Es ist schwer, aus dem Wirrwarr der Diskussionen und Streitgespräche über die “(Kein) Deutsch ins Grundgesetz”-Petitionen einigermaßen diskussionfähige Argumente für oder wider herauszulesen. Mir war irgendwie danach, mal meine Highlights an Argumenten der Befürworter zusammenzutragen.
Der Einfachheit halber nenne ich die Befürworter der Aufnahme von Deutsch ins Grundgesetz “Befürworter” und die Gegner “Gegner”. Das klingt auf den ersten Blick paradox. Es ist aber übersichtlicher, als — von einer der beiden Petitionen aus betrachtet — die Menschen, die dafür sind, als “Gegner” (der Petition von Anatol Stefanowitsch) zu nennen und die, die dagegen sind als “Befürworter” zu bezeichnen oder andersrum. Wenn also alle Klarheiten beseitigt sind, kann es losgehen.
Argument 1: “19 Länder in Europa haben ihre Sprache in ihrer Verfassung verankert — und haben damit kein Problem.”
Nehmen wir die Liste vom VDS: Belgien, Bulgarien, Estland, Finnland, Frankreich, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Malta, Österreich, Polen, Portugal, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Zypern und Türkei.
Die Relevanz dieser Liste für die deutsche Situation müsste mir noch mal jemand genauer erläutern. Die meisten dieser Länder sind in ihrer linguistischen Aufteilung und Geschichte nämlich überhaupt nicht mit Deutschland vergleichbar.
Da wären beispielsweise die mehrsprachigen Nationen Schweiz oder Belgien, die mehrere Amtsprachen in ihren Verfassungen haben, wenn nicht sogar haben müssen. In diesen Ländern gibt es keine bzw. soll es formal keine übergeordnete Sprache geben. Spanien, das Spanisch als Amtsprache festgeschrieben hat, gewährt im fraglichen Paragraphen den Minderheitensprachen der jeweiligen Regionen den Status einer Amtssprache. Finnland (zwei Amtssprachen, Finnisch und Schwedisch) könnte man an dieser Stelle auch anführen: Ich kenne die Hintergründe nicht, aber es scheint, dass der Festschreibung in der Verfassung nicht allein die Festlegung auf Finnisch vorausging, sondern aufgrund der Geschichte und der linguistischen Situation auch die Gleichstellung von Schwedisch ein Faktor war, beide Sprachen festzuschreiben.
Einer zweiten Gruppe sind die Nachfolgestaaten der UdSSR und Jugoslawien zuzurechnen, deren Verfassungen noch sehr jung sind. In diesen Staaten sind die Verfassungen vor allem vor dem Hintergrund der schwierigen nahen Vergangenheit zu sehen. Das erklärt auch, weshalb beispielsweise in Estland, trotz des Viertels der Bevölkerung mit Muttersprache Russisch dieser Sprache kein Verfassungsrang eingeräumt wurde. Auch wenn die Spaltung von Tschechien vergleichsweise friedlich ablief, gehört die Slowakei ebenfalls in diese Gruppe. Dass die Vergangenheit und die Stärkung der nationalen Identität eine Rolle spielt, der Sprache Verfassungsrang einzuräumen, zeigt sich auch im Fall von Polen oder Malta (Kolonialvergangenheit). Zypern gehört ebenfalls dazu: eine gespaltene Insel, auch linguistisch.
Zu sagen, dass diese Länder keine Probleme hätten, ihre Sprachen in die Verfassung aufzunehmen, wir dagegen schon, ist sehr kurzsichtig. Für viele dieser Länder war es schlicht eine Notwendigkeit, es zu tun. Entweder aus einer geschichtlichen und oft traumatischen Erfahrung heraus (“Jetzt dürfen wir, also machen wir!”) oder von der Warte eines nativen ethnischen und linguistischen Flickenteppichs. Dann sind oft sogar mehrere und nicht nur die dominante Sprache in der Verfassung festgelegt.
Mir müsste an dieser Stelle also noch mal jemand einen guten Grund nennen, wo genau er/sie sieht, wir in Deutschland stellten uns “so zickig” an. (Das scheint ja fast ein Synonym für demokratische Streitkultur geworden zu sein.) Gleichzeitig fordere ich eine vernünftige Begründung ein, was der Vergleich mit anderen europäischen Staaten hier rechtfertigt bzw. welchen Nutzen er hat.
(Bei uns reichte ja noch nicht mal der reale PISA-Schock für einen ernsthaften Vergleich mit anderen Ländern und einem daraus abgeleiteten Versuch, es mal mit anderen Mitteln als dem Grundschulcasting zu probieren.)
Argument 2: “Die Sprache soll als Zusatz zu Artikel 22 im Grundgesetz genannt werden. Dort finden sich Hauptstadt und Flagge, die Sprache gehört dazu.”
In Artikel 22 steht derzeit “Die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland ist Berlin” (Absatz 1) und “Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold” (Absatz 2).
