Die Sportschau fragte am Freitag in einem Interview den ausgewiesenen Sprachgebrauchsexperten Bastian Sick, welchen Herausforderungen die mediale Öffentlichkeit während der laufenden Fußball-WM im Bezug auf den Sprachgebrauch ausgesetzt ist. Ich bin keine Expertin für Feministische Linguistik und ich kann hier auch keine Empfehlung zu Alternativen für Mannschaft geben. Doch keine Sorge! Wo ein Sick auftaucht, bleibt noch jede Menge anderer Blödsinn im digitalen Raum stehen.
Das Problem liegt ja schon darin — “unterhaltsame” Sprachkritik hin oder her -, dass man den Eindruck bekommen könnte, Sick möchte ernst genommen werden. Er beginnt aber gleich mit einem ziemlich dämlichen, wenn nicht sogar sehr abwertenden Wortspiel zu Birgit Prinz: “Selbstverständlich ist sie eine ‘Kapitänin’, auch wenn sie ‘Prinz’ heißt und nicht ‘Prinzessin’ ”.
Wenn jetzt alle Gehirnwindungen fürs Fremdschämen entspannt sind und sich die Fußnägel wieder geglättet haben, kann es weiter gehen:
Sick: Wenn es schon gelungen ist, einen Männer- und Machosport wie Fußball mit Frauen zu besetzen, dürfte die sprachliche Angleichung ein Leichtes sein. Es gibt ja für fast alles eine weibliche Form, selbst dort, wo das Grundwort nicht einmal männlich ist! So werden heute schon Einladungen an die “Mitgliederinnen und Mitglieder” verschickt, und in Anzeigen werden “Erzieher/in und Krankenschwester/in” gesucht.
Woher er die Krankenschwester/in jenseits von “Künstlernamen”, Verballhornungen oder billigen Jobbörsen mit automatisiertem Tagging bei Berufsbezeichnungen hat, wird sein Geheimnis bleiben. Er macht aber hier und im ganzen Interview den Fehler, dass er biologisches (natürliches) Geschlecht und grammatisches Genus gleichsetzt. Mit der Verwirrung ist er aber nicht allein: Man mockiert sich da schon mal über die Kätzin, findet die Schiedsrichterpfeife aber auch in der Männerbundesliga normal.
Natürlich ist Deutsch eine Sprache, in das generische Maskulinum und männliche Überbleibsel in Begriffen dominieren, die beide Geschlechter bezeichnen sollen — was eine echte Herausforderung an gleichberechtige Sprache darstellt. In den meisten Fällen helfen wir uns mit einem -in/-innen, in anderen mit einem nominalisierten Partizip in -ende (z.B. Studierende). Bei Wörtern, die ein mann- oder -herr- im Stamm tragen (z.B. Mannschaft, Herrschaften) fällt uns das schon schwerer. Oft ist der “männliche” Part aber schon so weit desemantisiert, dass wir ihn gar nicht als geschlechtsspezifisch erkennen und Schirmherrin sagen können, ohne uns einer Stilblüte schuldig zu machen. Wie gesagt, diese Frage lasse ich hier bewusst offen und freue mich über Kommentare dazu!
Weshalb ich aber grammatisches Genus und natürliches Geschlecht ins Spiel gebracht habe, liegt an Sicks Vergleich zwischen Deutsch, Englisch und Französisch und seiner Einschätzung, dass das Deutsche
[…] in dieser Hinsicht flexibler als manche unserer Nachbarsprachen [ist]. Im Englischen ist es nicht möglich, mithilfe eines Suffixes eine weibliche Form zu bilden; im Französischen kann man zwar zwischen “Sängerin” und “Sänger” (Chanteur/Chanteuse) und zwischen Kanzler und Kanzlerin (Chancelier/Chancelière) unterscheiden, nicht aber zwischen Arzt und Ärztin oder zwischen Präsident und Präsidentin. Das französische Wort “homme” bedeutet sowohl “Mensch” als auch “Mann”. Dagegen erscheint mir die deutsche Sprache weit weniger mannbezogen.
