[Weihnachten] Weihnachts- vs. Christbaum

Von Kristin Kopf

Vielle­icht hat ja jemand hier Lust auf Weihnachten?

Ich habe mal einen Ngram-Kampf zwis­chen Wei­h­nachts- und Christ­baum angezettelt, den der Wei­h­nachts­baum gewon­nen hat:

Der Christ­baum ist ganz gut ins Ren­nen ges­tartet, kon­nte sein Wach­s­tum dann aber tragis­cher­weise nicht halten.

Dabei ist Christ­baum wohl eine auss­chließlich südlichere Vari­ante, der Nor­den scheint nur Wei­h­nachts­baum zu ver­wen­den. Allerd­ings kommt Wei­h­nachts­baum auch im Süden vor – da ist es laut DWB erst­mals belegt, und zwar in Straßburg 1642. Meine Eltern ken­nen auch als tra­di­tionelle niederale­man­nis­che Beze­ich­nung die ver­schlif­f­ene Form Winebaum.

Neben Wei­h­nachts­baum und Christ­baum gibt es noch zahlre­iche weniger ver­bre­it­ete Beze­ich­nu­gen wie Zucker­baum, Lichter­baum und Tan­nen­baum. So kann man auf dieser Karte im Pfälzis­chen Wörter­buch sehen, wie viel klein­räu­mige Vari­a­tion allein in der Pfalz herrscht(e).

[Update] Eva hat mich darauf aufmerk­sam gemacht, dass die aktuelle regionale Verteilung auch im Atlas zur deutschen All­t­agssprache erhoben wurde. Die entsprechende Karte kön­nt ihr hier sehen. Vie­len Dank!

Anson­sten habe ich das Fest in den let­zten Jahren ja recht gründlich aus­geschlachtet, biete also noch ein paar Links:

Euch allen fro­he Feiertage mit genau der richti­gen Dosis Friede, Freude, Eierkuchen, Schnee und Was-willst-du-damit-mal-machen-Fragen!

5 Gedanken zu „[Weihnachten] Weihnachts- vs. Christbaum

  1. Michael Sappir

    Was hat’s an sich mit dieser riesen Spitze da in den 40er? Haben die Nazis sooo gerne schriftlich von Wei­h­nachts­baeu­men geschwaermt?? Oder war da so viel ver­boten, dass nicht viele The­men fuer die Schrift uebrig blieben?

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    1. Kristin Beitragsautor

      Ich kön­nte mir vorstellen, dass es etwas mit der Kor­pus­größe zu tun hat, aber das ist reine Speku­la­tion, weil man ja lei­der nicht an die zugrun­deliegen­den Dat­en rankommt.
      Habe aber mal ver­sucht rauszukriegen, ob Wei­h­nachts­bäume damals eine beson­dere Rolle gespielt haben. Hier beim DHM gibt’s Hin­weise auf eine gesteigerte Wichtigkeit/öffentliche Präsenz:

      In vie­len Städten und Orten Deutsch­lands erstrahlte im Dezem­ber 1933 ein hoher »Wei­h­nachts­baum für alle« an zen­tralen Plätzen, vor Rathäusern und Kirchen.’ Spätestens seit den 1920er Jahren als Werbe­mit­tel von Fir­men und Geschäft­sleuten bekan­nt, wurde der öffentlich aufgestellte Tan­nen­baum nun zu einem Teil der wei­h­nachtlichen Pro­gram­matik der Nation­al­sozial­is­ten und markierte einen Ort, an dem Sam­mel- und Verteilak­tio­nen des Win­ter­hil­f­swerkes zu einem neuen Brauch stil­isiert wer­den konnten.

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  2. m

    Wenn man auf die Büch­er von 42/43 guckt, gibts recht viel Anek­doten über Wei­h­nacht­en im Feld — Wei­h­nacht­en war vielle­icht muss für einen Soldatenroman.

