In der Diskussion um die Petition „Keine Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz“ kommt häufig das Argument, dass die Petition zu aufgeregt und schwarzmalerisch oder auch ganz einfach zu unwichtig sei, um sich ernsthaft damit zu befassen.
Die einfache Form dieses Arguments lautet „Es gibt wichtigere Dinge, über die wir uns Sorgen machen sollten“. Das ist zwar richtig, es ist aber kein Grund, sich an der Petition nicht zu beteiligen. Es gibt immer wichtigere Dinge — Atommüll, Bürgerversicherug, Castortransporte, Demographiewandel, Erdbeben, Finanzkrise, Generationenkonflikte, HIV, Irak, Jugendarbeitslosigkeit, Klimawandel, Länderfinanzausgleich, Militärdiktaturen, Netzneutralität, Oderhochwasser, Privatinsolvenzen, Quacksalberei, Rohstoffmangel, Sozialreformen, Tibetkonflikt, Umweltverschmutzung, Verteilungskriege, Whistleblowerschutz, Xenophobie, Yuppisierung und Zeitarbeitstarife. Aber es ist ja nicht so, als ob die zwei Minuten, die nötig sind, um sich auf der Webseite des Petitionsausschusses zu registrieren und die Petition zu zeichnen, jemanden davon abhalten würden, sich an der Lösung dieser Probleme zu beteiligen.
Die differenziertere Form des Arguments lautet „Die Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz hätte keine rechtlichen Konsequenzen. Es geht nur darum, die deutsche Sprache zu würdigen.“ Und das ist nicht richtig. Es stimmt zwar, dass die Aufnahme einer Landessprache allein keine Konsequenzen hätte, aber die Befürworter einer solchen Aufnahme lassen keinen Zweifel daran, dass sie eine grundgesetzliche Verankerung der deutschen Sprache als Grundlage für eine Reihe gesetzlicher Regelungen betrachten.
Der VDS nennt im Petitionstext selbst zwar keine konkreten Regelungen, aber andernorts werden solche Regelungen mal mehr, mal weniger offen gefordert. So schreibt VDS-Geschäftsführer Holger Klatte in einem Beitrag für die Bundeszentrale für politische Bildung zunächst von der „Wertschätzung“, dem „Ansehen“ und der „Anerkennung“, die der deutschen Sprache zuteil werden soll [Klatte 2010]. Diese sieht er vor allem durch die englische Sprache bedroht, und nennt als Beispiele Anglizismen in der Werbung, die Verwendung von Englisch als Unternehmenssprache, und die Zulassung des Englischen als Gerichtssprache in Wirtschaftsprozessen. Er fügt zwar schnell hinzu, dass derlei Dinge gesetzlich nicht unterbunden werden könnten, lobt aber gleich darauf die Académie Française und die französischen Sprachgesetze, die genau dies tun. Nun kann man durchaus der Meinung sein, dass der VDS die Académie Française nur zufällig immer wieder in die Diskussion einbringt, aber es gehört eine große Portion Naivität dazu.
Klatte nennt dann noch eine Reihe von Initiativen, für die er sich dann doch erhofft, dass sie durch eine Verankerung des Deutschen im Grundgesetz vorangebracht werden könnten, nämlich eine Erhöhung des Umfangs des Deutschunterrichts bei der Reform von Lehrplänen, klarere sprachliche Anforderungen in der Zuwanderungspolitik und die Forderung, das Deutsche als EU-Arbeitssprache gleichberechtigt neben Englisch und Französisch zu stellen. Unabhängig davon, ob diese Initiativen eine Chance auf Umsetzung hätten, dürfte also klar sein, dass es dem VDS keineswegs nur um die symbolische Wertschätzung der deutschen Sprache geht. Man kann auch nicht argumentieren, dass es sich hier um Klattes persönliche Einzelmeinung handelt: Der VDS nennt in einem offiziellen „Memorandum“ [VDS 2010] dieselben Ziele und fügt zur Liste der bekämpfenswerten Einflüsse des Englischen auch noch den frühbeginnenden Fremdsprachenunterricht und den fremdsprachlichen Fachunterricht an bilingualen Schulen hinzu, damit kein Zweifel besteht, an welcher Stelle die Lehrpläne reformiert werden sollten.
Aber eigentlich ist es ja auch egal, was der VDS mit der grundgesetzlichen Verankerung der deutschen Sprache erreichen will — wichtiger sind die Vorstellungen der politischen Akteure, die diese Verankerung unterstützen. Und die haben eine ganze Reihe recht konkreter Vorstellungen.
Erstens sprechen sie sehr offen über die Möglichkeit von sprachpuristischen Gesetzen. Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, möchte „die deutsche Sprache schützen gegen einen niveaulosen, globalisierten Sprach-Mischmasch und gegen eine seichte Anglisierung“ und schreibt „eine[r] entsprechende[n] Grundgesetzpassage eine Signalwirkung“ zu: „Frankreich hat den Passus mit der Landesprache in seine Verfassung geschrieben und daraus Konsequenzen gezogen, zum Beispiel in der Abwehr von Anglizismen“ [Kraus 2008]. Die „Konsequenzen“, auf die er sich hier bezieht, sind die restriktiven französischen Sprachgesetze, z.B. das Loi Toubon, das den Gebrauch von englischen Werbeslogans ohne eine Übersetzung ins Französische verbietet, das Radiosendern eine Quote für französischsprachige Musik vorschreibt, das Französich zur alleinigen Schulsprache und zu einzigen erlaubten Sprache auf wissenschaftlichen Konferenzen erklärt und das ursprünglich sogar den Gebrauch englischer Lehnwörter verbieten sollte.
Kraus’ Vorstellung, dass das Grundgesetz als Begründung für den Kampf gegen englisches Lehngut eingesetzt werden könnte, wird auch vom saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller [Müller 2010 (PDF)] und vom Bundestagspräsidenten Norbert Lammert [RP-Online 2010] öffentlich vertreten.
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse ist auch Bereit, der Wissenschaft Sprachregelungen vorzuschreiben: „Wo unsere Steuergelder zum Beispiel für die Forschung verwendet werden, sollten die Anträge auch nur noch in deutscher Sprache eingereicht werden“ [Deutscher Bundestag 2011].
