Die Petition gegen die Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz ist gut angelaufen, aber bis wir die 5 200 Stimmen erreichen, die ich als Minimalziel formuliert habe, ist es noch ein weiter Weg. Es finden an verschiedenen Stellen interessante (manchmal aber auch erschreckende) Diskussionen über die Petition statt, schon diese Diskussionen waren die Sache wert. Susanne Flach hat in ihrem Blog einige der wichtigsten inhaltlichen Argumente und Gegenargumente aus der Diskussion exzellent zusammengefasst; ich möchte hier kurz eine Reihe von Argumenten gegen die Form der Petition an und für sich aufgreifen und versuchen, sie zu entkräften. Vielleicht kann ich damit zögernde potenzielle Mitzeichner/innen ermutigen, zu entschlossenen tatsächlichen Mitzeichner/innen zu werden.
„Die Petition des Vereins Deutsche Sprache ist lächerlich, aber mit der Gegenpetition lässt man sich auf dasselbe Niveau herab“, oder anders formuliert: „Indem man eine Gegenpetition startet, zeigt man nur, dass man die lächerlichen Forderungen des VDS ernst nimmt.“
Vielleicht sind die Positionen des Vereins Deutsche Sprache tatsächlich lächerlich, aber die Petition ist es sicher nicht. Es gibt in beiden großen Volksparteien Unterstützer dieser Forderung, und vor allem aus der CDU kommen mit Volker Kauder und Norbert Lammert zwei gewichtige Stimmen, die die Argumentation des VDS seit Jahren öffentlich und öffentlichkeitswirksam stützen. Die CDU hat gegen den Willen ihrer Vorsitzenden, Bundeskanzlerin Merkel, einen Parteitagsbeschluss gefasst, der die Aufnahme des Deutschen ins Grundgesetz vorsieht. Es handelt sich also nicht um eine kuriose Forderung eines kleinen Sprachvereins, sondern um einen ernstzunehmenden Versuch, ein sprachliches Monopol des Deutschen im Grundgesetz festzuschreiben. Meine Petition dient einem klaren Ziel: Die 46 000 Unterschriften, die der VDS gemeinsam mit der Bild nach eigenen Aussagen gesammelt hat, dürfen nicht unwidersprochen als Mehrheitsmeinung der Bevölkerung stehen bleiben.
„Die Petition gegen die Aufnahme des Deutschen ins Grundgesetz wird nicht so viele Mitzeichner zusammenbekommen, wie die VDS-Petition, und der VDS wird diese Tatsache für seine eigenen Zwecke ausschlachten.“
Der VDS hat gemeinsam mit der Bild zwar 46 000 Unterschriften gesammelt, aber die Petition hat nur 5 165 Mitzeichner. Es wird nicht einfach, aber ich glaube immer noch, dass wir diese Zahl übertreffen können. Es liegt an uns allen: Wenn jeder, der die Petition bereits gezeichnet hat, nur drei zusätzliche Mitzeichner gewinnen würde, wäre es geschafft. Natürlich bin ich mir im Klaren darüber, dass wir dieses Ziel möglicherweise nicht erreichen – wenn der VDS, ein finanzstarker Verein mit (nach eigener Auskunft) 35 000 Mitgliedern und mit der Medienmacht des Springerverlags im Rücken nur gut 5 000 Mitzeichner zusammenbekommt, wäre es fast ein Wunder, wenn es uns gelänge, ohne Verein und ohne Medienmacht auch nur die Hälfte der Mitzeichnungen zu bekommen. Ich bin bereit, mich der Herausforderung zu stellen, und auch der Häme des VDS, wenn ich mit meinem Minimalziel von 5 200 Mitzeichnungen scheitere. Das ist immer noch besser, als wenn die Petition des VDS völlig ohne Widerspruch bliebe.
„Eine Petition, die fordert, etwas nicht zu tun, ist absurd.“
Bevor ich die Petition eingereicht habe, habe ich darüber natürlich nachgedacht. Eine Überlegung war, die Aufnahme eines Grundgesetzartikels zu fordern, der in einer Art Spiegelbild zum VDS-Vorschlag explizit Sprachvielfalt festschreibt. Aber erstens steht im Grundgesetz bereits jetzt „Niemand darf wegen … seiner Sprache … benachteiligt oder bevorzugt werden“ (Artikel 3, Abs. 3); zweitens bin ich der Überzeugung, dass ich für eine über dieses Grundrecht hinausgehende Forderung keine nennenswerte Unterstützung gefunden hätte.
Und schließlich, und vor allen Dingen, ist die Sache doch die: Der Status Quo ist gut. Er steht aber seit Jahrzehnten unter einem zermürbenden Dauerfeuer von Seiten des Vereins Deutsche Sprache und seinen wechselnden politischen und medialen Partnern. Warum sollte man diesen Angriffen begegnen, indem man einen eigenen Angriff auf das Grundgesetz in seiner derzeitigen Form startet? Nein, bei der Petition geht es genau darum, laut und deutlich zu sagen: Wir wollen, dass das Grundgesetz bleibt, was es ist. Es soll ein Garant für Freiheit sein, nicht ein Werkzeug zur Ausgrenzung und Abschottung.
„Die Petition gegen die Aufnahme des Deutschen ins Grundgesetz ist eigentlich gut, aber die Begründungen sind mir zu oberflächlich.“
Es ist eine Petition, kein wissenschaftlicher Aufsatz. Ich habe versucht, die Punkte, die aus meiner Sicht gegen eine Aufnahme des Deutschen ins Grundgesetz sprechen, knapp und allgemeinverständlich in die Sprache gesellschaftspolitischer Forderungen zu übersetzen. Das ist mir schwergefallen – ich bin kein Politiker, und wer mich kennt oder regelmäßig das Sprachlog liest, weiß, dass Diplomatie und Konsensfähigkeit nicht zu meinen naturgegebenen Talenten zählen. Ich muss hart daran arbeiten, und das habe ich auch hier getan. Dabei ist ein Text herausgekommen, den ich für aufrichtig und prinzipiell wissenschaftlich begründbar halte, der aber gleichzeitig auf eine allgemeine Akzeptanz bei möglichst vielen potenziellen Mitzeichner/innen abzielt.
„Mir ist es egal, ob Deutsch im Grundgesetz steht, oder nicht“, oder „Es gibt wichtigere Dinge.“
Wenn es egal ist, warum dann nicht einfach die Petition mitzeichnen? Sie wirbt für den Status Quo! Tatsächlich ist es nicht egal: Es gibt Argumente dafür, Deutsch zur grundgesetzlich verankerten Landessprache zu machen (und diese Argumente sind größtenteils hässlich), und es gibt Argumente dagegen (und die habe ich in einer Reihe von früheren Beiträgen ausführlich dargelegt).
