Auch in 2012 darf man „in 2012“ sagen

Von Anatol Stefanowitsch

Im Zuge der Nominierun­gen zum Anglizis­mus des Jahres ist auch die Ver­wen­dung von in mit Jahreszahlen nominiert. „Es ist für mich der kle­in­ste aber wider­wär­tig­ste Anglizis­mus, den jedes hal­bakademis­che Bull­shit­bin­goopfer in jed­er Besprechung allzu häu­fig ver­wen­det“, schreibt der Nominierende. „Warum müssen wir in unserem Sprachge­brauch ein Wort ein­fü­gen, wo es bei uns gar nicht notwendig ist? Das hat­ten wir bere­its 2010 disku­tiert und nicht in 2010 – meinetwe­gen im Jahre 2010.“

Mit dieser Abnei­gung ist er nicht allein. Immer wieder wird behauptet, dass es sich dabei um einen „lästi­gen Anglizis­mus“ aus dem „Wirtschaft­s­jar­gon“ han­delt, der von „schlechtem Stil zeugt“, und dass er zwar „weit ver­bre­it­et“ aber „tat­säch­lich falsch“ sei.

Trotz­dem hat die Kon­struk­tion im Wet­tbe­werb keine Chance. Denn erstens ist sie schlicht zu alt, wie diese Beispiele zeigen:

  • Aus „Die Löbliche Her­ren Her­ren Stände Deß Ertz-Her­zogth­umb Oester­re­ich ob der Ennß“ (1732): „der See­len selig abgelei­digte Leib der Wohl-Gebohrnen Frauen Frauen Annæ … ist gestor­ben zu Agg­stein den 3ten Feb­ru­ar. nach 12. Uhr Vor­mit­tag in 1617. ihres Alters in 51. und ihres Wit­tib-Stands in 26. Jahr …“ ([Link])
  • Aus „Rue­bezahlid­er Schle­sis­che Prov­inzial­blaet­ter“ (1799): „Nur bisweilen erschienen keine Ver­bote, wie in 1627 …“ ([Link])
  • Aus „Geschichte der Math­e­matik seit der Wieder­her­stel­lung der Wis­senschaften“ (1800): In 1615 hat­te Kepler ein trau­riges Schick­sal wegen sein­er Mut­ter, er erzählt das Krügern im 293. Briefe.“ ([Link])
  • Aus „Astronomis­che Nachricht­en“ (1855): „Ich habe oben gezeigt, dass das west­liche Sys­tem, welch­es im Jahre 1600 sich in dem östlichen Theile von Europa befand, sich nach dem östlichen Sibirien bewegt hat, und das östliche Sys­tem, welch­es in 1600 das west­liche Europa und einen Theil des Atlantis­chen Meeres ein­nahm.“ ([Link])
  • Aus „Die Ein­wohn­erzahl der ehe­ma­li­gen Reichsstadt Nürn­berg“ (1857): „Ueber 1800 stieg die Zahl 2mal, in 1622 und 1624; über 1700 4mal, in 1606, 1608, 1620; über 1600 7mal, in 1601, 1603, 1604, 1612, 1615, 1619, 1621; über 1500 nur 3mal in 1602, 1607, 1613; über 1400 nur 1mal, in 1617; über 1300 3mal, in 1636 1637, 1639; über 1200 nur 1mal, in 1641.“ ([Link])

Und zweit­ens ist es auf der Grund­lage eben dieser Beispiele unwahrschein­lich, dass es sich bei [in + JAHRESZAHL] über­haupt um einen Anglizis­mus han­delt. Viel wahrschein­lich­er haben wir es mit einem lupen­reinen Latin­is­mus zu tun: Im Lateinis­chen würde man in Anno Domi­ni MDCXVII usw. sagen. Die Kon­struk­tion find­et sich außer­dem in vie­len anderen europäis­chen Sprachen, z.B. im Franzö­sis­chen (en 2012), im Nieder­ländis­chen (in 2012) im Dänis­chen (i 2012) und im Spanis­chen (en 2011).

Aber selb­st, wenn sie tat­säch­lich aus dem Englis­chen käme: Zwei­hun­dert Jahre reichen, um eine urdeutsche gram­ma­tis­che Struk­tur daraus zu machen.

[Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der Sprachlog-Außen­stelle (die nicht mehr existiert). Die hier erschienene Ver­sion enthält möglicher­weise Kor­rek­turen und Aktu­al­isierun­gen. Auch die Kom­mentare wur­den möglicher­weise nicht voll­ständig übernommen.]

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

76 Gedanken zu „Auch in 2012 darf man „in 2012“ sagen

  1. Helmut Wicht

    Im Lateinis­chen würde man in Anno Domi­ni MDCXVII usw. sagen.”
    Wirklich?
    In den nachk­las­sis­chen lat. Inschriften ste­ht meist nur der nack­te Abla­tiv “anno [Zahl]”. Und in der klas­sis­chen Zeit zählten die Römer die Jahre ohne­hin ganz anders: “Cn.Pompeio et M.Crasso con­sulibus” ist z.B. 70 v.Chr., wenn ich mich nicht ver­guckt habe.

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  2. Eva Tanner

    Anglizis­men
    Die schle­ichende Ein­führung der Prä­po­si­tion “in” begann Ende der 70er Jahre und ist ein ein­deutiger Anglizis­mus, egal was die Römer sagten. Allerd­ings kann es ja wohl nach über 30 Jahren nicht mehr als ‘Anglizis­mus des Jahres’ beze­ich­net wer­den. Ich per­sön­lich würde gerne ‘real­isieren’, im Sinne von ‘erken­nen’ auf die Liste set­zen. Unsin­nige For­mulierun­gen, wie ‘Er real­isierte, dass er sich geir­rt hat­te’ (He realised that he had been wrong’) stellen die ursprüngliche Bedeu­tung von ‘real­isieren’ ad absur­dum: etwas in die Tat umset­zen. Jet­zt haben wir für ZWEI Bedeu­tun­gen EIN UND DAS SELBE Wort. Wo liegt da der Vorteil?

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  3. gnaddrig

    @ Eva Tanner
    Es gab keine schle­ichende Ein­führung, die Ver­wen­dung von “in” vor Jahreszahl ist schon viel älter, wie die zitierten Beispiele aus dem 18. Jh. zeigen.
    Es kann natür­lich sein, dass diese Ver­wen­dung in den 70er Jahren aus irgendwelchen Grün­den in Mode gekom­men ist. Und da kön­nte das Englis­che dur­chaus eine Rolle gespielt haben. Das macht das ganze aber immer noch nicht zum Anglizis­mus, Jahr hin, Jahrhun­dert her. Außer man will argu­men­tieren, es sei ein neu einge­führter Anglizis­mus, der zufäl­lig ein­er schon seit fast 300 Jahren bekan­nten, wenn auch sel­te­nen, Aus­druck­sweise im Deutschen genau entspricht. Da bin ich aber nicht sich­er, wie sowas einzuord­nen ist.

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  4. Sabine

    Ob es nun ein Anglizis­mus ist oder nicht, ist doch egal. In jedem Fall han­delt es sich um eine sprach­liche Wichtigtuerei nach dem Mot­to “viel hil­ft viel”, die ähn­lich auf­dringlich klingt wie die in den 90ern ver­bre­it­ete Mode, das Plusquam­per­fekt für jegliche Ver­gan­gen­heit, sei sie auch nur fünf Minuten her und keineswegs vorzeit­ig, zu ver­wen­den. Mancherorts hat sich das immer noch gehal­ten. In Kom­bi­na­tion ist das dann sehr hübsch:
    “In 2012 war ich bere­its zweimal im Urlaub gewesen.”