Die Nennung von Berlin in Artikel 22 gibt es erst seit der Föderalismusreform 2006. Diese Hauptstadtklausel war während der Verhandlungen nicht unumstritten. Seine Notwendigkeit wurde unter anderem damit begründet, dass die gesetzlich verankerte Verteilung der Bundesaufgaben zwischen Bonn und Berlin aufgehoben und der Umzug nach Berlin beschleunigt werden sollte. Außerdem muss man die Entstehung dieses Passus unter dem Eindruck der finanziellen Schieflage im Berliner Haushalt betrachten, inklusive möglicher finanziell ableitbarer Ansprüche des Landes Berlin.
Da Abschnitt II (Artikel 20–37) Staatsform, Staatsziele sowie die Beziehungen zwischen Bund und Ländern regelt, findet sich die Hauptstadtklausel hier. Seit 2006 gilt: “die Repräsentation des Gesamtstaates in der Hauptstadt ist Aufgabe des Bundes”. Der Absatz hat also weniger Symbolcharakter, als vielmehr eine konkrete Notwendigkeit im föderalen System. Das Bundesgesetz, das bis 2006 die Aufgaben zwischen Berlin und Bonn regelte (Berlin-Bonn-Gesetz) ist mit der Föderalismusreform in Artikel 22 aufgegangen.
Bis 2006 war in Artikel 22 also lediglich die Bundesflagge festgelegt. Dass die Gründerväter des Grundgesetzes diese Farben festschreiben ließen, ist wenig verwunderlich. Schwarz-rot-gold war nach dem Nationalsozialismus nicht offensichtlich, sondern sollte die Betonung der Staatsziele Deutschlands verkörpern und eine Rückbesinnung auf die Werte der Einigkeits- und Freiheitsbestrebungen des 19. Jahrhunderts symbolisieren. Betrachtete man die Bedeutung der Sprache Deutsch für die Einheitsbestrebungen und die Funktion als Staatssymbol, wäre hier wohl ein Platz dafür.
Allerdings ist die Notwendigkeit und der praktische Nutzen einer Nennung der Sprache — im Gegensatz zum geschichtlich motivierten Bekenntnis zur Flagge und der Festschreibung des Sonderstatus der Hauptstadt — höchst fraglich. Denn zu Staatssymbolen gehören zum Beispiel auch Nationalhymne, Siegel und Wappen wie der Bundesadler, Feiertage oder Ehrenzeichen wie das Bundesverdienstkreuz. Wo hören wir auf? Vor oder nach Karl-Theodor zu Guttenberg? Wie gesagt, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit.
Argument 3: “Die Gegner sagen, dass die Aufnahme nur symbolischer Natur wäre und keine Auswirkungen hätte. Gleichzeitig sagt der Petent, dass aus dem Verfassungsrang eine unerwünschte und gefährliche ‘restriktive Sprachpolitik’ resultieren könnte. Das ist ein Widerspruch.”
Diese Argumentation wirkt zunächst tatsächlich widersprüchlich. Wenn man die allgemeine Motivation der Befürworter betrachtet, nämlich die Sprache schützen zu wollen und ihr die “notwendige Anerkennung” zukommen zu lassen, hätte der Akt schlicht nur symbolischen Charakter. Die Sprache “schützen” zu wollen ist zwar auf den ersten Blick ein hehres Ziel — aber auch ein recht abstraktes, wenn nicht sogar besonders unsinniges Ansinnen. Deutsch ist nicht bedroht. Deutsch ist lebendig wie eh und jeh. Deutsch erfährt tagtäglich millionenfach Anerkennung, indem die Sprecher Deutsch nutzen. Sie ist nicht durch Englisch, nicht durch Türkisch und nicht durch Vegetarisch bedroht. Möchte jemand wirklich ernsthaft behaupten, Deutsch sei nicht die Sprache des öffentlichen Raumes?
Deutsch verfällt auch nicht. Autor Matthias Schumacher fügte den vielen Metaphern für Sprachwandel eine weitere schöne hinzu und schrieb in einem Kommentar bei Stefan Niggemeier: “Sprache ist wie Wasser. Sie bahnt sich ihren Weg”. Anders gesagt, würde man Deutsch ernsthaft (vor Veränderung) “schützen” wollen, müsste man in der Logik der Befürworter eigentlich aufhören, sie zu sprechen.
Die zweite Motivation offenbaren die Initiatoren der Für-Petition ganz konkret: Der neue Satz im Grundgesetz bilde “(1) einen bindenden Auslegungsmaßstab für die gesamte Rechtssprechung und (2) einen möglichen Ausgangspunkt für künftige Gesetzgebung”. Allerdings ist die Amtsprache in Deutschland für die Rechtsordnung und ‑sprechung längst widerspruchsfrei geregelt (z.B. §23 BVwVfG und in den entsprechenden Verwaltungsrechtsgesetzen der Länder).
Punkt 2 ist der gefährlichere Knackpunkt: Ausgangspunkt für künftige Gesetzgebung — lassen Sie es sich auf der Zunge zergehen — kann nur als Aufforderung für eine ‘restriktive Sprachpolitik’ gemeint sein oder als Ausgangspunkt für unnötige, verfehlte oder überzogene Verfassungsklagewellen dienen. Der VDS ging schon mal mit gutem Beispiel voran und stellte Strafanzeige gegen die Autobahnpolizei Nordrhein-Westfalen, weil sie Autobahnen mit einem Banner mit der Aufschrift “check your distance” verzierte. Begründung: “Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr.” Es wäre sogar eine ganz nette Satire. Aber die meinen das ernst.