Gibt es wichtigere Dinge? Nun ja, solange wir die globale Erderwärmung nicht unter Kontrolle gebracht, den Weltfrieden hergestellt und alle Menschen ausreichend mit Nahrungsmitteln und Medikamenten versorgt haben, wird es immer Dinge geben, die wichtiger sind als fast alles andere. Aber es gibt einen Diskurs in Deutschland, der das Deutschsein nicht über Freude an der kulturellen Vielfalt, über die demokratischen Grundprinzipien und die mühsam erarbeiteten Freiheiten unserer Gesellschaft definiert, sondern über Abgrenzung, Abschottung und völlig fehlplatzierte Nostalgie. Diesem Diskurs etwas entgegenzusetzen ist vielleicht nicht ganz so wichtig wie eine Weiterentwicklung des Kyoto-Protokolls, die Beendigung von Kriegen und Bürgerkriegen oder ein gerechtes Patentsystem für Medikamente, aber unwichtig ist es mit Sicherheit nicht.
Deshalb meine Bitte: Zeichnet die Petition. Sie ist nicht perfekt, aber sie ist gut und richtig.
[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Version enthält möglicherweise Korrekturen und Aktualisierungen. Auch die Kommentare wurden möglicherweise nicht vollständig übernommen.]
Sehr gut, die Position der Zögerer ernst zu nehmen und hier noch einmal zu versuchen, sie doch noch von der Bedeutung des Zeichnens der Gegenpetition zu überzeugen. Danke für den Einsatz.
“Gibt’s nichts wichtigeres?” Ja! Na und?
Hier gibt es eine sehr schöne, ausführliche Zusammenfassung und Widerlegung des “Wichtiger”-Scheinarguments, mit dem in der Regel etwas vermeintlich unwichtiges zu verhindern versucht wird:
http://guteluft.wordpress.com/…tigeres%E2%80%9C/
(Zwar ursprünglich in anderem thematischen Zusammenhang als “Deutsch im GG”, aber allgemein genug formuliert.)
Erledigt (und mich wegen dieser Bagatelle extra beim Bundestag registriert). Danke für dieses Blog (das wollte ich ohnehin mal loswerden) und die sehr sinnvolle Diskussion. Sprache wird unterschätzt. Demokratie und Gesellschaft sind sprachgebunden.
Egal
(1) Aus ökonomischen Gründen. Da es unbegrenzt viele Angelegenheiten geben kann — vielleicht sogar muss — die einem egal sind, ist jeder beliebig kleine Aufwand schon zuviel, wenn man stets dieselbe Strategie anwendet. Das aber muss man, denn wenn man einzelne Angelegenheiten heraushebt und anders behandelt, sind sie einem gerade nicht mehr egal.
(2) Aus politisch-philosophischen Gründen. Ein Staat ist kein Machtapparat zur Gestaltung der Gesellschaft nach irgend jemandes Vorstellungen. Der Staat ist eine Zwangsgemeinschaft mit spezifischen Aufgaben, die sich aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen wandeln können. Was den meisten Leuten egal ist, kann keine bedeutsame gesellschaftliche Entwicklung sein und soll den Staat nicht berühren.
(3) Aus semantischen Gründen. Eine Enthaltung ist eine Enhaltung und keine Stimme für die eine oder die andere Seite. Deutlicher: wenn es egal ist und ich trotzdem Partei ergreifen soll, warum dann nicht für die Gegenseite? Nach der aktuellen Zahl der Stimmen würde dies immerhin die Chance erhöhen, am Ende zu den Gewinnern zu gehören. Wenn es egal ist, kann man ja nüchtern kalkulieren.
Nein, wenn es egal ist, soll es egal bleiben.
[Zu 1: Alles beim Status Quo zu lassen ist ökonomischer als eine Grundgesetzänderung — also: mitzeichnen! Zu 2: Wenn der Staat kein Machtapparat zur Gestaltung der Gesellschaft ist, wäre es am besten, wenn er hier nicht aktiv würde sondern alles beim Alten ließe — also: mitzeichnen! Zu 3: Je eher das Minimalziel erreicht ist, desto eher höre ich auf, über das Thema zu reden. Wem das Thema egal ist, der sollte sich wünschen, dass das so schnell wie möglich passiert — also: mitzeichnen. — A.S.]
Türkisch als zweite Amtsprache!
Eine der vier Amtsprachen bei uns in der Schweiz ist Rätoromanisch. Das wird von rund einem halben Prozent der Schweizer Bevölkerung gesprochen. Wie sieht es mit Minderheitensprachen in Deutschland aus? Da müssten doch noch ganz andere Sprachen als Deutsch in die Verfassung aufgenommen werden ;-).
A.S. schrieb: Dabei ist ein Text herausgekommen, den ich für aufrichtig und prinzipiell wissenschaftlich begründbar halte…
Auszug aus der Petition: Sie wäre ein Signal der Abschottung gegen die internationalen Freunde und Verbündeten der Bundesrepublik ebenso, wie gegen die in Deutschland heimischen Mitbürger mit Migrationshintergrund, die einen wichtigen Teil der bundesdeutschen Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur darstellen.
Letzterer Satz ist in etwa genau so “aufrichtig” und genau so gut oder so schlecht “prinzipiell wissenschaftlich begründbar” wie §2 der VDS-Satzung:
§ 2 Zweck des Vereins
Der Verein verfolgt das Ziel, die deutsche Sprache als eigenständige Kultursprache zu erhalten und zu fördern. Er widersetzt sich insbesondere der fortschreitenden Anglisierung des Deutschen und der Verdrängung der deutschen Sprache aus immer mehr Bereichen des modernen Lebens. Er will bewirken, dass Deutsch als vollwertige Wissenschaftssprache erhalten bleibt und als Arbeitssprache in internationalen Organisationen den ihm gebührenden Rang erhält.
Das alles macht aber nichts, es geht letztendlich auf beiden Seiten (nur) um Empfindlichkeiten. Und das darf man getrost zugeben. Mit anderen Worten, Sie sind hier, wie ich im übrigen auch, als gemeiner Bürger unterwegs. Mit Sprachwissenschaft hat Ihre Petition nichts zu tun.
Bei einer anderen Sache dreht sich bei mir, wann immer ich sie auch vernehme, mit Regelmäßigkeit der Magen um, nämlich immer dann, wenn die Rede von Freunden (und Verbündeten) eines Staates die Rede ist. Sie und ich haben Freunde, Staaten jedoch nicht, die haben nur Interessen. Und Verbündete sind Verbündete, mehr nicht — und das auch nur auf Zeit.