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  5. Pompeius

    ” Im Lateinis­chen würde man in Anno Domi­ni MDCXVII usw. sagen. ”
    Also im klas­sis­chen Latein würde man das nicht tun. Zei­tangaben set­zen Cicero und Kon­sorten in den reinen Ablativ.
    Neuer Menge §394
    oder Ruben­bauer-Hoff­mann §156

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  6. Feathers McGraw

    Anglizis­men­jagd
    @Eva Tan­ner: Ich bin verblüfft, wie sie in einem einzi­gen Kom­men­tar gle­ich diesen Artikel und den Anglizis­mus des Jahres (evtl. mutwillig) falsch ver­ste­hen können.
    Nein, wenn halb Europa und auch Deutsch­land his­torisch etwas ver­wen­det und das nur (auf­grund von bloßen Ver­mu­tun­gen Ihrer­seits) seit eini­gen Jahrzehn­ten etwas häu­figer Auftritt ist etwas kein lupen­rein­er Anglizis­mus. Im Gegen­teil, dann ist es ein lupen­rein­er nicht-Anglizismus.
    Und nein, ein Wort ist noch nicht als Anglizis­mus des Jahres qual­i­fiziert weil sie es irgend­wie doof find­en. Dass das Wort nun 2 Bedeu­tun­gen hat mag sein — bei Veri­wr­rung fra­gen sie mal die Englän­der, die kom­men mit den zwei Bedeu­tun­gen auch super klar (Kon­text hil­ft). Ich mag “real­isieren” in der Zweitbe­deu­tung weil sie schön zwis­chen “bewusst wer­den” und “deut­lich wor­den” liegt, also zumin­d­est bei mir so gefühlt.
    Der Angliszis­mus des Jahres ist übri­gens für Worte die eine Bere­icherung des deutschen Wortschatzes gewor­den sind. Dass sie ein Wort gle­ichzeit­ig nominieren und darüber wehk­la­gen verwirrt.
    Und nur noch mal am Rande bemerkt: dass sich die Leute immer über ange­blich wichtigtuerische Anglizis­men aufre­gen — Per­sön­lich finde ich Men­schen, die sich über Anglizis­men aufre­gen und andere Leute deswe­gen kor­rigieren viel wichtigtuerisch­er. Es ste­ht doch jedem frei, die Sprache so ver­wen­den wie es ihnen genehm ist. Aber drastis­che Wer­turteile über Leute auf­grund ein­er Prä­po­si­tion zu machen finde ich viel ärg­er­lich­er als das Ver­wen­den der Präposition.

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  7. Helmut Wicht

    @ Feath­ers McGraw
    “Es ste­ht doch jedem frei, die Sprache so ver­wen­den wie es ihnen genehm ist.”
    Offensichtlich.
    *seufz*

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  8. Joachim

    @Eva Tan­ner
    “Jet­zt haben wir für ZWEI Bedeu­tun­gen EIN UND DAS SELBE Wort. Wo liegt da der Vorteil?”
    Da fra­gen Sie noch? Im Zuge der Finanzkriese soll­ten wir auch beim Sprachge­brauch Einsparun­gen vornehmen wo wir nur können.

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  9. impala

    real­isieren

    Ich per­sön­lich würde gerne ‘real­isieren’, im Sinne von ‘erken­nen’ auf die Liste set­zen. Unsin­nige For­mulierun­gen, wie ‘Er real­isierte, dass er sich geir­rt hat­te’ (He realised that he had been wrong’) stellen die ursprüngliche Bedeu­tung von ‘real­isieren’ ad absur­dum: etwas in die Tat umsetzen.

    Diese Bedeu­tung hat real­isieren aber nicht nur im Englis­chen son­dern auch in anderen europäis­chen Sprachen (schon wieder ver­schwören sich alle Europäer gegen uns), wie die fol­gen­den Beispiele aus dem Franzö­sis­chen und Nieder­ländis­chen zeigen:
    F: L’an­née dernière il a réal­isé que son stu­dio lui coû­tait plus qu’il ne lui rapportait.
    NL: Op dat moment realiseerde hij zich pas dat hij zich reeds op de bloed­bank had moeten melden.
    Ich kön­nte mir vorstellen, dass es in anderen Sprachen auch diese Ver­wen­dungsart gibt, aber ich kann anson­sten nur Aus­sagen über das Rus­sis­che tre­f­fen und dort hat @50;87>20BL die ursprüngliche deutsche Bedeu­tung. Aber die franzö­sis­chen und nieder­ländis­chen Beispiele zeigen ja schon, dass es nicht allein die Englän­der sind, die sich unver­schämter­weise ein­er anderen Bedeu­tung des Wortes bedienen.

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  10. ben_

    Danke.
    Hmm … danke. Das schön­ste, was ich heute lesen durfte. Ich schmun­zele immer noch, und Schmun­zeln ist ja bekan­ntlich Vanille für die Seele, wie uns der große, große Max Goldt gelehrt hat. In dem Sinne noch ein­mal: Danke!

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  11. Dierk

    @Eva Tan­ner
    Was wäre denn die ursprüngliche Bedeu­tung von ‘real­isieren’? Und wieso soll­ten aus­gerech­net wieder ein­mal die Deutschen* sie als einzige kor­rekt ver­wen­den und alle anderen falsch?
    Es inter­essiert mich übri­gens wirk­lich, weshalb diejeni­gen, die sich über den Sprachge­brauch der anderen Deutschen aufre­gen, sich dann über­all darob bekla­gen, statt ein­fach selb­st “kor­rekt” zu sprechen und zu schreiben. Sie wis­sen doch wie es geht, dann machen sie es. Heben Sie sich doch ab vom deutschfaulen Plebs. Vergessen Sie auf Effekt, sprechen und schreiben Sie “sauber”.
    Ich bin ganz froh, dass — da wir hier von Anglizis­men schreiben — die englis­che Sprache so flex­i­bel im Aus­druck ist, weil sie oft mehrere Wörter für ein und dieselbe Sache hat. Das hängt natür­lich mit der Geschichte zusam­men, keltische Ele­mente, ger­man­is­che, lateinis­che, alt­franzö­sis­che, franzö­sis­che … u.a. deswe­gen gibt es dort sehr fein abegstufte reg­is­ter, die im deutschen nur sehr schw­er [oder gar nicht] nachgeahmt wer­den können.**
    ‘In 2012’ oder ‘real­isieren’ oder son­stige geschmäck­lerische Schmerzverur­sach­er richt­en weniger Schaden an, als nicht-geset­zte Blink­er und die meis­ten Falschparker.
    *OK, die guten Deutschen, die, die noch wis­sen, wie es richtig geht.
    **für Über­set­zun­gen zum Beispiel

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  12. Matthias

    Leicht off-top­ic: Ich hat­te ohne­hin in der Nominierungs-Kom­men­tarspalte auf der “Anglizis­mus des Jahres”-Website bei eini­gen Ein­re­ichun­gen des Gefühl, dass da jemand — bloß weil “Anglizis­mus” drauf­ste­ht — automa­tisch davon aus­ge­ht, es gehe bei der Wahl um einen Pranger der schlimm­sten Lehn­wörter aus der englis­chen Sprache. Inter­es­sant, wie einige bere­its die Ver­wen­dung des Wortes “Anglizis­mus” mit ein­er “Anti-Hal­tung” assoziieren.

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  13. Debe

    OT: @impala: Rus­sis­ches Wort
    Hier taucht wieder ein­mal ein rus­sis­ches Wort auf, das impala als @50;87>20BL schreibt (zumin­d­est zeigt das mein Brows­er). Ist das gängige Umschrei­bung und wenn ja, wo finde ich darüber Infor­ma­tio­nen? Oder kann das Forum kein Kyril­lisch? Mal testen: @50;87>20BL (real­isieren, laut Lan­gen­schei­dt Euro-Wörterbuch)

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  14. Debe

    OT: @impala: Rus­sis­ches Wort
    Na gut, das Forum kann kein Kyril­lisch: Aus mein­er Eingabe, die hier vor dem Absenden ganz kor­rekt angezeigt wurde, machte sie den gle­ichen Mist wie offen­sichtlich auch bei impala.

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  15. Frank Rawel

    Sprachökonomisch ist “in” überflüssig
    Das “in” in Verbindung mit Jahre­sangaben ist nur eben abso­lut überflüssig.
    Man braucht es nicht. Es ist eine von vie­len Ren­dern doch an ihren Gel­tungs­drang ver­schwen­dete redun­dante Silbe.
    Red­ner, die gern etwas auswär­tig klin­gen möcht­en, sparen die Silbe dann gern woan­ders in Verbindung mit “erin­nern” wieder ein und sagen dann so etwas wie “Ich erin­nere die Krise vor drei Jahren…”.

