Namenlandschaften 1: Große Flächen

Von Kristin Kopf

Über die Feiertage ist mir mal wieder aufge­fall­en, wie prä­gend Namen für eine Gegend sein kön­nen. Wenn ich in den Süden fahre, merke ich nicht nur am isch und kannsch und weisch, dass ich zuhause angekom­men bin, son­dern auch daran, dass die Leute plöt­zlich Him­mels­bach, Göp­pert und Ohne­mus heißen.

Und tat­säch­lich sind alle Namen, die mir typ­isch vorka­men, in “meinem” Land­kreis oder einem direkt angren­zen­den mit Abstand am häu­fig­sten. Um noch mehr solch­er Namen zu find­en, habe ich dann die Face­book­fre­unde mein­er Ver­wandtschaft durchgeschaut, was sich als exzel­lente Strate­gie erwiesen hat. (Man kön­nte da richtig kreativ wer­den mit Face­bookpro­filen: Öffentlich zugängliche Pro­file mit Wohnor­tangaben automa­tisch auswerten und damit ein “Namen­pro­fil” eines Ortes erstellen. Namen von Leuten, die noch zur Schule gehen, kön­nten dabei ein stärk­eres Gewicht bekom­men, weil sie eher noch an ihrem Herkun­ft­sort leben. Oder Namen von Leuten, bei denen Wohn- und Schu­lort iden­tisch sind. Großstädte wer­den wegen der vie­len Umzieherei ignori­ert. Etc. Aber ich fürchte, das gren­zt dann schon an Ille­gal­ität und set­zt kein so gutes Zeichen in punc­to Datenschutz.)

Wenn man nun Namen als typ­isch im Ver­dacht hat, wie kriegt man raus, wie häu­fig sie wo sind? Als am besten geeignet für solche Zwecke haben sich Dat­en aus elek­tro­n­is­chen Tele­fon­büch­ern her­aus­gestellt – darin sind die Namen ja ganz genau bes­timmten Postleitzahlen­bere­ichen zuge­ord­net. Mit­tels bes­timmter Com­put­er­pro­gramme kann man sie dann pri­ma auf ein­er Deutsch­land­karte verorten.

Ide­ale, aber lei­der nicht öffentlich zugängliche Möglichkeit­en dazu hat der Deutsche Fam­i­li­en­na­me­nat­las (ein Pro­jekt der Unis Mainz und Freiburg, mit Tele­fon­buch­dat­en von 2005), aber es gibt auch im Inter­net eine sehr brauch­bare Option, auf die ich hier schon ein­mal ver­wiesen habe, näm­lich Geogen (mit Tele­fon­buch­dat­en von 2002).

Unterteilt in zwei kleinere Beiträge will ich zunächst ein­mal zeigen, welche Namen es über­all gibt und bei welchen man trotz recht weit­er Ver­bre­itung großflächige Unter­schiede erken­nen kann (heute) und dann die ein­gangs erwäh­n­ten Namen zeigen, die für einen ganz bes­timmten Land­kreis typ­isch sind und son­st fast nir­gends in Deutsch­land auftreten (lat­er this week).

Die Überall-Namen: Müller und Schmidt

Natür­lich gibt es so einige Namen, die über­all in Deutsch­land in großer Zahl auftreten. Die Top 10 aus dem Jahr 2000 find­en man zum Beispiel im großar­ti­gen (und aus unerk­lär­lichen Grün­den nicht mehr aufgelegten) dtv-Atlas Namenkunde von Kon­rad Kun­ze: Müller, Schmidt, Schnei­der, Fis­ch­er, Mey­er, Weber, Schulz, Wag­n­er, Beck­er und Hoff­mann. Ich habe hier mal drei davon raus­gepickt, näm­lich Müller (Platz 1), Schmidt (Platz 2) und Fis­ch­er (Platz 4):

(Die Angabe ist rel­a­tiv zur Bevölkerungszahl des jew­eili­gen Land­kreis­es (damit die dichtbe­siedel­ten Gebi­ete nicht bess­er daste­hen). Die Zahlen geben die Tele­fo­nan­schlüsse an, hin­ter jedem Anschluss ver­mutet Geogen 2,666… Personen.)

