisierung in Deutschland nach Alter

Alpha­betisierung in Deutsch­land nach Alter

Wie man sieht, liegen die Zahlen zwis­chen ca. 12 und 16 Prozent und sind bei den 18- bis 29-Jähri­gen sog­ar am niedrig­sten. Die 15-Jähri­gen sind hier nicht erfasst; die Diskrepanz zu den OECD-Dat­en, die ja in dieser Gruppe auf 23 Prozent funk­tionalen Analphabet/innen hin­weisen, kann zwei Gründe haben: Erstens dürfte die Tex­tkom­pe­tenz zwis­chen 15 und 18 Jahren noch zunehmen, zweit­ens sind die schwammi­gen OECD-Def­i­n­i­tio­nen, wie oben erwäh­nt, weit­er gefasst als die präzis­eren Kat­e­gorien der leo.-Studie.

Eine Erk­lärung des Anal­pha­betismus auf der Grund­lage von Kom­mu­nika­tion­stech­nolo­gien oder ‑ange­wohn­heit­en bietet sich angesichts der annäh­ern­den Gle­ichverteilung des Prob­lems über die Alters­grup­pen hin­weg schlicht nicht an.

Die eigentliche Erk­lärung ist auch viel ein­fach­er, und sie zeigt, dass wir uns zur Bekämp­fung von Anal­pha­betismus um eine „stärkere Rolle“ der Rechtschrei­bung „in Schule und Lehreraus­bil­dung“ genau­sowenig Gedanken machen müssen, wie um Kurznachrichtendienste.

Stattdessen soll­ten wir dafür sor­gen, dass mehr Men­schen über­haupt einen Schu­la­b­schluss und eine vernün­ftige (Aus-)Bildung erhal­ten, denn zwis­chen Bil­dung und Alpha­betisierung beste­ht ein stark­er Zusammenhang:

Alphabetisierung in Deutschland nach Bildung

Alpha­betisierung in Deutsch­land nach Bildung

Außer­dem müssen wir für eine bessere sprach­liche Förderung von Zuwanderer/innen sor­gen, denn auch zwis­chen Mut­ter­sprache und Alpha­betisierung beste­ht in Deutsch­land ein stark­er Zusammenhang:

Alphabetisierung in Deutschland nach Muttersprache

Alpha­betisierung in Deutsch­land nach Muttersprache

Bei­de Zusam­men­hänge sind nur bed­ingt über­raschend — außer vielle­icht für einen kon­ser­v­a­tiv­en, kul­turpes­simistis­chen und tech­nolo­giefeindlichen ehe­ma­li­gen stel­lvertre­tenden Min­is­ter­präsi­den­ten von Bay­ern, dessen Qual­i­fika­tion im Bere­ich Bil­dung haupt­säch­lich darin liegt, dass er den Reli­gion­sun­ter­richt in Bay­ern auf drei Wochen­stun­den aufge­stockt und das Schul­ge­bet einge­führt hat, dafür aber das Kapi­tel „Zeu­gung“ aus den Biolo­giebüch­ern stre­ichen ließ und der Lehrern ver­bi­eten wollte, den Schülern staatskri­tis­ches Denken zu vermitteln.

Aber ein Bil­dungssys­tem, das die Schüler mit­nimmt, statt sie auszu­sortieren, kostet viel Geld. Eine ern­sthafte Sprach­förderung inner­halb und außer­halb der Schule kostet viel Geld.

Aber gegen die „Fet­zen­lit­er­atur“ auf Twit­ter zu wüten, ist schön billig.

 

GROTLÜSCHEN, Anke und Wibke RIEKMANN (2011): leo. — Lev­el-One Studie. Presse­heft, Uni­ver­sität Ham­burg. [Link (PDF)]

OECD (2003) Edu­ca­tion at a glance: OECD indi­ca­tors 2003, Organ­i­sa­tion for Eco­nom­ic Co-oper­a­tion and Devel­op­ment, Paris. [Google Books (Voran­sicht)]

[Erk­lärung zu Inter­essenkon­flik­ten: Ich bin derzeit, und noch bis April 2012, Pro­fes­sor an der Uni­ver­sität Ham­burg. Es beste­hen keine Kon­tak­te zwis­chen dem Forschung­spro­jekt leo. oder den beteiligten Forscher/innen und mir.]

