Zwischendurch

Von Anatol Stefanowitsch

Um mich zwis­chen beru­flichen Verän­derun­gen und einem drin­gend benötigten Urlaub wenig­stens kurz zu im Sprachlog blick­en zu lassen, hier drei Kurzmel­dun­gen (bitte langsam lesen — da ich nicht weiß, ob ich in der näch­sten Woche Inter­net­zu­gang habe, müssen sie vielle­icht bis zum Ende des Monats reichen).

Sarah Palin als Sprachschöpferin

Die ehe­ma­lige amerikanis­che Vizepräsi­dentschaft­skan­di­datin Sarah Palin zeigt sich als Sprach­schöpferin. In einem Tweet ver­wen­dete sie das Wort refu­di­ate, ver­mut­lich eine Ver­mis­chung von refuse („ver­weigern“) und repu­di­ate („nicht anerken­nen“, „zurück­weisen“):

<em>refudiate</em> in einem Twitter-Post Sarah Palins

refu­di­ate in einem Twit­ter-Post Sarah Palins

Auf ihren Fehler aufmerk­sam gemacht, gab sie sich selb­st­be­wusst — Englisch sei schließlich eine lebendi­ge Sprache und auch Shake­speare habe neue Wörter erfunden:

Sarah Palins Verteidigung

Sarah Palins Verteidigung

Twit­ter-Nutzer ließen sich davon nicht überzeu­gen und ließen ihrer Häme unter dem Hash­tag #shakespalin freien Lauf.

Ich würde Palin aber im Prinzip zus­tim­men. Solche Ver­mis­chun­gen (sprach­wis­senschaftlich „Kon­t­a­m­i­na­tion“ genan­nt) sind nicht ungewöhn­lich, und tat­säch­lich hat sie das­selbe Recht, neue Wörter zu erfind­en, wie Shake­speare oder son­st irgendw­er. Ob ihr die Sprachge­mein­schaft fol­gt, ist natür­lich eine andere Frage.

Sie glaubt allerd­ings offen­sichtlich selb­st nicht so recht an ihre sprach­schöpferischen Qual­itäten — der ursprüngliche Tweet ist ver­schwun­den und durch fol­gende lexikalisch kon­ven­tionelleren erset­zt worden:

veränderter Tweet Palins

verän­dert­er Tweet Palins

Dabei ist ihr allerd­ings wieder ein Fehler (oder ein sprach­schöpferisch­er Akt) unter­laufen: das Wort refute („wider­legen“, „abstre­it­en“) ergibt in diesem Zusam­men­hang nur wenig Sinn.

Übri­gens enthält der ursprüngliche Tweet auch ein inter­es­santes Prob­lem im Satzbau, aber das zu iden­ti­fizieren über­lasse ich syn­tak­tisch inter­essierten Leser/innen.

Aktion Lebendi­ges Deutsch san­ft entschlafen

Die Aktion Lebendi­ges Deutsch hat inzwis­chen seit sieben Monat­en das Wort des Monats nicht mehr aktu­al­isiert, der Ver­dacht verdichtet sich, dass die Aktion nicht mehr ganz so lebendig ist.

Das glaubt auch Bernd Matthies im Tagesspiegel, der das aus der Aktion ent­standene Buch rezen­siert und mein­er über die Jahre immer wieder kund­geta­nen Mei­n­ung zur Aktion im Großen und Ganzen zustimmt.

Offen­sichtlich befürchtet er außer­dem, ich könne ihn hin­ter­rücks mit dem Etikett „Sprach­nör­gler“ verse­hen, wenn er nicht aufpasst.

Aber das würde ich nie tun. Es sei denn, er fin­ge an, an der Sprache herumzunörgeln.

Monster.de beweist: Deutsche lieben Anglizismen

Das Stel­len­por­tal Monster.de hat in ein­er ver­mut­lich nicht ein­mal annäh­ernd repräsen­ta­tiv­en Umfrage  [PDF] her­aus­ge­fun­den, dass die Mehrheit der Deutschen englis­ches Lehngut entspan­nt zur Ken­nt­nis nimmt oder sog­ar enthu­si­astisch willkom­men heißt:

Anglizis­men im Beruf vere­in­fachen die Kommunikation –
man sollte sie öfter verwenden.
10% (221)
Anglizis­men sind für mich in Ord­nung, soll­ten aber nicht
Über­hand nehmen.
48% (1.020)
Ich finde englis­che Aus­drücke nervig und unnötig. 42% (893)

In diesem Sinne: Bonnes Vacances.