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  16. Florian

    Lieber Ana­tol
    1. Dass im Lateinis­chen von “in Anno Domi­ni MDCXVII” die Rede ist, führt nicht zu “in 2010”, son­dern zu dem von dir bere­its genan­nten “im Jahre [des Her­rn] 2010”.
    2. Die Beweiskraft der Textpas­sagen aus dem 18. und 19. Jhrd finde ich zweifel­haft. Galt das dort geschriebene damals als kor­rekt? Gab es bere­its verbindliche Regeln?
    Was sagen Duden und Co zu dieser neuen For­mulierung? Denn neu ist sie und mir im let­zten Jahrtausend nie begegnet.

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  17. Dierk

    @Frank Rawel
    Ich ver­mute, das ver­mehrte Auftreten von ‘in [Jahreszahl]’ hat was mit dem Jahr 2000 zu tun, das sich alleine irgend­wie selt­sam anhört — zu wenig Sil­ben oder so etwas. Es wird ja als Alter­na­tive gerne ‘im Jahr [Jahreszahl]’ geboten, das erhe­blich weniger wirtschaftlich mit dem Atem umge­ht, was dafür spricht, dass auch die Kri­tikaster ein leicht­es Stechen fühlen, wenn sie die Jahreszahl alleine benutzen.
    Vielle­icht hat ja eine der lesenden Lin­guistIn­nen dazu eine Studie?!

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  18. Foz


    Leute, die ihre vorge­fasste Mei­n­ung trotz glasklar­er gegen­teiliger Evi­denz beibehal­ten. Ich frag mich immer, was die hier wollen.

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  19. D. Müller

    2000 (Dierk)
    Die genan­nten his­torischen Beispiele sind recht alt, sie stam­men alle­samt aus der Zeit vor der “Reichs­grün­dung” 1871. Möglicher­weise ist das vorher (häu­fig oder spo­radisch?) auf­tauchende Jahres-“in” anschließen­den Vere­in­heitlichungs- und Ökonomisierungs­be­mühun­gen zum Opfer gefall­en. Dem Englis­chen käme dann eventuell die Rolle der Wieder­bele­bers zu.

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  20. Verwirrlich

    Unge­heuer­lichkeit
    “Jet­zt haben wir für ZWEI Bedeu­tun­gen EIN UND DAS SELBE Wort. Wo liegt da der Vorteil?”
    Ich per­hor­resziere eine Sprache, in das tat­säch­lich öfters der Fall sein kön­nte! Wie soll man noch entschei­den kön­nen, welche Wortbe­deu­tung in welchem Kon­text die richtige ist? Wir wären zu hil­flosem Stam­meln verurteilt, ins­beson­dere diese bil­dungs­fer­nen Schicht­en wänre über­fordert. EINE Bedeu­tung für jedes Wort reicht. Wirklich.
    Meine Aktionswebseite:
    http://www.initiative-eine-bedeutung-pro-wort.de

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  21. Wentus

    tem­po­raler Akkusativ
    Das “in” ist im Englis­chen gar­nicht so üblich! Es über­wiegen die Google-Fund­stellen ohne “in”. Beispiel “was born 1956” hat mehr Fund­stellen als das gle­iche mit “in”. In den roman­is­chen Sprachen über­wiegt das “in”, der­gle­ichen die Entsprechun­gen im Ungarischen und Arabischen.
    Es scheint aber ein Phänomen zu sein, das sich auf Jahreszahlen beschränkt, denn in all diesen Sprachen, auch Latein und Griechisch, existiert für den Zeit­punkt die Möglichkeit, das Wort ohne Artikel im Akkusativ als Tem­po­ralbes­tim­mung zu set­zen. (Beispiele: mor­gen, mañana, demain, hol­nap, :/‘K )

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  22. Stefan

    @Florian Regeln
    Es ist immer wieder faszinierend, wie die Men­schheit zehn­tausende von Jahren ohne aufgeschriebene Regeln kom­mu­nizieren kon­nte. Muss ja alles falsch gewe­sen sein.
    /ironie off
    Es ist uebri­gends auch voel­lig uner­he­blich ob die ver­wen­de­ten Textstellen ‘regelkon­form’ waren, sie zeigen trotz­dem, dass es keine neue Erschei­n­ung ist.

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  23. NörglerIn

    @ Flo­ri­an
    Der Duden beze­ich­net in 2009 als „nicht stan­dard­sprach­lich; nach englis­chem Vor­bild“ (duden.de).
    @ impala, @ Dierk
    Die ursprüngliche und weit­er­hin gebräuch­liche Bedeu­tung von real­isierenist im Franzö­sis­chen, Englis­chen und Deutschen die gle­iche. Die zusät­zliche Bedeu­tung erken­nen, gewahr wer­den ist erst später im (zunächst wohl amerikanis­chen) Englisch aufgekom­men. Diese Bedeu­tung ist dann aus dem Englis­chen ins Franzö­sis­che über­nom­men wor­den. Entsprechen­des gilt ver­mut­lich auch für das Niederländische.

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  24. Jo

    Jed­er Aspekt men­schlichen Lebens ist pausen­los der Kri­tik unter­wor­fen: Büch­er, Filme, Musik, The­ater, Tanz, Restau­rants, Com­put­er­spiele, Mode, Architek­tur, Sit­ten und Gebräuche jed­er Art und jed­er (Sub-) Kultur.
    Nur die (All­t­ags-) Sprache soll aus irgen­deinem unerfind­lichen Grund davon ausgenom­men sein — wer die zu kri­tisieren und zu bew­erten wagt, ist ein Nör­gler oder ein Wichtigtuer, wie hier wieder an den Kom­mentaren erkennbar. Warum nur?

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  25. Frank Rawel

    Der große Hanns Dieter Hüsch hat mal gesagt, dass er sehr gern ein Wichtigtuer sei. Schlimm seien in Wirk­lichkeit nur die Wichtignehmer.

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  26. Phaeake

    in”+Jahreszahl für Zahlenkolonnen
    Vie­len Dank für die inter­es­san­ten Nach­weise. Ger­ade das let­zte von A.S. gebrachte Zitat zeigt, wann ein “in” vor der Jahreszahl sin­nvoll ist, dann näm­lich wenn Jahrezahlen mit anderen Zahlen, die noch dazu kolon­nen­haft auftreten, in engem Zusammn­hang ste­hen. Dann markiert ein “in”, dass jet­zt eine Jahreszahl folgt.
    Im ver­gan­genen Jahrhun­dert wurde die Markierung ein­er Zahl als Jahreszahl auch durch die Zahlen­bil­dung möglich, (Neun­zehn­hun­dert­siebe­nun­dachtzig ist eine Jahrezahl, ein­tausend­ne­un­hun­dert­siebe­nun­dachtzig die Zahl der Schweine­hälften). Denkbar ers­chine es, dass deshalb ab 2000 die Ver­wen­dung des “in” stieg.
    Aus den genan­nten Grün­den empfinde ich das in+Jahreszahl als Wirtschafts­deutsch und nicht so sehr passend in Zusam­men­hän­gen wie: “In 2011 habe ich mich endlich wieder verliebt”

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  27. kreetrapper

    Uni­code?

    Na gut, das Forum kann kein Kyril­lisch: Aus mein­er Eingabe, die hier vor dem Absenden ganz kor­rekt angezeigt wurde, machte sie den gle­ichen Mist wie offen­sichtlich auch bei impala.

    Das darf doch wohl nicht wahr sein. Wie kann es sein, daß in 2011 immer noch Soft­ware frei herum­läuft, die sich nicht einen Deut um Uni­code schert. Ich bitte den tech­nisch Ver­ant­wortlichen, das zu reparieren!