[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Ver­sion enthält möglicher­weise Kor­rek­turen und Aktu­al­isierun­gen. Auch die Kom­mentare wur­den möglicher­weise nicht voll­ständig übernommen.]

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

31 Gedanken zu „Fetzenlogik

  1. Dierk

    Viertens
    Aus­gerech­net Twit­ter — und ähn­lich SMS — ver­lan­gen eine recht hohe Sprach- uns Schriftkom­pe­tenz. Immer­hin wer­den dort regelmäßig kom­plexere Sachver­halte run­terge­brochen auf weniger als 140 Zeichen. Die Schreiber sind gezwun­gen auf mehreren Ebe­nen Entschei­dun­gen zu tre­f­fen, die ihre Tweets kurz hal­ten, dabei aber für die Empfänger — meist Fremde! — ver­ständlich bleiben.
    Ich zwei­fle sehr ern­sthaft, dass jemand, der Prob­leme damit hat ganze Sätze zu ver­ste­hen, in der Lage ist Apho­ris­men* zu schreiben oder auch nur per SMS Tre­f­fen in Abkürzun­gen zu auszumachen.
    *Die bei­den vergesse­nen lit­er­arischen Gen­res: Apho­ris­men und Essays.

  2. Wentus

    Ver­wech­slung mit SMS
    Herr Zehet­mair hat wahrschein­lich Twit­ter mit SMS ver­wech­selt, da man ja eine ähn­liche Anzahl von Zeichen ver­wen­den kann und bei­des über ein Handy laufen kann.
    So was kann einem dig­i­tal­en Anal­pha­beten schon mal passieren.

  3. Stefan

    falsches Jahr?
    “äußerte sich dazu erst Anfang Jan­u­ar 2011 gegenüber der dpa” aber vorher “begann eigentlich schon Ende Novem­ber 2011”

  4. Ulrich Greveler

    Danke!
    Die Ver­teufelung von Twit­ter, oder all­ge­mein die fehler­haft begrün­dete Ablehnung von Kom­mu­nika­tion­splat­tfor­men und sozialen Net­zw­erken darf öffentlich kri­tisiert wer­den! Hans Zehet­mair und Kol­le­gen müssen ihre Behaup­tun­gen schon bele­gen können.
    Es kön­nte auch alles anders sein: Wenn von Schülern noch nie soviel getex­tet wurde wie heutzu­tage, verbessern diese Dien­ste vielle­icht sog­ar die Schreib- und Lesekompetenz?
    Ohne genaue Unter­suchung wis­sen wir es ein­fach nicht.

  5. Atouk

    Real­itätsver­lust
    Ein weit­eres Beispiel für einen Poli­tik­er, der schein­bar in ein­er anderen Welt lebt und der sich schein­bar ratio­nale Argu­menten nicht öffnet. Dadurch wird Politik(er/innen)-verdrossenheit und Frust gefördert und gestärkt.
    Polemik an:
    “…dass der Poli­tik und ins­beson­dere ihrem Stel­len­wert für die Gesellschaft hohe Bedeu­tung beigemessen, aber im Umgang mit ihr nach­läs­sig ver­fahren wird. In dieser Hal­tung ist mit eine Ursache dafür zu sehen, dass unge­fähr 40–60 Prozent der Wähler/innen sich nicht mehr an poli­tis­chen Wahlen beteili­gen; ein Zus­tand, der nicht hin­genom­men wer­den darf.…”

  6. Feathers McGraw

    Kathrin Pas­sig
    Bei solchen Tex­ten weise ich gerne immer pauschal auf den Artikel von Kathrin Pas­sig hin:
    http://www.eurozine.com/…09–12-01-passig-de.html
    Kurz zusammengefasst:
    “Macht dumm” ist ein Stan­dard­vor­wurf gegen neue Tech­nolo­gien und ist in dieser Pauschauli­taet prak­tisch immer genau­so pauschal falsch. Dazu kommt dass Vor­würfe in dieser Form von der ern­sthaften Beschäf­ti­gung mit Tech­nolo­gie und Ihren Auswirkun­gen abhalten.
    Ger­adezu komisch find ich grade dass seine Kri­tik an der Verkürzung durch Twit­ter durch Verkürzung auf Pressemit­teilungs­for­mat sinn­los wird. Find­et er aber wahrschein­lich nicht.