Lassen wir mal außen vor, dass auch im Deutschen Mensch und Mann etymologisch verwandt sind (Grimms Wörterbuch), Mary McAleese la présidente von Irland ist oder Kranke auch von la médicin geheilt werden. Möglicherweise ist in romanischen Sprachen das generische Maskulinum häufiger der Normalfall als bei uns. Diese Tatsache macht Deutsch im Umkehrschluss aber nicht flexibler — wir haben in dieser Hinsicht ganz ähnliche linguistische Probleme wie Franzosen, Italiener oder Spanier. Einem Romanisten hätte das auffallen können.
Aber dass Deutsch flexibler sein soll, weil es im Englischen nicht möglich ist, weibliche Formen zu bilden, ist kompletter Unsinn.
Andersrum wird ein Schuh draus. Bis auf ein paar Ausnahmen stellt sich das Problem im Englischen überhaupt nicht. Im Englischen fehlt kein femininierendes Suffix, sondern man hat den linguistischen Vorteil, dass Rollenbezeichnungen genderneutral interpretierbar sind. Denn Englisch hat ein Genussystem, das auf natürlichem Geschlecht, nicht auf grammatischem beruht. Zwar sind Schiffe gewöhnlich feminin und für Australier ist das Auto schon mal eine ’sie’ (Tankstellengeplänkel: “Fill her up.”). Aber generell gilt: was biologisch nicht klassifizierbar männlich oder weiblich ist, ist Neutrum. Es gibt natürlich vereinzelte Überbleibsel einer Unterscheidung, beispielsweise bei actor/actress, waiter/waitress oder hero/heroine. Zusätzlich gibt es Berufsbezeichnungen, die eine traditionelle maskuline oder feminine Form haben, etwa bei chairman oder stewardess. Hier haben sich im Sprachgebrauch aber chair(person) oder flight attendant durchgesetzt; actress, waitress oder heroine verschwinden zunehmend und bewirken somit eine Art “Neutralisierung” der ehemals männliche Personen bezeichnende Begriffe actor, waiter oder hero.
So schaut’s also aus: Englisch hat es linguistisch sogar deutlich einfacher, diese Genderneutralität in der Sprache herzustellen, als Sprachen mit einem grammatischen Genussystem. Wir haben es mit Deutsch da also weder besonders leicht, noch sind wir flexibler, im Gegenteil. Wir werden vielmehr mit dem System des grammatischen Geschlechts dazu gezwungen, irgendwo in der Kette Abstriche zu machen (Liberman 2010 am Beispiel Spanisch und Italienisch; siehe dazu auch die dortige [Kommentar-]Diskussion). Dass Englisch sprachliche Bordmittel mitbringt, heißt aber nicht, dass dort nicht ähnlich heftig um genderneutralen Sprachgebrauch gestritten wird. Und der unmarkierte Fall ist auch dort weiterhin meist männlich, wie ein kleines, vielzitiertes Rätsel zeigt:
A father is driving in a car with his son. They get into an accident, the father is killed instantly, and the son is rushed to a hospital. The doctor comes in and says, “I cannot operate, this is my son.”
Ersetzte man hier father durch mother, würde vermutlich niemand über die potentielle Unmöglichkeit der Situation sinnieren müssen. Ein neutrales Genussystem bedeutet also nicht notwendigerweise, dass weibliche Personen in der Diskussion auch automatisch einbezogen sind. Es liegt also in der Gesellschaftskultur, dass männliche Personen in der Wahrnehmung immer noch den Normalfall darstellen.
Gehen wir auf konkrete Begriffe im Fußball ein. Neben seinem Vorschlag für die Schirie moniert Sick Keeperin und stellt fest — leidlich witzig -, dass Torfrau und Torwartsfrau unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen [sick!]. Er findet, Keeperin sei Ausdruck mangelnder Bodenständigkeit und fehlendem Sprachgefühl im Journalismus. Jaha! Dabei ist selbst nach seiner Flexibilitätsargumentation Keeperin doch völlig in Ordnung.
Aber vermutlich ist seine Expertise auf diesem Gebiet noch flexibler, als uns lieb ist:
Als Teenager war ich ein Fan von Tommi Ohrner und habe alle Folgen der Serie “Manni, der Libero” gesehen. Dass es dabei um Fußball ging, habe ich in Kauf genommen. Wenn da aber statt Tommi Ohrner eine Manuela als “Manni, die Libera” angetreten wäre, hätte mich die Serie vermutlich nicht die Bohne interessiert. Aber nichts gegen das Wort “Libera”, das klingt doch hübsch!