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  28. Statistiker

    Sprache und Schrift
    Aus der täglichen Arbeit:
    Als Mitar­beit­er eines Lan­desmin­is­teri­ums ist es meine regelmäßige Auf­gabe, sowohl Schreiben aufzuset­zen als auch Reden zu schreiben. Dies mache ich inzwis­chen unter meinem acht­en Min­is­ter (Okay, war auch eine Min­is­terin darunter) unter­schiedlich­ster poli­tis­ch­er Ausrichtung.
    Eins war und ist allen gemein­sam: Bei Reden wird das “in 20**” benutzt, bei Schreiben “im Jahr 20**”. Für mich ein schönes Beispiel für den Unter­schied zwis­chen geschrieben­er und gesproch­en­er Sprache, ver­gle­ich­bar mit “diesen Jahres” (Sprache) und “dieses Jahres” (Schrift).

    Antworten
  29. Florian

    @Stefan
    Na, wenn Sprachregeln neben­säch­lich und sowieso nur was fürs fan­tasielose Estab­lish­ment sind, kön­nen wir ab mor­gen auch “auf 2012” schreiben.
    Es ist natür­lich NICHT neben­säch­lich, ob “in 1871” damals kor­rekt oder nur der Schreibfehler eines legas­thenis­chen Bauern­jun­gen war!
    @NörglerIn
    “Der Duden beze­ich­net in 2009 als „nicht stan­dard­sprach­lich; nach englis­chem Vorbild“”
    Gut, dann hät­ten wir das ja gek­lärt. Auch wenn “in 2012” vor eini­gen hun­dert Jahren möglicher­weise als kor­rekt galt, nach der heuti­gen Rechtschrei­bung ist es das nicht mehr.

    Antworten
  30. David

    An der Rechtschrei­bung ist da nun wirk­lich nichts auszuset­zen. Bei “in” und bei Jahreszahlen kann man aber auch wirk­lich nicht viel verkehrt machen.
    Im Übri­gen muß ich darauf aufmerk­sam machen, daß die deutsche Sprache nicht das Eigen­tum der Duden-Redak­tion ist, son­dern meins.

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  31. Studierendenfutter

    ver­gle­ich­bar mit “diesen Jahres” (Sprache) und “dieses Jahres” (Schrift).

    Wer das falsch spricht, weiß es nicht bess­er und schreibts auch falsch.

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  32. Helmut Wicht

    @ Ana­tol … grmpf
    Behaupten, dass “in anno” ein Latin­is­mus sei. Bewiesen bekom­men, dass es nicht stimmt.
    Schweigen.
    Das zeich­net den Politiker.

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  33. Dierk

    @Wicht
    Vielle­icht span­nt er auch über die Feiertage aus.
    Ich hätte da einen kurzen lateinis­chen Text:

    Anno Domi­ni Milles­i­mo Octo­cen­tisi­mo pri­mo Die Dec­i­ma Septi-
    ma Aprilis obi­it Infans Famel­la nomine Orsu­la in anno aetatis suae quin­to ex morbo
    ospa fil­ia Labo­rioso­rum Math­i­ae Michal­s­ki et Mar­i­an­na Woy­tow­na con­sor­tio coniugum
    legit­i­mo­rum ex pre­dic­ta vil­la sub­di­to­rum Sepul­ta in Caemeterio.

    Nö, habe ich nicht selb­st zusam­mengek­löp­pelt, dafür ist das bei mir schon viel zu lange her.
    Bewiesen wurde übri­gens nicht, dass es kein Latein ist, son­dern nur behauptet.
    PS: Ihre implizite These, dass ‘in anno’ nicht lateinisch sei, braucht nur ein Gegen­beispiel, daher habe ich jet­zt nicht noch die ganzen mit­te­lal­ter­lichen Predigt­samm­lun­gen durchgesehen.

    Antworten
  34. Helmut Wicht

    @ Dierk
    PS: Ihre implizite These, dass ‘in anno’ nicht lateinisch sei, braucht nur ein Gegen­beispiel, daher habe ich jet­zt nicht noch die ganzen mit­te­lal­ter­lichen Predigt­samm­lun­gen durchgesehen.”
    Feuer­län­der sind keine Wider­legung der franzö­sis­chen Gram­matik. (Kurt Tucholsky).

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  35. flux

    Teekesselchen
    “Jet­zt haben wir für ZWEI Bedeu­tun­gen EIN UND DAS SELBE Wort. Wo liegt da der Vorteil?”
    @stan: Wollt ich auch grad sagen .… Dieses schöne Spiel kön­nten wir gar­nicht mehr spie­len, wenn jedes Wort nur eine Bedeu­tung hätte 😉
    Ausser­dem haben wir auch ohne Lehn­wörter im Deutschen Wörter oder Wen­dun­gen, die mehrere Bedeu­tun­gen haben.
    Ein Beispiel : aufgeben
    Ich kann in einem Kampf aufgeben
    Ich kann das Klavier­spie­len aufgeben
    Ich kann Hausauf­gaben aufgeben
    Ich kann ein Päckchen aufgeben
    Der­gle­ichen hat ver­mut­lich bis­lang noch keinen Sprach­schützer gestört.

    Antworten
  36. Drago Starcevic

    Satzan­fang
    Ist es nicht auch so, dass es in geschriebe­nen Tex­ten als regel­rechter Fehler gilt, wenn ein Satz mit ein­er Zahl beginnt?
    Das kön­nte ja auch ein Grund sein, eine solche Kon­struk­tion ins Deutsche zu über­tra­gen: im Englis­chen darf man einen Satz, wie in der gesproch­enen Sprache auch, mit der Jahreszahl begin­nen, was in vie­len Fällen Vorteile hat, was Klarheit und Dra­maturgie des Satzes bet­rifft — weil ja immer noch die Prä­po­si­tion davor kommt.
    Man kann sich zumin­d­est vorstellen, dass deutsche Schreiber, die ein unbändi­ges Ver­lan­gen hat­ten, die Jahreszahl vorne im Satz zu ver­wen­den, auf einen solchen Import ver­fall­en sind.
    Für mich per­sön­lich habe ich das Gefühl, es kön­nte auch noch ein klein­er Bedeu­tung­sun­ter­schied beste­hen zwis­chen “2011” und “in 2011”. — “In 2011 habe ich mich endlich wieder ver­liebt” kommt mir komisch vor, aber “Ich schreibe allen Frauen, in die ich mich in 2011 ver­liebt habe, eine Wei­h­nacht­skarte” klingt für mich bess­er. Es scheint mir eine kleine Beto­nung zu enthal­ten auf die Abgeschlossen­heit und auch die Länge dieser Liste. Geht das anderen auch so?

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  37. Dierk

    Tuchol­sky
    [ver­dammte clumsiness!]
    Tuchol­sky schrieb im sel­ben Satz übri­gens weit­er: ’ – sie beweisen aber, daß es auch ohne diese Gram­matik geht.’

    Antworten
  38. Phaeake

    @Drago Starce­vic
    Ich finde den Satz “Ich schreibe allen Frauen, in die ich mich in 2011 ver­liebt habe, eine Wei­h­nacht­skarte” ein kleines biss­chen weniger schräg als “In 2011 habe ich mich endlich wieder ver­liebt.” Denn der Wei­h­nacht­skarten­satz hat schon etwas Buch­hal­ter­isches. Noch plau­si­bler klingt aber: “Allen Frauen, denen ich in 2010 eine Wei­h­nacht­skarte geschrieben habe, erhal­ten eben­falls eine in 2011.”

    Antworten
  39. Phaeake

    Ver­liebt in 2011
    Ich finde den Satz “Ich schreibe allen Frauen, in die ich mich in 2011 ver­liebt habe, eine Wei­h­nacht­skarte” ein kleines biss­chen weniger schräg als “In 2011 habe ich mich endlich wieder ver­liebt.” Denn der Wei­h­nacht­skarten­satz hat schon etwas Buch­hal­ter­isches. Noch plau­si­bler klingt aber: “Allen Frauen, denen ich in 2010 eine Wei­h­nacht­skarte geschrieben habe, erhal­ten eben­falls eine in 2011.”