  7. Weiche

    wat denn dat
    Lesen und Schreiben sind Fähigkeit­en, die recht wichtig sind. Aber sind sie der Kern für ein glück­lich­es und erfülltes Leben? Wie im Leben, so auch in diesem Hand­Kopfw­erk auf den Inhalt kommt es an. Und ich per­sön­lich habe das Gefühl, dass Men­schen, die die Form vor den Gehalt stellen, vor allem in die Schublade gehören. Nur so ist es zu ver­ste­hen, dass man Anstoß an HDL nimmt. — Mir geht dabei das Herz auf.

  8. zr0wrk

    Vielle­icht …
    … sollte man Her­rn Zehet­mair bess­er gar nicht auf diese Zusam­men­hänge hin­weisen. Am Ende fordert er zur Bekämp­fung des Anal­pha­betismus min­destens die Ausweisung von Nicht-Mut­ter­sprach­lern ohne Schu­la­b­schluss, wenn nicht gle­ich die all der­er, die Deutsch nicht in die Wiege gelegt bekamen.

  9. Mona

    Anal­pha­betismus in Deutschland
    Herr Zehet­mair wurde ja schon vor Jahren wegen sein­er ver­schrobe­nen Ansicht­en ver­lacht. Hier ein Spiege­lar­tikel aus dem Jahre 1991: http://www.spiegel.de/…gel/print/d‑13491902.html
    Außer­dem dürfte er sich vielle­icht noch daran erin­nern, dass man auch früher gerne abkürzte, wo immer es möglich war. So z.B. bei Telegram­men, da dort jedes einzelne Zeichen teures Geld kostete. Oben­drein musste, bevor die Dik­tierg­eräte aufka­men, in den Büros noch mit­stenogra­phiert wer­den, d.h. es wurde eine Kurz­schrift benutzt.
    Die Süd­deutsche Zeitung sieht daher auch eine Rei­he ander­er Gründe für das Dilem­ma: http://www.sueddeutsche.de/…zu-schwierig‑1.23156
    Vielle­icht bräuchte es für die mod­erne Jugend aber auch einen neuen Duden, der sämtliche Anglizis­men enthält und PlaySta­tionkom­pat­i­bel ist. 🙂
    http://h11.abload.de/…_of_duden_modern_rqj2f.jpg

  10. Sonja

    Rechtschrei­bung?
    Wo schlägt der Rechtschreibrat eigentlich den Bogen vom Anal­pha­betismus zur Rechtschrei­bung? Ursäch­lich habe die bei­den Sachen ja wenig miteinan­der zu tun.
    (Übri­gens finde ich es auf Twit­ter sehr span­nend, wenn Nachricht­en anscheinend ein klein wenig zu lang waren und gekürzt wer­den — welche Zeichen lässt man weg, um noch max­i­male Ver­ständlichkeit zu behalten?)

  11. impala

    Herr Zehet­mair (ich bin eigentlich kein Anal­pha­bet, musste aber trotz­dem zweimal hochscrollen, um die Schreib­weise seines Namens zu über­prüfen) kann sich­er auch Dyslex­ie mit der Ein­führung von Kurz­nachricht­en erk­lären. Schade dass man solchen Papp­nasen über­haupt ein Forum bietet. Wie ist dieser Mann eigentlich Vor­sitzen­der des Rechtschreibrats gewor­den? Hat er das große Fernse­hdik­tat auf RTL gewonnen?
    In sein­er Posi­tion müsste der gute Herr eigentlich auch wis­sen, dass Rechtschreibfehler meist nicht willkür­lich auftreten, son­dern ihnen oft eine sys­tem­a­tis­che Schwäche zugrunde liegt. Wer bei Twit­ter wahr ohne schreibt, tut das aller Wahrschein­lichkeit nach nicht, weil sein Tweet son­st 141 Zeichen gehabt hätte. Und genug Rechtschreibfehler im Deutschen haben doch ger­ade den umgekehrten Effekt, näm­lich das Hinzufü­gen von Buch­staben (über­flüs­siges nach lan­gen Vokalen, statt etc).