    Dass der Christ­baum nicht davon prof­i­tierte, liegt ver­mut­lich daran, dass die NSDAP Wei­h­nacht­en als ger­man­is­ches Fest gefeiert haben wollte (lei­der nur Auszug: Deutsche wei­h­nacht­en: ein weg­weis­er für gemein­schaft und fam­i­lie oder lei­der gar nichts zu lesen, wird aber mit Wei­h­nachts­baum gefun­den: Die Neue Gemeinschaft:
    das Parteiarchiv für nation­al­sozial­is­tis­che Feier- und Freizeit­gestal­tung
    , oder die Antwort Nr. 6 in irgend einem Forum). Und da mich die Quel­len­schnipsel über­haupt nicht zufrieden­stellen, schau ich jet­zt, ob ich Buch-Büch­er zum The­ma finde…

    (keine Vorschau… hoffe die Klam­mern passen!)

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    1. Kristin Beitragsautor

      Vie­len Dank für die Hinweise!
      Ich wäre auch an Buch­buchquellen (tolle Redu­p­lika­tion!) höchst inter­essiert, wenn Du also noch was Kul­tur­an­thro­pol­o­gis­ches zum The­ma find­est, ich bin neugierig!

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      1. m

        Die Zunahme kön­nte schon daran liegen, dass die Nazis „sooo gerne schriftlich vom Wei­h­nachts­baum geschwärmt“ haben, oder viel mehr von allem Wei­h­nachtlichen, wenn nur Chris­tus nicht vorkommt.

        Ich hat­te eigentlich gehofft bei den Zeitzeu­gen Käst­ner (z.B. im Tage­buch Notabene ’45, das fängt aber erst im Feb­ru­ar an) oder Brecht etwas zum Umgang der Nazis mit Wei­h­nacht­en zu find­en… war nicht so (nur über­flo­gen, keine Voll­textsuche :-(). Aber immer­hin find­en wir bei Brecht etwas über die religiöse Seite des Nation­al­sozial­is­mus: „Der Nation­al­sozial­is­mus bekämpft das Chris­ten­tum und erset­zt das Chris­ten­tum durch sein Neuhei­den­tum, ger­ade weil er eine Reli­gion braucht,die seine rück­ständi­gen Ziele bess­er fördert. Er braucht eine kriegerische Reli­gion, […] eine rein deutsche, das heißt gegen andere Völk­er gerichtete Reli­gion“ (B. Brecht, „Die Kom­mu­nis­ten und die Deutschen Reli­gion­skämpfe“ in Auf­sätze über den Faschis­mus 1933–1939, Gesam­melte Werke Band 20, Suhrkamp 1967, p. 241). Und da man das beliebte Fam­i­lien­fest Wei­h­nacht­en schlecht abschaf­fen kann, muss man es halt umdeuten. Eine Wei­h­nacht­srede von Hess 1943 kommt auch ganz ohne Bezug aufs Chris­ten­tum, oder gar „Friede auf Erden“ aus (ibid. „Über die Wieder­her­stel­lung der Wahrheit“, pp. 195).

        Die Absicht, Wei­h­nacht­en umzudeuten, find­et man z.B. in fol­gen­den onlin­ev­er­füg­baren Pro­pa­gan­daschriften (englis­che Über­set­zung, Rück­über­set­zung von mir, Englisch als <abbr…>): Hannes Kre­mer, „Neuw­er­tung ‚über­liefer­t­er‘ Brauch­for­men?“, in Die neue Gemein­schaft 3 (1937), pp. 3005 a‑c.:

        Wenn wir die über­liefer­ten Bräuche poli­tisch nutzen wollen, müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass das nur möglich ist, wenn wir ihnen einen grundle­gend neuen Inhalt geben.