    Antworten
  40. impala

    real­isieren
    @NörglerIN:

    Die ursprüngliche und weit­er­hin gebräuch­liche Bedeu­tung von real­isierenist im Franzö­sis­chen, Englis­chen und Deutschen die gle­iche. Die zusät­zliche Bedeu­tung erken­nen, gewahr wer­den ist erst später im (zunächst wohl amerikanis­chen) Englisch aufgekom­men. Diese Bedeu­tung ist dann aus dem Englis­chen ins Franzö­sis­che über­nom­men wor­den. Entsprechen­des gilt ver­mut­lich auch für das Niederländische.

    Entschuldigen Sie die wei­h­nachts­be­d­ingte Ver­spä­tung meines Kom­men­tars, aber hät­ten Sie für diese Aus­sagen irgendwelche Belege oder ist das Ihr intrin­sis­ches Wis­sen über diese drei bzw. vier Sprachen?

    Antworten
  41. Lars Fischer

    Um mal Öl ins Feuer zu gießen:
    Es gibt nach meinem Ver­ständ­nis keinen stren­gen Grund weshalb es nicht “im 2012” heißen sollte…

    Antworten
  42. Helmut Wicht

    @ Lars
    “Es gibt nach meinem Ver­ständ­nis keinen stren­gen Grund weshalb es nicht “im 2012” heißen sollte…”
    So gese­hen, gibt es eigentlich keinem Gründe, noch auf irgen­deinem Casus einen Rück­sicht zu nehmen. Nach dem Abschaf­fung von das Dek­li­na­tion schlage dem Kon­ju­ga­tion abschafft vor ich. Sün­tax und Offer­grafei sow­iso den Frei­heit Freiga­be Wort­stel­lungs wurscht. Wie in Lateinis­chen. Oder so. So oder?
    Im den Jahr in 2012 wir dem pack­en! Wenn schon sein Welt Stuss, Recht wieviel haben mehr Stussens reden wir?

    Antworten
  43. Dierk

    @Wicht
    Also ist ‘im Jahr [Jahreszahl]’ kor­rekt und gut und schön, während ‘im [Jahreszahl]’ jeden­falls falsch und schlecht und hässlich ist; eben­so ‘in [Jahreszahl]’. Beim Prä­po­si­tion­spaar in/im wäre ich sehr vor­sichtig, diese bei­den sind nicht son­der­lich stark voneinan­der abgegrenzt.
    Bringt mich zur wichtig­sten Frage über­haupt: Hat jemand mehr als seinen per­sön­lichen Geschmack in das The­ma einzubringen?*
    *Ergänzende Frage: Wann wurde Rechtschrei­bung [siehe weit­er oben], Syn­tax, Seman­tik und Stil alles eins? Und was ist eine Ellipse?

    Antworten
  44. Jürgen Bolt

    @Dierk: Frage präzisieren
    “Bringt mich zur wichtig­sten Frage über­haupt: Hat jemand mehr als seinen per­sön­lichen Geschmack in das The­ma einzubringen?”
    Offen­bar deck­en sich die per­sön­lichen Geschmäck­er von Men­schen ja teil­weise. Was wir für sprach­lich richtig oder falsch, schön oder häßlich hal­ten, ist einiger­maßen ähnlich.
    Sollte die Frage nicht bess­er heißen, woher diese Übere­in­stim­mung kommt? Ob sie sozial kon­stru­iert ist oder sich aus der Funk­tion von Sprache ergibt oder bei­des? Und die zweite Frage, wie wir mit dieser Übereinkun­ft (willkür­lich oder funk­tion­al begrün­det oder bei­des) umgehen?
    Kon­ser­v­a­tiv oder ‘every­thing goes’? Oder etwas dazwischen?
    Etwas spannendes?
    Wie die Texte von Hel­mut Wicht, die ich und andere für die ästhetisch reizvoll­sten auf den scilogs halten.

    Antworten
  45. Helmut Wicht

    @ Bolt @ Dierk
    @ Bolt — danke
    @ Dierk “per­sön­lich­er Geschmack”
    Es ste­ht selb­stver­ständlich Ihnen und jed­er­mann son­st frei, Prä­po­si­tio­nen “ad libi­tum” vor die Jahreszahlen und diese in Kasus “al gus­to” zu set­zen. Die gram­ma­tis­chen Regeln — und darin bin ich mir, hoffe ich, mit Ana­tol Ste­fanow­itsch einig — sind nicht vom Him­mel gefall­en, sind keine Naturge­set­ze, son­dern der kod­i­fizierte Mehrheitsgeschmack.
    Der pin­gelige Korinthenkack­er in mir beste­ht aber darauf, dass der Mehrheits­geschmack im klas­sis­chen Latein die Jahre­sangabe in den blanken Abla­tiv set­zte. Da kön­nen noch so viele mit­te­lal­ter­liche Wan­der­predi­ger “in anno” gesagt haben — Cicero hätte das nicht getan. “In 2012” ist kein Latin­is­mus. Auch schon deshalb nicht, weil das postk­las­sis­che “in anno XXX”, das zur Recht­fer­ti­gung ange­führt wird, noch das Wort “Annus” — und nicht nur die blanke Zahl — enthält. “In dem Jahr 2012” — dage­gen hat kein Men­sch etwas einzuwenden.
    Aber wie gesagt — es kann jed­er machen was er will. Ich ver­weise allerd­ings auf den schö­nen Satz von Feath­ersM­c­Graw, den ich weit­er oben zitiert habe: “Es ste­ht doch jedem frei, die Sprache so ver­wen­den wie es ihnen genehm ist.” Wenn ich mir jet­zt noch die Frei­heit nehme, die fehler­hafte Gram­matik dieses Satzes dadurch zu kor­rigieren, dass ich ihm ein Iota raube — nein: ein gross­es statt eines kleinen Iota in das “Ihnen” set­ze — dann wird die Inten­tion des Schreibers glatt auf den Kopf gestellt. Statt des intendierten demokratis­chen haben wir plöt­zlich ein total­itäres State­ment, dass uns die Frei­heit aufer­legt, dem Adres­sat­en des Satzes nach dem Mund zu reden.
    Die Juris­ten geben sich nicht ohne Grund so grosse Mühe mit ihren Sätzen. Dass das, was dabei her­auskommt, oft unver­daulich ist, ist eine andere Sache…
    Der Schreiber­ling in mir pocht auf die Regel — um sie ver­let­zen zu kön­nen. Wenn “any­thing goes” — dann geht näm­lich lit­er­arisch nicht mehr viel. Die Regel san­ft oder grob gegen den Strich zu bürsten: das ist mein­er Ansicht nach eine der Kün­ste des Rhetors/Schreibers. Und wenn es keine Regeln gibt — dann kann man nicht mit ihnen spie­len. Das wäre schade.

    Antworten
  46. impala

    @NörglerIN

    In dem Ety­mol­o­gis­chen Wörter­buch des Nieder­ländis­chen (s.o.) ist nur die ursprüngliche Bedeu­tung von realis­eren aufgeführt.

    Das liegt daran, dass das Nieder­ländis­che zwis­chen realis­eren als “in die Tat umset­zen” und zich realis­eren als “sich ein­er Sache bewusst wer­den” unterscheidet.

    Antworten
  47. Dierk

    @Wicht
    Wir bei­de sind uns auf jeden Fall darin einig, dass der Schreiber­ling sich gefäl­ligst über Sprachregelun­gen hin­weg zu set­zen hat, wenn es seinem Effekt, sein­er Geschichte dient. Ich poche allerd­ings nicht darauf, dass die Anderen sich gefäl­ligst an die Regeln zu hal­ten hät­ten. Wir sind aller Schreiber, Leser und Sprech­er, wir haben alle das Recht, uns so auszu­drück­en, wie es effek­tiv ist. Selb­st, wenn es das nicht ist, dür­fen wir gegen Sprachregeln ver­stoßen, beson­ders, wenn es sich um rein stilis­tis­che han­delt, die immer nur Tra­di­tio­nen [und nicht immer die besten oder ältesten] sind.
    Es scheint mir auch gewagt anzunehmen, dass “der Leser” weiß, wann der Schreiber­ling sich was bei einem Fehler gedacht hat und wann nicht. Es ist nicht sel­ten, dass Leser­brief­schreiber und Blogkom­men­ta­toren fröh­lich ‘Foul’ rufen, wenn der Autor bewusst Regel­bruch beging.