Von Widerspruch in der Gegen-Petition kann bei näherem Hinsehen keine Rede sein.
Argument 4: “Ich will kein Grundgesetz auf Türkisch.”
Das wird für einige jetzt sehr, sehr schmerzhaft: Das Grundgesetz auf Türkisch gibt es längst.
(Oh weh, und direkt beim Bundestag gibt es unsere Verfassung sogar auf Englisch, Französisch, Spanisch, Polnisch und, wenn ich mich recht entsinne, auf Russisch [derzeit keine Bereitstellung beim Bundestag].)
Viel entlarvender ist aber der Hintergrund dieser Aussage: Sie offenbart, worum es in der Diskussion eigentlich geht. Und worum es besonders immer dann geht, wenn auf leere Argumente noch hohlere Phrasen folgen. Dass Migranten ermutigt und meinetwegen auch aufgefordert werden sollen, zur Teilhabe am Gesellschaftsleben die deutsche Sprache zu lernen, steht doch völlig außer Frage. Erschreckend ist aber, wie schnell die Argumente ganz nahe an einen ekligen — oder darf ich sagen “braunen”? — Sumpf geraten. Die sprachlichen Nachteile für Migranten sind ein gesellschaftliches Problem — aber keines fürs Grundgesetz und erst recht keines der deutschen Sprache, die deshalb besonderer Aufmerksamkeit oder verfassungsrechtlicher Anerkennung bedürfte.
Argument 5: “Die Aufnahme hätte eine Symbolwirkung für Integration.”
Jetzt weiß ich wirklich nicht, wo ich anfangen soll. Symbol. Integration.
Also lasse ich es bleiben und frage anders: Wäre es nicht auch langsam mal angebracht zu fragen, was wir, also was die “richtigen oder schon-immer-richtigen Deutschen” für die Integration tun? Wäre es nicht sinnvoll, Integration endlich als wechselseitige Aufgabe zu begreifen? Wir rufen immer nach Integration, beklagen die mangelnde Integrationsfähigkeit und glauben Multi-Kulti sei ein Wunschkonzept, nicht aber Realität.
Wir sind gleichzeitig völlig unfähig, alles und jeden ohne teutonischen Stammbaum in unseren Wahrnehmungsbereich zu integrieren. Wahlweise trifft das auch Menschen mit Namen, die auf -itsch, ‑ic oder -türk enden oder deren Hautfarbe nicht einem bestimmten Hexcode entspricht.
Vorwurf I: “Die Gegen-Petition ist unsinnig.”
Mir wurde von einem mittlerweile als Troll enttarnten und von besonders schwerer Schizophrenie geplagten Kommentator im Sprachlog unterstellt, ich würde “jeder Aussage eines Höhergestellten blind folgen”. (Der Vorwurf ist eigentlich zu lächerlich, um ihm hier Platz einzuräumen, aber ich fand die Formulierung so schön.) Ums blinde Folgen geht es aber auch nicht. Die Petition ist eine Antwort auf eine Petition des VDS und VDA, die ohne diese nicht eingereicht worden wäre. Ich halte sie deshalb für notwendig und richtig. Und sie ist vor allem Ausdruck einer demokratischen Teilhabe. Das kann ich sogar ganz alleine entscheiden.
Von beiden Seiten wurde dem Petenten übrigens vorgeworfen, er wolle nur mediale Aufmerksamkeit oder VDS und/oder Bild mit deren Waffen schlagen. Das ist eine eigenartige Auffassung von Demokratie. Eine Petition ist eine Möglichkeit zur politischen Einflussnahme — für jeden. Nicht nur für Bild oder Sprachvereine oder Populisten oder sonstige Querdenker, aber eben auch für diese.
Mir persönlich fällt es schwer, die Befürworter per se als ‘Feinde der vielstimmigen Gesellschaft’ zu betiteln. (Umgekehrt wehre ich mich dagegen, als “Feind der deutschen Sprache” bezeichnet zu werden.) Aber, und das zeigen Forumsbeiträge beider Petitionen, Blogkommentare, VDS-Forendiskussionen, viele Aussagen von Politikern und sonstigen Befürwortern: Es geht eigentlich gar nicht um Deutsch, vermutlich nicht mal um Anglizismen oder Sprachwandel. Es geht schlicht um die Frage, wieviel Realität wir anzuerkennen im Stande sind. Und der erschreckende Verdacht ist leider: sehr, sehr wenig.
Soll heißen: Die Diskussion dreht sich doch längst nicht mehr um die Sprache im Grundgesetz. Zumindest nicht auf Seiten vieler, obgleich nicht aller Befürworter. Sie driften sehr oft und sobald ihnen die Argumente ausgehen in einen dumpfen Populismus ab, der sich ohne Begriffe wie “latenter Rassismus” und “Deutschtümmelei” leider gar nicht mehr adäquat beschreiben lässt.
Vorwurf II: “Befürworter als ‘Kleingärtner’ oder ‘Sprachnörgler’ zu bezeichnen ist arrogant und herablassend.”