Zweitens wird offen ausgesprochen, dass man sich von einer Grundgesetzänderung Konsequenzen im Bereich der Migrationspolitik erhofft. Ich zitiere zunächst noch einmal Lehrerverbandspräsident Josef Kraus:
Wir steuern auch sprachlich auf Parallelgesellschaften zu. Berlin-Kreuzberg und Neukölln sind fast schon autarke Gebiete. Vom Gemüsehändler bis zum Zahnarzt spricht dort alles türkisch. Ich sehe deshalb die Festlegung auf Deutsch als Landessprache als einen wichtigen Schritt zur Integration. Wer auf diese Festlegung verzichtet, kriegt Parallelgesellschaften. … Zuwanderer sollen auch qua Verfassung merken, was dieser Staat und dieses Gemeinwesen erwarten. Im übrigen hat Sprache sehr viel mit Identität zu tun. Hier haben die Deutschen ein Problem. Verkrampft neigen wir dazu, unsere zwölfhundertjährige Geschichte auf zwölf Jahre zu reduzieren. Diese zwölf Jahre sind Teil der Geschichte, aber nicht das Ende der Geschichte. [Kraus 2008]
Auch diesen Aussagen schließen sich prominente Politiker an. Für CSU-Generalsekretär Alexander Dobrint ergeben sich aus einer Verankerung des Deutschen im Grundgesetz Forderungen an Einwanderer: „Respekt vor unserer deutschen Sprache ist Respekt vor unserer Kultur und unserem Land, den wir von allen einfordern, die bei uns leben“ [Welt Online 2010]. Das klingt harmlos, aber das Problem hier ist ja, dass es keinerlei Gründe gibt, anzunehmen, dass dieser Respekt den Einwanderern derzeit fehlt. Ein unbegründetes Einfordern von „Respekt“ ist aber eine beliebte Einschüchterungstaktik, der dann gerne Taten folgen. Norbert Lammert sagt sehr offen, worin solche Taten bestehen könnten:
Lammert räumte ein, dass die Verfassungsänderung zunächst “deklaratorischen Charakter” habe. Ihr könne aber auch durchaus praktische Bedeutung zukommen. So hätte die vor einigen Jahren noch sehr kontrovers geführte Debatte über Deutsch als verbindliche Sprache auf den Schulhöfen schneller beendet werden können, „wenn es einen Bezugspunkt in der Verfassung gegeben hätte“. [taz 2010].
Wie wahrscheinlich es ist, dass in absehbarer Zeit eine Zweidrittelmehrheit für eine Aufnahme des Deutschen als Staatssprache ins Grundgesetz zustande kommt, kann ich nicht beurteilen. Mein Eindruck ist, dass die Befürworter einer solchen Aufnahme nicht so bald aufgeben werden und dass sie, wenn niemand widerspricht, irgendwann Erfolg haben werden.
Aber wenn es einmal soweit ist, das zeigen die zitierten Aussagen, dann wird das der Startschuss für eine Reihe von Gesetzesvorlagen sein, die eine purisitsche Sprachpolitik, eine isolationistische Bildungspolitik und eine feindselige Migrationspolitik zum Ziel haben.
Deutscher Bundestag (2011) Lammert: Deutsch im Grundgesetz verankern. Webseite des Deutschen Bundestag [Link].
Klatte, Holger (2010) Staatsziel Deutsch. Bundeszentrale für politische Bildung [Link].
Kraus, Josef (2008) Ich kreide an. Deutscher Lehrerverband Aktuell, 11. Dezember 2008 [Link].
Müller, Peter (2010) Deshalb sollte Deutsch in unser Grundgesetz. Deutsche Sprachwelt 41, S. 3 [PDF].
RP-Online (2010) Lammert will Deutsch im Grundgesetz verankern. rp-online.de, 28. Juli 2010 [Link].
taz (2010) Union versucht’s wieder mit Deutsch, 10. November 2010 [Link].
VDS (2010) Memorandum: Warum Deutsch als Landessprache in das Grundgesetz gehört [Link].
Welt Online (2010) Verein fordert mehr Respekt vor deutscher Sprache. Welt.de, 10. September 2010 [Link].
[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Version enthält möglicherweise Korrekturen und Aktualisierungen. Auch die Kommentare wurden möglicherweise nicht vollständig übernommen.]
“Wer auf diese Festlegung verzichtet, kriegt Parallelgesellschaften.”
Kriegt? Wirklich? *schauder*
nix Betreff
Bis heute knapp 2450 Mitzeichner, das wird wohl nicht ausreichen. Gut so!
Geisterbeschwörung
Ich wäre nicht Mitglied im VDS, wenn ich nicht das meiste, was der VDS fordert, Sie jedoch beklagen, begrüßen würde.
Hierzu gehört z.B. auch die Radioquote. Allerdings würde ich, wenn ich “König von Deutschland” wäre, diese Quote nur von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten fordern, nicht etwa auch von den privaten Sendern. Mögen die nach wie vor hoch- und runterdudeln, was immer sie wollen und mit wieviel Werbung zwischendurch auch immer. Das gehört wohl zur Freiheit dazu, obwohl es eine fragliche Freiheit ist, wenn das Angebot derart einseitig ist, dass man keine Auswahl treffen kann.
Bei den öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Rundfunkanstalten ist das etwas ganz anderes, die haben u.a. einen erzieherischen und kulturellen Auftrag zu erfüllen, aber nicht zu versuchen, die privaten auch noch an Seichtheit und Schwachsinn zu übertreffen. Desweiteren haben sie für die Vielfalt zu sorgen, die ich bei uns mehr als nur gefährdet sehe. Jeden Tag viel englischsprachige Musik ist nicht viel Kultur, sondern eine beispiellose Einseitigkeit. Man muss gar nicht bemängeln, dass deutsche Musik ein Schattendasein führt und wie ein Sparte für Minderheiten wirkt, um dies festzustellen. Es reicht schon, dass andere schöne Sprachen in der Musik ebenfalls so gut wie nicht stattfinden. Kein Deutsch (7%?), kein Französisch (1%?), kein Italienisch (1%?), kein gar nix (Rest der Welt 1%?) — nur Englisch (90%?). Was daran schützenswert sein soll, weiß ich nicht.
Sie verteidigen demnach etwas, was in Deutschland gewiss keinen Schutz braucht (Englisch) bzw. was es gar nicht mehr gibt (kulturelle Vielfalt).
Puristische Sprachpolitik, isolationistischen Bildungspolitik und feindselige Migrationspolitik? — Unsinn, Sie beschwören Geister!