Es ist in Wahrheit also alles viel schlimmer: Sick outet sich nicht nur sehr humorbefreit als Chauvinist, sondern geradezu als Fußballnichtexperte! Libera ist weder neu (es gibt sie auch beim Hockey und im Volleyball), noch linguistisch zu beanstanden. Natürlich dürfte jetzt die Frage erlaubt sein, ob es sich im Fußball der heutigen Zeit nicht um einen Anachronismus handelt: Die Vorstopper/innen stehen längst nicht mehr hinter der Abwehr, sondern als Verteidiger/innen in der Viererkette. Manndeckung und Libero/a ‘freier Mann/Frau’ als Konzepte des Spiels “Eins gegen Eins” verlieren in modernen Fußballstrategien gegenüber der Raumdeckung auch im Sprachgebrauch an Bedeutung.
Im Teaser zum Sick-Interview wird von Manndeckerin gesprochen und die Frage aufgeworfen, ob das nicht völliger Unsinn sei und was man stattdessen sagen sollte. Als Korpus muss hier das Fußballmagazin kicker.de herhalten: Nun fällt die Diskussion um Manndeckerin in die gleiche Kategorie wie die über Mannschaft, aber mal davon abgesehen fiele mir sofort Verteidigerin ein. So sieht es auch der Sprachgebrauch bei kicker.de: Für Manndeckerin finden sich keine Treffer, für Verteidigerin immerhin über 300. Das Verhältnis von Manndecker zu Verteidiger ist etwa 1:10, was mein Gefühl zu bestätigen scheint, dass Manndecker ein wenig archaisch anmutet (obwohl man natürlich beachten muss, dass Verteidiger einen größeren semantischen Bereich abdeckt, auch da die kicker.de-Suche nicht nach Innen-/Außenverteidiger oder Titelverteidiger unterscheidet).
Zugegeben — ich hatte Mannschaft überhaupt nicht als ungelöste sprachliche Falle auf dem Schirm. Ich störe mich nicht an Mannschaft, finde es aber einigermaßen albern, die Alternative Frauschaft albern zu finden. Wer sich mit Mannschaft schwer tut: warum nicht Elf?
Oder Team? Ach nee, geht ja auch nicht.
[Update] Die Sprachwissenschaftlerin Luise Pusch hat sich in einem lesenswerten Beitrag dem Interview von der Seite der feministischen Sprachkritik genähert.
Like!
Und Sick wird unverzüglich wieder zum Erzbösewicht hochgestuft.
Das Konzept ‘Libera/o’ verliert im modernen Fußball tatsächlich an Bedeutung, aber der Begriff war während der WM 2011 dennoch wichtig, da Brasilien (wenn auch als einziges Team) noch mit dieser “antiquitierten” Taktik spielte.
Wie man in der Verwendung von “Keeperin” einen Mangel an Bodenständigkeit und Sprachgefühl ausmachen kann, habe ich mich beim Lesen des Interviews auch schon gefragt… Ich höre den Ausdruck regelmäßig auf Bolz- und Fußballplätzen — wenn das mal nicht ein Zeichen von Bodenständigkeit ist.
Hmmm … feministische Sprachbetrachtung ist meine Sache nicht. Aber nein: Ich bin kein Chauvi! Wenn ich “Kollegen” sage, meine ich das generisch, und meine hochqualifizierten und emanzipierten Kolleginnen stören sich auch nicht daran.
Trotzdem habe ich in meiner WM-Kolumne 2011 nie “Mannschaft” (oder gar “Manndeckerin”) geschrieben. Das klingt IMHO genauso blöd wie das andere Extrem “Sturmspitzin”. “Elf” funktioniert nur bis zur ersten roten Karte. Bleibt also trotz VDS-Sprachpolizei nur das Team!
Schiri (ohne e) und Assi sind völlig problemlos. Als Alternative zu Torfrau und Keeperin gibt es noch Goalie.