Mag sein. Und möglicherweise ist diese Wortwahl sogar zu Recht zu kritisieren — aber auch ich benutze bewusst ‘Nörgler’ oder ‘geistige Tiefflieger’. (Hinweis: Es sind Bilder.) Denn erstens hat die Auseinandersetzung zwischen Sprachkritikern und Sprachwissenschaftlern eine recht lange Tradition und eine sachliche Diskussion steht selten auf der Tagesordnung. (Nur fürs Protokoll, nicht als Entschuldigung oder gar Rechtfertigung: im VDS-Forum ist wiederholt vom “Blockwart (aus Bremen)” die Rede, gemeint ist Anatol Stefanowitsch.)
Das Vokabular wäre vielleicht neutraler, wenn sich beide Lager mehr zu sagen hätten — ein Vorwurf, dem sich die Sprachwissenschaft durchaus bewusst ist. Förderlich wäre sicherlich auch, wenn sich die Riege der Nörgler in Sprachfragen den Argumenten der Sprachwissenschaft(ler) zumindest zugänglich zeigten. Und zweitens — hier bin ich natürlich befangen — wird unsere Disziplin im besten Fall belächelt, im schlimmsten Fall wird ihr die Daseinsberechtigung abgesprochen. Warum? Weil wir nach Meinung der selbsternannten Sprachpfleger von Steuergeldern finanziert die Sprache beobachten und trotzdem nichts tun, um die Sprache zu schützen, geschweigedenn nützliche Ergebnisse produzieren. Diese Haltung ist kleingeistig — ignorant und herablassend ist sie noch dazu.
Argument 6: “Wem würde Deutsch im Grundgesetz denn weh tun?”
Tja. Wenn das beste Argument, die Sprache ins Grundgesetz aufzunehmen, die Tatsache sein soll, dass es aus Sicht der Befürworter keins dagegen gibt… (Herzlichen Dank an einen Kommentator im Petitionsforum für diese Beobachtung.)
Sie sehen die Hilflosigkeit?
Fazit
Wenn Ihnen in diesem Beitrag ein triftiges Argument gegen die Aufnahme fehlt, dann fehlt es Ihnen vermutlich aus einem bestimmten Grund.
Ich meine mich zu entsinnen, dass unsere Bundeskanzlerin einmal sagte, das Grundgesetz sei kein Wunschzettel. Deutsch bedarf keiner gesonderten Stellung (Kriterium Notwendigkeit), weder um sie zu schützen, noch um die “Integration” zu fördern — im Gegenteil (Kriterium der Gefahr für Integration). Förderung der sprachlichen Verständigung in diesem Land geht nicht über sechs Wörter im Verfassungstext.
Ich sage es nicht oft, aber in dieser Hinsicht ist der Status Quo ausreichend. Und wer die Sprache als “Identifikationsmerkmal” noch nicht für sich entdeckt hat, muss ein bemitleidenswert stilles Leben führen.
[Edit, 25. Januar, 10:45. Zur Erinnerung: Die Petition zur Mitzeichnung findet sich unter http://goo.gl/guB7e.
Weitere Informationen finden sich mit Links nach wie vor bei Anatol Stefanowitsch (u.a. hier) und auch bei Facebook.]
[Edit, 25. Januar, 22:00. Ich musste den Beitrag nach seiner Veröffentlichung sprachlich korrigieren; jetzt ist eine inhaltliche Korrektur hinzugekommen. In der früheren Version sprach ich davon, dass der VDS die Polizei in NRW verklagte. Das ist falsch. Natürlich stellten sie eine Strafanzeige (gegen die Autobahnpolizei in NRW). Ich bitte diesen Schnitzer zu entschuldigen.]
Ich finde leider grade keine adäquate Form, meine Begeisterung über diesen Post in Worte zu fassen. Aber: Sie ist enorm. Ganz enorm!
[P.S.: Service mal wieder temporary unavailable …]
[@Kristin: Vielen Dank. Ich habe jetzt mal den hostseitigen Spamfilter deaktiviert. Tja, wenn das Kommentarego größer ist, als die Spamtoleranz… Aber sagen wir einfach mal, ich lasse mich im Dienste des offenen Diskurses zumüllen.]
Danke für diese ausführliche Zusammenfassung und die klaren Argumente! Ich wollte mich gerade selber daran machen, jetzt kann ich stattdessen ein paar BA-Arbeiten korrigieren…
Und nur zur Erinnerung: Die Petition kann man hier unterschreiben: http://goo.gl/guB7e
Und auf Facebook findet man uns unter http://www.facebook.com/keindeutschinsgrundgesetz
Ich bedanke mich auch — “aus der Seele gesprochen” trifft es.
“Mein” wesentliches Argument gegen eine statische Fixierung von Sprache (Duden, Verfassung, wo auch immer):
Sprache ist durch ununterbrochene Benutzung durch lebende, interagierende und kommunizierende Menschen einem dauernden, zugegeben mitunter herben Wandel unterworfen — und bildet damit den Wandel und die Veränderung “unserer Welt” und unsere (jeweils!) aktuelle soziale und damit eben kommunikative Realität nahezu mühelos, wie nebenbei, ab.