Ausgerechnet Thierse
Dass Lammert, Dobrindt und Konsorten von deutschsprachigen Schulhöfen schwadronieren — geschenkt. Aber dass sich Thierse auf sowas herablässt, enttäuscht. Was hat der denn mit Forschungsanträgen zu tun? Bitte auf’s Fachgebiet konzentrieren.
@ Stefanowitsch
Wiederholt haben Sie schon gegen die Ziele des VDS Angst geschürt, und tun es immer und immer wieder.
Was ich immer noch vermisse sind wirkliche Argumente gegen die Aufnahme des Deutschen ins Grundgesetz – im Gegensatz zu bloßer Schwarzmalerei.
Wenn man die ganze Diskussion verfolgt, und die Schwarzmalerei beiseite lässt, dann argumentiert die eine Seite so, dass aus Verantwortung und Respekt gegenüber der Sprache ‚Deutsch’ diese ins Grundgesetz aufzunehmen ist; die Gegenseite erwidert, dass es doch nichts bringe, und wir es lassen sollen. Falls das stimmte und es ‚nichts bringt’: dann ist die Werbung und Agitation für die Gegenpetition umso unverständlicher.
Ersten ist zu sagen, dass falls jemand ‚irgend etwas’ in der Politik fordert, er zwangsläufig übertreiben muss. Man fordert immer das ‚maximal Denkbare’ und bekommt am Ende — falls überhaupt — einen kleinen Happen.
Die Petition des VDS ist in diesem Licht zu betrachtet. Die Wahrscheinlichkeit, dass alle Ziele und Ideen des VDS so ‚eins zu eins’ von den _politisch korrekten_ deutschen Politikern umgesetzt werden, ist gleich Null.
Sie schreiben:
Hier verstehe ich Sie nicht ganz. Einerseits schreiben Sie, die Aufnahme hätte keine Konsequenzen. Auf der anderen Seite ‚erhofften’ aber die Befürworter (VDS und Co) solche Konsequenzen.
??
Nun — lasse man Sie doch hoffen was sie wollen! Ich unterzeichne doch keine Gegenpetition die irgendjemanden aufhalten soll, irgendetwas zu erhoffen? Ausserdem, wie ich schon oben geschrieben habe, wird die Petition — falls überhaupt — nicht eins zu eins umgesetzt, sondern von den vom Volk gewählten Vertretern vor der Umsetzung ausdiskutiert.
Fassen wir zusammen: die Petition des VDS hat – nach Ihren eigenen Aussagen – keinerlei Konsequenzen. Ihre sämtlichen restlichen Argumente richten sich also ausschließlich gegen Wünsche und Hoffnungen (die Sie einfach einmal unterstellen, Sätze, die Sie aus dem Zusammenhang herausnehmen) — … das ist Angstschürerei. Wer mitzeichnet, ist meiner Meinung nach genau darauf hereingefallen.
@ Schnabl
Wenn man sich lange genug anstrengt, kann man auch aus jedem Text das herauslesen (oder eben nicht herauslesen), was man möchte, was?
Es geht doch hier darum, dass eine Festschreibung des Deutschen in das Grundgesetz vorerst nichts ändern würde, außer eine Festschreibung des status quo (weshalb eine solche Festschreibung ja auch sinnlos wäre). Das allerdings würde bedeuten, dass juristische Mittel angewandt werden können, um diesen Status zu erhalten — und in diesem Atemzug Sprachpuristen zu erwähnen ist kein “von Hölzchen auf Stöckchen kommen”, sondern völlig berechtigt. Und da man dem VDS durchaus sprachpuristische Züge nachweisen kann, verstehe ich nicht, was Sie da nicht verstehen können.
@ Klausi
Unsinn und beschworene Geister? Das ist Unsinn und das sind spukende Geister, die in Frankreich schon lange durch die normative Sprachpolitik herrschen. Puristische Sprachpolitik, isolationistische Sprachpolitik und feindselige Migrationspolitik sind in Frankreich durchaus Realität. Und vor allem für die beiden erstgenannten Erscheinungen bildet die Fixierung des Französischen in der Verfassung die Grundlage. Bei der Migrationspolitik ist sie sicherlich nicht der einzige Grund, aber dennoch ein sehr wichtiger und beeinflussender Faktor.
Geister und Konsequenzen
@Klausi: Da ich meine Geisterbeschwörung mit Quellenangaben versehen habe, mag jeder seine eigenen Schlüsse ziehen.
@„H. Schnabl“: Ihr mangelndes Leseverständnis haben Sie ausreichend demonstriert. Ich erkläre es Ihnen hier noch ein einziges Mal ganz langsam und bitte Sie, in Zukunft nur noch dann zu kommentieren, wenn Sie (a) gelesen und verstanden haben, was ich oder andere hier schreiben und (b) etwas Neues oder wenigstens Interessantes beizutragen haben
Also: Ein Grundgesetzartikel hat keine direkten Konsequenzen, da weder anglizismenverliebte Werber, noch englischsprechende Wissenschaftler, noch multilinguale Migranten sich an das Grundgesetz halten müssen — das muss nur der Staat. Die negativen Konsequenzen werden erst durch Gesetze entstehen, die auf der Grundlage des Grundgesetzesartikels erlassen werden. Hier habe ich anhand von Zitaten belegt, dass die politisch prominenten Befürworter einer Staatssprache solche Gesetze ganz offensichtlich im Hinterkopf haben.
Wenn Sie da einen Widerspruch sehen, bitten Sie doch „M Schmiechen“ oder „Maike“, Ihnen den Text noch einmal genau zu erklären.
Staatssprache Deutsch
Herr Stefanowitsch kritisiert die Verfechter der Initiative “Deutsch ins GG” als engstirnige Sprachpuristen und sprachpolitische Schwarzmaler, verfällt zuletzt aber selbst in Schwarzmalerei, indem er die Gefahr einer “purisitschen Sprachpolitik, einer isolationistischen Bildungspolitik und einer feindseligen Migrationspolitik” an die Wand malt. Ist das in Frankreich etwa so, wo es doch seit langem ein Sprachgesetz gibt?
Frankreich
Meine unmaßgeblichen Beobachtungen zu diesem Lande:
1) Es gibt dort Parallelgesellschaften und bisweilen brennen mal Autos. Hier scheint der Sprachparagraph nichts verhindert zu haben.
2) Franzosen benutzen im Alltag Anglizismen wie wir und ihre Fremdsprachenkenntnisse sind besser als man bei uns gerne unterstellt, zumindest unter den jüngeren Franzosen. Sprachschutz per Verfassung führt also weder zu einem Verschwinden von Anglizismen noch zu vermindeter Fremdsprachenkenntnis.
