SciLogger Sören Schewe hat heute Mittag per Twitter nachgefragt, ob es der Virus oder das Virus heißen muss. Anlass war wohl dieser Tweet des Nachrichtenportals „Der Westen“.
Anders als sonst war ich bereit, hier eine absolute Regel zu nennen: der bei Computerviren, das bei allen anderen Viren. Ich habe das behauptet, weil ich meine, das schon einmal empirisch untersucht zu haben (vielleicht im Bremer Sprachblog) und eine ziemlich eindeutige Tendenz bestand. Der Westen hat sich gleich unter Berufung auf den Duden verteidigt, denn dort steht: „das, außerhalb der Fachsprache auch: der Virus“. Das ist aber natürlich keine echte Verteidigung, da der Duden, wie die Sprachnörgler nicht müde werden, ihm vorzuwerfen, lediglich festhält, welche Formen im Sprachgebrauch mit einer gewissen Häufigkeit vorkommen (wenn er nicht gerade aus PR-Zwecken erfundene Wörter aufnimmt).
Ich war mir aber, wie gesagt, sicher, dass man es genauer machen kann als der Duden und dass es — natürlich außerhalb der Fachsprache — eine klare Tendenz bezüglich unterschiedlicher Arten von Viren gibt. Ich habe das jetzt aber im Deutschen Referenzkorpus des Instituts für Deutsche Sprache noch einmal untersucht und festgestellt, dass das Bild tatsächlich etwas differenzierter ist.
Beim Computervirus gibt es eine klare Tendenz zum Maskulinum, wobei auch das Neutrum nicht selten ist. Beim Aidsvirus gibt es dagegen eine überwältigende Tendenz zum Neutrum. Das Grippevirus liegt aber irgendwo dazwischen, mit einer leichten, aber nicht signifikanten Tendenz zum Maskulinum:
Anscheinend hat der Wortstamm Virusalso kein einheitliches Genus, sondern jedes Kompositum, das ihn enthält, hat eigene Präferenzen.
Sprache, echt. Überrascht einen immer wieder.
Ich nöl mal rum. Für nicht-deutsche Sprachen ohne Genus [bzw. mit verstecktem] bestimmt üblicherweise die deutsche Entsprechung das Wortgeschlecht — daher das Blog von ‘das Logbuch’. Bei ‘Virus’ haben wir es allerdings mit einem lateinischen Wort zu tun, das ein klares Genus hat: Neutrum.Als geplagter Lateinschüler bestehe ich daher auf das>/i> Virus!
Müssen nicht die deutschen Entsprechungen sein, es gibt auch phonologische Kriterien (deshalb ja auch immer öfter der Blog, analog zu der Block. Bei Virus ist es möglicherweise die Endung ‑us — der Stuss/Bus/Fluss/Kuss/Guss/Oktopus, dagegen nur die Nuss.
Was hat es, mal neben bei gefragt, mit dem Genus von Sonne und Mond auf sich? Die Sonne der Mond, macht das noch jemand so wie wir Deutschen?
Gute Frage. Ich behaupte einfach mal, ja (Schwedisch, und vermutlich auch andere germanische Sprachen). Ich werde das aber zum Anlass für einen eigenen Beitrag nehmen, der sich mit dem Zusammenhang zwischen natürlichem und grammatischen Geschlecht befasst. Wird aber noch etwas dauern, da noch mindestens vier Beiträge abgearbeitet werden wollen.
Andere germansiche Sprachen: “Problem” Utrum? Meine Dänin kann mir nämlich gar nicht sagen, ob f oder m. Utrum + Definit, Pronomen “es”. Meine Schwedisch- und Niederländischwörterbücher sagen zwar Sonne (f), Mond (m) (beides de/en-Wörter [Utrum]), Internetdiskussionen unter Niederländern legt eine größere Unsicherheit nahe, sowohl zij (=sie) als auch het (=es) scheint akzeptabel. Unsere belgische Dozentin sagte immer “macht es doch wie die Niederländer. Da ist alles het.” Ich glaub ich bin jetzt aber eher verwirrt.
Ohne schon zuviel verraten zu wollen: Dänisch und Schwedisch haben das Utrum noch nicht ewig und Layering gibt es immer, und Nynorsk hat sowieso noch das schöne alte System mit Maskulinum und Femininum.
Zur Frage des grammatischen Geschlechts des Mondes sollten noch die Beiträge von Ryan North erwähnt werden: http://www.qwantz.com/index.php?comic=1915 (und in geringerem Maße http://www.qwantz.com/index.php?comic=1916 und http://www.qwantz.com/index.php?comic=1917 )