Die Berliner Morgenpost liefert jahreszeitlich passend eine Bilderstrecke mit der Überschrift „Ein Fest unabhängig jeder Religion”. Diese Überschrift ist interessant
Erstens, weil sie gelogen ist — die Bilderstrecke bringt ein Beispiel nach dem anderen dafür, wie Christen Weihnachten feiern. Andere Religionen kommen nur auf einem einzigen Bild mit der folgenden Bildunterschrift vor: „Aber nicht überall kommt das Fest gut an. Der islamische Gelehrte Jussuf al-Kardawi will Weihnachten verbieten lassen, weil es nicht mit dem islamischen Glauben vereinbar ist.“
Zweitens, weil sie das Adjektiv unabhängig als Präposition mit Genitiv behandelt. Das ist deutlich weniger dumm als der Inhalt der Überschrift, denn tatsächlich gibt es eine Reihe semantisch verwandter Präpositionen, die den Genitiv fordern: Ein Fest {abseits, außerhalb, bar, fernab, jenseits, ungeachtet, weitab} jeder Religion.
Wahrscheinlich ist die Überschrift nur durch einen Copy-und-Paste-Fehler entstanden, aber wenn nicht, ist sie ein schönes Beispiel für Sprachwandel durch Analogie.
[Nachtrag: Mehr zu diesem Thema gibt es im Konstruktionsgrammatik-Blog]
Könnte doch einfach sein, dass jemand das “von” vergessen hat: Unabhängig von jeder Religion.
Das ist möglich, deshalb ja „Copy-und-Paste-Fehler“. Allerdings glaube ich nicht mehr daran, denn erstens taucht die Formulierung auch in einer der Bildunterschriften auf, und zweitens habe ich eine fast identische Bilderstrecke mit derselben Überschrift bei auf Welt Online gefunden. Irgendwo hätte es ja jemandem auffallen müssen, wenn es nur ein Fehler ist.http://www.welt.de/vermischtes/article5621492/Ein-Fest-unabhaengig-jeder-Reli…
Gemäß http://konstruktionsgrammatik.wordpress.com/2010/12/27/unabhaengig-plus-genit… ist das Adjektiv bzw. Adverb ‘(un)abhängig’ tatsächlich gerade dabei, sich zu einer Präposition zu grammatikalisieren. Dann wäre es kein Schreibfehler, sondern eine absichtliche Förderung einer neuen grammatischen Form.