3) Frnzösische Chansons und französischer Pop finden international ein Publikum, ich würde mal sagen mehr als deutsche Produktionen (hat jemand dazu Statistiken?). Ob das an der Quote liegt, vermag ich nicht zu beurteilen.
Das französische Beispiel zeigt für mich, daß eine Aufnahme der Sprache weder ein Wundermittel ist, noch zum Untergang der Gesellschaft führt.
Lesen und Verstehen. Aha.
‘Hier habe ich anhand von Zitaten belegt, dass die politisch prominenten Befürworter einer Staatssprache solche Gesetze ganz offensichtlich im Hinterkopf haben.’
Bei Zitaten muss man wirklich den jeweiligen Kontext kennen. Eine isolierte Verwendung kann leicht als Agitation interpretiert werden.
Was hatte Herr Thierse zum Beispiel im Sinn? Es könnte ja sein dass er es schlicht für richtig hält, dass der Steuerzahler auf Deutsch nachlesen kann wofür sein Geld in der Forschung verwendet wird.
‘Ausserdem, wie ich schon oben geschrieben habe, wird die Petition — falls überhaupt — nicht eins zu eins umgesetzt, sondern von den vom Volk gewählten Vertretern vor der Umsetzung ausdiskutiert.’
Das glaube ich auch. Erst recht gilt das für darauf aufbauende Gesetze.
Nicht dass ich ein Freund der Anglizismusbekämpfer wäre. Die muss man aber wirklich nicht so ernst nehmen. Allerdings habe ich folgende Erfahrung gemacht: Versucht man Anglizismen zu möglichst zu vermeiden ist, so ist man gezwungen präziser zu formulieren und eventuell auch nochmal über den Inhalt nachzudenken. Gesetze helfen da natürlich nicht weiter.
Deutsch, Deutsches, Deutliches?
… mitten im Strom die Sprach-Pferde wechseln?
Danke für Alaarm-Pfeifereien
Herr Stefanowitsch, ich bewundere es wie sachlich und logisch sie hier immer wieder ihr Anliegen erklären können.
Ich hab grad endlich mitgezeichnet — schließlich bin ich sogar schon seit den Internetsperren damals angemeldet. Aber die Petitionswebsite ist so grottig!
@Kaufmann
“Ist das in Frankreich etwa so, wo es doch seit langem ein Sprachgesetz gibt?”
Ja.
Nachtrag: Arbeitssprachen der EU
Die Forderung (nicht nur des VDS), Deutsch endlich als EU-Arbeitssprache gleichberechtigt neben Englisch und Französisch durchzusetzen, ist gerecht.
Deutschland und die anderen deutschsprachigen Länder bilden zusammen die mit Abstand größte Sprachgemeinschaft in der EU. Darüber hinaus ist Deutschland nach wie vor der “Zahlmeister” der EU. [Während GB noch nicht einmal zur Euro-Zone gehört, den Fremdsprachenunterricht in den Schulen beliebig gemacht hat und am liebsten aus der EU austräte, wenn es irgendwie ginge, und F vor allem seine Großmachtgelüste über die EU zu befriedigen sucht…] Dennoch spricht (und schreibt!) man in der EU vorwiegend Englisch und — mit einigem Abstand — Französisch. Zudem ist die Gerichtssprache der EU — man lese und staune — Französisch.
Obwohl Deutsch offiziell eine der drei Arbeitsprachen der EU ist, werden immer weniger Mitteilungen, Veröffentlichungen, Ausschreibungen usw. der EU nicht mehr auch auf Deutsch, sondern nur noch auf Englisch und Französisch verfasst. Das ist nicht nur höchst ungerecht, aber was ist schon gerecht auf der Welt, sondern vor allem und viel bedenklicher ein großer Wettbewerbsnachteil für unser Land. Wenn wir das weiterhin zulassen, schadet das unseren wirtschaftlichen Interessen ungemein. Die Politik hat unsere Interessen zu vertreten und unseren Nutzen zu mehren, das ist ihr Auftrag, und nicht Ideen, etwa “Europa” hinterherzulaufen und dabei permanent Opfer zu bringen. In dem “Laden” ist man, weil und nur wenn es nutzt, darin zu sein, ansonsten tritt man aus (wie ich aus dem VDS, wenn der nicht mehr meine Interssen verträte). Der Rest ist Beiwerk, was zählt ist allein der Nutzen. (Daher auch meine Anmerkung an anderer Stelle, dass Länder keine Freunde haben, sondern nur Interessen.)
Nachtrag: Man komme mir auch nicht mit den kleineren Ländern der EU, die vielleicht noch benachteiligter sind als wir. Die interessieren mich nämlich nicht, weil nicht von meinem Interesse.
@Klausi
Warum spielen die privaten Radiosender kaum deutsche Musik? Weil das meiste davon fuer das juengere Puplikum(welches der Hauptkonsument ist) Schrott ist. Und das hat erstmal primaer nicht unbedingt etwas mit der Sprache zu tun (siehe z.b. Unheilig, Die Aerzte und auch ja Schnuffel und Schnappi)
Was sie als Kultur bezeichnen wuerde ich wahrscheinlich nichtmal mit der Kneifzange anfassen. Und ganz ernsthaft den oeffentlichen Quoten vorzuschreiben, haette nur den Effekt, dass die an Zuschauern/Zuhoerern verlieren. Nur um ihre Idee von ‘Qualitaet’ durchzusetzen.
Lasst uns am besten auch den Hammer in der Verfassung festschreiben. Immerhin muss dieses nuetzliche Werkzeug auch gewuerdigt werden. Nagelpistolen muessen eine Quote bekommen. Und wer denkt dieses Beispiel hinkt, der hat nicht begriffen dass Kommunikation wichtig ist, nicht das Werkzeug der Kommunikation. Goethe und Schiller und Lessing sind nicht beruehmt, weil sie Deutsch benutzt haben, sondern weil sie in jeder Sprache(waeren sie zufaellig woanders geboren) ausserordentliche Werke abgeliefert haetten.
Und ja ich habe Angst vor solchen Aktionen, die erstmal ganz ‘harmlos’ aussehen. Und es gibt einen Unterschied zwischen Aktionen, die den Status Quo ohne Not veraendern wollen und denen, die ihn erhalten. Sie haben Angst vor ‘Ueberfremdung/Ueberenglischung/Uberseichtung’ und ich habe Angst was die Aktionen des VDS bedeuten koennten.
