Videografieren mit Zielrichtung Führungs- und Einsatzmittel

Von Kristin Kopf

Ich lese seit dem Kirch­garten immer wieder gerne Pressemel­dun­gen auf der rhein­land-pfälzis­chen Polizei­home­page. Dabei stechen gele­gentlich ungewöhn­liche Wörter (und sel­tener auch For­mulierun­gen) her­vor, bei denen ich ver­mute, dass es sich um Polizeis­prache handelt.

Drei Fällen bin ich mal ein bißchen nachgegangen …

videografieren

Wegen des Zün­dens und Wer­fens von pyrotech­nis­chen Gegen­stän­den laufen bere­its weit­ere Ermit­tlun­gen, der Gang durch die Unter­führung wurde videografiert. (Quelle)

Zunächst mal: Was heißt es? Mir scheint, ein­fach nur ‘fil­men’, sei es per Überwachungskam­era oder per mobil­er Videokam­era. Bei der Polizei passiert das natür­lich beson­ders oft auf Demon­stra­tio­nen oder im Straßenverkehr.

Die Google-Suche nach videografiert liefert ca. 15.000 Tre­f­fer auf deutschsprachi­gen Seit­en. (Darin eingeschlossen sind auch die Schreib­vari­ante mit <ph> und der Infini­tiv.) Die Suche nach Täter videografiert führt zu etwas über 4.000 Tre­f­fern, was schon mal sehr auf einen polizeilichen Hin­ter­grund hindeutet.

Ganz so ein­fach war es dann aber doch nicht: Ich habe die ersten 400 der 15.000 Tre­f­fer auf ihre Herkun­ft unter­sucht und dabei das fol­gende Ergeb­nis (in Prozent) erhalten:

Den größten Anteil macht das Wort dem­nach im Bere­ich der Lehreraus­bil­dung und der – meist erziehungswis­senschaftlichen, psy­chol­o­gis­chen und medi­zinis­chen – Forschung aus.

Die Ver­wen­dung im Sinne des Anfer­ti­gens polizeilich­er Videoauf­nah­men kommt auf 22 Prozent, wenn man als Quellen ein­er­seits die Polizei selb­st und die Nachricht­en wertet, in denen die Polizeimel­dun­gen i.d.R. wörtlich abge­druckt wer­den sowie ander­er­seits die ein­deutig polizei­in­spiri­erten Äußerun­gen von Datenschützern.

Im tech­nis­chen Zusam­men­hang wird das Wort hinge­gen eher sel­ten gebraucht, ca. 12,5% der Fälle stam­men z.B. aus Beschrei­bun­gen von Videokam­eras und entsprechen­den Forendiskus­sio­nen. (Es scheint mir rel­a­tiv häu­fig in Zusam­men­hang mit Unter­wasser­fil­men aufzutreten?)

Unter “Son­stiges” zusam­menge­fasst find­en sich alle Fälle, in denen es in nicht-fach­sprach­lichem Kon­text als Syn­onym für fil­men gebraucht wurde. (Hierunter fall­en auch zahlre­iche videografierende Hun­de­schulen …)

Die Zuord­nung zu den Ver­wen­dungskon­tex­ten habe ich fast auss­chließlich anhand der Auss­chnittsanzeige bei Google gemacht, sie ist also nicht wasserdicht.

Außer­dem beste­ht die Gefahr, dass z.B. Web­sites von Schulen und Uni­ver­sitäten stärk­er im Inter­net vertreten sind als Web­sites der Polizei, was die Ver­hält­nisse verz­er­ren kön­nte. (Ander­er­seits gibt es unglaublich viele Nachrichtenportale …)

Trotz­dem scheint mir das Ergeb­nis zu zeigen, dass es sich um ein Verb han­delt, das in erster Lin­ie von einem eingeschränk­ten Benutzerkreis ver­wen­det wird, in dessen Fach­sprache es eine Rolle spielt. (Man müsste ver­gle­ichen, wie oft diesel­ben Kreise gefilmt benutzen. Das ist nur lei­der viel zu häufig …)

Eine andere Bedeu­tung hat das Wort in Bezug auf ein  Com­put­er­pro­gramm namens Video­graph zu bieten, das zur Analyse von Schu­lun­ter­richt und Inter­views gedacht ist:

Video­graph (von Rolf Rim­mele) ist ein Mul­ti­me­dia-Play­er für Win­dows ME/2000/XP/VISTA, mit dem dig­i­tal­isierte Videos oder Audios, z.B. Aufze­ich­nun­gen von Schu­lun­ter­richt oder Inter­views, abge­spielt und gle­ichzeit­ig aus­gew­ertet (“video­gra­phiert”) wer­den können.

