Auf der Facebook-Seite des Sprachlogs (auf der man die neuesten Beiträge aus dem Sprachlog, der Sprachlog-Außenstelle sowie gelegentliche Lektüretipps bekommt, also unbedingt Fan werden!), fragt Felix Rauch folgendes:
Bei der royalen Hochzeit fiel mir auf, dass es in der Referenz auf die Trinität „the father, the son and the holy ghost“ heißt, sonst aber auf „the holy spirit“ Bezug genommen wird. Was hat es denn damit aus linguistisch-etymologischer Sicht auf sich?
Diese Frage beantworte ich gern, denn so bekommt die rätselhafte öffentliche Hysterie um die gestrige Traumhochzeit doch noch einen Sinn.
Holy ghost ist die ältere Bezeichnung, die sich in allen englischsprachigen Bibelübersetzungen bis in die frühneuenglische Zeit findet — sowohl in der anglikanischen „Authorized King James Version“ von 1611 als auch in der katholischen „Douay–Rheims Bible“ von 1582 (Neues Testament) bzw. 1609 (Altes Testament) ist es die klar bevorzugte Form, obwohl in beiden Übersetzungen vereinzelt auch der Ausdruck holy spirit auftaucht.
In den heute am weitesten verbreiteten englischen Bibelübersetzungen wird dagegen durchgängig der Ausdruck holy spirit verwendet, und auch im allgemeinen Sprachgebrauch ist es die deutlich häufigere Form: Im Corpus of Contemporary American English ist sie fünfmal häufiger als Holy Ghost, im British National Corpus sogar mehr als zehnmal häufiger.
Was hat es damit auf sich? Ich kann nur vermuten, dass es etwas mit dem Bedeutungswandel zu tun hat, den das Wort ghost durchlaufen hat.
Das Wort geht auf das Proto-Germanische *gaisto‑z zurück, das vermutlich ursprünglich so etwas wie „Zorn“ bedeutete, sich aber in allen westgermanischen Sprachen mit dem heutigen Bedeutungsspektrum findet (z.B. niederländisch geest, deutsch Geist, friesisch gâst).
Die früheste im Englischen nachgewiesene Bedeutung ist die der „Seele“ oder des „Lebensgeistes“, also der Vorstellung von einem immateriellen Aspekt eines Menschen. Diese Bedeutung findet sich schon im 10. Jahrhundert, sie wird aber schon im 14. Jahrhundert selten und findet sich im Neuenglischen — von einzelnen Verwendungen bis ins 19. Jahrhundert abgesehen — nicht mehr. Sie existiert heute nur noch in der feststehenden Redewendung to give up the ghost („den Geist aufgeben“).
Gegen Ende des 14. Jahrhunderts nimmt das Wort die heute dominante Bedeutung „Totengeist“ an, bezeichnet also zunehmend die Vorstellung von der Seele eines Verstorbenen in einer sichtbaren (oder hörbaren) Form, die erste dokumentierte Verwendung stammt aus Geoffrey Chaucers „Legend of Good Women“ (1385): This night my fadres gost Hath in my sleep so sore me tormented („Heute Nacht hat mich der Geist meines Vaters schmerzlich gequält“).
Ebenfalls im 14. Jahrhundert findet das normannisch-französische Lehnwort spirit seinen Weg in die englische Sprache und übernimmt die frühere Bedeutung von ghost, wird also verwendet, um den Lebensgeist oder die Seele eines Menschen zu bezeichnen. Außerdem finden sich von Anfang an auch Verwendungen, die sich auf übernatürliche Wesen beziehen, aber nur selten auf wahrnehmbare Manifestationen der Seelen Verstorbener.
Der Wechsel von holy ghost zu holy spirit im kirchlichen Sprachgebrauch beginnt zur gleichen Zeit: holy spirit findet sich ab dem Beginn des 14 Jahrhunderts, und auch wenn holy ghost in den oben erwähnten Bibelübersetzungen aus dem 17. Jahrhunderts noch die häufigere Form ist und sich vereinzelte Verwendungen bis heute finden, wird holy spirit in der Folgezeit die bevorzugte Form.
Der Grund dafür dürfte darin liegen, dass die neue Bedeutung von ghost, die sichtbare Manifestation der Seelen Toter, mit der biblischen Vorstellung des Heiligen Geistes als göttlichem Prinzip nicht vereinbar war — holy ghost muss außerhalb der überlieferten religiösen Texte zunehmend den Klang eines „heiligen Gespenstes“ angenommen haben.
Und heilige Gespenster gibt es ja tatsächlich — zum Beispiel das Gespenst des europäischen Adels, das offensichtlich so intensiv durch die Fantasie der Deutschen spukt, dass die Eheschließung eines möglichen zukünftigen, nicht demokratisch legitimierten ausländischen Staatsoberhauptes auf beiden öffentlich-rechtlichen und den beiden größten privaten Fernsehsendern parallel übertragen werden kann, ohne dass eine Schuhe schwenkende Menschenmenge die Sendeanstalten stürmt.
OED (2010) Oxford English Dictionary. Dritte Auflage.
[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Version enthält möglicherweise Korrekturen und Aktualisierungen. Auch die Kommentare wurden möglicherweise nicht vollständig übernommen.]
Klasse!