Gluecklicherweise wird kein Gesetz je die Sprache selbst beeinflussen (die entwickelt sich wie die Sprecher es wollen). Leider kommen aber bei Gesetzen oft die Menschen unter die Raeder. Aber es ist ja zum Schutz der Deutschen Sprache nicht wahr.
[quote] “Hier haben die Deutschen ein Problem. Verkrampft neigen wir dazu, unsere zwölfhundertjährige Geschichte auf zwölf Jahre zu reduzieren. Diese zwölf Jahre sind Teil der Geschichte, aber nicht das Ende der Geschichte.” [/quote]
Was für eine nach hinten geschossene Rhetorik. Wer so hinterhältig wieder künstlich den Anschluss zur endgültigen dreihunderjährigen Geschichte finden will, der starrt in ein vergangenes Loch in der Hoffnung die Sprachlosigkeit möge sich legen. Ich hoffe, dass niemand auf die Idee verfällt, diese Lücke irgendwie füllen zu wollen.
Zum Thema: Sprachen leben von ihrer Wechselhaftigkeit und ihren Kontakten, ja ich bin der Meinung, dies ist einer ihrer Entstehungsgründe. Was will man im GG verankern? Eine tote Sprache? Mir scheint die Sprache wieder nur Mittel zu sein, wie so oft bei politischen Anlegenheiten. Repression? Bonpartistische Selbstaufwertung?
Popmusikquoten
Ja, das ist es, was wir wollen: Quoten für deutsche Musik im Radio. Ich werde jetzt mal frech annehmen, dass hier nicht die Produktion ausschlaggebend ist [Mili Vanilli anybody?], sondern die Sprache, die benutzt wird — sofern es nicht um Instrumentalschlager geht. Diese Forderung nach einer Quote kann ich nur unterstützen, es wird im ÖR viel zu wenig Rammstein gespielt.
Was die Schulhofdebatte des Herrn Lammert angeht, ja, mit Deutsch im GG hätte man zumindest eine VO in den Länder haben können, die es verlangt, dass jeder, der auf dem Schulhof nicht 100% deutsch ist, den Mund mit Seife ausgewaschen bekommt.
Ich habe es schon bei dem hirnverbrannten Widerstand gegen die Rechtschreibreform gesagt: Ich rede und schreibe, wie es mir passt. Die Schriftsteller, die sich damals so lautstark ausgelassen haben — auch einige von mir geschätzte -, haben sich auch vor der Reform nicht an die “Dudenregeln” gehalten, wenn es ihnen nicht passte. Wer keine Fremd- und Lehnwörter, egal aus welchen Sprachen, nutzen möchte, soll es lassen,
ABER MICH VERDAMMT NOCH EINS DAMIT IN RUHE LASSEN!
[vor sich hin grummelnd:] Verkackte Bürokratieschaffer …
@ Stefanowitsch
Ein mangelndes Leseverständnis, wohlgemerkt: ‚ Ihrer Aufsätze, habe nicht nur ich demonstriert. Statt sarkastische Kommentare zu verfassen, könnten Sie Ihren Lesern für die Aufdeckung von Ungereimtheiten dankbar sein.
Danke jedenfalls meinerseits für Ihre Antwort. Sie schrieben:
Wenn man jedoch ‚allein’(!) aufgrund ‚möglicher negativer Konsequenzen’ gegen etwas ist, blockiert man meines Erachtens auch Gutes – und dies aus rein emotionalen Gründen.
Zunehmend scheint mir die Gegenpetition vergleichbar mit der (zugegeben absurden) Forderung, den Absatz über die deutsche Flagge aus dem Grundgesetz zu entfernen. Denn erstens ‚könnte’ irgend ein Politiker diesen Absatz missbrauchen – vielleicht kommt er auf die Idee, das alle Häuser in den Farben der Flagge eingefärbt werden müssen – und überhaupt: es könnte verboten werden, andere Flaggen aufzustellen. Und: welches Rot ist eigentlich gemeint? Es ‚könnte’ zu Verfassungsklagen kommen, wenn weinrot statt hellrot verwendet wird. Auch Farbenblinde könnten klagen. Besser wäre dann ja doch eine Flagge in Schwarz-weiß, aber was wäre dann mit den Sehbehinderten- … vielleicht wäre ein Profil auf der Flagge besser – in Analogie mit Ihrem Einwand der Gebärdensprache. – Sie sehen: die Konsequenzen eines Absatzes zur Flagge in Deutschland sind, wenn man es recht bedenkt, unvorhersehbar. Aber wo sind diese Konsequenzen? Wo sind die Verfassungsklagen? Und wo sind Konsequenzen nicht unvorhersehbar? Ist das Argument, etwas zu blockieren wegen ‚möglicher’ unvorhersehbarer Konsequenzen (wie Sie es tun) dann überhaupt noch ein Argument?
Haben Sie doch mehr Vertrauen in unsere Demokratie und den Rechtsstaat.
[Ihr Flaggenvegleich ist wirklich köstlich! Man stelle sich nur mal vor, es gäbe Gesetze, die Aussehen und Umgang mit der Bundesflagge näher regeln würden! Lassen wir der Phantasie mal freien Lauf, dann könnten wir uns Regelungen vorstellen wie das Corporate Design der Bundesregierung (Beschlusses des Bundeskabinetts vom 2. Juni 1999), den Erlass der Bundesregierung über die Beflaggung der Dienstgebäude des Bundes vom 22. März 2005, die Anordnung über die deutschen Flaggen, das Ordnungswidrigkeitengesetz § 124, Benutzen von Wappen oder Dienstflaggen und das Strafgesetzbuch § 90a, Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole. Zum Glück ist das Grundgesetz nur eine Art Laudatio auf alles, was Deutsch ist, sodass es solche gesetzlichen Regelungen nie geben wird. — A.S.]
Zitate richtig verstehen
@ H. Schnabl
Wenn Anatol Stefanowitsch schreibt
„Die Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz hätte keine rechtlichen Konsequenzen. Es geht nur darum, die deutsche Sprache zu würdigen.“,
dies durch die Verwendung der Anführungszeichen als eine Art Zitat kennzeichnet, und es dann als ein Argument der Gegenseite kritisch diskutiert, dann ist das nicht widersprüchlich, auch wenn dadurch in EINEM Text sich widersprechende Argumente auftauchen — denn auch wenn Sie das wahrscheinlich irritiert, hat er dies ja nicht selber behauptet, noch wohnt er mit den Verfechtern dieses Standpunktes in einer WG.