Hätte es (zum Beispiel) Anfang des 20. Jahrhunderts eine — wie jetzt aktuell (mal wieder… das ist ja nicht neu) geforderte und quasi einklagbare Fixierung (Verfassungsrecht!) der gesprochenen und/oder geschriebenen Sprache, zumal ihrer “offiziellen” Ausprägung, gegeben, hätten wir heute vermutlich arge Probleme, die tägliche Kommunikation locker und zeitgemäß zu gestalten — “halten zu Gnaden”, wer will das noch? “Deutschlands meiste Kreditkarte” war (und ist) erstmal falsch bzw. “Quatsch”, aber jeder hat’s verstanden — der “Claim” passte zu “seiner” Zeit.
Sprache ist nicht starr. Das Leben sowieso nicht.
Meine Haltung zum “Sprachwandel” ist nicht nur “sprachlich”, sondern — wie bei anderen Teilnehmern der Diskussion aber machen die sich so klar? ‑sozial und politisch begründet (denn soziale und politische Realität wird, wie ausgeführt, durch Sprache abgebildet):
Ich möchte in einem Land* leben, das erkennt und bejaht, dass es zum einen eben nicht “die eine Wahrheit” gibt und dass es zum anderen keinen statischen (sprachlichen oder sozialen) Zustand gibt bzw. geben kann — wir leben, und damit lebt unsere Sprache. Deutsch ist nicht tot oder bedroht — Deutsch lebt als Sprache, und diese deutsche Sprache ist dabei äußerst viril und setzt sich mühelos immer wieder gewandelt, aber erkennbar durch.
Ich möchte in einem Land leben, das aus seiner eigenen realen Gestaltung des Miteinanders und des Kommunizierens heraus lebt und sich und seine Gegenwart und Zukunft offen und selbstbewußt, aber ohne Ängste gestaltet — und GsD trifft das auch zu, auch und gerade festzustellen am sprachlichen Wandel in eben unserer Sprache**.
*Disclaimer I: Die Aussage/Haltung mit dem “Land” spreche ich ausdrücklich auch jedem anderen “Land” und dessen Sprache zu, natürlich — es geht mir nicht nur um die deutsche Sprache, sondern auch um jede andere Sprache.
**Disclaimer II: Ich weiß, dass der Verfassungsrang einer Sprache die Veränderungen der Sprache nicht unbedingt verhindern muss — aber er kann es, und ich fürchte eben, dass er es auch würde.
Auch wenn ich das eine oder andere Argument nachvollziehen kann, so verstehe ich nicht, wieso sich Deutsch als Sprache nicht auch nach Aufnahme in die Verfassung weiter entwickeln kann.
Andererseits sehe ich es schon als Affront gegen die Bürger unseres Landes an, wenn mit Staatsgeldern finanzierte Forschergruppen ihre Webseiten ausschließlich auf Englisch betreiben (um mal ein Beispiel zu nehmen). Oder nehmen Sie einmal die Tatsache, das deutsche Professoren Lehrbücher mittlerweile ausschließlich in englisch veröffentlichen, sich dafür aber gut von deutschen Steuerzahler bezahlen lassen. Sicher gibt es Internationalisierung etc. aber deshalb muß man ja seine Muttersprache nicht verleugnen oder als fünftes Rad am Wagen sehen.
@Kommentator: In der Für-Petition geht es sogar gar nicht darum, Deutsch zu fixieren. (Obgleich dieser unerfüllbare Wunsch wohl aber im großen Ganzen zugrunde liegt, wenn die VDS-Meinungen in Foren und Vereinszeitschriften als Indikator herangezogen werden können.) Der Sprachwandelprozess wird auch in den Beiträgen in den Petitionsforen nicht per se in Frage gestellt. Deshalb bin ich auf diesen Punkt nur sehr beiläufig eingegangen; auch, weil mich die Diskussion darüber mittlerweile schon eher nervt, weil ich in dieser Hinsicht genauso gut mit meiner Yukkapalme reden könnte.
@Steffen: Die Sprache wird sich weiterentwickeln, natürlich, Grundgesetz hin oder her; darum geht es ja nicht. Dass deutsche Forschergruppen ihre Seiten nicht auch auf Deutsch einstellen, ist natürlich nicht nachvollziehbar, da es relativ wenig Aufwand bedeutet, auch auf Deutsch zu präsentieren. Aber: Sie erwecken mit diesem Beispiel den Eindruck, dass das alle Forschergruppen betrifft. Das ist nicht der Fall. (Nehmen Sie “meine” ehemalige Forschergruppe als Beispiel; Sie finden den Link in meinem Lebenslauf.) Darüber hinaus werden Forschergruppen nicht nur für den (interessierten) deutschen Steuerzahler im Netz präsentiert — aber natürlich auch für diese! — sondern vor allem für die Fachkollegen in aller Welt.
