Anfang September war ich auf einer Konferenz in Barcelona, wo ja Katalanisch regionale Amtssprache ist, eine romanische Kleinsprache. Eine lustige Entdeckung für mich waren die katalanischen Wochentagsbezeichnungen, wie auf diesem Parkhausöffnungszeitenschild zu sehen:
In die richtige Reihenfolge gebracht und im Singular lauten sie:
dilluns ‘Montag’, dimarts, dimecres, dijous, divendres, dissabte, diumenge
Eine schöne Reihe, es geht immer mit di los, und wer andere romanische Sprachen spricht, erkennt schnell, dass das wohl ‘Tag’ bedeutet. Aber …
Katalanisch |
Französisch |
Spanisch |
Vulgärlateinisch |
dilluns | lundi | lunes | die lūnis ‘Tag des Mondes’ |
dimarts | mardi | martes | die Martis ‘Tag des Mars’ |
dimecres | mercredi | miércoles | die Mercoris ‘Tag des Merkur’ |
dijous | jeudi | jueves | die Iovis ‘Tag des Jupiter’ |
divendres | vendredi | viernes | die Veneris ‘Tag der Venus’ |
dissabte | samedi | sábado | die sabbati ‘Tag des Sabbats’ |
diumenge | dimanche | domingo | die dominicu ‘Tag des Herrn’ |
… beim Sonntag gerät man ins Stolpern:
Von dido zu diu
diumenge kann man nicht einfach in *di und *umenge aufteilen, denn das Wort geht auf lateinisch dominicus ‘herrschaftlich, zum Herrn gehörig’ zurück, was man auch am spanischen domingo noch schön sieht. Die Form muss einmal didominicu gelautet haben, hat aber schon früh ein d verloren – möglicherweise wegen zu großer Ähnlichkeit der beiden Silben, die dadurch fast gestottert klangen. Einen solchen Vorgang nennt man »Dissimilation«, also »Unähnlichmachung«, oder gar, wenn eine komplette Silbe verschwindet, »Haplologie« (ja, ernsthaft mit lolo!).
Wie man sieht, ist das sowohl im Katalanischen als auch im Französischen passiert, im Spanischen hingegen ist der ‘Tag’ komplett weggefallen.
di-lluns vs. lun-di
Eine ganz skurrile Sache ist das nachgestellte di im Französischen. Laut TLFi variierte die Wortstellung von Genitiv (lunis, Martis, …) und Bezugswort (die) schon im Vulgärlateinischen, aus dem sich die modernen romanischen Sprachen entwickelt haben. Es gab also neben die lunis auch lunis die, was die Basis für die französischen Wörter bildete und über lunsdi (belegt im Jahr 1119) schließlich zu lundi (belegt ab ca. 1160) etc. wurde.
Im Fall von dimanche hingegen haben wir es mit einer anderen Bildung zu tun: dominicus ist nicht der Genitiv von dominus ‘Herr’, sondern ein Adjektiv. Damit unterliegt es anderen Stellungsregeln als die Genitive der übrigen Wochentage. Fragt mich aber nicht, welchen, selbst ein Besuch in der Romanistikbibliothek war gänzlich unerhellend.
Der gefakte Genitiv
Aufmerksame LateinkönnerInnen haben eben wahrscheinlich die Nase gerümpft, als ich lunis als Genitiv von luna ‘Mond’ bezeichnet habe. Das war auch ein bißchen gelogen, aber ich kann alles erklären!
luna gehört zur a-Deklination und bildete daher den Genitiv auf ae: dies lunae. Genauso wie Mercurius zur o-Deklination gehörte und daher dies Mercurii bildete. Im Vulgärlateinischen scherte man sich darum allerdings nicht weiter: lunae und Mercurii wurden nach dem Muster von Martis, Iovis und Veneris be-is-t, das nennt man »Analogie«. Martis endete übrigens als Angehöriger der konsonantischen Deklination ganz legitim auf -is.
Literatur:
- Alcover, A. M. und Moll, F. de B. (2001/2002): Diccionari català-valencià-balear (DCVB).
- Le Trésor de la Langue Française informatisé (TLFi). (Teilw. auch via CNRTL.)
Bei von dido zu diu… fehlt da nicht der Teil, in dem du erklärst, wie aus dem o ein u wurde, und das ist dann die Dissimilation? Ich glaube der ist abhanden gekommen.
E.
Hey Eva,
ich hab die Vokalveränderungen extra weggelassen, weil Vokale notorisch instabil und undurchschaubar sind und ich mich da nicht eingelesen habe. Die Dissimilation ist aber schon das Verschwinden des d-Lauts. Ich fand die Bezeichnung auch erst seltsam (wird so in den beiden Quellen verwendet), da ich als Dissimilationen bisher sowas wie medidies zu meridies kannte, wo ein Laut zu einem anderen wird, aber letztlich ist es ja nur konsequent, den gleichen Laut ganz rauszuschmeißen.
Im Westromanischen sind die intervokalischen ‑d- weggefallen: lat. audire > kat. oir, lat. videre > kat. veure
Das erklärt eigentlich schon recht gut das fehlende ‑d- in “diumenge”. Der Eintrag dazu bei DCVB sagt auch nichts von einer Dissimilation. Wo hast du das denn genau her?
Hey, danke für den Hinweis!
Die Dissimilation habe ich aus dem französischen Wörterbuch:
(Quelle)
Hmm… das müsste den Autoren eigentlich bekannt sein, zumal das Französische ja auch davon betroffen ist. Vielleicht ist “dissimilation” einfach der übliche französische Ausdruck für diesen Vorgang? Seltsam…
Ich will ja nicht nörgeln, aber Katalanisch ist m.E. keine Kleinsprache. Als Mehrheitssprache in weiten Teilen ihres Verbreitungsgebiet, mit elf bis zwölf Millionen Sprechern und dem Status als offizielle Amts- und Schulsprache in drei spanischen “Autonomen Gemeinschaften” ist sie schon ziemlich erwachsen. Der Unterschied z.B. zum Niederländischen ist, dass es keinen souveränen katalanischen Staat gibt und dass praktisch alle Katalanen mindestens zweisprachig (K. und entweder Spanisch, Französisch oder Italienisch) sind.
Als Kleinsprache würde ich es auch nicht bezeichnen. Katalonien hat mehr Einwohner als Griechenland, Portugal oder Schweden.
Bzgl. Zweisprachigkeit sei aber anzumerken, dass Niederländer i.d.R. auch Englisch und / oder Deutsch sprechen. Kastillanisch / Französisch bei den Katalanen leuchtet ein — aber wieso Italienisch? Dazu habe ich im Netz nichts gefunden.
http://en.wikipedia.org/wiki/Alghero
Ich muss zugeben, dass ich die Bezeichnung eher intuitiv verwendet habe — in der Germanistik bezeichnet man auch Sprachen wie Isländisch, Färöisch, Afrikaans und Luxemburgisch als Kleinsprachen, von daher passte das für mich so.
Natürlich wollte ich das Katalanische keinesfalls beleidigen, ich weiß ja, dass es da enorme Empfindlichkeiten gibt 😉
@Michael Allers
Der gemeine Katalane beherrscht, im Gegensatz zum gemeinen Niederländer, beide Sprachen (cum grano salis) auf muttersprachlichem Niveau. Als Quelle habe ich dafür allerdings nur persönliche Anschauung zu bieten, die, zugegebenermaßen, manchmal heftig täuschen kann.