Das Bildblog hat einen taz-Blogartikel über Terrorexperten verlinkt, der den Titel »Plädoyer zur Abschaffung des Terrorexperten. Selten waren so viele so schnell auf dem Holzweg« trägt und eine bezeichnende Illustration besitzt: Einen Steg aus Holz, der durch ein Moor führt.
Die Bildwahl ist ein schöner Hinweis darauf, wie die Bedeutung der Wendung auf dem Holzweg sein ‘sich irren’ mit der Zeit intransparent wurde – und zwar, weil das zugehörige Konzept für die breite Bevölkerung immer unwichtiger wurde und den meisten Leuten heute unbekannt ist.
Ein Holzweg, wie in der Wendung gebraucht, ist nämlich nicht ein ‘Weg aus Holz’, sondern ein ‘Weg für Holz’. Also wie ein Holzlager, nicht wie ein Holzbein. Und das kam so:
Beim Holzfällen im Wald entstehen Schneisen, auf denen man das tiefer im Wald gefällte Holz abtransportiert. Diese Schneisen sehen aus wie ein Weg, haben aber kein Ziel. Geht man einen solchen Holzweg entlang, dann geht man in die Irre, irgendwo hört er einfach auf, und daher bezieht die Wendung ihre Bedeutung.
Die sprichwörtliche Verwendung findet sich schon seit dem Mittelhochdeutschen, wo man vom Pfad der Tugend abkommen kann und dann einen Holzweg beschreitet:
dar an sich manger verschriet,
der einen holzwec geriet:
der dünket in der beste;‘Darin irrte sich manch einer, der auf einen Holzweg geriet: der schien ihm der beste (Weg)’ (meine Übertragung)
Heute klappt das nicht mehr, die Mehrheit denkt wirklich an einen Steg oder ähnliches. Könnte ja auch passen, ist vielleicht ein bißchen wackelig und nicht so zuverlässig? Und über diese schwankende Brücke kommt eine schöne Volksetymologie zustande.
Weitere Beispiele für die Symbolfotoillustration:
Unglaublich übrigens, wie oft dieser Phraseologismus in Artikel eingebaut wird, wo er wirklich überhaupt nicht passt, weil gar nicht von Irren die Rede ist, sondern nur irgendwie ganz entfernt von Holz (neue Schreinerei eröffnet, Gemeinde investiert in Aufforstung, Pinocchio geht spazie…).
Quellen:
- Grimm, Jacob und Wilhelm (1854–1960): Deutsches Wörterbuch. 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig.
- Pfeifer, Wolfgang (1993): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2. Aufl. 2 Bde. Berlin.
Bravo. Bravo!
Ich hatte schon überlegt, ob ich da einen Leserkommentar schreibe. Gut, dass ich mir die Mühe gespart habe, denn das Sprachblog kann das so viel besser …
Hmmm, mir ging es hier eigentlich nicht darum, die “Ungebildetheit” der Bildauswähler zu betonen oder so etwas — meiner Einschätzung nach würden die allermeisten Leute für die Holzweg-Illustration zu einem solchen Bild greifen.
Etwas albern finde ich das oft etwas überbeanspruchte Konzept des Symbolfotos allerdings schon.
“Beim Holzfällen im Wald entstehen Schneisen, auf denen man das tiefer im Wald gefällte Holz abtransportiert. Diese Schneisen sehen aus wie ein Weg, haben aber kein Ziel.”
“Rückeweg” nennt man die meines Wissens heutzutage.
Ja, so sagt es auch die Wikipedia. Allerdings klingt es so, als unterschieden sich moderne Rückewege von den alten Holzwegen (“Rückewege und Rückegassen sind erst notwendig, seit Holzrücken mit technisch aufwändigem Maschinen- und Materialeinsatz betrieben wird”). Grimms Wörterbuch kennt das Wort noch nicht.
Für das Holzrücken wurden früher Rückepferde eingesetzt, die das Rücken von einzelnen Stämmen auch zwischen anderen Bäumen hindurch bewerkstelligen konnten.
Das gibt es auch heute noch, siehe z.B. http://www.fuhrhalterei-stertenbrink.de/holzernte.htm (einschließlich eines kurzen Films der Kunsthochschule für Medien Köln).
Schöner Text: Ich war im Urlaub gerade in einer Gegend, in der es keine Holzwege gibt. Diese vordergründig erleichternde Information liegt nicht daran, dass man sich dort nicht im Weg irren kann, sondern an der in Schottland vorherrschenden Methode des Flächenkahlschlags 🙁
Außerdem gehören die Holzwege zum Jargon der Eigentlichkeit, und manche Philosophen waren nie auf anderen Wegen:
Holz lautet ein alter Name für Wald. Im Holz sind Wege, die meist verwachsen jäh im Unbegangenen aufhören. Sie heißen Holzwege.
Jeder verläuft gesondert, aber im selben Wald. Oft scheint es, als gleiche einer dem anderen. Doch es scheint nur so. Holzmacher und Waldhüter kennen die Wege. Sie wissen, was es heißt, auf einem Holzweg zu sein.