  12. Crissov

    Der Mann ist 75, Urbay­er, Erzkatho­lik und gel­ern­ter Deutschlehrer – was will man da erwarten? Da kann man nur hof­fen, dass der Rest des Rechtschreibrates mit bess­er geeigneten Per­so­n­en beset­zt ist.

  13. impala

    Oh, ich hat­te die Buch­staben h, ss und ß in klein­er/­größer-als-Zeichen (da gibt es sich­er einen schöneren Aus­druck, der mir ger­ade nicht ein­fällt — zu viel getweet­et) geset­zt, um Grapheme anzudeuten, aber das Kom­men­tar­feld scheint dies als nonex­is­tente HTML-Codes inter­pretiert zu haben und hat sie daher gle­ich kom­plett aus meinem vorigen Kom­men­tar gelöscht. Gut zu wis­sen, dass hier nicht nur kyril­lis­che Buch­staben uner­wün­scht sind. 😉 Jeden­falls meinte ich “wahr ohne h” und “ss statt ß”…

  14. D. Müller

    Rechtschreibrat ungle­ich Zehetmair
    Die vom Rechtschreibrat geäußerte Posi­tion ist keines­falls mit Zehet­mairs skur­ril­er Pri­vat­mei­n­ung gle­ichzuset­zen. Das macht eine erneute Lek­türe sofort deutlich.

  15. Michael Schygulla

    Fet­zen­logik
    Was erwartet man von ein­er Bil­dungspoli­tik, deren Fol­gen sich der­ar­tig zeigen, daß Abi­turi­en­ten im Fernse­hen meinen, Bukarest ist die Haupt­stadt von Thai­land, oder Realschüler gemein­sam in der 9.Klasse ein Comik lesen können.
    Dafür sind Expertenkom­mis­sio­nen dann da, im übri­gen die sel­ben, die diese Schul‑u.Lernpolitik beschlossen und auch durchge­drückt haben.Klipp‑u.Wippschulniveau lass dich grüßen. Macht nur weit­er so mit dieser Durch­schnit­tlichkeit der Dummheit.

  16. Armin

    mfg, Twit­ter
    Zwei Punkte:
    Wenn der gute Herr solche Prob­leme mit HDL hat hoffe ich er wet­tert auch gegen mfg am Ende von emails und sog­ar Postkarten und Briefen. So viel Zeit muss sein.
    Wenn man bedenkt dass Twit­ter besten­falls seit zwei Jahren im Bewusst­sein der weit­eren Bevoelkerung angekom­men ist, wie kann Twit­ter da Schuld an bre­it­eren gesellschaftlichen Prob­le­men sein?

  17. rauskucker

    HDL
    Hach! Seit ich jet­zt weiß, was das bedeutet, freu mich mich immer dop­pelt, wenn ich ein Paket bekomme.

  18. Caldrin

    ver­link­tes LEO/Rechenfähigkeit
    Wenn ich die Tabelle 1.6 im ver­link­ten LEO-Mate­r­i­al richtig inter­pretiere, dann haben 4% der Alpha1 und 11% der Alpha2 annäh­ernd gar keine Lese­fähigkeit. Wie kann man denn so einen höheren Abschluß schaf­fen? Sind das alles Zuwanderer?
    Inter­es­sant wäre auch mal die Frage, wieviele Zahle­nanal­pha­beten es gibt. Hof­fentlich bin ich nicht der einzige hier im Kom­men­tar­bere­ich, der erst­mal durchrech­nen musste, dass diese 11% Alpha2 mit höher­er Bil­dung und die 1.5% höher Gebilde­ten mit Alpha1‑2 die selbe Anzahl ist — mich hat­te das zuerst verwundert 🙁