Wenn Professoren auf Englisch publizieren, egal welcher Art (Artikel oder/und Lehrbücher), dann geschieht das nicht aus der Motivation heraus, die Muttersprache zu verleugnen. Ich halte Deutsch nicht für das fünfte Rad, weil ich meine Magisterarbeit auf Englisch eingereicht habe (und veröffentlichen werde). Wer glaubt, dadurch seien Studenten oder Leser ausgeschlossen, der verkennt, dass die Beherrschung der Wissenschaftssprache Englisch — übrigens ein eigenes und erlernbares Register — eine notwendige Qualifikation ist, ohne die es sich im akademischen Rahmen schlicht nicht überleben lässt. Das lernen Studenten aller Fachrichtungen im ersten Semester. Es geht also nicht nur darum, dass deutsche Wissenschaftler international gelesen werden, sondern auch, dass Professoren, Forscher und Studenten von internationaler Forschung profitieren.
‘Wir sind gleichzeitig völlig unfähig, alles und jeden ohne teutonischen Stammbaum in unseren Wahrnehmungsbereich zu integrieren. Wahlweise trifft das auch Menschen mit Namen, die auf ‑itsch, ‑ic oder ‑türk enden oder deren Hautfarbe nicht einem bestimmten Hexcode entspricht.’
Ist das Ihr Ernst?
Wen meinen Sei mit ‘Wir’?
Ich bin aufgewachsen in einer Kleinstadt.
Habe studiert in einer mittelgrossen Stadt.
Arbeite seid Jahren in Frankfurt.
In jedem dieser Umfelder gab und gibt es eher mehr als weniger gut integirerte Migranten.
Aber eine Spezies auf deutscher Seite mit der angedeuteten Geisteshaltung ist mir so nicht begegnet.
Selbst wenn ich angestrengt nachdenke fallen mir namentlich keine Beispiele dafür ein. OK, vielleicht einer.
Lebe ich in einem anderen Land wie Sie? Oder habe Sie aus irgendeinem Grund viel mit rechtsradikalen Gruppierungen zu schaffen?
Jedenfalls kann ich Ihre Verve gegen eine meiner Meinung nach (naive) harmlosen Petition nicht nachvollziehen. Ich habe mit Freunden aus dem Senegal, aus dem Iran, aus Kroatien und aus der Türkei darüber gesprochen. Die verstehen das Problem auch nicht.
@RD:
Hier bin ich fast geneigt zu sagen: Ja, offensichtlich. In Ihrem und meinem Mikrokosmos mag die Integration oberflächlich vielleicht funktionieren oder zumindest ist “gelebte” Integration für uns selbstverständlich. Aber von sich auf andere zu schließen, war noch nie besonders hilfreich, um das große Ganze zu erfassen. Das Land bzw. die Gesellschaft, von dem/der ich spreche, hat eine solche Geisteshaltung. Wenn Sie daran noch Zweifel haben, würde ich Sie zur Strafe verhaften, sich jeden der fast 400 Beiträge im Petitionsforum laut vorzulesen. Könnte sehr erleuchtend sein, was den Zustand unserer “deutschen Wahrnehmungsfähigkeit” betrifft.
Es würde mich doch sehr wundern, wenn Ihre Freunde nichts zum Thema mangelnde Integrationsfähigkeit der deutschen Gesellschaft sagen könnte. Oder Frage: Welches Problem verstehen diese nicht? (Ist jetzt ein genuines Verständnisproblem auf meiner Seite.)
Ich bin auch auf dem Land aufgewachsen. Katholisch, süddeutsch, konservativ. Der einzige Migrant in meiner Stufe war ein Schweizer. Jetzt wohne ich seit fast zehn Jahren in der großen Stadt. Die Ausprägungen von Anerkennung und Ablehnung sind sehr unterschiedlich, das Resultat ist letztendlich aber dasselbe. Ich behaupte noch nicht mal, dass die Deutschen latent fremdenfeindlich sind, im Gegenteil. Und ich streite nicht ab, dass sich auch etwas tut, in sehr positiver Hinsicht. Aber wir sind als Gesellschaft immer noch so eigenwillig, Menschen, die seit Generationen hier leben, alle drei Jahre für einen Stempel auf die Ausländerbehörde zu schicken. Mir sagte ein hier geborener Türke, dass er die ihm verliehene deutsche Staatsbürgerschaft manchmal eigentlich gerne zurück geben würde: “Früher war ich halt der Türke. Aber heute bin ich es immer noch.”
Wir müssen als Gesellschaft auch anerkennen (locker bleiben, sozusagen), nicht immer nur fordern.
[Edit, 29. Januar, 22:31. Ich war versucht, einen Teil meines Beitrages durch den folgenden Link zu ersetzen. Jetzt überlasse ich Ihnen einfach den Hinweis auf einen taz-Artikel: “Deutschtürken wandern aus” (taz, 25. Januar 2011). Soviel dazu.
braunen“? – Sumpf
Nörgler
geistige Tiefflieger
Na dann,… wenn ich so sehe mit was da alles die “Befürworter der Petition” tituliert werden, lässt einen ja fast vermuten das aus ad hominem nichts gegen die Aufnahme der deutschen Sprache spricht… fast schon widerlich dieser Diskussionsstil… hart am menschenverachtend
@Klugscheisser: Ich habe die Wortwahl sehr wohl kritisiert (und gehe mit “dem braunen Sumpf” sehr vorsichtig um, das Fragezeichen könnte ein Hinweis gewesen sein); außerdem habe ich erläutert, weshalb diese Begriffe trotzdem verwendet werden und dass sie nicht auf alle Befürworter anzuwenden sind, ist auch klar gestellt. Tja, und wenn selbst das Wort ‘Befürworter’ nicht mehr positiv (oder zumindest als wohlwollend gemeint) interpretiert wird, dann können wir gleich beim Nörgler bleiben — weil sowieso alles böse ist.