Aber zu zum Kern Ihres Arguments: Sich allein durch mögliche negative Konsequenzen, und das aus emotionalen Gründen, in seinem Handeln beeinflussen zu lassen, ist schon wirklich eine wunderliche Idee. Warum nur sichern Menschen ihre Dateien auf externen Datenträgern, schließen ihre Wohnungstüren ab, verraten die PINs ihrer ec-Karten nicht, kaufen sich Autos mit Airbag, gehen zur Krebs-Früherkennung und lassen sich impfen, benutzen Kondome, bauen Blitzableiter, Rauchmelder und Alarmanlagen, tragen Helme und legen sich nicht mit der Russenmafia an?? Und wie um alles in der Welt verdienen Versicherungen bloß ihr Geld?
Und dann muss man sich schon sehr wundern, wieviel Zeit mancher aufwendet, um eine Gegenpetition gegen eine selbst absolut wirkungslose Petition mit nur möglicherweise negativen Konsequenzen anzugreifen. Gehen Sie ebenso vehement gegen alle oben genannten Handlungsweisen vor?
Danke für den Artikel. Er listet eigentlich nur Argumente für eine Aufnahme der Deutschen Sprache ins GG auf. Wir brauchen das aber trotzdem nicht. Hat bisher auch ganz gut ohne funktioniert.
@Scholastikus:
Was soll denn das für ein Gesetz sein, das Paragraphen resp. Artikel enthält, die keinerlei rechtliche Konsequenzen haben?
@ scholastikus
Ihre Ausführungen haben mich belustigt, betreffen sie doch lediglich die Artikel 1 bis 19 des Grundgesetzes. Die Einfügung des von einigen propagierten Artikels zur Staatsprache ist jedoch in Artikel 22 bzw. als Artikel 22a gefordert. Und schwupps, sind wir raus aus den Grundrechten.
Im übrigen: Die Grundrechte gelten durchaus nicht nur im Verhältnis Bürger gegen den Staat. Sie gelten auch im Verhältnis Staat gegen Staat (kommunale Verfassungsklage gemäß Artikel 28 II GG) und im Verhältnis Bürger gegen Bürger, und zwar im gesamten Arbeitsrecht. Als Arbeitgeber kann ich durchaus das Recht haben, meinen Mitarbeitern eine bestimmte Sprache vorzuschreiben, wenn eine Abwägung der Artikel 12 und 14 gegenüber Artikel 2 dies ergibt.
Und natürlich regeln die Grundrechte auch das Verhältnis Staat gegen Bürger. Entweder durch qualifizierten Gesetzesvorbehalt, durch einfachen Gesetzesvorbehalt oder durch verfassungsimmanente Schranke. Siehe hierzu einfach mal Artikel 19, der eine Schranken-Schranke beinhaltet und damit die eigentliche Schranke definiert.
Klausi, ich erkläre Ihnen was.
Meine Mitstreiter haben die Quotenregelung für Popmusik ja schon angesprochen, aber ich möchte das nochmal deutlich herausstellen, denn Sie haben offensichtlich missverstanden, nach welchen Regeln Radio und Fernsehen operieren (auch öffentlich-rechtliche Sender).
Die prozentuale Verteilung der Sprachen bei Liedern im Radio oder Fernsehen ist nicht so wie sie ist, weil Radio und Fernsehen einen heimtückischen Plan haben und dem deutschen Publikum englische Songs aufzwingen wollen. Die absolute Mehrheit der Musik, die beim deutschen Publikum ankommt, wird auf Englisch gesungen. Ein kurzer Blick in die Charts der letzten 20 Jahre genügt, um zu dieser Feststellung zu kommen. Offensichtlich verdrehen Sie hier Ursache und Wirkung.
Radio- und Fernsehsender sind auf Zuhörer bzw. ‑schauer angewiesen und richten sich in ihrem Programm nach dem, was den Wünschen der Zielgruppe entspricht. Auch öffentlich-rechtliche Sender müssen dies tun. Genau das versuchen ARD, ZDF und Co. ja seit ein paar Jahren auszuloten, nachdem ihnen immer wieder vorgeworfen wurde, sich nicht wirklich am Geschmack der Beitragszahler zu orientieren. Die Zielgruppe jedenfalls hat keinen übermäßigen Bedarf nach Liedern auf Deutsch (oder anderen Sprachen). Das ist ein Fakt.
Ich gebe Ihnen Recht, mit einer Quote kann man entgegen des Publikumswunsches die Hörer mit deutschsprachiger Musik beschallen. Aber ist das wünschenswert? Wohl gerade nicht bei gebührenpflichtigen Anstalten.
Loi Toubon
Mein Französisch ist leider nicht so gut und der Wikipedia-Artikel relativ kurz, daher frage ich hier mal nach. Stimmt es tatsächlich, daß wissenschaftliche Konferenzen in Frankreich nur auf Französisch abgehalten werden dürfen? Bedeutet das nicht zwangsläufig, daß internationale Konferenzen sich einen anderen Veranstaltungsort suchen müssen, wenn sie als Verkehrssprache kein Englisch verwenden dürfen? Ich kann das kaum glauben.
@kreetrapper: Loi Toubon
Ich (mittelmäßige Französischkenntnisse) habe das Loi Toubon hier
http://www.legifrance.gouv.fr/…ateTexte=20110216
mal überflogen und finde nur Artikel 6 zum Thema ‘Internationale Konferenzen’. Da lese ich, daß Konferenzen so gestaltet sein müssen, daß sie in französischer Sprache verständlich sind, nicht daß sie nicht z.B. in Englisch (dann mit Übersetzung) gehalten werden können. Für Veranstaltungen, an denen keine Franzosen teilnehmen oder welche die Außenhandelsbeziehungen betreffen, gilt diese Auflage nicht.
Soweit mein Laienverständnis, bis jemand mit echten Kenntnissen französischer Rechtssprechung mich korrigieren wird.
