An dieser Stelle schrieb ich kurz über Koordinativkomposita am Beispiel von Baden-Württemberg und stellte die Frage, ob Baden-Württemberg ein solches ist. Die patriotische Antwort: Es ist ein unmöglicher Ausdruck. Nun beweist Twitter, dass Baden-Württemberg noch nicht mal ein Wort ist.
Aber der Reihe nach: Anders als der überwiegende Teil zusammengesetzter Wörter haben Koordinativkomposita keinen semantischen Kopf. Das heißt, dass bei Koordinativkomposita der erste Teil des Kompositums nicht den hinteren Part modifiziert. Bei den wesentlich häufigeren sogenannten Determinativkomposita ist das so: Käsekuchen ist eine bestimmte Art des Kuchens (hier: Kopf), nicht eine Ausprägung von Käse (hier: Modifikator).
Bei den Koordinativkomposita ist diese semantische Rollenverteilung nicht gegeben. Diese Komposita sind in germanischen Sprachen recht selten und umfassen beispielsweise Begriffe wie süß-sauer oder Bindestrichregionen wie Nordrhein-Westfalen oder Elsass-Lothringen. Mit anderen Worten: Ein Koordinativkompositum ‘AB’ ist die Summe aus seinen Bestandteilen A und B, wobei die Reihenfolge der Bestandteile zunächst willkürlich (also nicht semantisch motiviert) ist. Ganz arbiträr ist diese Reihenfolge dann aber doch nicht unbedingt: Es gibt bei der Lexikalisierung eines Konzepts eine starke Tendenz zu “kurz vor lang”, wie sie in der Sprache allgemein häufig zu finden ist.
Grundsätzlich sind beide Bestandteile in Koordinativkomposita also austauschbar, ohne den Sinn zu verfälschen. Je stärker ein Begriff lexikalisiert (also institutionalisiert) ist, desto weniger akzeptabel ist das Austauschen der Begriffe, obwohl es semantisch möglich ist: nasskalt ist wesentlich häufiger als kaltnass und dummdreist häufiger als dreistdumm. Auch bei gemischten Farben etwa ist die Reihenfolge egal, obgleich bei blaugrau und graublau die Wahl der Reihenfolge eine Festlegung darauf bedeuten kann, ob es sich in der Wahrnehmung des Sprechers um grau mit blauer oder eher um blau mit grauer Schattierung handelt. Bei Baden-Württemberg war übrigens vermutlich nicht allein die Kurz-vor-lang-Präferenz ausschlaggebend, sondern die Tatsache, dass einer der drei Gründungsstaaten das kurzlebige Württemberg-Baden (1945–1952) war.
Nun ist es kein Geheimnis, dass ich eine ganz spezielle Meinung zu “Summe” und “Gleichberechtigung” in Baden-Württemberg pflege. Ich wollte mit meinen kurzen linguistischen Ausführungen also lediglich die Tatsache verschleiern, dass ich hier erneut in die Patriotismuskerbe schlage. Außerdem wollte ich dem neuen Lexem “modus endi” im Zusammenhang mit der ersten Abwahl im Ländle eine angemessene Plattform bieten.
Bei meiner kürzlich entdeckten Liebe zum Twittern lerne ich noch den sinnvollen und korrekten Umgang mit Hashtags. Hier setzt man ein # (engl. hash) vor Schlag- oder Schlüsselwörter, die dann automatisch als Link angezeigt werden. Neben all den handelsüblichen Strategien, auf welchen Grundlagen ein Wort als Wort angesehen werden könnte, taucht hier eine interessante neue Möglichkeit auf: Twitter interpretiert Bindestriche offenbar als Wortgrenze.
Schön war deshalb dieser kleine Lacher für Zwischendurch, ein Anfängerfehler mit humoristischem Nebeneffekt:
Twitter erkennt Baden-Württemberg nicht (an).
Die Verwirrung über twitters Umgang mit Bindestrichen in Hashtags leistet in meiner Erfahrung auch dem etwas unfair so betitelten “Idioten-Leerzeichen” Vorschub. Besonders, wenn das Wort vor dem Bindestrich eine Partei ist. Schreibe ich z.B. “die #CDU-geführte Regierung”, wertet twitter den Hashtag zwar richtig als #CDU, aber ersten weiß das nicht jeder und zweitens wird es fälschlicherweise als negative Bewertung der CDU interpretiert, da die Häufigkeit von #CDU+ und #CDU- als twitter-Stimmungsbarometer genutzt wird. Vermutlich deshalb liest man bei twitter häufiger “die #CDU geführte” oder gar “die #CDU+geführte Regierung” – aber das ist wohl einfach gelebte Sprache.
Das ist ein sehr interessanter Aspekt, dessen Auswirkungen ich aber aus zwei Gründen zurückweisen würde:
1.) Würde er Twitter eine größere Rolle in der Entwicklung beimessen, als es meiner Meinung nach hat. (Das sagst du jetzt ja nicht, aber es geht ums “Vorschub leisten”.) Ich glaube mit meiner eher beschränkten Twitter-Erfahrung sogar eher umgekehrt, dass die Bindestrich-Interpretation häufiger dazu führt, dass intendierte Hashtags im Zweifelsfall zusammen geschrieben werden, falls dem Twitterer die Twittertrennung bekannt ist, z.B. BadenWürttemberg.
2.) Dass “#CDU-geführte” (o.ä.) zu einer negativen Bewertung des Hashtags führt, wusste ich nicht. Das wissen vermutlich wirklich nur die Nerds. Und außerdem bleibt dann ja die Frage, wem diese negative Bewertung nutzt bzw. schadet und dementsprechend, wer die Technik gezielt einsetzt, um das Ranking zu beeinflussen.
Ich vermute deshalb, dass die “gefühlte” Steigerung der Auseinanderschreibung auf Twitter eher Ausdruck einer allgemeinen Tendenz zum Auseinanderschreiben folgt, als dass Twitter umgekehrt dieser Tendenz durch seine Technik Vorschub leistet. Aber vielen Dank für den Hinweis!