Wie Ihr seht, sieht man qua­si nichts. Diese Namen deuten grade mal auf den deutschen Sprachraum hin und sind vielle­icht höch­stens auf Karten unser­er Nach­bar­län­der interessant.

Die großflächigen Namen

Andere Namen sind nicht in ganz Deutsch­land zu find­en, son­dern zeigen charak­ter­is­tis­che Verteilun­gen. Da kann man immer­hin grob ein­schätzen, woher die Namen­träger kom­men kön­nten. Das kann ganz ver­schiedene Gründe haben, zum Beispiel:

Lautliche Unterschiede: Pape und Pfaff

Auf niederdeutschem Gebi­et gab es keine Zweite Lautver­schiebung (p zu pf oder f/ff), daher sind dort eher unver­schobene Vari­anten zu erwarten (obwohl viele Namen ver­hochdeutscht wur­den). Kun­ze hat z.B. eine Karte mit Pape und Pfaff (geht bei­des auf lat. papa zurück und beze­ich­net den Pfar­rer). Wie erwartet konzen­tri­ert sich das ver­schobene Pfaff im hochdeutschen Sprachraum und das unver­schobene Pape im niederdeutschen, hier mit Geogen nachgebastelt:

(Über­schnei­dun­gen gibt es in den Land­kreisen Ver­den und Kas­sel sowie der kre­is­freien Stadt Kas­sel. In Kas­sel dominiert Pape und in Ver­den ist Gle­ich­stand – ich habe in allen drei Fällen Pape zuoberst gelegt.)

Wortschatzunterschiede: Das Meierloch

In der Fam­i­li­en­na­men­geografie Berühmtheit erlangt hat das soge­nan­nte “Meier­loch”. Meier ste­ht, nimmt man seine ver­schiede­nen Schrei­bun­gen zusam­men (wie oben in der Liste nicht geschehen), deutsch­landweit auf Platz 3. Den­noch bekommt man als Ergeb­nis keine kom­plett dunkel­rote Verteilungskarte:

(Achtung: Land­kreise mit weniger als 1000 Vorkommen/Mio sind weiß!)

Die Erk­lärung: Meier ist ein Beruf­s­name und beze­ich­nete einen Hofver­wal­ter oder ‑pächter. Allerd­ings nicht in Mit­teldeutsch­land. Dort benutzte man für densel­ben Job ein anderes Wort, näm­lich Hof­mann. Und tat­säch­lich kann man das Meier­loch mit den Hoff­manns und Hof­manns ziem­lich gut füllen:

(Achtung: Land­kreise mit weniger als 1000 Vorkommen/Mio sind weiß!)

Auch span­nend ist der Richter. Man sollte ja denken, das Wort sei deutsch­landweit bekan­nt und die Namen­träger seien es deshalb auch. Aber nein: Der Name zeigt eine ganz entsch­iedene Bal­lung in Sach­sen und Umgebung:

Der Grund find­et sich im dtv-Atlas: Ost­mit­teldeutsch­land und weit­er östlich liegende Gebi­ete (z.B. Böh­men, Mähren und Schle­sien) wur­den ja erst im Laufe der deutschen Ost­sied­lung von Sprech­ern deutsch­er Dialek­te besiedelt. Dabei gab es immer einen Haup­tor­gan­isator, den soge­nan­nten “Loka­tor”. Der hat­te viel Stress und bekam zum Aus­gle­ich ein schönes (und erblich­es) Amt, näm­lich das des Dorf­schulzen. Das hieß in diesem Gebi­et aber Richter.

Dass das Richterge­bi­et auch jen­seits der heuti­gen Gren­ze noch weit­erg­ing, kann man mit älteren Dat­en her­aus­find­en – und zwar mit dem Reich­stele­fon­buch von 1942. Das gibt es (eben­so wie Tele­fon­buch­dat­en von 1998) auf noch ein­er sehr nüt­zlichen Seite: Genevolu. (Dank an meine Kol­le­gin Luise, auch für das Richter­beispiel!) Natür­lich standen da viel weniger Leute drin, aber man sieht doch was:

(Cre­ative Com­mons by-nc-sa 3.0)

Migration: Umzug und Einwanderung

Nach­dem der Richter sich schon als ein Besied­lungsphänomen her­aus­gestellt hat, will ich noch zwei andere Beispiele nen­nen, bei denen ein Ortswech­sel inter­es­sante Verteilun­gen verursachte.