Mehrsprachigkeit und Fahnenschwenkerei
Wenn H. Schnabl schreibt:
“Zunehmend scheint mir die Gegenpetition vergleichbar mit der (zugegeben absurden) Forderung, den Absatz über die deutsche Flagge aus dem Grundgesetz zu entfernen. Denn erstens ‚könnte’ irgend ein Politiker diesen Absatz missbrauchen – vielleicht kommt er auf die Idee, das alle Häuser in den Farben der Flagge eingefärbt werden müssen – und überhaupt: es könnte verboten werden, andere Flaggen aufzustellen.”
scheint er wohl nicht zu wissen, dass das, was er für absurd hält, in der rumänischen Stadt Cluj (Klausenburg) jahrelang Realität war. Der inzwischen abgewählte Bürgermeister Gheorghe Funar ließ tatsächlich bis ca. 2004 Parkbänke, Mülltonnen, Straßenpoller u.a.m. in den Farben der rumänischen Trikolore anstreichen, um der etwa 19% der Stadtbevölkerung ausmachenden ungarischen Minderheit zu “zeigen”, wer “Herr” im Lande sei. (Dass ein Teil der Ungarn auch mit Volkstümelei reagierten und bei jedem Volksfest gleich ungarische Fahnen schwenkten — und dafür vom Bürgermeister prompt mit Geldstrafen geahndet wurden -, ist Teil dieser stupiden Geschichte und zeigt, wieviel Unfug mit nationalen Symbolen wie Sprache und Flagge getrieben werden kann.) Die Geschichte kann hier auf Deutsch nachgelesen werden: http://www.mem-team98.de/…n_Klausenburg_alte.htm
Auch in Rumänien ist übrigens Rumänisch als Landessprache in der Verfassung verankert. In Ortschaften, wo eine Minderheit mindestens 20% der Gesamtbevölkerung ausmacht, besteht aber gleichzeitig die Möglichkeit, im Verkehr zwischen Bürger und Staat auch die betreffende Minderheitensprache zu verwenden (und der Staat muss die eventuell anfallenden Übersetzungskosten tragen oder Dolmetscher zur Verfügung stellen).
Ich wünsche Ihnen vernünftige(re) Politiker in Deutschland als hier in Rumänien, teile aber die Befürchtungen Herrn Stefanowitschs, dass es u.U. nicht allein bei der Aufnahme der deutschen Sprache ins GG bleiben würde. Schon die Schulhofdiskussion hat mich daran erinnert, wie ich als in Deutschland Aufwachsender oft von anderen Kindern ausgelacht wurde (um bei der harmlosesten Reaktion zu bleiben), wenn ich mich mal mit meinen Eltern in meiner Muttersprache unterhielt. Genauso wie ich später (als Linguistikstudent) gelegentlich folgenden Satz hören musste: “Was der alles über unsere Sprache weiß”.
Mehrsprachigkeit hat noch niemandem geschadet, ganz im Gegenteil.
Politische Motive?
Stefanowitsch verwendet in seinem Beitrag gegen Deutsch als Staatssprache viel Mühe darauf, zu analysieren, welche Impulse für die Gesetzgebung davon ausgehen könnten. Daran knüpft er ohne weitere Begründung die Behauptung, eine puristische Sprachpolitik, eine isolationistische Bildungspolitik und eine feindselige Migrationspolitik seien die zwangsläufige Folge.
Unsere nationale Identität beruht wesentlich auf der deutschen Sprache, nur zum kleineren Teil auf den Erfolgen der Fußballnationalmannschaft. Will der Autor unsere Identität etwa in der gescheiterten Form des Nationalsozialismus festschreiben und keine aktuelle, friedliche Variante mehr zulassen? Warum sonst wehrt er sich so vehement gegen alles, was nach Pflege und Förderung unserer Landessprache aussieht? Wir können doch ein so großes Land in der Mitte Europas nicht mit einer Identität in Gegenwart und Zukunft entlassen, die aus einer vagen Multikulti-Idee und der Unterwerfung unter die scheinbar wertfreie, rein marktorientierte Globalisierung US-amerikanischer Prägung besteht, zugleich aber die deutsche Sprache ausklammern. Unsere Sprache ist bei Stefanowitsch offenbar nur Anlass für Verdachtsmomente, sonst aber ohne Wert.
Vermutlich ist der Zusammenhang etwas komplexer, aber man könnte auf den Gedanken kommen, Stefanowitsch wolle als Leiter des Instituts für Anglistik und Amerikanistik der Universität Hamburg allzu durchsichtig seinen eigenen Markt sichern. Als ob das Anglo-Amerikanische gerade in Deutschland eine solche Förderung nötig hätte! Warum sagt er nicht, was ihn eigentlich politisch antreibt?
Seltsam, dass man gleich (unlautere?) politische und marktorientierte Ambitionen hinter jedem Gedanken vermutet. Als Deutschland-Beobachter wundert mich in letzter Zeit immer wieder, wie sehr alle Debatten ins Unsachliche abgleiten. Ich dachte bisher, dies sei eher eine osteuropäische Gepflogenheit. A.S. wird sich wohl selbst gegen solche Anschuldigungen zu verteidigen wissen. Ich sehe aber keine Zwangsläufigkeit in seiner Argumentation, wenn er meint, dass die (warum auch immer nicht anerkannte) Sprachenvielfalt in Deutschland durch puristische und hegemoniale Ansprüche bedroht werden könnte. Die durchaus konkreten Signale aus Politik, Boulevardmedien und (selbsternannten) Sprachschützerkreisen sind bedenklich genug. (Und sind übrigens keine deutsche Besonderheit, „Multikulti“ als Ursache allen Übels anzusehen, scheint europaweit Mode geworden zu sein.)
Bevor auch mir jemand die Worte im Mund verdreht, muss ich gestehen, dass es mir im Grunde ziemlich schnuppe ist, ob Deutsch ins GG aufgenommen wird oder auch nicht. Weder lebe ich in Germany, noch bin ich deutscher Staatsbürger (und hätte – als EU-Bürger – auch keinen driftigen Grund, die deutsche Staatsbürgerschaft jemals zu beantragen). Trotzdem geht es mir langsam auf dem Wecker, als gelegentlicher Gast in Deutschland nicht selten mit Stielaugen gemustert zu werden, wenn ich aus recht passablem Deutsch (wie ich meine) unbekümmert in eine andere Sprache für Privatgespräche wechsle. Ein subjektiver Eindruck, sicherlich, Mehrsprachigkeit als nicht zu beinedender Normalfall scheint aber in Deutschland noch nicht angekommen zu sein.