Hier ist also nicht die Anfer­ti­gung der Auf­nah­men gemeint, son­dern deren Analyse. Das scheint aber nicht generell im päd­a­gogis­chen Kon­text zu gel­ten, da sich dort häu­fig For­mulierun­gen wie “die Unter­richtsstunde wurde videografiert(, tran­skri­biert) und analysiert” find­en.

Zielrichtung X

Den Bezug von Ziel­rich­tung auf konkrete Gegen­stände statt auf ein abstrak­tes Ziel (wie der Vere­in hat eine soziale Ziel­rich­tung) finde ich sehr spannend:

In der vor­ange­gan­genen Nacht gab es in Worms und im Bere­ich Wies­baden ins­ge­samt drei Ein­brüche mit Ziel­rich­tung Zigaret­ten. (Quelle)

Die Zigaret­ten stell­ten das Ziel des Ein­bruchs dar, der Ein­bruch zielte auf Zigaret­ten ab, et voilà, die Ziel­rich­tung Zigaret­ten. (Zumin­d­est kann man das aus dem Fehlen der Zigaret­ten schließen.)

Mit der Suche nach “Ziel­rich­tung Polizei” find­en sich im Netz noch zahlre­iche weit­ere Belege:

  • Hier wur­den nun alle Räume und Schränke ganz offen­sichtlich nur mit der Ziel­rich­tung Bargeld durch­sucht. (Quelle)
  • Bei den Tat­en erlangte die Täter­gruppe ins­ge­samt Diebes- / Raubgut (
    Ziel­rich­tung Tabak­waren und Bargeld ) im Wert von über 25.000 Euro. (Quelle)
  • Ziel­rich­tung der Ein­brüche war haupt­säch­lich Schmuck. (Quelle)

Daneben ste­ht Ziel­rich­tung aber auch für ‘Ziel’ bzw. ‘Absicht’ ganz generell:

  • In allen Fällen war die Ziel­rich­tung des Täters offen­bar die Erlan­gung von Bargeld und elek­tro­n­is­chen Geräten (Lap­tops). (Quelle)
  • Der Mann hat­te sich den Frauen genähert und sie dann plöt­zlich mit sex­ueller Ziel­rich­tung berührt. (Quelle)
  • Sie bein­hal­tet die Auf­forderung, die Cas­tor-Schienen im Wend­land für den Trans­port zu unter­höhlen. Gegen Unterze­ich­n­er ein­er im Inter­net veröf­fentlicht­en Liste mit gle­ich­er Ziel­rich­tung hat die Staat­san­waltschaft Lüneb­urg bere­its Ermit­tlungsver­fahren […] ein­geleit­et. (Quelle)
  • Weit­ere Ziel­rich­tung der Maß­nahme war aber auch die Über­prü­fung auf gestoh­lene Fahrräder.  (Quelle)

Mir ist vor lauter Ziel­rich­tun­gen dum­mer­weise jegliche sprach­liche Intu­ition abhan­den gekom­men, wie das Wort denn in Nicht-Polizei-Kon­tex­ten ver­wen­det wer­den kann …

Führungs- und Einsatzmittel

Und noch eine kurze Sache zum Schluss:

In ihrer Not rief sie die Polizei zu Hil­fe, die mit geeigneten Führungs- und Ein­satzmit­teln (ein­er Plas­tik­dose mit Deck­el) die Fle­d­er­maus ein­f­ing und diese trotz Protest in Schutzge­wahrsam nahm. (Quelle)

Großar­tig selb­stiro­nisch. Das Führungs- und Ein­satzmit­tel ist laut Wikipedia tat­säch­lich eine feste Beze­ich­nung für

Arbeitsmit­tel und Werkzeuge, die der Polizei, der Feuer­wehr, dem Ret­tungs­di­enst und anderen Hil­f­sor­gan­i­sa­tio­nen dazu dienen, einen Ein­satz zu bewälti­gen beziehungsweise zu führen.

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