Dabei wären wir wieder beim eigentlichen Thema. Nach meinem Dafürhalten ist die Petition “Deutsch ins Grundgesetz” in unserem Interesse, Ihre hingegen nicht. Auch darüber kann man natürlich unterschiedlicher Meinung sein, aber wie dem auch sei, beide Haltungen verdienen keine verbissenen Kreuzzüge.
[Die Satzung des VDS benennt Ziele (also zukünftige Ereignisse, die man herbeiführen möchte), die von Ihnen zitierte Passage aus meiner Petition stellt eine Tatsachenbehauptung über eine mögliche Welt auf, in der Deutsch im Grundgesetz stünde. Die beiden Texte können somit in Bezug auf ihre wissenschaftliche Begründbarkeit überhaupt nicht verglichen werden. Meine Aussage kann logisch und empirisch wahr oder falsch sein, es ist also eine Hypothese, die sich theoretisch widerlegen ließe. Die Satzung des VDS ist eine Selbstverpflichtung zum Handeln, die weder logisch noch empirisch wahr oder falsch sein kann. Daran ist nicht der VDS schuld, sondern Satzungen haben das so an sich. Allerdings stehen hinter der Satzung bestimmte Präsuppositionen (z.B., dass es eine zunehmende Anglisierung und eine Verdrängung der deutschen Sprache gibt. Diese Präsuppositionen sind eindeutig empirisch falsch. Zur Frage der Interessenpolitik (die mir gar nicht wichtig ist): Wenn Ihnen kein Grund einfällt, warum der Verzicht auf überflüssige Signale nationalen Selbstbewusstseins im deutschen Interesse liegen könnte, wissen Sie offensichtlich wenig über die jüngere deutsche Geschichte. — A.S.]
Das sage ich Leuten, die in Universitätscafeterien über Politik und DSDS diskutieren, auch immer: Hinfort! hier gehört ihr nicht hin. Zurück in Eure Höhlen! (Die hören aber nie auf mich.)
Bei politischen Debatten sind …
… in einer Demokratie alle Meinungen relevant — und ernst zu nehmen.
——-
Ich möchte etwas anmerken.
Nur weil Herr S. ein Linguist und Professor ist, ist seine Meinung nicht trotzdem (auch von ‘Laien’) anzweifelbar. Mir scheint, dass die Leser hier oft zwischen der Meinung von Herrn S. und dem, was man Fakten nennen sollte, nicht streng genug unterscheiden.
Das ist so, als wenn man über Frau A. Merkel sagte, dass sie als Physikerin besser über Kernkraft Bescheid wisse und daher alle Laien zum Thema Kernenergie in Deutschland schweigen sollten. Natürlich hat sie vielleicht in manchen Gebieten mehr Ahnung als mancher Laie. Trotzdem darf man sie anzweifeln, und vor allem auch die Reichweite ihrer Argumente. Dasselbe gilt hier.
Für mich ist es kein großes Wunder, dass die Mehrheit in diesem Forum sich jedoch an Herrn S.’ Meinung hält: es ist momentan einerseits ‘in’ gegen Deutschland zu sein. (Auch solch eine Motivation steht hinter vielen der ‘posts’.) Und andererseits ist es immer schwerer, gegen den Strom zu schwimmen, als mit dem Strom.
Herr S. hat in einem solchen Forum eine verantwortungsvolle Rolle: Als Wissenschaftler sollte er alle Seiten abwägen. Und auch mit seinen Kritikern unter allen Umständen sachlich argumentieren. Begriffe wie ‘Sprachnörgler’ oder ‘Trolls’ u.ä. sind dabei kontraproduktiv. Nicht die Form der von den Kritikern vorgebrachten Argumente wäre zu debattieren, sondern ausschließlich die Inhalte! Wenn die Kritiker selbst sich durch Unsachlichkeit auszeichnen sollten, so kann man doch nur auf eine Weise reagieren: mit eigener Sachlichkeit. Sonst ist man nicht besser.
Zuletzt noch dies: Ich halte die ganze Diskussion letzten Endes für politisch und finde, dass Spektrum an dieser Stelle als Forum missbraucht wird. Die Diskussion mag wichtig sein — aber nicht hier.
Mit im Boot
Ich habe gerade abgestimmt. Interessant ist, dass der heutige Tag alleine etwa 150 Stimmen gebracht hat.
Mir ist vor allem wichtig, dass die Weiterentwicklung der Sprache nicht auf gesetzlichem Wege verhindert werden darf. Was wäre passiert, wenn man im 14. Jhd. auf die Idee gekommen wäre, das Mittelhochdeutsche festzuschreiben?
Dann hätten wir jetzt eine Situation wie in den arabischen Ländern, wo eine Sprache (Hocharabisch) geschrieben wird, und eine andere Sprache (der jeweilige Dialekt) gesprochen wird. Dort führt es dazu, dass kaum neue Literatur herausgebracht wird und Schulkinder Lernbehinderungen beim Lernen der Schrift haben, weil sie erst eine neue Sprache lernen müssen.
@ Moritz
Willkommen im Club!
Ich wollte vor der Antwort von AS schon schreiben, dass Sie sicher gleich als Troll und unsachlich bezeichnet werden — wie es allen Kritikern hier geschieht … und prompt ist es passiert. Werter Herr Stefanowitsch, wenn Sie denken, dass meine Email Adresse ‘erfunden’ sei, dann seien Sie doch wenigstens ‘einmal’ wissenschaftlich und TESTEN Sie Ihre Meinung! Ich antworte Ihnen dann umgehend.
Ich denke, mit dieser Antwort an Ihre Leser haben Sie bewiesen, dass Sie Ihre Meinungen allzu oft nicht überprüfen — und außerdem wohl unter Verfolgungswahn leiden: alle Ihre Gegner sind in Ihren Augen Lügner und haben falsche Emailadressen und sind womöglich noch alle miteinander identisch und Sockenpuppenaccounts. Das Tragische ist, dass Sie dadurch die Chance versäumen, auf die Meinungen Ihrer ‘Gegner’ adäquat zu antworten. Oh, ich vergaß… eigentlich haben Sie ja nur einen Gegner, wenn man Ihren Verdächtigungen Glauben schenkt.
Herr Stefanowitsch, Ihr Beitrag erschien bei Spektrum mitten auf der Seite und wurde auch mit Spektrum assoziiert. Die Spektrumseite wird somit missbraucht (siehe auch die Kritik von Grau, ich stimme Ihnen zu), um Stimmen für Ihre Petition zu gewinnen. Neben der politischen Aktion ist es auch eine reine Selbstdarstellung von Ihnen. Ich finde es zutiefst zu bedauern, dass so etwas hier möglich ist.