Außer den ad hominem-Angriffen, wie Sie sie nennen, war mir von Anfang an klar, dass von der Gegenseite kein noch so gut begründetes Argument zählen wird (Sie hätten mich auch gerne vom Gegenteil überzeugen können). Wenn Sie sich angesprochen fühlen, wird es also einen Grund geben. Darüber hinaus hätten Sie sich auch die Mühe machen können, meinen Beitrag in seiner Gänze zu lesen und zu interpretieren — durch selektives Querlesen wird Ihre Argumentation nämlich auch nicht besser (oder verständlicher) und die Aufnahme der Sprache nicht unterstützenswerter.
taz-Artikel: „Deutschtürken wandern aus“
die linke taz, so so, jetzt verstehe ich die Motivation hinter Ihrer Gegenpetition…
hier ein Artikel über die linke Gewalt
[Link gelöscht, SF]
Und hier ein Artikel aus einer mal nichtlinken Zeitung
[Link gelöscht, SF]
Was meinen Sie dazu? Ihren linken Artikel habe ich ja gelesen. Ich finde schade, dass manchen es hier nicht gefällt und sie auswandern. Ich finde die Inländerfeindlichkeit auch schade. Schreibt die taz was darüber?
[Ich habe mich entschlossen, die hier verlinkten Artikel zu löschen. Diesem Entschluss ging ein langer innerer Kampf zwischen dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit und der Frage nach der Duldung rechter Gesinnung voraus. Schlussendlich halte ich es aber für nicht vertretbar, der Verbreitung rechter Gesinnung eine Plattform in meinem Blog einzuräumen. SF, 05. Februar 2011.]
@Ümit Maier: Spannend, dass Sie von der Verlinkung eines taz-Artikels auf mein Toleranzlevel bei linker Gewalt schließen. Sie machen sich ja noch nicht mal mehr die Mühe, eine absurde “Beweiskette” anzuführen.
Ansonsten: qed.
(Wenn Ihnen das nicht deutschlich genug war: Bleiben Sie bitte beim Thema des Posts.)
Ist also schon endlich mal das Thema hier ‘Plurazentrizitaet’ vs. ‘Ethnozentrizitaet’, d.h. eine vielfaltige gegenueber einer eintoenigen Gesellschaft als wuenschenswerte Zukunft? Ich aber halte mich weder fuer Tuemler noch fuer Sprachnoergler noch sowas extrem Negatives, wenn ich allerdings behaupte, auch die Franzosen pflegen ‘Sprachschutz’, prangert doch kein Franzose dagegen an, die Sarkosy Regierung sei faschistisch, noerglerisch und nagativ usw.. Sie seien einfach Liebhaber ihrer franzoesischen Muttersprache.
Mir scheint das, wie’s die Briten so schoen sagen, eine Double-Standard, oder?
Pingback: Frischer Wind
Es ist ja schon bedauerlich, solche Sprueche wie die obige aus irgendwelcher Zeitung zu lesen, auch der BILD-Zeitung. Nur ist das Problem dermassen zugespitzt, dass es in Wirklichkeit so aussieht, dass besonders Muslimen, sowohl in Deutschland als auch in ganz Europa, selbst in den USA, IHRE Sprache, IHRE Kultur, IHREN Glauben auf die Mehrheit auferlegen wollen, anstatt sich an die Sprache, die Kultur, doch ebenfalls zum Teil, den Glauben, der Mehrheit anzupassen!
Muslimen verlangen es, dass Neueingebuergerte, insbesondere Besucher, Aussiedler usw.. in ihren Laendern, im Aegypten, in Libyen, Saudi-Arabien… die strengen Gesetze deren islamischen Gottesstaats befolgen. Wie heuchlerisch also, dass Einwanderer aus diesen Staaten nach juedaeisch-christlichem Westeuropa einen anderen Standard des eigenen Benehmens verlangen, als zu Hause, sehen ihre Prioritaeten als Herrscher, nicht als Mitbuerger.
“Deutsch ist nicht bedroht. Deutsch ist lebendig wie eh und jeh. Deutsch erfährt tagtäglich millionenfach Anerkennung, indem die Sprecher Deutsch nutzen. Sie ist nicht durch Englisch, nicht durch Türkisch und nicht durch Vegetarisch bedroht. Möchte jemand wirklich ernsthaft behaupten, Deutsch sei nicht die Sprache des öf-fentlichen Raumes?