  19. Beni

    Danke
    So bekommt man sein Gefühl/Wahrnehmung mal wis­senschaftlich mit Hin­ter­grund und Zahlen bestätigt.
    Danke für Ihre Arbeit

  20. Simone

    Forschung zum Thema
    Es gibt auch eine Studie, die das The­ma unter­sucht hat. Falls das Buch zu dick ist für Her­rn Zehet­mair, hier die Schlussfolgerung:
    Das Ergeb­nis: In keinem dieser Bere­iche, haben die sprach­lichen Eige­narten der dig­i­tal­en Kom­mu­nika­tion nen­nenswerte Spuren in den Schul­tex­ten hin­ter­lassen. Dürscheid ist der Mei­n­ung, dass die Schüler die Schreib­wel­ten tren­nen könnten.
    Kopiert von hier: http://diepresse.com/…ink=/home/bildung/index.do
    Dis­claimer: ich arbeite zwar am entsprechen­den Lehrstuhl, bin aber nicht beteiligt an der Studie.

  21. hewritesilent

    Wur­den Gehör­losen auch mitgeforscht?
    Forschungs-Ziel­gruppe der 15-Jähri­gen, die nicht lesen und schreiben kön­nen oder sich damit sehr schw­er tun. Das sind natür­lich keine 15-Jähri­gen Gehör­losen (gibt ja davon nur etwa 80.000). Anal­pha­beten­rate der Gehör­losen sollte ange­blich bei 90 % liegen.
    Es gren­zt an ein Wun­der, dass in so einem Staat wie Deutsch­land fast 5 Prozent Anal­pha­beten sowie 15 Prozent funk­tionale Anal­pha­beten sind! (lt. Studie)
    Hat der Staat bzw. OECD diese Men­schen etwa übersehen?

  22. fegalo

    Ich kapi­er die Tabelle nicht
    Und zwar die “nach Bildung”.
    Wie kann es sein, dass 1,5% der Men­schen mit höher­er Bil­dung Anal­pha­beten nach Kat­e­gorie Alpha 1–2 sind?
    Kön­nen Sie mich aufklären?

  23. Matthias

    @fegalo: Zum einen gibt es immer Leute, die sich irgend­wie “durch­mo­geln”, auch wenn das vielle­icht schw­er vorstell­bar ist. Zum anderen ist Anal­pha­betismus nicht notwendi­ger­weise eine Frage von Intel­li­genz bzw. Bil­dung. Beispiel­sweise kann man auch trotz stark­er Legas­the­nie hochin­tel­li­gent sein. Ein Kom­mili­tone von mir kon­nte z.B. wegen dieser Störung kaum vernün­ftig lesen und schreiben — und hat trotz­dem (mehr oder min­der) erfol­gre­ich studiert. Den­noch bin ich sich­er, dass er nach den Stu­di­enkri­te­rien als Anal­pha­bet (zumin­d­est funk­tioneller Art) eingestuft wor­den wäre.

  24. Gregor

    Über­be­w­ertet
    Für mich stellt sich die Frage, was Anal­pha­betismus mit kor­rek­ter Rechtschrei­bung, vor allem aber, was kor­rek­te Rechtschrei­bung mit Intel­li­genz zu tun hat. Ich geb’s ja zu, ich war nie ein Meis­ter der Orthogra­phie, aber ich habe mich immer gewun­dert, warum die Fähigkeit, Rechtschreibregeln zu verin­ner­lichen und anzuwen­den mit hoher Intel­li­genz gle­ichge­set­zt wird. Mein­er Erfahrung nach sind die Rechtschreib-Asse alles andere als orig­inelle Denker. Aber zum Glück gibt es ja heute Rechtschreibprogramme…

  25. zr0wrk

    @fegalo
    Wenn ich das richtig ver­standen habe, zählt ein birme­sis­ch­er Arzt, der Deutsch nicht lesen und schreiben kann, aber hier lebt und wom­öglich als Gebäud­ere­iniger arbeit­et, im Sinne der Studie als Anal­pha­bet mit Studienabschluss.
    Aber wom­öglich habe ich das auch falsch ver­standen. Ich habe mir die Zahl zumin­d­est eher so als mit von Legas­the­nie betrof­fe­nen Hochschu­la­b­sol­ventin­nen erklärt.