    Antworten
  48. Dierk

    wg. Latein
    Rom wurde so um und bei 753 v.C. gegrün­det, das Römis­che Reich ging dann irgend­wann zwis­chen 300 und 400 nach C. unter. Macht round­about 1000 Jahre aktive Sprachgeschichte. Aber danach war der tägliche Gebrauch des Lateinis­chen nicht zu ändern, in der katholis­chen Kirche hält er sich bis heute. Bis weit in die Aufk­lärung hinein schrieben und sprachen Gelehrte, Mönche, kirch­liche Wür­den­träger [bis zur Gemein­debene runter] Latein. Und verän­derten es dabei. Selb­st wenn wir nur bis ins aus­ge­hende Mit­te­lal­ter rech­nen, weil die Benutzung danach kon­ser­v­a­tiv war, kämen wir auf 2000 Jahre aktive Sprachgeschichte des Latein.
    Als sprach­lich gültig nur anzuerken­nen, was Cicero, Cäsar und Horaz geschrieben haben, also die Entwick­lung des Lateinis­chen auf ca. 100 Jahre einzuschränken, ist, mit Ver­laub geschrieben, hanebüchen und fernab jed­er sin­nvollen Diskussion.

    Antworten
  49. Tino

    Falsch ver­standen
    Der Herr Nom­i­na­tor hat schein­bar sowieso die Inten­tion der Seite falsch verstanden:
    “Mit der Wahl zum „Anglizis­mus des Jahres“ möcht­en wir den Beitrag, den die englis­che Sprache zur Entwick­lung des Deutschen macht, angemessen würdi­gen und freuen uns auf Ihre Nominierun­gen für den „Anglizis­mus des Jahres 2011“
    Es han­delt sich also bem Anglizis­mus des Jahres mit­nicht­en um eine Schähung (außer das ganze ist sehr sub­til satirisch gemeint?)

    Antworten
  50. NörglerIn

    @impala
    “Zich realis­eren” finde ich auch nicht in diesem Wörterbuch.
    Dage­gen finde ich beim nieder­ländis­chen Wikipedia eine „Liste häu­figer Fehler im Nieder­ländis­chen“ (http://nl.wikipedia.org/…outen_in_het_Nederlands).
    In dieser Liste finde ich „zich realiseren“.

    Antworten
  51. impala

    @NörglerIN
    Nein, da haben Sie etwas falsch ver­standen. In der Liste auf Wikipedia geht es genau darum, dass häu­fig der Unter­schied zwis­chen realis­eren und zich realis­eren nicht gemacht wird. So sagen manche wie in dem Wikipedia-Beispiel “ik realiseer dat het koud is” statt “ik realiseer me dat het koud is”. Das nichtre­flex­ive realis­eren entspricht “in die Tat umset­zen”, wie dem Beispiel­satz “Het project had nooit gere­aliseerd kun­nen wor­den …” zu ent­nehmen ist. Der zweite Beispiel­satz “Ik realiseer me dat ik met deze opmerk­ing velen tegen de haren in strijk …” ist ein­wand­freies Niederländisch.

    Antworten
  52. NörglerIn

    @impala
    Sie haben recht. Ich habe zu flüchtig gele­sen. Auch meine Unken­nt­nis des Nieder­ländis­chen mag dazu beige­tra­gen haben.
    Es bleibt aber noch die Frage, ob diese Bedeu­tung im Nieder­ländis­chen, wie im Franzö­sis­chen und im Deutschen, auch aus dem Englis­chen stammt.
    Das halte ich jeden­falls für die plau­si­bel­ste Hypothese. Lei­der enthält das zitierte ety­mol­o­gis­che Wörter­buch diese Bedeu­tung nicht, so daß sich daraus die Hypothese nicht bele­gen läßt.
    Da Sie sich im Nieder­ländis­chen offen­bar gut ausken­nen, haben Sie vielle­icht son­stige Quellen dazu?

    Antworten
  53. impala

    @NörglerIn
    Ich habe ger­ade in dem größten nieder­ländis­chen Wörter­buch nachgeschla­gen, das die Bib­lio­thek der UvA zu bieten hat­te, da auch im tra­di­tionellen Van Dale (das nieder­ländis­che Duden-Äquiv­a­lent) keine Angaben zum Ursprung des Wortes gemacht wurden.
    Dort stand jeden­falls, dass realis­eren seit 1535 im Nieder­ländis­chen benutzt wird und aus dem Franzö­sis­chen über­nom­men wurde. Die reflex­ive Ver­wen­dung ist erst 1908 zum ersten Mal belegt, aber lei­der ohne Ursprungsangabe. Die nicht-reflex­ive Ver­wen­dung mit der Bedeu­tung “sich bewusst wer­den” ist etwa 20 Jahre später zum ersten Mal aufge­treten und nur zu dieser Ver­wen­dung wird ange­führt: “Invloed van eng. to real­ize is hier­bij waarschi­jn­lijk”. Es scheint dazu also keine näheren Angaben zu geben. Die Quelle aus 1908 ist jeden­falls keine Über­set­zung und 1908 war die Form auch im Franzö­sis­chen schon ver­bre­it­et. Wie genau zich realis­eren Ein­gang ins Nieder­ländis­che gefun­den hat, lässt sich also lei­der nicht nachvollziehen.

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  54. Achim

    Nicht alles, was hinkt, …
    Ich finde den Ver­such, uns die Ver­wen­dung von “in 2012” mit dem Ver­weis auf entsprechende Kon­struk­tio­nen schmack­haft zu machen, eher pein­lich. Die Über­tra­gung der Syn­tax und Seman­tik von Präs­po­si­tion­alkon­struk­tio­nen von ein­er Sprache in die andere muss eigentlich daneben gehen.
    Ja, die Schwe­den sagen i 2012, aber die sagen auch i år für dieses Jahr. Müssen wir das jet­zt auch übernehmen?
    Tran­srhenanisch macht man Ferien im agrarischen Umfeld nicht sur, son­dern à la ferme. Ver­bringt man die freie Zeit in der Haupt­stadt dieses schö­nen Lan­des, fol­gt auf das aller à Paris dann das être à Paris. Sollen wir out­re-Rhin unsere Prä­po­si­tio­nen für Rich­tung und Ort in eine zusam­men­matschen, nur weil’s die Gal­li­er so halten?
    Und ja, nach mein­er Wahrnehmung hat die Ver­wen­dung der hier disku­tierten Kon­struk­tion im Deutschen in den let­zten zehn bis zwanzig Jahren deut­lich zugenommen.
    Und nein, sie gefällt mir nicht 😉

    Antworten
  55. Leo

    Stan­dard­sprache = korrekt ?
    “Der Duden beze­ich­net in 2009 als „nicht stan­dard­sprach­lich; nach englis­chem Vorbild“”
    Gut, dann hät­ten wir das ja gek­lärt. Auch wenn “in 2012” vor eini­gen hun­dert Jahren möglicher­weise als kor­rekt galt, nach der heuti­gen Rechtschrei­bung ist es das nicht mehr.”
    -
    Sie inter­pretieren die For­mulierung “nicht stan­dard­sprach­lich” als “falsch”. Dies halte ich für unzuläs­sig und das sieht ver­mut­lich auch die Duden-Redak­tion so. Anson­sten wäre auch das schöne Wort “Jän­ner” oder der grund­sät­zliche Verzicht auf das “ß” wie in der Schweiz, als “falsch” anzuse­hen. Ist es natür­lich nicht. Es ist allen­falls “nicht stan­dard­sprach­lich”, was also eher eine Kat­e­gorisierung in üblich/unüblich darstellt.

