Vielleicht hat ja jemand hier Lust auf Weihnachten?
Ich habe mal einen Ngram-Kampf zwischen Weihnachts- und Christbaum angezettelt, den der Weihnachtsbaum gewonnen hat:
Der Christbaum ist ganz gut ins Rennen gestartet, konnte sein Wachstum dann aber tragischerweise nicht halten.
Dabei ist Christbaum wohl eine ausschließlich südlichere Variante, der Norden scheint nur Weihnachtsbaum zu verwenden. Allerdings kommt Weihnachtsbaum auch im Süden vor – da ist es laut DWB erstmals belegt, und zwar in Straßburg 1642. Meine Eltern kennen auch als traditionelle niederalemannische Bezeichnung die verschliffene Form Winebaum.
Neben Weihnachtsbaum und Christbaum gibt es noch zahlreiche weniger verbreitete Bezeichnugen wie Zuckerbaum, Lichterbaum und Tannenbaum. So kann man auf dieser Karte im Pfälzischen Wörterbuch sehen, wie viel kleinräumige Variation allein in der Pfalz herrscht(e).
[Update] Eva hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass die aktuelle regionale Verteilung auch im Atlas zur deutschen Alltagssprache erhoben wurde. Die entsprechende Karte könnt ihr hier sehen. Vielen Dank!
Ansonsten habe ich das Fest in den letzten Jahren ja recht gründlich ausgeschlachtet, biete also noch ein paar Links:
- Frohe linguistische Weihnachten! (24.12.2009)
- [Weihnachten] Die Christmette und Xmas (27.12.2008)
- [Weihnachten] Wie schon die Alten sungen … (23.12.2008)
- [Weihnachten] Ihr Kinderlein, kommet … (22.12.2008)
Euch allen frohe Feiertage mit genau der richtigen Dosis Friede, Freude, Eierkuchen, Schnee und Was-willst-du-damit-mal-machen-Fragen!
Was hat’s an sich mit dieser riesen Spitze da in den 40er? Haben die Nazis sooo gerne schriftlich von Weihnachtsbaeumen geschwaermt?? Oder war da so viel verboten, dass nicht viele Themen fuer die Schrift uebrig blieben?
Ich könnte mir vorstellen, dass es etwas mit der Korpusgröße zu tun hat, aber das ist reine Spekulation, weil man ja leider nicht an die zugrundeliegenden Daten rankommt.
Habe aber mal versucht rauszukriegen, ob Weihnachtsbäume damals eine besondere Rolle gespielt haben. Hier beim DHM gibt’s Hinweise auf eine gesteigerte Wichtigkeit/öffentliche Präsenz:
Wenn man auf die Bücher von 42/43 guckt, gibts recht viel Anekdoten über Weihnachten im Feld — Weihnachten war vielleicht muss für einen Soldatenroman.
Dass der Christbaum nicht davon profitierte, liegt vermutlich daran, dass die NSDAP Weihnachten als germanisches Fest gefeiert haben wollte (leider nur Auszug: Deutsche weihnachten: ein wegweiser für gemeinschaft und familie oder leider gar nichts zu lesen, wird aber mit Weihnachtsbaum gefunden: Die Neue Gemeinschaft:
das Parteiarchiv für nationalsozialistische Feier- und Freizeitgestaltung, oder die Antwort Nr. 6 in irgend einem Forum). Und da mich die Quellenschnipsel überhaupt nicht zufriedenstellen, schau ich jetzt, ob ich Buch-Bücher zum Thema finde…
(keine Vorschau… hoffe die Klammern passen!)
Vielen Dank für die Hinweise!
Ich wäre auch an Buchbuchquellen (tolle Reduplikation!) höchst interessiert, wenn Du also noch was Kulturanthropologisches zum Thema findest, ich bin neugierig!
Die Zunahme könnte schon daran liegen, dass die Nazis „sooo gerne schriftlich vom Weihnachtsbaum geschwärmt“ haben, oder viel mehr von allem Weihnachtlichen, wenn nur Christus nicht vorkommt.
Ich hatte eigentlich gehofft bei den Zeitzeugen Kästner (z.B. im Tagebuch Notabene ’45, das fängt aber erst im Februar an) oder Brecht etwas zum Umgang der Nazis mit Weihnachten zu finden… war nicht so (nur überflogen, keine Volltextsuche :-(). Aber immerhin finden wir bei Brecht etwas über die religiöse Seite des Nationalsozialismus: „Der Nationalsozialismus bekämpft das Christentum und ersetzt das Christentum durch sein Neuheidentum, gerade weil er eine Religion braucht,die seine rückständigen Ziele besser fördert. Er braucht eine kriegerische Religion, […] eine rein deutsche, das heißt gegen andere Völker gerichtete Religion“ (B. Brecht, „Die Kommunisten und die Deutschen Religionskämpfe“ in Aufsätze über den Faschismus 1933–1939, Gesammelte Werke Band 20, Suhrkamp 1967, p. 241). Und da man das beliebte Familienfest Weihnachten schlecht abschaffen kann, muss man es halt umdeuten. Eine Weihnachtsrede von Hess 1943 kommt auch ganz ohne Bezug aufs Christentum, oder gar „Friede auf Erden“ aus (ibid. „Über die Wiederherstellung der Wahrheit“, pp. 195).