Bis vor ca. zwei Jahren hieß es in Zeitungsberichten über Frauen-Volleyball tatsächlich Libera. Aber seitdem macht ihr der Libero Konkurrenz. Google:
libera frauen volleyball site:de
libero frauen volleyball site:de
bringt annähernd gleich viel Ergebnisse.
Warum auch nicht? Warum nehmen wir uns in puncto Genderneutralität nicht die englische Sprache zum Vorbild? Bei Lehnwörtern wie Fan kommt doch die Genus-Diskussion gar nicht auf — oder habe ich ‘Fanin verpasst?
Letztlich entscheidet das Denken und nicht das grammatische Genus.
Ich bin auch nicht firm in der feministischen Linguistik (schrieb ich ja). Aber es ist halt ein Unterschied, genderneutrale Sprache gleich abzutun (wie es ja viele, viele tun, nicht Sie!). Auch ich bin nicht frei von “Kollegen” oder “Studenten” vor allem in der gesprochenen Sprache, das Binnen‑I lässt sich ja nur sehr blöd aussprechen. Allgemein finde ich das Argument “Die meisten Frauen stören sich nicht daran” wenig plausibel. Ich habe auch mal so gedacht, aber je mehr man sich mit seinem eigenen Sprachgebrauch kritisch auseinandersetzt, kann man auch schon mal zum Ergebnis kommen, dass da nicht alles “gleich” ist, was “gleich” gemeint ist. Mit Emanzipation ist das m.M.n. auch nicht 1:1 gleichzusetzen. Man kann eine hochemanzipierte Gesellschaft haben und trotzdem linguistische Ungleichheit in der Sprache. Richtig ist aber wohl, dass eine gesellschaftliche Gleichstellung den Nährboden für einen kritischen Sprachgebrauch bereitet und umgekehrt.
Sturmspitzin (welches mir aber nie aufgefallen ist und ich habe einige blöde Kommentatoren während der WM ertragen!) könnte auch ein Fall von Analogie“falle” sein, d.h. man achtet auf das Femininum, da kann das schon mal passieren.
Elf ist hier aber als Synonym für das Team gemeint, d.h. es gilt für den Kreis der Spieler(innen), egal, ob da zwei, drei oder vier vom Platz fliegen. Immerhin zählt es ja während eines Spiels für 14, wenn man einrechnet, dass drei Auswechselspieler zum Einsatz kommen, bzw. sogar für bis zu 23, wenn man einen ganzen Spieltag- oder WM-Kader als Grundlage nimmt. Also kein Grund, Elf nicht zu benutzen.
Goalie ist ein wunderbarer Anglizismus, der auch im Englischen so geschrieben wird, und kommt schon genderneutral zu uns. Fantastisch!
Libero/Libera: Da ist Ihre Googlesuche leider unpräzise. Natürlich liefert die Suche nahezu gleich viele Ergebenisse für die beiden Anfragen — aber eben auch solche, auf denen irgendwo auf der Seite auch “Frauen” steht. Lassen Sie “Frauen” aus der Suchanfrage weg, bleibt das Ergebnis sogar identisch. Das wäre ein Hinweis darauf, dass Libera auch weiterhin stark frequent und für Frauen benutzt wird.
Wir können uns in der Genderneutralität eben nicht die englische Sprache zum Vorbild nehmen, weil wir ein grammatisches Genus haben. Und ja, Sie haben auch recht, dass das Denken entscheidet, nicht das Genus: so ließen sich eben Kätzin oder Sturmspitzin erklären, obwohl beide ja schon “weiblich” sind. Bei Fan wäre es analog zum/r Goalie nur dann möglich, wenn die Sprachgemeinschaft auch die Fan akzeptiert. Das halte ich für unwahrscheinlicher (aber nicht ausgeschlossen), als die Fänin. Bis es soweit ist, wird man vermutlich generisch Fan benutzen oder auf Alternativen (Anhängerin etc.) ausweichen.
Tja, sprachliche Genderneutralität ist ein weites Feld (3 Euro fürs Phrasenschwein).
Vom Speziellen zum Allgemeinen:
Elf:
OK, da war ich zu pedantisch.
