Während die Sprachnörgler in Deutschland sich hauptsächlich auf englische Lehnwörter einschießen, bekämpfen ihre britischen Brüder und Schwestern im Geiste von der britischen Plain English Campaignhauptsächlich SMS- und Jugendsprache, lange Sätze, Metaphern — im Prinzip alles, was sie nicht verstehen.
Zum Thema „Metaphern“ geben sie den um eine klare Sprache bemühten Besuchern ihrer Webseite zum Beispiel diese Warnung auf den Weg:
George Orwell’s advice is still worth following: ‘Never use a metaphor, simile, or other figure of speech which you are used to seeing in print.’ („George Orwells Rat gilt immer noch: Verwende nie eine Metapher, einen Vergleich oder sonst irgendeine Redefigur, die du regelmäßig gedruckt siehst.“)
Irgendjemand hat aber offensichtlich vergessen, das der Pressesprecherin des Vereins zu sagen. Die äußerte gegenüber der Tageszeitung Daily Mail gegenüber nämlich jüngst Folgendes (Redefiguren, die man schon eine Million mal gedruckt gesehen hat, sind in Fettdruck dargestellt):
There is a worrying trend of adults mimicking teen-speak. They are using slang words and ignoring grammar. Their language is deteriorating. They are lowering the bar. Our language is flying off at all tangents, without the anchor of a solid foundation.
Sinngemäß will sie damit wohl ungefähr das sagen:
Erwachsene zeigen eine besorgniserregende Tendenz, Jugendsprache nachzumachen. Sie verwenden Slangwörter und ignorieren grammatische Regeln. Ihre Sprache verkommt. Sie senken die Standards. Ohne einen festen Halt entwickelt sich unsere Sprache in alle möglichen unerwünschten Richtungen.
Inhaltlich erübrigt sich hier jeder Kommentar; interessant ist die Aneinanderreihung von klischeehaften Redewendungen: lower the bar und go/fly off on/at a tangent sind so verbreitet, dass sie sich in jedem Idiomwörterbuch finden, und the anchor of a solid foundation(„der Anker eines soliden Fundaments“ ist sogar eine gemischte Metapher, die zweimal dasselbe („festen Halt“) mit zwei verschiedenen Bildbereichen („Schiffe“ und „Gebäude“) ausdrückt.
Besonders interessant ist die Redewendung fly off at a tangent: Die bedeutet nämlich eigentlich so etwas wie „vom Thema abschweifen“. Die Pressesprecherin der Plain English Campaign verwendet sie aber offensichtlich nicht in dieser Bedeutung, sondern in der, die ich in meiner Paraphrase dargestellt habe. Es ist möglich, dass es sich dabei um eine spontane metaphorische Übertragung der wörtlichen Bedeutung „auf einer Tangente davonfliegen“ handelt (wie in dem oben gezeigten Ausschnitt aus Chambers’ Information for the People). Das wäre dann ja fast kreativ — allerdings sollte man bei dieser Art von sprachlicher Kreativität nicht aus Versehen eine Redewendung schöpfen, die es bereits mit einer anderen Bedeutung gibt.
Die Plain English Campaign sollte sich also an die eigene Nase fassen, vor der eigenen Tür fegen, ihren eigenen Hof kehren, sich am eigenen Schopf aus ihrem (sprachlichen) Sumpf ziehen, den Balken im eignen Auge sehen. Sie muss noch dicke Bretter bohren, sich mächtig ins Zeug legen, eine Sysiphosarbeit vollbringen, bevor sie bevor sie ihre Nase in die Sprache anderer Leute steckt, sie ins Gebet nimmt, ihren Senf dazu gibt. Auf ihre Ratschläge zu hören würde bedeuten, den Bock zum Gärtner zu machen, darauf gebe ich Brief und Siegel.