Die Absicht, Weihnachten umzudeuten, findet man z.B. in folgenden onlineverfügbaren Propagandaschriften (englische Übersetzung, Rückübersetzung von mir, Englisch als <abbr…>): Hannes Kremer, „Neuwertung ‚überlieferter‘ Brauchformen?“, in Die neue Gemeinschaft 3 (1937), pp. 3005 a‑c.:
Wenn wir die überlieferten Bräuche politisch nutzen wollen, müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass das nur möglich ist, wenn wir ihnen einen grundlegend neuen Inhalt geben.
…
Weihnachten, zum Beispiel, ist ein überlieferter Feiertag über das Ideal [?] des Friedens für die gesammte Menschheit. Es gibt keine nationale oder gesellschaftliche Notwendigkeit daran zu glauben. Wir können es jedoch jedem Deutschen [?] als Feiertag des tatsächlichen inländischen nationalen Friedens darstellen, welcher tatsächlich ohne Frage eine entscheidende Forderung der Nationalsosialistischen Volksgemeinschaft ist.
und Wilhelm Beilstein, „Wie wir Weihnachten feiern,“ N.S.-Briefe, December 1939, pp. 327–328. The section is reprinted from Beilstein’s Lichtfeier. Sinn. Geschichte, Brauch und Feier der deutschen Weihnacht (Munich: Deutscher Volksverlag, 1939):
Heutzutage wird uns erneut die wahre Bedeutung unserer Weihnachtsbräuche und Traditionen bewusst, indem wir sie von fremden [artfremden?] Namen und Einflüssen befreien
Was zu diesem Zwecke alles publiziert wurde, steht in einem Artikel vom Deutschen Historischen Museum (mit vielen Literaturverweisen):
Ab 1935 erschienen unzählige Veröffentlichungen als Dienstanweisung der Parteistellen, Schulungsunterlagen der HJ, des NS-Lehrerbundes, der NS-Gemeinschaft »Kraft durch Freude«, der Deutschen Arbeitsfront und anderer. Mit detailliertem Anschauungsmaterial zu vorweihnachtlichen öffentlichen Feiern bildeten sie die Grundlage für die angestrebte Umerziehung der Bevölkerung.
[…]
Ein wirksames Mittel sah man in den vielen »Weihnachtsbüchern für die Familie« und »Adventskalendern«, herausgegeben von den oben erwähnten parteiamtlichen Stellen, die zahlreiche Vorschläge zur häuslichen Festgestaltung beinhalteten.”
[…]
Eine besondere Rolle spielten die wissenschaftliche Disziplin der Volkskunde und viele ihrer Vertreter, die in den Sachtexten der Weihnachtsbücher und in unzähligen Aufsätzen der Fachpublikationen ab 1933 die Verwandlung der weihnachtlichen Bräuche wissenschaftlich zu untermauern suchten.
Das könnte schonmal die vielen Treffer für Weihnachtliches-solange-nicht-direkt-Weihnachten erklären. Direkt zum Baum:
Kein Element eines Brauches im Dezember, das nicht eine Umdeutung erfuhr. Der Christbaum wurde als »Weihnachts-« oder »Lichtbaum« zum immergrünen Symbol ewigen Lebens. […]
[…]
Breiten Raum nahm in den Weihnachtsbüchern das Thema des »richtigen« Baumschmuckes ein.
Lichtbaum? Nie gehört, und kam auch im dritten Reich nicht sonderlich häufig vor. Aber der Lichterbaum hat zur Nazizeit ordentlich zugelegt; Die Treffer beim Lichterbaum um 2000 sind übrigens zum guten Teil Bücher zum weiterlesen, falls man noch Interesse hat.
Und wenn mir im Urlaub langweilig wird, überleg ich mir, welchen Unfug man mit 30 GB 5‑grammen machen kann.
(Da ich demletzt im ‘salad salad paper’ (via Language Logs) gelesen hab, es gäbe keine Reduplikationen im deutschen, importier ich die jetzt, und gewinn damit euren Anglizismenwettbewerb — ach so… ihr sucht nur Wörter ;-))