Viele Fam­i­li­en­na­men sind Herkun­ft­sna­men: Jemand zog von A nach B und wurde for­t­an A genan­nt. Das gibt es im Großen, wie z.B. Unger, Schwab oder Sachs, aber auch im Kleinen wie Frank­furter oder Helm­stet­ter. Am Beispiel von Schweiz­er sieht man ganz schön, wie weit die entsprechen­den Namen­träger gekom­men sind, der Name ist rel­a­tiv (aber nicht zu) gren­z­nah am typischsten:


Auch span­nend sind fremd­sprachige Namen. Die türkischen Namen weisen zum Beispiel auf die neuere deutsch-deutsche Geschichte hin: Im Gebi­et der ehe­ma­li­gen DDR, wo es ja keine Gas­tar­beit­er gab, kom­men sie kaum vor. Hier am Beispiel der vier ziem­lich fre­quenten Namen Aydin, Yildiz1, Özdemir und Öztürk2:

(West­ber­lin habe ich nicht markiert, weil man son­st nichts mehr gese­hen hätte. Der einzige orange Fleck halt.)

Dem­nächst geht’s dann weit­er mit Klein­raum­na­men. Wenn jemand da schöne Beispiele hat, freue ich mich! Man muss ja auch irgend­wo her wis­sen, was man bei Geogen eingeben will …

(Zu Teil 2.)

Fußnoten:
1 Eigentlich bei­de ohne i-Punk­te geschrieben, aber das berück­sichti­gen deutsche Tele­fon­büch­er wohl nicht.

2 Achtung, die Karte ist auf kuriose Weise erstellt: Da man mit Geogen keine Kom­bi­na­tion­skarten machen kann, habe ich die vier Namen übere­inan­der gelegt, wobei der häu­fig­ste zuoberst liegt. D.h. nur in den Land­kreisen, in denen es keine Aydin gibt, sieht man über­haupt Yildiz, nur wo es keine Aydin und Yildiz gibt, sieht man Öztürk … sehr unsauber (weniger häu­fige Aydin kön­nen häu­figere Yildiz in einem Land­kreis überdeck­en etc.), aber es geht mir ja nur darum zu zeigen, dass im Gebi­et der ehe­ma­li­gen DDR kein­er dieser Namen flächen­deck­end fre­quent ist.

5 Gedanken zu „Namenlandschaften 1: Große Flächen

  1. Julius

    In der DDR gab es Ver­tragsar­beit­nehmer, also auch Gas­tar­beit­er. Sie kamen allerd­ings zum Großteil aus Viet­nam. Vielle­icht zeigen also viet­name­sis­che Aller­welt­sna­men eine umgekehrte Verteilung.

    Son­st finde ich »Drews« inter­es­sant. Abso­lut betra­chtet sind Berlin und Ham­burg Hochbur­gen, rel­a­tiv betra­chtet hinge­gen der meck­len­bur­gis­che Land­kreis Demmin.

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    1. Kristin Beitragsautor

      Ja, das mit den Viet­name­sen wusste ich (habe es aber nicht mit der Beze­ich­nung “Gas­tar­beit­er” in Verbindung gebracht) und habe ich irgend­wann let­ztes Jahr sog­ar mal gecheckt (mit Nguyen), es kam aber eher eine leichte Konzen­tra­tion im West­en raus — weil es viet­name­sis­che Ein­wan­der­er sowohl in der alten BRD als auch der alten DDR gab (vgl. Wikipedia). Zu den Zahlen sagt Wikipedia:

      Bis 1989 stieg die Zahl der dauer­haft in Ost­deutsch­land leben­den Viet­name­sen auf fast 60.000 an. Bis zu diesem Zeit­punkt waren nach West­deutsch­land eben­falls zwis­chen 30.000 und 40.000 Men­schen aus Viet­nam eingewandert.

