Um mich zwischen beruflichen Veränderungen und einem dringend benötigten Urlaub wenigstens kurz zu im Sprachlog blicken zu lassen, hier drei Kurzmeldungen (bitte langsam lesen — da ich nicht weiß, ob ich in der nächsten Woche Internetzugang habe, müssen sie vielleicht bis zum Ende des Monats reichen).
Sarah Palin als Sprachschöpferin
Die ehemalige amerikanische Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin zeigt sich als Sprachschöpferin. In einem Tweet verwendete sie das Wort refudiate, vermutlich eine Vermischung von refuse („verweigern“) und repudiate („nicht anerkennen“, „zurückweisen“):
Auf ihren Fehler aufmerksam gemacht, gab sie sich selbstbewusst — Englisch sei schließlich eine lebendige Sprache und auch Shakespeare habe neue Wörter erfunden:
Twitter-Nutzer ließen sich davon nicht überzeugen und ließen ihrer Häme unter dem Hashtag #shakespalin freien Lauf.
Ich würde Palin aber im Prinzip zustimmen. Solche Vermischungen (sprachwissenschaftlich „Kontamination“ genannt) sind nicht ungewöhnlich, und tatsächlich hat sie dasselbe Recht, neue Wörter zu erfinden, wie Shakespeare oder sonst irgendwer. Ob ihr die Sprachgemeinschaft folgt, ist natürlich eine andere Frage.
Sie glaubt allerdings offensichtlich selbst nicht so recht an ihre sprachschöpferischen Qualitäten — der ursprüngliche Tweet ist verschwunden und durch folgende lexikalisch konventionelleren ersetzt worden:
Dabei ist ihr allerdings wieder ein Fehler (oder ein sprachschöpferischer Akt) unterlaufen: das Wort refute („widerlegen“, „abstreiten“) ergibt in diesem Zusammenhang nur wenig Sinn.
Übrigens enthält der ursprüngliche Tweet auch ein interessantes Problem im Satzbau, aber das zu identifizieren überlasse ich syntaktisch interessierten Leser/innen.
Aktion Lebendiges Deutsch sanft entschlafen
Die Aktion Lebendiges Deutsch hat inzwischen seit sieben Monaten das Wort des Monats nicht mehr aktualisiert, der Verdacht verdichtet sich, dass die Aktion nicht mehr ganz so lebendig ist.
Das glaubt auch Bernd Matthies im Tagesspiegel, der das aus der Aktion entstandene Buch rezensiert und meiner über die Jahre immer wieder kundgetanen Meinung zur Aktion im Großen und Ganzen zustimmt.
Offensichtlich befürchtet er außerdem, ich könne ihn hinterrücks mit dem Etikett „Sprachnörgler“ versehen, wenn er nicht aufpasst.
Aber das würde ich nie tun. Es sei denn, er finge an, an der Sprache herumzunörgeln.
Monster.de beweist: Deutsche lieben Anglizismen
Das Stellenportal Monster.de hat in einer vermutlich nicht einmal annähernd repräsentativen Umfrage [PDF] herausgefunden, dass die Mehrheit der Deutschen englisches Lehngut entspannt zur Kenntnis nimmt oder sogar enthusiastisch willkommen heißt:
Anglizismen im Beruf vereinfachen die Kommunikation – man sollte sie öfter verwenden. |
10% (221) |
Anglizismen sind für mich in Ordnung, sollten aber nicht Überhand nehmen. |
48% (1.020) |
Ich finde englische Ausdrücke nervig und unnötig. | 42% (893) |
In diesem Sinne: Bonnes Vacances.
[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Version enthält möglicherweise Korrekturen und Aktualisierungen. Auch die Kommentare wurden möglicherweise nicht vollständig übernommen.]
Das Satzbausproblem ist natürlich das “as it does ours”. Da würde ich eine Präposition erwarten, analog zum “in the heart”. Also etwa “in to ours”. Die Auslassung führt auch dazu, dass der Kasus von ours streng genommen nicht bestimmt ist. Das ist wohl zulässig und das Verständnis leidet auch nicht wirklich, aber es holpert doch sehr.
urlaub
… dann men einen erholsamen und hoffentlich sprachnörgler-freien urlaub! 🙂
What else is new?
Es gibt eine Menge an sich nicht besonders seltener oder ungebräuchlicher Vokabeln, die in den USA immer wieder falsch gebraucht oder verwechselt werden.
Beipiele:
incredulous incredible: “I find it incredulous that you still don’t get it”
flout flaunt: “They continue to flaunt international law”
affect effect: “The crisis will effect our earnings.”
ensure insure: “This measure shall insure that our goal is met”
Zumindest aber bei den folgenden Wörtern sollte man eigentlich erwarten dürfen, dass allgemein bekannt ist, wann welches verwendet wird und wann nicht. Eine solche Erwartung wird jedoch schnell enttäuscht.
your / you’re
its / it’s
there / their / they’re
loose / lose
Und so weiter.
Es ist allerdings keineswegs so, dass wir hier Anlass haben, mit dem Finger auf Andere zu zeigen. Wir machen auch genug Fehler in unserer Muttersprache.
Im verlinkten Text findet sich in den Kommentaren die bekannte Übersetzung “public Viewing = Leichenschau”… 😉
ich fände es mal interessant zu erfahren, warum man sich eigentlich ständig immer wieder neue Anglizismen ausdenkt. Ist es wirklich nur weil man “cool” klingen will?
Gehört es nicht zum Wesen eines Anglizismus, nicht ausgedacht sondern vielmehr übernommen zu werden?
Apart from dem: Ja! Es soundet einfach so cool.
Tss. Hippe Leute bezeichnen sich schon längst als “kewl”. Die konventionelle Schreibung “cool” ist, like, mega-out.
Diese Schreibung ist — what else? — natürlich auch aus dem amerikanischen Sprachgebrauch übernommen.
Aliens
Heute gelesen:
«Illegal aliens» — so nennen vor allem Konservative immer häufiger die Einwanderer ohne Papiere. Schön klingt das nicht, eher bedrohlich: Aliens — das sind auch die Monster aus dem All.
http://www.news.de/…ersprengstoff-ueber-jahre/1/
Frage an die Sprachexperten: Denken Amerikaner mittlerweile tatsächlich auch an außerirdische Monster, wenn sie “aliens” lesen oder hören?
“Illegal aliens”
Nun ja, Sprachexperte bin ich nicht. Aber ich denke, dass “aliens” nicht nur Außerirdische bedeutet, sondern auch Fremde allgemein. Halt so ein Zwischending, oder einfach ein Wort mit einer breiteren Bedeutung als das deutsche “Fremder” oder “Außerirdischer”.
Nicht umsonst sang Sting schon:
I’m an alien I’m a legal alien
I’m an Englishman in New York.