Mir ist heute aufgefallen, dass sich <EHEC> in <Ehec> verwandelt hat – und zwar enorm schnell. Man kennt das ja von anderen Akronymen wie <AIDS>/<Aids> oder aktueller <SARS>/<Sars>, aber da hat es, bilde ich mir ein, doch ein Stückchen länger gedauert und beide Schreibweisen sind üblich (bei AIDS) oder gar dudensanktioniert (bei SARS).
Bei der Suche nach Ehec im faz.net-Archiv zeigt sich, dass es mit der Anpassung sogar noch schneller ging, als ich dachte:
Schon am vierten Tag der Berichterstattung dominierte <Ehec>. Eine kluge Wahl, wissen damit dann doch auch die Fernsehlosen, dass man das Ding nicht E‑ha-e-ze ausspricht. (Nein, ich war nicht die einzige in meinem Umfeld!) Andere Medien halten an EHEC fest, so z.B. die ARD mit der Tagesschau.
SARS hingegen konnte in meiner Erinnerung sowohl Es-a-er-es als auch Sars ausgesprochen werden (der Duden sagt nur Sars, Wiktionary nennt beides) – bevorzugt man die Buchstabieraussprache, dann hält man natürlich an <SARS> fest. Vielleicht ist das mit ein Grund für die wesentlich langsamere Ausbreitung. Um einen kleinen Eindruck von der Dauer zu kriegen, habe ich alle Treffer der faz.net-Suche ausgewertet, bei denen das Wort im Ausriss vorkam (denn der Rest des Artikels ist dann immer kostenpflichtig). Und so sieht das aus:
Es hat also ziemlich lange gedauert, bis man hier die Majuskeln aufgegeben hat, der erste Treffer für <Sars> findet sich nach knapp zwei Monaten am 13.5.2003. (Wenn man sich diese Artikel so durchschaut, drängt sich übrigens der Eindruck auf, alles, was die FAZ an Sars interessiert hat, sei der Einfluss auf die Börsenkurse gewesen.) Die komplette Großschreibung gibt es nach wie vor, sie ist auch die vom Duden empfohlene Variante, aber die FAZ scheint sie am 26.5.2003 zuletzt benutzt zu haben. (Habe allerdings nicht alle Treffer bis heute durchgeschaut, sondern irgendwann Ende 2003 aufgehört, also keine Garantie.)
Die ZEIT, deren Artikel man über das DWDS durchsuchen kann, war einen ganzen Monat früher dran – am 14.4.2003 tauchte das erste <Sars> auf, blieb allerdings lange nur die zweite Wahl. Ab dem 24.7.2003 dominiert es dann. Die beiden Suchen sind aber nicht ganz vergleichbar, weil ich bei der FAZ immer nur das erste Auftreten im Artikel gewertet habe, bei der ZEIT-Suche hingegen alle Fundstellen in einem Artikel ausgegeben werden. Wenn sich also schon früher was bei der FAZ im späteren Artikelverlauf versteckt hat, habe ich das nicht erfasst.
Ich hätte jetzt furchtbar gerne Hörbelege für SARS, um zu schauen, ob der Schreibwandel auf einen Aussprachewandel zurückzuführen ist. Mir ist allerdings noch kein gutes Mittel eingefallen, das rauszubekommen. Ideas, anyone?
Mich würde jetzt eher generell interessieren, wann eine Abkürzung zum Wort werden kann. Zum Beispiel WWW, XML, oder IBM werden nicht wie Wörter gesprochen. Intuitiv würde ich sagen, dass etwas nur wie ein Wort gesprochen wird, wenn es eine zum Deutschen (oder jeweiligen anderen Sprache) kompatible Silbenstruktur hat.
Sars und Ehec sind ja nicht die einzigen, es gibt zum Beispiel auch Bafög oder Tüv, die Faz und die Taz… wobei nicht immer die Schreibweise ein Indiz für die Aussprache als Wort zu sein scheint.
Jipp, es müssen ausreichend Vokale drin sein 😉 Wäre spannend, mal in großem Stil Fälle mit einer extrem markierten, aber dennoch aussprechbaren Silbenstruktur zu suchen und zu schauen, wie damit umgegangen wird. (DNA wäre ja z.B. sprechbar.)
Die Schreibweise mit Großbuchstaben kann nicht anzeigen, ob das Wort als Abkürzung i.e.S. gesprochen wird, also ausbuchstabiert (VW, DNA, …), oder ob es ein Akronym ist, also wie ein neues Wort gesprochen wird (AIDS, SARS).
Umgekehrt weist aber die Kleinschreibung mE darauf hin, dass es sich um ein Akronym handelt. Im Fall von Ehec kann man die Aussprache also durch die neue Schreibung eindeutig machen.
(Es gibt aber auch einzelne Abkürzungen, die wie ganz normale graphematische Wörter geschrieben werden, z.B. Spvgg, also Spielevereinigung, wobei ich da nicht weiß, ob man das wirklich buchstabiert oder nicht eher beim Sprechen auflöst.)
Spvgg wird meines Wissens immer aufgelöst, so hatte ich das auf jeden Fall in Erinnerung.
Na es geht nicht nur um genügend Vokale, Deutsch hat z.B. keine komplexen Onsets wie “Brno” (eine tschechische Stadt, die auf Deutsch Brünn heißt), dafür komplexe Offsets wie in “jetzt”.
Ja, schon klar — ich könnte mir nur prinzipiell vorstellen, dass es bei Akronymen auch leichte Abweichungen von der deutschen Phonotaktik gibt. Habe aber bisher keine richtigen Beispiele, vielleicht isses also auch Quatsch.