        Wei­h­nacht­en, zum Beispiel, ist ein über­liefer­t­er Feiertag über das Ide­al [?] des Friedens für die gesammte Men­schheit. Es gibt keine nationale oder gesellschaftliche Notwendigkeit daran zu glauben. Wir kön­nen es jedoch jedem Deutschen [?] als Feiertag des tat­säch­lichen inländis­chen nationalen Friedens darstellen, welch­er tat­säch­lich ohne Frage eine entschei­dende Forderung der Nation­al­sosial­is­tis­chen Volks­ge­mein­schaft ist.

        und Wil­helm Beil­stein, „Wie wir Wei­h­nacht­en feiern,“ N.S.-Briefe, Decem­ber 1939, pp. 327–328. The sec­tion is reprint­ed from Beilstein’s Licht­feier. Sinn. Geschichte, Brauch und Feier der deutschen Wei­h­nacht (Munich: Deutsch­er Volksver­lag, 1939):

        Heutzu­tage wird uns erneut die wahre Bedeu­tung unser­er Wei­h­nachts­bräuche und Tra­di­tio­nen bewusst, indem wir sie von frem­den [art­frem­den?] Namen und Ein­flüssen befreien

        Was zu diesem Zwecke alles pub­liziert wurde, ste­ht in einem Artikel vom Deutschen His­torischen Muse­um (mit vie­len Literaturverweisen):

        Ab 1935 erschienen unzäh­lige Veröf­fentlichun­gen als Dien­stan­weisung der Parteis­tellen, Schu­lung­sun­ter­la­gen der HJ, des NS-Lehrerbun­des, der NS-Gemein­schaft »Kraft durch Freude«, der Deutschen Arbeits­front und ander­er. Mit detail­liertem Anschau­ungs­ma­te­r­i­al zu vor­wei­h­nachtlichen öffentlichen Feiern bilde­ten sie die Grund­lage für die angestrebte Umerziehung der Bevölkerung.

        […]

        Ein wirk­sames Mit­tel sah man in den vie­len »Wei­h­nachts­büch­ern für die Fam­i­lie« und »Adventskalen­dern«, her­aus­gegeben von den oben erwäh­n­ten parteiamtlichen Stellen, die zahlre­iche Vorschläge zur häus­lichen Fest­gestal­tung beinhalteten.”

        […]

        Eine beson­dere Rolle spiel­ten die wis­senschaftliche Diszi­plin der Volk­skunde und viele ihrer Vertreter, die in den Sach­tex­ten der Wei­h­nachts­büch­er und in unzäh­li­gen Auf­sätzen der Fach­pub­lika­tio­nen ab 1933 die Ver­wand­lung der wei­h­nachtlichen Bräuche wis­senschaftlich zu unter­mauern suchten.

        Das kön­nte schon­mal die vie­len Tre­f­fer für Wei­h­nachtlich­es-solange-nicht-direkt-Wei­h­nacht­en erk­lären. Direkt zum Baum:

        Kein Ele­ment eines Brauch­es im Dezem­ber, das nicht eine Umdeu­tung erfuhr. Der Christ­baum wurde als »Wei­h­nachts-« oder »Licht­baum« zum immer­grü­nen Sym­bol ewigen Lebens. […]

        […]

        Bre­it­en Raum nahm in den Wei­h­nachts­büch­ern das The­ma des »richti­gen« Baum­schmuck­es ein.

        Licht­baum? Nie gehört, und kam auch im drit­ten Reich nicht son­der­lich häu­fig vor. Aber der Lichter­baum hat zur Naz­izeit ordentlich zugelegt; Die Tre­f­fer beim Lichter­baum um 2000 sind übri­gens zum guten Teil Büch­er zum weit­er­lesen, falls man noch Inter­esse hat.

        Und wenn mir im Urlaub lang­weilig wird, über­leg ich mir, welchen Unfug man mit 30 GB 5‑grammen machen kann.

        (Da ich dem­let­zt im ‘sal­ad sal­ad paper’ (via Lan­guage Logs) gele­sen hab, es gäbe keine Redu­p­lika­tio­nen im deutschen, importi­er ich die jet­zt, und gewinn damit euren Anglizis­men­wet­tbe­werb — ach so… ihr sucht nur Wörter ;-))

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