‘in’, gegen Deutschland zu sein???
@Grau, K.:
Hätte ich die Petition nicht längst gezeichnet, würde ich es spätestens nach Ihrem Beitrag tun.
Wer — an sich richtig — eine strenge Unterscheidung zwischen Fakten und Meinung fordert, sollte auch zwischen Fakten und Unterstellungen differenzieren können.
Zitat:
——————————————–
es ist momentan einerseits ‘in’ gegen Deutschland zu sein. (Auch solch eine Motivation steht hinter vielen der ‘posts’.)
——————————————–
Das ist die übliche VDS-2-Stufen-Rakete:
1. ‘Wer gegen “Deutsch ins GG” ist, ist gegen die deutsche Sprache.’
Auf A.S. trifft das belegbar nicht zu. Auch sonst kenne ich niemanden, der gegen die deutsche Sprache ist. Denn es gibt schlicht keinen Grund dazu.
2. ‘Wer gegen die deutsche Sprache ist, ist gegen Deutschland.’
Es gibt zwar einiges, was mich an Deutschland bzw. an seinem Staatsvolk stört, z.B. ein gewisser Chauvinismus.
Zitat aus dem VDS-Forum:
——————————————–
Das “next stop” ist überflüssig und ärgerlich. Wir sind keine britische Kolonie.
——————————————–
Aber für solch kuriose Befindlichkeiten ist wiederum nicht die dt. Sprache verantwortlich zu machen.
Die Motivation der Petitionsbefürworter müssen Sie schon woanders suchen. Viel Glück!
Weniger wichtig bleibt wichtig
Es gibt immer wichtigeres. Zum Beispiel, wer beim perfekten Dinner gewinnt, wer wie lange im Dschungelcamp überlebt, welcher Bauer welche Frau findet und welcher Hund mal wieder falsch erzogen wurde. “Es gibt Wichtigeres” ist zwar fast immer genau so richtig wie “es gibt Unwichtigeres”, am Ende ist die Aussage auf der gleichen Ebene wie “dafür wäre mir meine Zeit zu schade”: Es ist ein Ausdruck der Geringschätzung eines Vorhabens oder einer Tätigkeit. Dass sich A.S. hier dennoch sachlich damit auseinandersetzt zeigt, dass er sich über diesem Level bewegt und dafür einsteht, was *ihm* und vielen anderen wichtig ist.
Nicht überzeugt
Gute Antwort, aber zu schnell:
Alles beim Status Quo zu belassen, sollte gerade hinsichtlich des Grundgesetzes die Regel sein. Jede Änderung an dieser Stelle sollte gewichtige Gründe erstens für den Inhalt und zweitens für die Tatsache der Änderung erfordern. Ist das nicht der Fall, so liegt das Problem nicht bei denjenigen Spielern(*), die eine zu leichte Änderbarkeit ausnutzen, sondern es liegt in der Entwicklung des Spiels. Dass man gleichgewichtige Gegenpositionen zu einzelnen Änderungsvorhaben aufbaut, wo jedes Vorhaben idealerweise schon an seiner Bedeutingslosigkeit scheitern sollte, ist dann eine Scheinlösung. Zumal jede Aktion, auch jede Aktion dagegen, im nächsten Zug als Beleg für die Bedeutung des Themas herangezogen werden kann.
(*) http://de.wikipedia.org/wiki/Nomic
Der Vergleich mit der Schweiz hinkt, weil Sie nicht zwischen angestammten Minderheiten und Migranten (der jüngeren Vergangenheit) unterscheiden. In der Schweiz haben die Sprachen aller Gemeinden, die sich zur Eidgenossenschaft zusammengeschlossen haben, unabhängig von der Anzahl der Sprecher den Status von Amtssprachen. Auch wenn nur ein halbes Prozent der Schweizer Rätoromanisch als Muttersprache haben – ihre Heimatgemeinden sind eben seit Jahrhunderten vollwertiger Teil der Schweiz.
Vergleichbar kleine Minderheiten gibt es in Deutschland auch, die Sorben und die Dänen. Und deren Sprachen sind zumindest dort, wo sie ansässig sind, auch Amtssprachen. Dazu kommen noch Friesisch und Niederdeutsch, die regional als Amtssprachen anerkannt sind, weil viele Leute dort eben so sprechen. Ein fest umrissenes türkisches Siedlungsgebiet (wie etwa früher die wolgadeutschen Kantone in Russland oder die deutschen Siedlungsgebiete in Südosteuropa) gibt es in Deutschland nicht, und deshalb stellt sich die Frage nach Türkisch als zweiter Amtssprache zunächst nicht.
Kleine Panne
Mein voriger Kommentar bezog sich auf “Türkisch als zweite Amtssprache!” von Matthias.
Grundgesetze
Im Grundgesetz von Honk Kong, zum Beispiel, ist die Freiheit der Sprache schon verankert.
http://gohongkong.about.com/…hk/a/hkbasiclaw.htm
es grüßt
Andy
Guten Tag,
die Petition ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, nur hätte die Umsetzung doch sehr interessante Auswirkungen in Bezug auf unsere Justiz. So hat am 26. Januar der Bundesgerichtshof entschieden, dass Schöffen zwingend deutsch sprechen und verstehen müssen. Somit ist die Partizipation in diesem Bereich eingeschränkt und steht im Widerspruch zur Petition. Quelle des Urteils im Lawblog.de: http://www.lawblog.de/…mussen-deutsch-verstehen/
mit freundlichen Grüßen
Nemitz
[Im Gegenteil: Das Urteil, auf das Sie sich hier beziehen, ist ein exzellentes Beispiel dafür, dass eine Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz überflüssig wäre. Die aktuellen verfahrensrechtlichen Regelungen erfüllen ihren Zweck ganz ohne Hilfe des Grundgesetzes. Das Gerichtsverfassungsgesetz, §33, Abs. 5 regelt, dass „Personen, die mangels ausreichender Beherrschung der deutschen Sprache für das Amt nicht geeignet sind“ nicht zum Schöffen berufen werden sollen. Das ergibt sich im Prinzip automatisch aus §184 GVG („Die Gerichtssprache ist deutsch.“) und §261, StPO („Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.“): Wenn ein Schöffe dem „Inbegriff der Verhandlung“ nicht selbst, sondern nur über einen Dolmetscher folgen kann, ist eine „freie Überzeugung“ nicht mehr gewährleistet, da der Dolmetscher eine eigene Perspektive in die Übersetzung einfließen lassen könnte. Unsere Petition richtet sich ja nicht gegen gesetzliche Regelungen bezüglich Amts- und Gerichtssprache, sondern ausschließlich gegen eine überflüssige und ausgrenzende Aufnahme des Deutschen als Landessprache in das Grundgesetz. — A.S.]