(Ins – aufgrund des „Loi Toubon“ – gelobte Franzosenreich scheinbar auch noch nicht ganz, wenn ich daran denken muss, dass mir vorletzten Sommer auf dem Flughafen von Nizza ein Beamter den Stinkefinger zeigte, als ich mich auf Englisch über Buslinien erkundigen wollte. Danke, ebenfalls, mit dem nach 20 Jahren herausgekramten, verrosteten Französisch, das ich nach ein paar Tagen Urlaub wieder relativ flott plappern konnte, war plötzlich alles wieder gut. Und in zwei weiteren Tagen wurde ich prompt wieder angefeindet, als ich mich ein bisschen im ebenfalls mal als Wahlfach belegten Okzitanischen anstrengte. Die aus Paris stammende Hausherrin versicherte mir kühl und abweisend, dass in dem Dorf, wo Häuserfassaden heute noch mit provenzalischen Inschriften verziert sind, „on a jamais parlé l’occitan“. Ignoranz oder sprachlich-hegemoniale Ansprüche/Gelüste? Was ist bloß los mit uns Europäern? Und warum sind z.B. viele Katalanen mindestens dreisprachig und lächeln, wenn man sich mit einem wüsten Gemisch aus Englisch, Kastilisch und Katalanisch „durchzuwurschteln“ versucht? Gemeint sind dabei nicht allein Muttersprachler, sondern auch arabisch- oder lateinamerikanischstämmige Menschen in Katalonien.)
Unsere Angst vor „Überfremdung“ gilt vielmehr Sprachen wie Arabisch und Türkisch, denn die sogen. autochthonen Minderheitensprachen haben wir Europäer ja größtenteils erfolgreich ausgemerzt.
Glaubt denn wirklich jemand, dass mit im Grundgesetz verankerten Maßregelungen etwaige misslungene Integrationsversuche diverser zugewanderter Minderheiten durch richtige ersetzt werden? Und falls ja, um welchen Preis?
PS: Deutsch hat in den mittelosteuropäischen Ländern ein verdammt hohes Ansehen, mit skurrilen Vorstößen à la VDS & Kumpane kippt man die (an sich legitime) Mühe um eine stärkere Position dieser wunderschönen Sprache eher ins Gegenteil.
Chancengleichheit?
Die Aufnahme eines Zwangs zur deutschen Sprache ins Grundgesetz hat einen interessanten sozialen Hintergrund:
Die sprachbehinderten Bevölkerungsschichten würden geschützt.
Wie allgemein wissenschaftlich anerkannt, stammt homo sapiens aus Afrika. Dort ist es üblich, aufgrund der Dichte von Kulturen und Ethnien mehrere Sprachen im Alltag zu sprechen. Man spricht eben mit dem Bäcker eine andere Sprache als mit dem Gemüsehändler. Die normalen Mitteleuropäer sind von Natur aus mit den geistigen Fähigkeiten ausgerüstet, um das gleiche zu tun.
Es gibt allerdings einige Behinderte unter uns, die nicht in der Lage sind, sich mehrsprachig auszudrücken. Diese Behinderung macht sie schutzbedürftig! Schließlich haben wir auch überall Behinderten-Parkplätze eingerichtet.
Es wäre allerdings falsch, der gesamten Bevölkerung die Behinderung aufzuzwingen, also z.B. jedem Deutschen per Gesetz die Beine zu amputieren. Genau in diese Ecke wollen uns die Sprachpuristen jedoch drängen.
Deshalb müssen sich die vielsprachigen Menschen gegen die Diktatur der sprachlich Behinderten wehren!
Auswirkungen in Frankreich
Seit wann kann die Académie française gesetzlich etwas unterbinden?
Wenn der Blinde dem Sehenden…
An Gareth:
Mit den sogenannten Charts ist das immer so eine Sache, welche z.B. nimmt man zum Vergleich. Nehmen wir also am besten die Verkaufszahlen als Maßstab, da spricht der Markt, auf den Sie sich berufen. Ich habe mal bei den aktuell 10 bestverkauften Alben und Singles mit Datum 25.02.2011 nachgeschaut: http://www.musiknews.de/…charts-deutschland.html
Demnach müsste der Anteil der im Rundfunk gespielten deutschen Titel bei duchschnittlich 30% liegen, wenn man Lena mal herausnimmt, da sie ja bekanntlich nicht auf Deutsch singt. Und nun dürfen Sie mal überprüfen, ob Sie in den nächsten Tagen auf einem der Dauerdudelsender jemals Ina Müller, Max Raabe oder “Unheilig” vernehmen werden und ob der Anteil deutschsprachiger Musik tatsächlich bei 30% liegt.
Bei iTunes Deutschland http://www.oljo.de/album-charts-deutschland.php
sind unter den 20 bestverkauften Alben 6 deutsche Titel (Bossse, Ina Müller, Jupiter Jones, Max Raabe, Howard Carpendale, Die Drei???), was ebenfalls einem Anteil von 30% entspricht.
Wenn der Markt nach immerhin 30% deutschprachiger Musik ruft, wird dieser Ruf von den Radiomachern anscheinend überhört. Demnach wird nicht unbedingt das gespielt, was gehört werden will, sondern überwiegend das, von dem man glaubt, dass es gespielt werden sollte. Was sind die Grüne dafür? Wenn 70%, also die Mehrheit, einen anderen Geschmack hat, dudelt man bei den Privaten den Mehrheitsgeschmack ab, da man von der Werbung lebt. Davon lassen die auch nicht ab, wenn von den Hörern mal Musikwünsche geäußert werden können. Versuchen Sie es einmal, Ihr Wunsch wird nur erfüllt, wenn Sie sich “das Richtige” wünschen. In so fern ist auch Ihre These falsch, man orientiere sich bei der Programmgestaltung am Geschmack und an den Wünschen der Zuhörer. Das muss schon alles passen. So geheim ist der Plan der Dudelsender also gar nicht. Leider passen sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten dieser Entwicklung immer mehr und mehr an. Da haben sie sogar einmal recht.
Und nun kommt die Folge von dat Janze: Hört man immer nur Englischsprachiges, verändert sich mit der Zeit auch der Musikgeschmack. Logisch? — Ich meine Ja. Kulturelle Vielfalt? — Die stelle ich mir anders vor. Es findet schlussendlich eine bestimmte Art von Musikerziehung statt, die wohl kaum besser sein kann, als eine Quote für deutschsprachige Musik.
Man kann sich als Verbraucher natürlich weiter veralbern lassen, aber dass gerade Sie die Zusammenhänge nicht durchschauen, schmerzt mich schon.
@Klausi
Was hat denn der Musikgeschmack damit zu tun, ob ein Text in Deutsch oder Englisch verfasst ist? Heino wäre mir auf Englisch auch nicht lieber.