Goalie:
Steht wie Team leider auch auf dem Index. Och! 😉
Libera Libero:
Ich habe überhaupt nichts gegen die Libera. Aber am konkreten, wenngleich nicht repräsentativen Beispiel betrachtet, geht es da in letzter Zeit wild durcheinander (Schleichwerbung allenfalls für den VC Wiesbaden!):
libero ‑libera “vc wiesbaden” site:www.wiesbadener-kurier.de
libera ‑libero “vc wiesbaden” site:www.wiesbadener-kurier.de
“Die meisten” habe ich nicht gemeint, sondern solche, die wissen, das hinter einer vermeintlich diskriminierenden Sprache nicht zwangsläufig ein ebensolches Denken steht, z.B.:
(Kommentar von Ky, 21.07., 12:57 im SprachLog, ebenfalls ohne Anspruch auf Repräsentativität.)
Ja, leider haben wir das grammatische Genus, und als Nicht-Linguist erlaube ich mir die Wertung, dass es — außer bei Lebewesen — für nichts gut ist und nicht nur die Gender-Diskussion, sondern auch den Zweitspracherwerb unnötig verkompliziert.
Der genderbezogene Sprachgebrauch wird solange inkonsequent sein, wie es unsere Sprache selbst ist. Warum gibt es das Femininum ‘Besucherin’, aber nicht ‘Gästin’ (für letzteres wurde ich mal von einer Feministin angefaucht)? Man kann sich bemühen, aber irgendwo ist die persönliche Schmerzgrenze erreicht. Natürlich spricht man im Singular von der “Kollegin”, aber jedes Mal “Kolleginnen und Kollegen” zu sagen ist IMHO zu lang und alltagsuntauglich. Auch das Binnen‑I im Schriftverkehr wird oft angefeindet. Wie man es macht, ist es verkehrt.
Deshalb sollten wir uns das englische Denken (schönes Beispiel: “The doctor …”) zum Vorbild nehmen in der Hoffnung, dass es sich eines fernen Tages in der Sprache niederschlägt. Ansätze gibt es doch bereits. Täglich hört man in den Nachrichten Sätze wie “Die Bundesregierung verteidigte seine Sparpolitik”. Müßig zu spekulieren, ob das Possessivpronomen hier maskulin oder neutral gemeint ist — Hauptsache: einheitlich. Meinetwegen kann es irgendwann heißen: das Mann, das Frau.
Dass der Sprachgebrauch hier wirklich kompliziert ist, zeigt ja die Diskussion. Und ich finde, solange die Diskussion von beiden Seiten anständig geführt wird, ist sie richtig und wichtig (so wie zwischen uns beiden). Ich mag es genauso wie Sie nicht, wenn sie von beiden Extremen des Spektrums allzu pedantisch geführt wird, die eine sinnvolle Diskussion unmöglich machen. Die eine Seite versucht, den Menschen ihre Präferenzen aufzudrücken, die andere tötet meist jegliche Diskussion mit ad hominem Angriffen oder ausweichenden Floskeln (“Es gibt wichtigeres”). Beide Argumentationslinien führen einfach gar nirgendwo hin. Möglich ja, dass es viele Frauen nicht nervt — da spielt eben die Gewohnheit eine Rolle. Das Argument der Unsichtbarmachung des weiblichen Bevölkerung in der Sprache ist zugegebenermaßen auch ein sehr Abstraktes, auf das man sich einlassen können muss (bzw. will).
Ich war ja vor nicht allzu langer Zeit ebenfalls der Meinung, dass z.B. Studierende zu ungelenk sei. Zwei Jahre später “ertappte” ich mich selbst dabei, dass ich es benutzte. Natürlich muss man hier seine eigenen Sprachgewohnheiten kritisch überdenken und das erschreckt viele zunächst einmal. Mittlerweile hat sich das in meinem Sprachgebrauch aber festgesetzt und das scheint auf in der Sprachgemeinschaft zuzunehmen.
Keine Frage, wenn Sie den Eindruck bekommen, dass man es falsch macht, egal, was man macht: Das ist ja auch kein Wunder ob der Vehemenz, mit der einige die Debatte führen.