Über diese Stelle der Liturgie bin ich auch zunächst gestolpert, da im Amerikanischen m.W. fast durchgängig vom “holy spirit” die Rede ist, habe aber die Hintergründe noch nicht nachschlagen können. Das ist nun dank dieses gelungenen Blogposts auch unnötig geworden…
Das Spektakel der königlichen Hochzeit — Ein lehrreicher AnachronismusMorgen ist es also soweit: Kate Middleton und Prinz William geben sich das königliche Jawort! Während sich Fernsehstationen weltweit auf Hunderte von Millionen Zuschauern einstellen, gehört es unter deutschen Gebildeten in diesen Tagen z…
Demokratie, Stock und Tampon
Und heilige Gespenster gibt es ja tatsächlich — zum Beispiel das Gespenst des europäischen Adels, das offensichtlich so intensiv durch die Fantasie der Deutschen spukt, dass die Eheschließung eines möglichen zukünftigen, nicht demokratisch legitimierten ausländischen Staatsoberhauptes auf beiden öffentlich-rechtlichen und den beiden größten privaten Fernsehsendern parallel übertragen werden kann, ohne dass eine Schuhe schwenkende Menschenmenge die Sendeanstalten stürmt.
Demokratisch legitimiert ist er, unser Bundespräsident, aber was haben wir davon und vor allem, was haben wir von ihm? — Ein Verlegenheitskandidat, ohne Aus- und Vorbildung in’s Amt gekommen, Unterhaltungswert gleich Null, stiefelt er nun seit gefühlten 100 Jahren so steif, als hätte er einen Stock im Hintern, durch die Gegend.
Im Gegensatz dazu die englische Königsfamilie. Von Gottes Gnaden erkoren und auf Thronfolgenreihenrecht gestützt präsentiert sich die ganze Sippe als eine Familie wie du und ich sie auch haben (könnten). Die Oma vom Karl hatte zu Lebzeiten gerne einen getrunken und sorgte für Stimmung im Hause, die noch voll berufstätige Mama hat nicht nur zuhause die Hosen an und der vorverentet wirkende Papa dackelt deshalb den ganzen lieben langen Tag missmutig hinter ihr her und beklagt sich über Karl und die anderen missratenen Blagen. Von den beiden enkeligen Hoffnungsträgern (Söhne der früh verstorbenen ersten Frau und des deshalb früh verwitweten Karls) hat sich einer schon in jungen Jahren als eher untauglich für die angedachte Nachfolge auf dem Firmensitz herausgestellt, weil der lieber feste feiert als feste arbeitet und sich darüber hinaus auch noch oft und gerne kostümiert. Dabei haben es ihm vor allem historische Personen aus deutschen Landen angetan. Kein Wunder ist, stellt doch sein gesamter Stammbaum so etwas wie eine deutsche Festlandeiche dar. Mit seinem Uronkel(?) Eduard VIII hätte er sich sicherlich prächtig verstanden.
Fremdgänger Papa Karl selbst steht auf Tampons beim Verkehr und gilt nicht nur deshalb als verschroben und schwarzes Schaf der Familie. Seit Omas Ableben, so sagt man, widmet er sich ganz seinen zahlreichen Steckenpferden wie Polo, Architektur und Umwelt. Seine hundertzwanzigjährige Mama und Immernochstelleninhaberin will nicht abtreten oder sterben, sein Papa macht darüber schlechte Witze. Hoffnungträger zwei, Wilhelm, hat nun geheiratet und alle Welt hofft, dass er nicht Intellizenz und Humor von Mama (“Was stinkt mehr als ein Fisch? — Das Arschloch von einem Fisch!”) geerbt hat, sollte er Papa Karl überspringen müssen wollen.
Ich höre an dieser Stelle nun auf, obwohl ich schier endlos weitermachen könnte, denn eines dürfte klar geworden sein, mit den isolierten Insulanern da drüben kann es kein deutscher Bundespräsident jemals aufnehmen, gewählt hin — von Gottes Gnaden her. Und ein Christian Wulff schon gar nicht, selbst wenn sich seine Angetraute auch noch Brust und Hintern tätowieren ließe.
normannische Lehnworte
Ist eigentlich etwas dran an der (ich meine gelegentlich von Stephen Fry geäußerten) Theorie, dass die normannischen Lehnworte sozusagen die gute Seite einer Sache bezeichnen? Also das immer Esszwecken dienende beef statt meat, oder die anständige labour anstelle der malocherischen work? Ich denke, da gibt es noch mehr Beispiele, die mir gerade nicht einfallen, aber der unheimliche ghost gegen den inspirierenden spirit passte ganz gut in diese Reihe…
@Kathi
Zumindest im Mittelenglischen teilt sich das nach Altenglisch = populär, Französisch = literarisch, Latein = intellektuell.* Das hat sich m.E. bis heute gehalten.
*Ich habe das im Moment von David Crystal, das ist keine empirische Eigenleistung meinereiner.
@Dierk
Danke! Ich muss mich auch noch korrigieren: Die arbeitsreiche Seite am beef ist natürlich die cow… Weiß jemand noch mehr?
Steigerungen
Um auch mal ein wenig zu nörgeln: Ich störe mich schon länger an Formulierungen wie dieser hier:
Meinereiner hätte ja fünfmal so häufig gesagt. Mein Sprachempfinden sträubt sich gegen die Verwendung von Komparativen mit “mal”. Ist das eine regionale Sache, verweigere ich mich hier einfach dem Sprachwandel oder was ist hier los?