Grundgesetz in Hongkong
@Andy,
Ich weiss nicht wo Du aus dem verlinkten Artikel eine Freiheit der Sprache ableitest, aber solltest Du Dich auf Freedom of Speech beziehen ist das “nur” die gute alte Meinungsfreiheit. Die gibt’s im Deutschen Grundgesetz auch schon lange.
Amtssprache
Bei unseren Nachbarländern ist das selbstverständlich, dass eine offzielle Landessprache in der Verfassung steht.
Solange auch Minderheitensprachen erlaubt sind und im privaten Leben keine Sprachvorschriften gemacht werden sehe ich da kein großes Problem.
Und ich bin selbst auch zweisprachig!
@Rainer Grün
Eine Änderung der Verfassung ohne Auswirkung auf die folgende Gesetzgebung wäre, wie Anatol Stefanowitsch mehrfach schrieb, überflüssig und sinnfrei. Es ließe sich sogar konstruieren, sie sei verfassungswidrig, da Gesetze in Deutschland anwend- und durchsetzbar sein müssen. Außerdem, auch das wurde schon gesagt, widerspräche die Sonderstellung des Deutschen Artikel 3–3, der zu den so genannten ‘allgemeinen Menschenrechten’ zählt.
Petition gegen die Aufnahme der deutschen Sprache ins GrundgesetzAnatol Stefanowitsch vom Sprachlog hat eine Petition an den Deutschen Bundestag gestartet, die ich sehr unterstütze und auf die ich kurz hinweisen möchte. Die Petition befindet sich in der Zeichnung, und ihr solltet euch überlegen mitzumachen. Grund ist eine abgelaufene…
Hab natürlichlängst mitgezeichnet.….
Schönen Gruß!
Frage an A.S. — Nachbarlaender
In den Kommentaren sowohl hier als auch anderswo lese ich immer wieder dass es doch in den Nachbarlaendern ganz selbstverstaendlich und normal waere die Landessprache in der Verfassung zu haben.
Meine Kurzrecherche hat keine brauchbare Uebersicht ergeben und bevor ich mich da stundenlang durch Suchen, Verfassungen und sonstwas quaele, gibt es dazu irgendwo schon Untersuchungen/Auflistungen/Analysen die unter Sprachwissenschaftlern bekannt sind? Wuerde mich mal interessieren ob und wenn ja in welchem Masse diese immer wieder gebrachte Aussage denn nun stimmt.
Wenn Ihnen kein Grund einfällt
A.S. schrieb: Wenn Ihnen kein Grund einfällt, warum der Verzicht auf überflüssige Signale nationalen Selbstbewusstseins im deutschen Interesse liegen könnte, wissen Sie offensichtlich wenig über die jüngere deutsche Geschichte.
Patriotismus sollte man nicht mit Nationalismus verwechseln.
Es ist doch eher ein Ausdruck von mangelndem Selbstbewusstsein (und Furcht vor der Auflösung), wenn man eine derartige Selbstverständlichkeit (die eigene Sprache) im Grundgesetz verankert wissen will. Selbstbewusstein, besser ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, ist jedoch unerlässlich, wenn man sich Neuem oder gar Fremden öffnen soll. Dass wir als Deutsche ein eher gestörtes Selbstverständnis und Selbstbewusstsein gegenüber der eigenen Nationalität haben, zeigt nicht nur die Initiative des VDS. Die Ihre ist noch angsterfüllter als die des VDS. Während der VDS die deutsche Sprache und Kultur schwarz malt, malen Sie das Teufelbild eines neu aufkeimenden Nationalismus an die Wand. Der VDS hebt den mahnenden Zeigefinger, Sie — so manchmal mein Eindruck — den Stinkefinger.
Wenn man Migranten im besten Sinne des Wortes einbürgern will, darf man sie nicht nur willkommen heißen, sondern man muss ihnen auch so etwas wie eine Ersatzheimat mit emotionaler Anbindung bieten. Die Heimat muss man als Inländer jedoch auch selbst mögen, ansonsten ist das Angebot des Absenders für den Empfänger im wahrsten Sinne des Wortes wertlos. Deshalb halte ich auch die symbolischen Begrüßungsakte, wie sie mittlerweile in vielen deutschen Städten abgehalten werden, für sehr hilfreich und nicht für überflüssige Signale, weil sie so etwas wie eine beidseitige Freude — und beidseitige Verpflichtung — ausdrücken sollen.
Den Migranten jedefalls helfen bloße Bekenntnisse der Solidarität wenig, falsch verstandene Solidarität wie die Ihre noch weniger. Die Aktion “Deutsch nicht ins Grundgesetz” überhaupt nicht. Und ohne Gegenleistung gibt es keine Akzeptanz. Eigentlich ganz einfach.
warum ich mitgezeichnet habe
Es ist ziemlich müßig, Deutsch ins GG aufzunehmen. Der VDS wehr sich doch dagegen, dass Deutsch in immer mehr Bereichen des Lebens angeblich auf dem Rückzug ist.
Abgesehen davon, dass — wie hier ja schon öfter ausgeführt wurde — Verwaltungen und Gerichte i.d.R. per Gesetz schon verpflichtet sind, auf Deutsch zu arbeiten, lässt sich doch von so einem GG-Artikel niemand beeindrucken.
Nicht der Wissenschaftler, der vorzusgweise in englischsprachigen Zeitschriften publiziert und auf englischsprachige Konferenzen fährt, weil er sich dort das größere Publikum erhofft. (Außerdem ist es eine Anerkennung, dort angenommen zu werden, denn es gibt einen entsprechend harten Wettbewerb. Was ist schon die Zeitschrift für Sprachwissenschaft gegen Linguistics, Language, Linguistic Review etc.?) Das war mal anders, ich weiß, aber nicht zuletzt deutsche Politik ist mit daran beteiligt gewesen, dass sich das geändert hat.
Nicht der Einwanderer, der mit Seinesgleichen lieber in der Sprache des Herkunftslandes spricht, entsprechende Medien bevorzugt etc. (Je stärker diese Einwanderer ausgegrenzt werden, desto weniger sprechen sie deutsch, wenn sie nicht müssen.)
Nicht die Werbeleute, die glauben, mit (echten oder vermeintlichen) englischen Begriffen die Kunden in die Läden zu locken.
Und schon gar nicht lässt sich der Sprachwandel aufhalten, in diesem Fall die Aufnahme von Lehnwörtern etc.