“Die Bundesregierung verteidigte seine Sparpolitik”? Mag sein, dass es das gibt, vereinzelt. Aber dann würde ich es tatsächlich als eine Art “Artikulationsfehler” einstufen. Oder schauen, in welcher linguistischen Umgebung es gefallen ist (und sich eventuell sogar auf einen männlichen Minister bezieht). Noch ist es aus meiner Sicht kein systematisch auftretendes Phänomen, aber ich bin natürlich für derartige Belege offen!
Libera/o: Ist der VC Wiesbaden ein reiner Frauenvolleyballclub? Dann bliebe trotzdem noch die Frage, ob es sich hin zur o‑Variante verschiebt oder umgekehrt. Und ob die o‑Variante bei einem Autor des Kuriers gehäuft auftritt (und wenn ja, warum).
Warum wir ein Genus haben und wozu wir es brauchen — tja, da bleibt einfach die Antwort: Ist halt so. Das ist keine Kapitulationserklärung, aber manchmal ist es eben nicht alles erklärbar (bzw. die falsche Frage). Wir sind mit Deutsch ja auch nicht allein. Möglich, dass es irgendwann verschwindet (im Englischen ist es ja auch recht flott verschwunden, an der Grenze von Alt- zu Mittelenglisch).
Ich mag diese Diskussion ebenfalls, und ich hätte zu den Studierenden (Backenden? Managenden? Brieftragenden?) noch einiges zu sagen, aber:
1. möchte ich Sie nicht zu sehr von den Doppelplural-Keksen abhalten,
2. ist es m.E. letztlich doch — ‘tschuldigung, das schießt mir so durchs Vakuum im Kopf — eine Diskussion um des Kaisers / der Kaiserin Bart. 😉
Zur ersten Frage: ja, Frauen-Volleyball-BuLi. Männer sind in dem Verein zuletzt nur dadurch aufgefallen, dass sie ihn fast in die Pleite geritten hätten. 😀
In Zeitungsberichten las ich Mitte der 90-er erstmals ‘Libera’. Macht Sinn, akzeptiert. Aber die Tendenz geht eindeutig Richtung o‑Variante. Die Suchergebnisse
libero ‑libera “vc wiesbaden”
stammen alle aus 2009 — 2011 und sind gem. Stichproben von verschiedenen männlichen Redakteuren. Dieselben Redakteure benutzen aber auch in 2011 durchaus noch die a‑Variante. Hmmm …
Sorry, Belege kann ich nicht liefern, denn das Phänomen habe ich bisher nur gehört, nicht gelesen. Google:
“bundesregierung|kanzlerin verteidigte|erläuterte * seine”
macht keinen Sinn, denn die Ergebnisse beziehen sich in der Tat auf männliche Politiker. Ohne * keine Ergebnisse.
Aber auf n‑tv und N24 (nicht bei ARD und ZDF) höre ich sowas nicht immer, aber immer wieder. Es begann vor ca. einem Jahr mit Sätzen wie (fiktives Beispiel):
“Die Bundesregierung, die nach der Sommerpause erstmals usw. blabla, verteidigte seine Haltung zur …”
OK, das Pronomen war weit entfernt vom bezogenen Substantiv. Vermutung: Da hatte wohl jemand nur den Überblick verloren.
Vor ein paar Monaten hörte ich dann wirklich einen vergleichbar kurzen Satz wie eben „Die Bundesregierung verteidigte seine Sparpolitik“. Die ersten drei Male klappten mir die Fußnägel hoch. Mittlerweile denke ich “Warum eigentlich nicht? Weiter so!” Ich werde versuchen, mir künftige Exemplare wörtlich zu merken und lasse Sie Ihnen gern zukommen.
Schon klar. Aber extrem unpraktisch finde ich es trotzdem. Dazu für interessierte Lai(inn)en noch eine Linkempfehlung.
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“… humobefreit” — das reicht mir denn doch.
Wenn man nicht Feinde/Feindinnen oder “kleine Feindel” (s. Grimm!) weiß — braucht man Freinde, die man sich in den Kommentatoren suchen willen ist.
Der Rechtschreibfehler ist korrigiert. Danke!
Ein BDSM-Sklave nennt seine Domina auch “Herrin” statt “Herr”. Hat wohl was mit dem Lateinischen zu tun, von daher wundert mich “Schirmherrin” eh nicht.