So, noch mal dazu — janwo hat vorhin bemerkt, dass die Ehec-Krise oft Ehe-Krise ausgesprochen wird. Seltsam, weil zwei Konsonanten an den Morphemgrenzen ja normalerweise problemlos artikuliert werden wie Geminaten (Besteckkasten, Laubbaum).
Das zeigt m.E. ganz schön, dass Ehec kein besonders wohlgeformtes Wort des Deutschen ist. Eine kursorische Überprüfung (investierte Zeit: 5 Minuten, also mit Vorsicht zu genießen) legt nahe, dass der Auslaut eck im Deutschen vorkommt bei
— Einsilbern (Deck, Heck, Dreck, …)
— ultimabetonten Zweisilbern (Besteck, Gedeck, …)
Bei Ehec liegt aber Erstsilbenbetonung vor, was bei der Komposition problematisch zu werden scheint.
Zudeck ist fuer mich erstsilbenbetont. Ist aber anscheinend nicht standardsprachlich, und ein Kompositum faellt mir auf Anhieb dazu auch nicht ein.
Hmja, das DWB sagt “bettdecke, in Obersachsen und dem Erzgebirge” und kennt als Kompositum “zudeckkissen, n. Jean Paul 32, 60 H. — “. Wie würdste das aussprechen?
Nu ja, vom Erzgebirge und Obersachsen bis in die Oberpfalz ists nicht weit.
Zudeckkissen ist nicht in meinem Wortschatz… Wenn ich das jetzt lese, höre ich es im Kopf mit Doppel‑k, aber darauf kann man wohl nicht viel geben.
DWB hat noch Aufsteckkleid, Einsteckkamm, Viereckkrabben, Vorsteckkamm und Vorsteckkeil. Hilft mir aber auch nicht weiter.
Egal wie man’s schreibt: Ehec ist einfach kein Name für eine Durchfallerkrankung, man denkt da eher an eine besondere Form von Schädelbasisbruch. Fällt jemandem was Besseres ein?
Killer-Keim? Darmseuche?
Geht beides nicht. Darmseuche ist zu allgemein, Killer-Keim ist Bildzeitungsdeutsch.
Sprossenseuche hab’ ich eben bei Telepolis gelesen. Wie wär’s denn damit? Jedenfalls so lange, bis wieder die Gurken schuld sind.
Wegen der Aussprachesache:
Vielleicht in Debatten des Deutschen Bundestags suchen?
http://webtv.bundestag.de/iptv/player/macros/bttv/index.html
Ich glaube allerdings, da braucht man einiges an Durchhaltevermögen.
Tolle Idee, vielen Dank! Leider klappt bei mir das Abspielen nicht, werd’s später noch mal an einem anderen Rechner probieren.
Sorry, dass Dein Beitrag erst jetzt erscheint, er war im Spamordner. (Ich vermute wegen der “Mailadresse”.)
Würde eher sagen: Mea culpa; tut mir Leid, dass ich da für zusätzliche Arbeit gesorgt habe. Ich hoffe, das ist mit meinem Beitrag zum Etymologiequiz nicht auch (wieder) passiert. Offensichtlich sorgen meine Alcatraz-ähnlichen (Browser)einstellungen für manches Durcheinander.
Hm, eine Antwort zum Etymologiequiz kann ich von Dir nirgends finden — weder im Spamordner, noch bei den noch nicht genehmigten Antworten … wann hast Du die geschrieben?
Ah, jetzt isse da!
Es wäre interessant, nicht-journalistische Texte unter dieser Fragestellung zu untersuchen. Denn die Schreibung wird in Redaktionen sicherlich vereinheitlicht. ›Deine‹ Zahlen zeigen daher m.E. bisher also nur, a) dass die Redaktionen sich irgendwann umentschieden haben und b) dass die Entscheidung jeweils relativ zügig umgesetzt wurde.
Ja, daran habe ich auch gedacht — fand es aber auch schon sehr interessant, dass die Umentscheidung einmal so viel länger dauerte als das andere Mal.
Bei nicht-journalistischen Texten wird’s halt einfach viel zu schwer, eine groß genuge Datenmenge zusammenzubekommen, die es erlaubt, die Faktoren einer eventuellen Veränderung (die ganz bestimmt auch von der bevorzugten Schreibung in Medien beeinflusst werden) auseinanderzuklauben. (Bei Zeitungssprache kann man ja von einer relativ homogenen Schreibergruppe ausgehen und hat eine gute Datierungsmöglichkeit.)
Zu den SChreibungen bei Zeitungen mag ich noch ergänzen, dass es da u.U. auch schlichtweg irgendwelche verlagsinternen Typographie-Dogmen geben kann, die vorgeben, welche Abk. wie abgek. wird und wo wie viele Großbuchstaben hintereinander stehen dürfen.
Ich schreibe Initialismen konsequent in Großbuchstaben, auch wenn ich sie als Wort und nicht als Buchstabenfolge ausspreche.
Ich habe erst auch E‑Ha-E‑C gesagt, wahrscheinlich weil Ehec sehr ungewöhlich klingt, möglicherweise wegen der Betonung der ersten Silbe. Buchstabiert ist es aber ein echter Zungenbrecher.
Bei der Groß- und Kleinschreibung könnte auch die Lage der Buchstaben auf der Tastatur eine Rolle spielen: Bei SARS sind sie alle mit der linken Hand zu erreichen, und man kann also mit rechts die Shift-Taste gedrückt halten.