Meine Güte, wir leben in einem freien Land!
Verfassungsrang
Kurze Recherche:
Frankreich: Art. 2: Die Sprache der Republik ist Französisch.
Dänemark: Keine Erwähnung.
Portugal: Art. 9. Wesentliche Aufgaben des Staates sind: […] f) die Lehre und dauerhafte Wertschätzung der portugiesischen Sprache sicherzustellen, ihren Gebrauch zu verteidigen und ihre internationale Verbreitung zu fördern.
Belgien: Art. 129 § 1 “Die Räte der Französischen und der Flämischen Gemeinschaft regeln, jeder für seinen Bereich” ersetzt durch: “Die Parlamente der Französischen und der Flämischen Gemeinschaft regeln, jedes für seinen Bereich, durch Dekret und unter Ausschluß des föderalen Gesetzgebers den Gebrauch der Sprachen für:
1. die Verwaltungsangelegenheiten;
2. den Unterricht in den von den öffentlichen Behörden geschaffenen, bezuschußten oder anerkannten Einrichtungen;
3. die sozialen Beziehungen zwischen den Arbeitgebern und ihrem Personal sowie die durch Gesetz und Verordnungen vorgeschriebenen Handlungen und Dokumente der Unternehmen. “. Dann Ausnahmeregelungen für Grenzgemeinden und Art 130 für die Deutschsprachige Gemeinschaft.
UK: keine Verfassung im engeren Sinne
Niederlande: keine Erwähnung
Österreich: Art. 8. (1) Die deutsche Sprache ist, unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte, die Staatssprache der Republik.
(2) Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zu ihrer gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt, die in den autochthonen Volksgruppen zum Ausdruck kommt. Sprache und Kultur, Bestand und Erhaltung dieser Volksgruppen sind zu achten, zu sichern und zu fördern.
(3) Die Österreichische Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt. Das Nähere bestimmen die Gesetze.
Polen: Art. 27. In der Republik Polen ist die polnische Sprache die Amtssprache. Diese Vorschrift verletzt nicht Rechte der nationalen Minderheiten, die sich aus ratifizierten völkerrechtlichen Verträgen ergeben.
Italien: Keine Erwähnung
Schweden: Keine Erwähnung
Slowakei: Art. 6. (1) Die slowakische Sprache ist im Gebiet der Slowakischen Republik die Staatssprache.
(2) Der Gebrauch anderer Sprachen als der Staatssprache im amtlichen Verkehr wird durch Gesetz geregelt.
Quelle: http://www.verfassungen.eu; ich habe einfach ein paar herausgepickt.
Nachtrag
Sorry,
in meiner Quelle war die Änderungsgeschichte des Artikels 129 nachgezeichnet, ich wollte eigentlich nur den Endstand hineinkopieren (“pasten” :-).
Bis auf Portugal bläst niemand zum Kulturkampf, wenn ich das richtig sehe.
@Achim
Die Verfassungstraditionen sind sehr unterschiedlich. In Ländern mit einer vorherrschenden Landessprache wurde diese häufig als selbstverständlich unterstellt und daher nicht ausdrücklich — aber häufig implizit — festgelegt:
Weimarer Verfassung:
Artikel 113
Die fremdsprachigen Volksteile des Reichs dürfen durch die Gesetzgebung und Verwaltung nicht in ihrer freien, volkstümlicher Entwicklung, besonders im Gebrauch ihrer Muttersprache beim Unterricht, sowie bei der inneren Verwaltung und der Rechtspflege beeinträchtigt werden.
(krasse “Ausgrenzung” der “fremdsprachigen Volksteile”)
Norwegische Verfassung:
Artikel 92
Für Ämter im Staat können nur norwegische Staatsangehörige, Männer oder Frauen, ernannt werden, welche die Sprache des Landes sprechen, sowie …
(implizite Festlegung der “Landessprache” und damit auch “Ausgrenzung”)
Auch in der französischen Verfassung war eine Landes- oder Nationalsprache ursprünglich nicht festgelegt, was die Unterdrückung der Regionalsprachen Deutsch, Baskisch, Katalanisch usw. aber nicht behindert hat. Die ausdrückliche Festlegung als “Sprache der Republik” erfolgte erst in den 90er Jahren. Auf dieser Grundlage hat der “Conseil d’etat” die Ratififizierung der europäischen Sprachenkonvention auch verhindert. Von “Kulturkammpf” kann man man daher im französischen Fall noch viel mehr sprechen als im portugiesischen.
Andererseits enthalten manche Verfassungen Festlegungen über die “Staatsreligion”, die aus deutscher Sicht schwer zu verstehen sind:
Dänische Verfassung:
4. Den evangelisk-lutherske kirke er den danske folkekirke og understøttes som sådan af staten.
Norwegische Verfassung:
Artikel 2
Alle Einwohner des Reichs haben das Recht auf freie Religionsausübung. Die evangelisch-lutherische Konfession verbleibt öffentliche Religion des Staates. Die Einwohner, die sich zu ihr bekennen, sind verpflichtet, ihre Kinder in derselben zu erziehen.
Griechische Verfassung:
Artikel 3. (1) Vorherrschende Religion in Griechenland ist die der Östlich-Orthodoxen Kirche Christi.
Fazit:
1. Wenn man vergleichende Verfassungskunde betreiben will, muß man schon sehr genau hinschauen.
2. Was die Staats- oder Nationalsprache anbetrifft, so sind die Ausgangslagen in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich. Was vor Jahrzehnten noch selbstverständlich war, ist im Zeitalter der Globalisierung und der weltweiten Hegemonie des Englischen schon lange nicht mehr selbstverständlich.
Verfassungsregelungen
@ NörglerIn:
Eigentlich bestätigen Sie ja die Position von Herrn Stefanowitsch. Dort, wo Verfassungen (außer der Portugals) etwas über die Sprachwahl aussagen, geht es um die Sprache des Staates und seiner Institutionen, also der Amtssprache. Dazu gehört auch die Schulsprache.
Meine Frage also: All diese Dinge sind in Deutschland geregelt, einschließlich der erforderlichen Ausnahmen. Welchen Nutzen soll also der Verfassungsrang haben?
Er wird sicherlich nicht die Aufnahme von Lehnwörtern in den deutschen Wortschatz einschränken können, und diese angebliche Anglisierung der deutschen Sprache ist doch die Hauptsorge des VDS, oder? (Das perfide Albion — honi soit qui mal y pense.)
Und für unverbindliche Absichtserklärungen ist eine Verfassung der falsche Ort.