  26. n

    Die Geschichte begann eigentlich schon Ende Novem­ber 2011, als der Rechtschreibrat in ein­er Presseerk­lärung eine all­ge­meine Besorg­nis um die schrift­sprach­lichen Fähigkeit­en der Jugendlichen in Deutschland.”
    I acci­dent­ly a word.

  27. Roland Grassl

    Schaden für Deutschland
    Leserbrief
    Der ehe­ma­lige Kul­tus­min­is­ter Hans Zehet­mair beklagt zu Recht, daß das, was
    früher ein­mal als Mut­ter­sprache beze­ich­net wurde, heute oft nur noch bruch­stück­haft über die elek­tro­n­is­chen Medi­en aus­ge­tauscht wird. So stellt er fest, daß die Sprachkom­pe­tenz vor allem bei jün­geren Leuten stark nach­läßt, da sie sich fast auss­chließlich über kabel­lose Über­mit­tlungsträger aus­tauschen. Abkürzun­gen und Teil­sätze ohne Sub­stan­tive sind meis­tens die Regel. Kri­tik­los über­nommene Anglizis­men, die Moder­nität sug­gerieren sollen, tun ein Übriges.
    So haftet den Aus­drucks­for­men eine Unschärfe an, die ins­beson­dere dem Bil­dungs- stan­dort Deutsch­land schadet, denn wis­senschaftliche Arbeit wird durch unpräzisen und mehrdeuti­gen Sprachge­brauch zumin­d­est sehr erschw­ert. Das einzig offen- sichtlich Erfreuliche ist, daß Herr Zehet­mair nun endlich diese Erken­nt­nisse gewon­nen hat und sie auch öffentlich ausspricht, nach­dem er selb­st als Kul­tus­min­is­ter und als Vor­sitzen­der des Rats für deutsche Rechtschrei­bung eher zweifel­hafte und wenig zielführende Rechtschreibre­for­men mit auf den Weg brachte. Daß sich diese Lockerung vom sprach­lichen Regel­w­erk ein­mal in solch­er Art in Rich­tung Chaos entwick­eln würde, hätte er wohl damals selb­st nicht für möglich gehalten.
    Roland Grassl , 77815 Bühl

  28. impala

    Brief an Her­rn Grassl
    Gut dass man hier nicht frankieren muss! Ich habe lei­der keinen blassen Schim­mer, wo Bühl liegt und ob die Sig­nal­stärke dort über­haupt aus­re­icht, um sub­stan­tivlose Sätze kabel­los zu über­mit­teln, aber doch frage ich mich, mit welch­er Verzögerung wis­senschaftliche Erken­nt­nisse dor­thin durch­sick­ern, denn die These, dass die mit­tler­weile 15 Jahre alte Rechtschreibre­form zu Anal­pha­betismus führt oder zu Sätzen ohne Sub­stan­tive halte ich doch für ein biss­chen steil. Sie soll­ten die Rechtschreibregeln von 1996 ein­fach mal aus­pro­bieren! Fan­gen Sie doch beim ß an, dann kön­nen Sie sich langsam vorarbeiten.

  29. Rivoid

    @ Herr Grassl
    Da Sie diesen Kom­men­tar in dem sel­ben Wort­laut in mehreren Blogs, die über dieses The­ma geschrieben haben, hin­ter­lassen, denke ich, dass Sie zumin­d­est wis­sen was Copy & Paste ist.
    Ich habe mir zudem erlaubt, den Kom­men­tar, den Sie in meinem Blog hin­ter­lassen haben, als Spam zu werten.

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