    Antworten
  56. zr0wrk

    Unübliche Stan­dard­sprache
    > Sie inter­pretieren die For­mulierung “nicht
    > stan­dard­sprach­lich” als “falsch”. Dies halte
    > ich für unzuläs­sig (…) Ist es natürlich
    > nicht. Es ist allen­falls “nicht standardsprachlich”,
    > was also eher eine Kat­e­gorisierung in
    > üblich/unüblich darstellt.
    Selb­st das würde ich anzweifeln. Im All­t­ag sind nicht-stan­dard­sprach­liche Kon­struk­tio­nen häu­fig viel üblich­er als stan­dard­sprach­liche. Darüber hin­aus stellt sich natür­lich die Frage, wie sich die deutsche Vari­etät “Stan­dard­sprache” denn her­stellt. Auch die Duden-Redak­tion hat hier keine Def­i­n­i­tion­s­macht, son­dern kann lediglich beschreibend wirk­sam werden.
    Das, was uns als Hoch- oder Stan­dard­sprache ent­ge­genkommt, ist let­zlich auch nur das, was mehrheitlich, als eine Art “Kon­sens ohne Absprache” also, in der Öffentlichkeit, in den Medi­en, in offiziellen Ver­laut­barun­gen, Reden usw. gepflegt wird. Und ger­ade hier ist nach mein­er Wahrnehmung das “in 2012” gar nicht so sel­ten. Viel häu­figer zumin­d­est als in den alltäglichen Gesprächen, deren ich so Zeuge werde. So gese­hen han­delt es sich bei dieser Kon­struk­tion wohl eher um unüblich­es Standarddeutsch.
    Ich meine mich außer­dem zu erin­nern, dass die fragliche Kon­struk­tion in der Schweiz kein­er­lei Befrem­den aus­löst, son­dern eben im Schweiz­er Hochdeutsch dur­chaus Stan­dard ist. Aber ich kann mich täuschen.

    Antworten
  57. Leo

    üblich/unüblich
    Sie haben wohl Recht die Kat­e­gorisierung “üblich/unüblich” trifft aus nicht richig. Aber unser Schluß ist let­z­tendlich der gleiche.
    “Auch die Duden-Redak­tion hat hier keine Def­i­n­i­tion­s­macht, son­dern kann lediglich beschreibend wirk­sam werden.”
    Und in weni­gen Jahren wird “in xxx” wohl so ver­bre­it­et sein, dass der Duden den Zusatz nicht-stan­dard­sprach­lich wohl oder übel wird stre­ichen müssen.

    Antworten
  58. NörglerIn

    @ Leo

    Und in weni­gen Jahren wird “in xxx” wohl so ver­bre­it­et sein, dass der Duden den Zusatz nicht-stan­dard­sprach­lich wohl oder übel wird stre­ichen müssen.

    Sie haben ver­mut­lich vol­lkom­men recht. Ähn­lich wird es wohl vie­len anderen nüt­zlichen oder über­flüs­si­gen Anglizis­men erge­hen. Schon heute führt der Duden z.B. real­isieren im Sinne von ein­se­hen, klar wer­den ohne entsprechen­den Zusatz auf. Merk­würdi­ger­weise beze­ich­net er dage­gen real­isieren im Sinne von in die Tat umset­zen als
    “bil­dungssprach­lich”.
    In diesem Blog-Ein­trag geht es aber nicht darum, son­dern darum, ob man die Aus­druck­sweise in 1999 heutzu­tage als Anglizis­mus anse­hen kann oder nicht. Die Beispiele von A.S. zeigen nur, daß die Jahre­sangabe mit in auch früher schon im Deutschen vorgekom­men ist. Sie sagen aber nichts darüber aus, ob diese Aus­druck­sweise damals “stan­dard­sprach­lich” war oder nicht. Vielle­icht gibt es auch heute Mundarten, in denen diese Aus­druck­sweise üblich ist. Deshalb ist sie aber noch nicht “stan­dard­sprach­lich”.
    Daß diese Aus­druck­sweise schon früher vorkam, geht übri­gens schon aus dem Grimm­schen Wörter­buch hervor:

    im jahr 1876; dafür im kaufmän­nis­chen geschäftsstil auch blosz in 1876, wol frem­dem sprachge­brauche nachgeahmt, franz. en 1876, ital. nel 1876, engl. in 1876: die rus­sis­chhol­ländis­che anlei­he begann in 1816 .. die griechis­che anlei­he wurde noch in 1853 ausgezahlt.

    Aber auch hier wird diese Ver­wen­dung als son­der­sprach­lich und als mut­maßlich fremd­sprach­liche Entlehnung angesehen.
    Dann hat A.S. noch die erstaunliche (und unbelegte) Behaup­tung aufgestellt:

    Viel wahrschein­lich­er haben wir es mit einem lupen­reinen Latin­is­mus zu tun: Im Lateinis­chen würde man in Anno Domi­ni MDCXVII usw. sagen.

    Wie aber soll man erk­lären, daß die Jahre­sangabe mit in, jeden­falls nach dem Ein­druck viel­er Deutsch­er, sich ger­ade in jüng­ster Zeit im Deutschen so aus­gedehnt hat? (Diesen Ein­druck empirisch genauer zu bele­gen oder zu wider­legen, wäre sicher­lich wün­schenswert, wäre aber auch kein ein­fach­es Unterfangen.)
    Daß ein (ange­blich) lateinis­ch­er oder kauf­mannssprach­lich­er oder vielle­icht mundartlich­er Aus­druck sich aus­gerech­net in jün­ger­er Zeit im Deutschen so stark aus­bre­it­et, erscheint jeden­falls sehr unwahrscheinlich.
    Angesichts des seit etwa einem hal­ben Jahrhun­dert sehr starken Ein­flusses des Englis­chen auf das Deutsche, scheint doch die nahe­liegend­ste Hypothese zu sein, daß auch die Ver­bre­itung dieser Aus­druck­sweise dem englis­chen Ein­fluß zu “ver­danken” ist. Die Argu­mente von A.S. sind jeden­falls keine aus­re­ichende Fal­si­fika­tion dieser Hypothese.
    Deshalb scheint es mir vol­lkom­men zu recht­fer­ti­gen, heutzu­tage die Jahre­sangabe mit in als Anglizis­mus anzusehen.

    Antworten
  59. Feathers McGraw

    Empirie
    Ja, wie erk­lärt man das? Wie erk­lärt man das starke Gefuehl, das Sie, Ihre Katze, Ihr Nach­bar und min­destens noch 2 andere Leute im Inter­net so haben? Gar nicht, man ignori­ert es. “Starke Gefüh­le” in der Sprach­wis­senschaft zählen eher weniger. Haben sie Zahlen, Nach­weise irgen­dein­er Art dass das tat­säch­lich stärk­er auftritt? Nein? Oh.
    Ausser­dem: Herr Ste­fanow­itsch hat ganz gute Nach­weise geliefert dass jene Kon­struk­tion schon seit 200 Jahren im Deutschen vorhan­den ist. Auch wenn die Beliebtheit von Kon­struk­tio­nen schwankt, irgend­wann ist ein Wort oder eine Kon­struk­tion im Deutschen ein­fach angekom­men. Das scheint in diesem Falle für “in [Jahreszahl]” genau­so zu gel­ten wie für die Worte “Keks” und “Handy”.

    Antworten
  60. Leo

    @NörglerIn
    Mir ging es weniger darum ob die For­mulierung “in 2012” nun ein Anglizis­mus ist oder nicht.
    Mir ging es vielmehr um die Argu­men­ta­tions­kette von Florian.
    Schauen wir doch mal in den Duden — ah da ste­ht nicht-stan­dard­sprach­lich — also ist nicht nicht korrekt.
    Und dann schwingt natür­lich noch mit: Jed­er der es benutzt ist ein Volldepp.
    Zurück zur Frage ist “in 2012” ein Anglizis­mus. Inter­es­sant finde ich die Tat­sache, dass es das Kon­strukt offen­bar in vie­len anderen Sprachen gibt.
    @NörglerIn
    Haben Sie hier­für eine Erk­lärung? Sind das alles Entlehnun­gen aus dem Englis­chen? Oder ist hier nicht ein älter­er gmein­samer Ursprung wahrscheinlicher?