Frage zur Weimarer Verfassung, Art.113
Frage: Inwiefern stellt dies eine krasse Ausgrenzung dar? Und wo wird die Landessprache hier implizit oder explizit festgelegt?
Der Text dieses Artikels sagt doch das Gegenteil, nämlich dass nicht-deutschsprachige Deutsche ihre Sprache im Unterricht und in der Verwaltung verwenden dürfen und dass die Gesetzgebung sie hieran nicht hindern darf. Also das gegenteil dessen, was Sie behaupten. Oder nicht?
Implizite Festlegung; Ausgrenzung
@ Michael Khan: Wenn von “fremdsprachigen Volksteilen des Reichs” die Rede ist, muss es im Gegensatz dazu auch “nicht fremdsprachige Volksteile” geben, sonst wäre der Passus überflüssig.
Dass die deutschsprachigen Gegenden bzw. Bevölkerungsgruppen im Deutschen Reich “in ihrer freien, volkstümlichen Entwicklung, besonders im Gebrauch ihrer Muttersprache beim Unterricht, sowie bei der inneren Verwaltung und der Rechtspflege” nicht durch Gesetze und Verwaltungsvorschriften beeinträchtigt wurden, war offenbar so selbstverständlich, dass es nicht extra erwähnt werden musste. Das kann man als implizite Festlegung des Deutschen als Landessprache sehen.
@ NörglerIn: Eine Ausgrenzung kann ich nicht erkennen, es sei denn, man will die bloße Erwähnung (tatsächlich vorhandener) “fremdsprachiger Volksteile” schon so nennen. Aber das wäre unangemessen, umso mehr als der von Ihnen zitierte Passus die sprachliche und kulturelle Eigenständigkeit dieser Volksteile anerkennt und ihre Diskriminierung verbietet. Ausgrenzung geht anders.
@gnaddrig: Einverstanden!
Ja, wenn man will. Eigentlich ist es nur eine Anerkennung der Faktenlage.
Das sehe ich ganz genauso. Die Formulierung des Artikels 113 bietet eigentlich auch keinen Anlass zu Missverständnissen, also ist mir rätselhaft, wie es zu der Einschätzung “kresse Ausgrenzung” kam.
Beispiel Estland
Ein echtes Politikum stellt die Frage des Staatssprache in Estland dar.
Art. 6 der estnischen Verfassung besagt, daß die die Amtssprache Estlands Estnisch ist. Für die Esten scheint es ein wichtiges Anliegen zu sein, nach dem Ende der russischen “Okkupation” (auch dies ein umstrittener Begriff), den Einfluß des Russischen zurückzudrängen und Rolle der indigenen Kultur zu stärken. Darum müssen Beamte und Menschen in Dienstleistungsberufen zwingend die estnische Sprache beherrschen. Die beachtliche russische Minderheit (ca. ein Viertel der Gesamtbevölkerung) sieht dies als bewußte Diskriminierung, die Esten wiederum betrachten entsprechende Klagen der Russen als von Moskau gesteuert.
Hier ein interessanter Artikel dazu aus einem Blog, der eher mit der russischen Sicht der Dinge sympathisiert:
http://kloty.blogspot.com/
Verfassungsregelungen
@Michael Khan
Ich halte an sich sehr wenig von dem überstrapazierten Begriff “Ausgrenzung”. Wenn man aber schon die Festlegung der Staatssprache Deutsch im GG als “Ausgrenzung” versteht, so halte ich die Bezeichnung von seit Urzeiten in Deutschland gesprochener autochthoner Sprachen als “Fremdsprachen” für noch erheblich “ausgrenzender”.
Wäre die Anerkennung des Deutschen als Staatsprache im GG nicht auch “nur eine Anerkennung der Faktenlage”?
In der Verfassung Österreichs heißt es:
Werden auch durch diesen Artikel die “sprachlichen Minderheiten” Österreichs “ausgegrenzt” oder werden nicht vielmehr ihre sprachlichen Rechte garantiert? Eine ähnliche Klarstellung wöre ja auch im Grundgesetz ohne weiteres möglich.
@Achim
Es macht nun einmal einen Unterschied, ob etwas nur einfachgesetzlich oder verfassungsrechtlich geregelt ist. Im ersten Fall reicht eine einfache Mehrheit des Bundestags aus, um die Regelung zu ändern oder abzuschaffen, im zweiten Fall ist dafür eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Das ist doch der Grund dafür, daß alle möglichen Gruppen alles mögliche in der Verfassung verankern wollen. Das ist ja auch durchaus verständlich: Wenn einem etwas besonders am Herzen liegt, will man es gern in der Verfassung vor tagespolitischer Verfügbarkeit schützen.
Amts- und Gerichtssprache sind zwar einfachgesetzlich festgelegt, aber dem Bundestag liegt bereits ein Gesetzentwurf vor, der die Gerichtssprache Englisch in internationalen Handelsverfahren zulassen würde.
Da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Mich stört an der Petition von A.S. nur die Einseitigkeit. Im vorhergehenden Diskussionsstrang habe ich gesagt:
Warum ins Grundgesetz?
“Das ist doch der Grund dafür, daß alle möglichen Gruppen alles mögliche in der Verfassung verankern wollen. Das ist ja auch durchaus verständlich: Wenn einem etwas besonders am Herzen liegt, will man es gern in der Verfassung vor tagespolitischer Verfügbarkeit schützen.”
Dann verstehe ich aber immer noch nicht, warum der VDS die Sprache überhaupt ins Grundgesetz schreiben möchte. Sprache gehört, wenn überhaupt in eine Verfassung, in die Landesverfassungen. Schließlich haben die Länder in der Bundesrepublik die Kulturhoheit und es gibt erhebliche Unterschiede in den sprachlichen Tradition der einzelnen Bundesländer. So gibt es zum Beispiel keinen Grund in Bayern Dänisch als Minderheitensprache zu schützen, in Schleswig-Holstein ist es dagegen unumgänglich.
Ich habe übrigens schon lange die Petition gegen die Aufnahme ins Grundgestz gezeichnet.
Gerichtssprache etc.
@ NörglerIn:
Und wo ist das Problem, wenn Kontrahenten in internationalen Streitsachen, die im Zweifelsfall ohnehin auf Englisch kommunizieren, dies nun auch vor Gericht tun dürfen? Sowohl die Parteien als auch ihre Klagevertreter dürften hier keine Probleme bzgl. der notwendigen Englischkenntnisse haben. Und sehr viele Beweismittel (Verträge, Korrespondenz, Zeugenaussagen) liegen ohnehin auf Englisch vor.