      Zu Drews: Tolles Kartenbild!
      Bei fre­quenten Namen sollte man übri­gens immer die rel­a­tive Darstel­lung wählen, weil in der absoluten Darstel­lung die Bal­lungsräume zu stark ins Gewicht fall­en. Die Drewse in Berlin und Ham­burg sind wahrschein­lich zugezogen.

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    1. Kristin Beitragsautor

      Ne, kan­nte ich noch nicht, danke für den Hin­weis! Scheint mir aber schlechter gemacht als Geogen, man kann z.B. die Skala nicht verän­dern. Die Karten­bilder sehen daher oft krass­er aus (mehr rote Flächen z.B.), obwohl die Gesamtzahl nicht ern­sthaft von der bei Geogen abwe­icht. (Habe auch keine Angaben dazu gefun­den, von wann die Dat­en stammen.)
      Während Geogen sta­tis­tisch belast­bare Ergeb­nisse her­vor­brin­gen will (daher auch immer die ganzen War­nun­gen zu Verz­er­rung etc., ich kann auch echt nur die Info­s­eite empfehlen, die ist mit Humor geschrieben), kartiert verwandt.de ein­fach alles — sog­ar Namen, die nur ein­mal in ganz Deutsch­land vorkom­men und deshalb ein­deutig ein­er Per­son zuzuord­nen sind. (Es geht sog­ar noch weit­er und nen­nt auch den Vor­na­men der Person …)
      Wozu es mir aber recht prak­tisch scheint: Wenn man eine Karte abge­fragt hat, sind unten Vorschläge zu weit­eren Namen, die man sich anschauen kön­nte. Dadurch bin ich jet­zt noch auf einige Namen gekom­men, die für bes­timmte Land­kreise charak­ter­is­tisch sind. (Ein­fach weit­ergek­lickt, und wenn mir der Name sel­ten vorkam, bei Geogen gecheckt.)
      Dabei ist mir noch was Lustiges aufge­fall­en: Die Dat­en soll­ten ja im Prinzip bere­inigt sein, d.h. Geschäft­sein­träge etc. soll­ten beseit­igt wer­den. Dass das nicht hun­dert­prozentig geklappt hat, sieht man daran, dass sowohl verwandt.de als auch Geogen Tre­f­fer für Stre­ichin­stru­menten­lack­ierung, Malerei­be­trieb, Friseur, Bäck­erei etc. liefern. In sehr kleinen Men­gen (meist zu klein für Geogenkarten), d.h. das Gros wurde eli­m­iniert, aber ein paar sind doch dabei.

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  2. Jörg Lesche

    In der (früher eher boden­ständi­gen) Ober­lausitz find­et man ort­styp­is­che Nach­na­men-Konzen­tra­tio­nen. Ein (bei uns) bekan­ntes Beispiel ist der Name Hultsch, der für Neukirch/Lausitz ste­ht oder der Name Rösler für die Stadt Schir­giswalde. Nicht ganz so eng begren­zt funk­tion­iert Eisold für Rade­berg oder Steglich für das Gebi­et um Bischofswerda.
    Ganz klar wird es bei sor­bis­chen Namen, wie Ritsch­er (nicht Richter) oder Rietsch­er, Zuschke oder (sehr exo­tisch) Wowtscherk.

    Bei der Klein­rau­munter­suchung ist sich­er auch Gen­volu zur Quer­prü­fung sin­nvoll, da die meis­ten Bewe­gun­gen (Umzüge) nach dem Krieg und nach der dt. Ein­heit erfol­gt sind und dadurch die heuti­gen Ergeb­nisse nicht mehr ganz so ein­deutig sind.

    So kon­nte ich bis zur Wende beispiel­sweise am Dialekt erken­nen, aus welch­er Leipziger Gegend meine Mitschüler stammten, denn damals wohn­ten z.T. ganze Fam­i­lien­clans über viele Gen­er­a­tio­nen im gle­ichen Wohn­vier­tel oder der gle­ichen Straße. Das wäre mal ein The­ma für eine Großs­tadt-Sprach- bzw. Dialektanalyse.

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