    Antworten
  61. zr0wrk

    @Nörglerin
    Ist eine Wen­dung, deren Herkun­ft wenig­stens als “unklar” beze­ich­net wer­den kann, die im Deutschen Wörter­buch zumin­d­est als son­der­sprach­lich beze­ich­net wird und deren Ver­wen­dung sich — mal angenom­men es sei so — unter dem Ein­fluss des Englis­chen ver­stärkt, ein Anglizismus?
    Ich weiß ja nicht. Im Deutschen Wörter­buch sind wenig­stens noch das franzö­sis­che und das ital­ienis­che als mögliche Herkun­ft erwäh­nt. Die Beispiele, die Ana­tol Ste­fanow­itsch hier her­aus­ge­sucht hat, deuten auch nicht unbe­d­ingt auf eine Kauf­mannssprache hin.
    Es mag sein, dass sich der Gebrauch von “in + Jahreszahl” ausweit­et, das wäre aber wohl erst noch zu bele­gen, ich höre und lese das nicht sehr oft. Es mag fern­er sein, dass der aktuelle Ein­fluss des Englis­chen hier eine Rolle spielt, aber auch das wäre — geset­zt den Fall die Ver­wen­dung würde tat­säch­lich häu­figer — erst mal zu zeigen. Andere Fak­toren kön­nten auch eine Rolle spielen.
    Da die Wen­dung wenig­stens seit dem 18. Jh. in deutschen Quellen vorkommt und offen­bar prob­lem­los ver­standen wird, wird sie in meinen Augen nicht durch eine — wohl erst mal nachzuweisende — Ausweitung unter dem — eben­so bis­lang nur ver­muteten — Ein­fluss des Englis­chen zu einem Anglizismus.

    Antworten
  62. Achim

    Empirie
    Ja, die Empirie… Der Blo­gau­tor hat einige gedruck­te Quellen von anno tobak aus­ge­graben, dort die Kon­struk­tion “in XXXX” gefun­den und den messer­schar­fen Schluss gezogen,

    Aber selb­st, wenn sie tat­säch­lich aus dem Englis­chen käme: Zwei­hun­dert Jahre reichen, um eine urdeutsche gram­ma­tis­che Struk­tur daraus zu machen

    Und:

    Viel wahrschein­lich­er haben wir es mit einem lupen­reinen Latin­is­mus zu tun

    Erste Flo­ret­tfechterei: Das cor­pus delic­ti ist so alt, dass es “urdeutsch” ist und kein Anglizis­mus mehr. Durch Zeitablauf sozusagen.
    Zweite Flo­ret­tfechterei: Der Anglizis­mus ist kein­er, son­dern ein Latin­is­mus. Und ein Latin­is­mus wird durch Zeitablauf nicht “urdeutsch”?
    Wäre es vielle­icht zumut­bar, dass diejeni­gen, die Zugang zu Kor­po­ra und Auswer­tungswerkzeu­gen haben, mal eine Häu­figkeit­s­analyse über die let­zten 30 Jahre anstellen? Der ange­führte Ein­trag aus dem Grimm­schen Wörter­buch legt ja nahe, dass die Wen­dung im 19. Jhdt. nicht all­ge­mein ver­bre­it­et war, son­dern als irgend­wie speziell wahrgenom­men wurde. Jet­zt kön­nte man sich ja der Frage wid­men, ob es in jün­ger­er Ver­gan­gen­heit einen Häu­figkeit­sanstieg gegeben hat oder schon die Brüder Grimm als sprach­nör­g­lerische Mimosen einzustufen sind, die hier Geschmack­surteile haben ein­fließen lassen.

    Antworten
  63. Scribo

    Latin­is­mus
    Die Ver­mu­tung, dass es sich um einen Latin­is­mus han­delt, halte ich für nicht überzeugend.
    Das genan­nte Beispiel belegt dies ja auch:
    1801,[in seinem fün­ftem Lebensjahr…].
    Vielle­icht ist die Wen­dung “in seinem XX. Leben­s­jahr” aus dem Lateinis­chen über­nom­men; sicher­lich die, hier auch ohne Prä­pos­tion ste­hende, Angabe der Jahreszahl nicht. Natür­lich kann man im Deutschen und Lateinis­chen für alles einen Beleg find­en; ich halte es aber für unwahrschein­lich, dass im Kirchen­latein diese Wen­dung üblich war, die guten Latein­er aber wer­den sie mit Hin­blick auf Cicero nicht ver­wen­det haben.
    Inter­es­san­ter ist die Frage, ob es eine seman­tis­che Dif­feren­zierung gibt. Vielle­icht bezieht sich “in + Jahreszahl” ten­den­ziell eher auf den Zeitraum.
    Sofern der Begriff “guter Stil” einem etwas bedeutet, wäre es aber sicher­lich zu tadeln diese Wen­dung zu verwenden.
    (Ich bin kein guter Stilist.)
    Ob es ein Anglizis­mus ist, nun ja, das kommt wohl dann auf die Def­i­n­i­tion an. Ein Ein­fluss scheint mir aber wahrscheinlich.

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  64. Max

    Ich bin erstaunt wie hier einige den lateinis­chen Aus­druck “in anno domi­ni” als Beleg­stelle für Latein benutzen. Mit der Jahre­sangabe “Im Jahre des Her­rn” hätte ein Römer über­haupt nichts anfan­gen kön­nen. Er oder sie hätte wahrschein­lich gefragt: Welch­es Her­rn? Es han­delt sich dabei um eine Angabe ein­er neuen Zeitrech­nung, die zwar lateinisch daher kom­men mag aber mit klas­sis­chen Latein über­haupt nichts zu tun hat!Im antiken Rom wur­den die Jahre nach kurzen Peri­o­den von Poli­tik­ern gezählt(Konsuldatierung). Sokon­nte Horaz zu seinem Sklaven sagen, hol mal den Wein der unter Torqua­tus gekel­tert wurde. Salopp über­set­zt, den Ori­g­anl­text erspar ich euch…(Belegstelle: Hor.epod.13,6)

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  65. Kiki

    Kön­nte es nicht ein­fach anal­o­gis­ch­er Aus­gle­ich sein?
    Meine DaF-Schüler waren jeden­falls sehr verblüfft, als ich ihnen erk­lärte, dass dieses in so ver­pönt ist. Prä­po­si­tions- und artikel­lose NPs als adver­biale Angaben emp­fan­den die meis­ten als son­der­bar. Im Deutschen gibt es sie, klar, und vielle­icht sind sie sog­ar charak­ter­is­tisch für das Deutsche, aber ich schätze mal (ohne das jet­zt recher­chiert zu haben), dass Fälle mit Prä­po­si­tion oder Artikel häu­figer vorkommen.
    Ich mag die neue Ver­wen­dung zwar auch nicht, muss ich geste­hen, aber trotz­dem musste ich grin­sen, als mein Mann gestern meinte, dass das Weglassen von Prä­po­si­tio­nen (“Ich bin jet­zt Haupt­bahn­hof…”) den meis­ten Leuten in anderen Kon­tex­ten gar nicht gefällt, wieso also plöt­zlich hier?
    Wir sind eben alle Gewohnheitstiere. 🙂

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    1. Susanne Flach

      … aber trotz­dem musste ich grin­sen, als mein Mann gestern meinte, dass das Weglassen von Prä­po­si­tio­nen (“Ich bin jet­zt Haupt­bahn­hof…”) den meis­ten Leuten in anderen Kon­tex­ten gar nicht gefällt, wieso also plöt­zlich hier?

      Tja, es gibt gute Prä­po­si­tio­nen und böse Präspositionen.

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  66. Mycroft

    Es heißt “anno Domi­ni”. Also ohne Präposition.
    Wenn irgendw­er “im Jahre des Her­rn…” mit “in anno domi­ni…” in Latein über­set­zt, ist das vllt. ein “Ger­man­is­mus”, aber auf jeden Fall falsch.

    Ken­nt jemand irgen­deinen Textbe­leg für “in anno domi­ni”, der nicht von mäßig guten Latein­schülern erstellt wurde? Als Bau­jahrangabe gibt es “Anno Domi­ni…” jeden­falls massenhaft.

    Anglizis­men kom­men und gehen — “Effi Briest” z.B. begin­nt mit “In Front des Haus­es”. Anglizis­tis­ch­er geht’s nicht, sagt aber heute im D. kein Men­sch mehr.

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