Ich habe jetzt den Gesetzentwurf nicht recherchiert, aber ich gehe davon aus, dass beide Parteien zustimmen müssen, wenn die Verhandlung auf Englisch geführt werden soll. Da wird niemand überfahren. Und ich mache die Vorhersage, dass Außenstehende, die der Verhandlung folgen wollen (Stichwort Öffentlichkeit), das auch auf Englisch können, sofern die entsprechende Fachkunde vorhanden ist.
Ich verstehe wirklich nicht, wie so eine Änderung des GG die Ziele des VDS befördern soll.
@Joachim
Da sind die Schweiz und Österreich — obwohl ebenfalls Bundesstaaten — aber anderer Meinung. Dort sind die Landessprachen bzw. die Staatssprache durchaus in der Bundesverfassung geregelt. Übrigens sind Landes- und Staatssprache(n) nicht immer identisch mit Amtssprache(n).
Das Gerichtsverfassungsgesetz und das Verwaltungsverfahrensgesetz, in denen Deutsch als Gerichts- und Amtssprache festgelegt sind, sind Bundesgesetze. Die Bundesländer sind dadurch allerdings nur insoweit gebunden, als sie Bundesrecht in Auftragsverwaltung anwenden.
Würden Sie auch eine Petition gegen die Aufnahme des Rechts auf Arbeit ins Grundgesetz zeichnen?
@Achim
Über Englisch als Gerichtssprache gibt es in diesem Blog bereits eine Diskussion, an der ich mich (noch nicht gendergerecht) beteiligt habe. Ich halte die Begründung für diesen Gesetzesantrag für sehr schwach.
Da haben Sie im Grundsatz schon recht. Die Frage ist nur, wer am längeren Hebel sitzt. Die deutsche Exportwirtschaft ist aber auf ihre internationalen Kunden angewiesen und muß auf deren Wünsche Rücksicht nehmen. Das zeigt sich gerade darin, daß diese internationalen Kunden in aller Regel auf die Anwendung angelsächsischen Rechts, jedenfalls nicht deutschen Rechts, bestehen. Entsprechendes ist bei der Wahl der Gerichtssprache Englisch zu erwarten, falls die ausländischen Abnehmer überhaupt deutsches Recht akzeptieren sollten.
Ob das die Ziele des VDS befördern würde, weiß ich auch nicht. Ich bin eher skeptisch. Die Motivation des VDS kann ich aber schon etwas verstehen. Englisch als Gerichtsprache, immer mehr englischsprachige Studiengänge an deutschen Universitäten, Anträge auf Forschungsförderung oder im Rahmen der Exzellenzinitiative, die nur in Englisch eingereicht werden dürfen, Englisch als “Amtssprache” in großen Deutschen Unternehmen — all das scheint mir schon Sorge über die künftige Rolle des Deutschen zu rechtfertigen.
@Nörglerin
Liebe Nörglerin,
“Da sind die Schweiz und Österreich — obwohl ebenfalls Bundesstaaten — aber anderer Meinung.”
Das kann ich nicht ändern. Vielleicht fände ich es als Schweizer oder Österreicher auch falsch, dass die Sprache in der Bundesverfassung festgelegt ist. Aber ich bin kein Schweizer oder Österreicher und fühle mich nicht berechtigt, mich dort in die Gesetzgebung einzumischen. Für die Bundesrepublik Deutschland halte ich es für falsch, die Sprache im Grundgesetz festzuschreiben.
Schweiz/Österreich, Deutsch in Gefahr?
@ NörglerIn
Wie andere Bundesstaaten die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern / Staaten / Kantonen aufgeteilt haben, ist doch kein Argument in einer deutschen Debatte.
Im übrigen hätte ich gerne eine empirisch fundierte Darlegung, wieso der vermehrte Gebrauch des Englischen in Unternehmen, Hochschulen etc. die deutsche Sprache gefährdet.
Was wären denn die Kriterien? Spontane Beispiele:
— Rückgang der Sprecherzahl
— eingeschränkte Möglichkeit, sich in bestimmten Fachgebieten angemessen auszudrücken
— Ausschluss von bestimmten Teilen der Bevölkerung von der Teilnahme an entsprechenden Debatten
Einen Rüchgang der Sprecherzahl (gemeint sind Muttersprachler) sehe ich nicht. Gemeint ist hier die Aufgabe von Deutsch als Hauptsprache zugunsten einer anderen Sprache. Auch der anglophilste Werbefritze oder Wissenschaftler wird, wenn er in Deutschland lebt und Deutsch als Muttersprache hat, weiterhin hauptsächlich auf Deutsch kommunizieren. Hier setzt (Hoch-)Deutsch eher die autochthonen Minderheitssprachen unter Druck. (Ich rede von Deutschland, wie das in der viersprachigen Schweiz ist, weiß ich nicht.) Das sind meistens ganz pragmatische Prozesse, z.B. hat Deutsch im späten 19. Jhdt. den Gebrauch von Dänisch in Südschleswig stark zurückgedrängt.
Dass wir uns zu bestimmten Themen auf Deutsch nur eingeschränkt unterhalten können, könnte in manchen Wissenschaftsgebieten der Fall sein, wenn man auf die Zahl von Lehnwörtern, Lehnübersetzungen oder auf englische Begriffe zurückgehende Abkürzungen und Akronyme mitzählt. Dann sollte man aber fair sein und auch Latinismen und Gräzismen mitzählen 😉 Hier ist aber Ökonomie im Spiel: Wenn ich aus dem englischen Sprachraum neue Ideen, Theorien oder Modelle übernehme, dann eben mit dem Etikett, das schon dranklebt.
Und der Ausschluss von der Fremdsprache nicht mächtigen Sprechern von der Teilhabe an Debatten? Da sehe ich, wie schon früher ausgeführt, das Problem eher in der Fachkunde als in der Sprachkenntnis. Im Übrigen können Juristen in lupenreinem Deutsch höchst unverständliche Texte fabrizieren, und ich halte es für ein größeres Problem, wenn die Rechtssubjekte die Rechtsnormen nicht begreifen, als wenn jemand wie ich nicht versteht, was eine Astropühysikerin oder ein Managementtheoretiker von sich geben.
Eine unterstützenswerte Petition“Ich will keine Zuwandererfamilien, die sich bis in die dritte Generation weigern, die Sprache des Landes korrekt zu lernen, in dem sie leben!” Mit diesem recht unmissverständlichen Satz forderte die BILD-Zeitung ihre Leser im November dazu auf, eine Bundestags-Petition für die Aufnahme der deutschen Sprache ins Grundgesetz zu zeichnen. Inzwischen gibt es eine — unterstützenswerte — Gegenpetition, für die ich heute ausdrücklich werben möchte.