Deutsch verfällt auch nicht. …”
Wenn von den heute 90 Millionen Deutschsprachigen noch, sagen wir mal, 9 Millio-nen übrig sind, kann und wird man immer noch argumentieren: „Deutsch erfährt tagtäglich millionenfach Anerkennung, indem die Sprecher Deutsch nutzen.“
Mit Verlaub, es ist fast alles Unsinn, was da steht. Vermutlich kommt er daher, daß die Autorin noch sehr jung ist und die Veränderungen nicht aus eigenem Erleben kennt. Es ist wie bei den Dialekten: Sagt man einen Zwanzigjährigen, sie seien am Verschwinden, ist er erstaunt und bringt 1000 Beispiele, wie lebendig sie doch noch sind. Ein Sechzigjähriger aber wird sagen: Sie sind fast ganz verschwunden; was an Resten noch da ist, hätte man in seiner Kindheit für reines Hochdeutsch gehalten.
Selbstverständlich ist Deutsch nicht durch Türkisch bedroht, dessen Einflüsse kann man völlig vernachlässigen. Beim Englischen ist es ganz anders. Mir ist unverständ-lich, wie man der Tatsache keine Bedeutung zumessen mag, daß an den Universitä-ten Deutsch zum Teil schon verschwunden ist, zum Teil in Kürze verschwunden sein wird, und zwar gezielt abgeschafft. Die Abschaffung ist nämlich erklärtes Ziel der Wissenschaftspolitik.
Das ist von überragender Bedeutung, von weit größerer als z. B., daß in wichtigen Teilen der Wirtschaft heute englisch gesprochen wird und die Sprache der Werbung eine Mischsprache und des Computerwesens aus Deutsch und Englisch ist. Denn nicht nur, daß fast die Hälfte der jüngeren Bevölkerung eine prägende Zeit ihres Le-bens an den Universitäten verbringt: Man wird bald immer mehr und vor allem im-mer mehr Wichtiges auf deutsch nicht mehr ausdrücken können – in weiten Teilen der Wissenschaft ist das jetzt schon der Fall -, weil die Wörter fehlen. Ob die deut-sche Sprache dadurch ganz verschwinden wird oder als Küchen- und vielleicht sogar Literatursprache weiterleben, läßt sich nicht sagen; Bespiele gibt es in der Geschich-te für beides in Fülle. Sollte sie in Schrumpfform weiterleben, wird sie sich mit Si-cherheit in Kürze so verändert haben, daß sie ein Heutiger nicht mehr verstehen könnte. Hätte man jemandem vor 50 Jahren einen typischen heutigen deutschen Text gezeigt, die Wahrscheinlichkeit wäre – natürlich abhängig vom Thema — hoch gewesen, daß er ihn nicht verstanden hätte. Dazu muß man nicht Extremfälle z. B. aus der Computerwelt nehmen.
Ob man die Veränderung einfach eine Veränderung nennen kann oder einen Verfall nennen muß, ist eine andere Frage. Schon ein flüchtiger Blick auf einen gedruckten Text, der einige Jahrzehnte alt ist, und einen typischen heutigen spricht aber sehr für Verfall. Dabei spielt aber wohl nicht die Anglifizierung die Hauptrolle.
Wiederum eine ganz andere Frage ist, ob die Aufnahme ins Grundgesetz sinnvoll ist, und noch eine andere, ob man überhaupt etwas gegen die Abschaffung des Deut-schen tun sollte. Vielleicht gibt es gute Gründe, den Wechsel in eine andere Sprache zu unterstützen. Ich aber bin aus einfachen und ganz egoistischen Gründen dage-gen: Ich bin daran interessiert, mich auch mit jüngeren Mitmenschen unterhalten zu können, und es paßt mir nicht, daß fast alles, was ich in meinem Leben geschrieben habe, Makulatur ist, weil es keiner mehr lesen kann oder will.
“Die Abschaffung des Deutschen” (??) kaeme doch niemandem in Frage, soweit ich weiss. “Mit (baldigem) Aussterben bedroht” ist beinahe jede Sprache mit schrumpfender Sprecheranzahl, auch das Deutsche, ebenfalls das Englische, d.h. in seiner gegenwaertigen Standardform. Hoechtswahrscheinlich werden Minderheitssprachen lediglich in eine mutierte Kauderwelsch-Sprache entwickeln, ein Potpouri jeglicher Wortmischungen-:)
Pingback: */ˈdɪːkæf/ – coffee & linguistics» Blogarchiv » Flädlesupp IV: Integration in Neukölln
“coffee & linguistics”? Und dann wird auf Deutsch, und nicht konsequent auf Englisch argumentiert und kommentiert, dass “Deutsch nicht ins Grundgesetz” gehört? …
Wenn das mal nicht selbst das beste Argument auf dieser Seite GEGEN die Intention dieser Seite ist…
Es geht weiter:
http://www.deutschlandfunk.de/deutsch-ins-grundgesetz-sprache-ist-viel-viel-mehr-als-ein.691.de.html?dram%3Aarticle_id=333169
Danke für den Hinweis! Es ist leider derzeit nicht die einzige Wortmeldung in diese Richtung. Ich kann da hoffentlich relativ bald etwas Zeit freischaufeln.
Vielen Dank für diese sachliche Zusammenfassung der Debatte!
Selbst 10!!! Jahre später hat er leider seine Relevanz nicht verloren.