 

[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Ver­sion enthält möglicher­weise Kor­rek­turen und Aktu­al­isierun­gen. Auch die Kom­mentare wur­den möglicher­weise nicht voll­ständig übernommen.]

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

9 Gedanken zu „Zwischendurch

  1. Marc B.

    Das Satzbaus­prob­lem ist natür­lich das “as it does ours”. Da würde ich eine Prä­po­si­tion erwarten, ana­log zum “in the heart”. Also etwa “in to ours”. Die Aus­las­sung führt auch dazu, dass der Kasus von ours streng genom­men nicht bes­timmt ist. Das ist wohl zuläs­sig und das Ver­ständ­nis lei­det auch nicht wirk­lich, aber es holpert doch sehr.

  2. viola

    urlaub
    … dann men einen erhol­samen und hof­fentlich sprach­nör­gler-freien urlaub! 🙂

  3. Michael Khan

    What else is new?
    Es gibt eine Menge an sich nicht beson­ders sel­tener oder unge­bräuch­lich­er Vok­a­beln, die in den USA immer wieder falsch gebraucht oder ver­wech­selt werden.
    Beipiele:
    incred­u­lous incred­i­ble: “I find it incred­u­lous that you still don’t get it”
    flout flaunt: “They con­tin­ue to flaunt inter­na­tion­al law”
    affect effect: “The cri­sis will effect our earnings.”
    ensure insure: “This mea­sure shall insure that our goal is met”
    Zumin­d­est aber bei den fol­gen­den Wörtern sollte man eigentlich erwarten dür­fen, dass all­ge­mein bekan­nt ist, wann welch­es ver­wen­det wird und wann nicht. Eine solche Erwartung wird jedoch schnell enttäuscht.
    your / you’re
    its / it’s
    there / their / they’re
    loose / lose
    Und so weiter.
    Es ist allerd­ings keineswegs so, dass wir hier Anlass haben, mit dem Fin­ger auf Andere zu zeigen. Wir machen auch genug Fehler in unser­er Muttersprache.

  4. Peer

    Im ver­link­ten Text find­et sich in den Kom­mentaren die bekan­nte Über­set­zung “pub­lic View­ing = Leichenschau”… 😉

  5. Sandra

    ich fände es mal inter­es­sant zu erfahren, warum man sich eigentlich ständig immer wieder neue Anglizis­men aus­denkt. Ist es wirk­lich nur weil man “cool” klin­gen will?

  6. David

    Gehört es nicht zum Wesen eines Anglizis­mus, nicht aus­gedacht son­dern vielmehr über­nom­men zu werden?
    Apart from dem: Ja! Es soundet ein­fach so cool.

  7. Michael Khan

    Ist es wirk­lich nur weil man “cool” klin­gen will?

    Tss. Hippe Leute beze­ich­nen sich schon längst als “kewl”. Die kon­ven­tionelle Schrei­bung “cool” ist, like, mega-out.
    Diese Schrei­bung ist — what else? — natür­lich auch aus dem amerikanis­chen Sprachge­brauch übernommen.

  8. Balanus

    Aliens
    Heute gelesen:
    «Ille­gal aliens» — so nen­nen vor allem Kon­ser­v­a­tive immer häu­figer die Ein­wan­der­er ohne Papiere. Schön klingt das nicht, eher bedrohlich: Aliens — das sind auch die Mon­ster aus dem All.
    http://www.news.de/…ersprengstoff-ueber-jahre/1/
    Frage an die Sprachex­perten: Denken Amerikan­er mit­tler­weile tat­säch­lich auch an außerirdis­che Mon­ster, wenn sie “aliens” lesen oder hören?

  9. Michael Kuhlmann

    Ille­gal aliens”
    Nun ja, Sprachex­perte bin ich nicht. Aber ich denke, dass “aliens” nicht nur Außerirdis­che bedeutet, son­dern auch Fremde all­ge­mein. Halt so ein Zwis­chend­ing, oder ein­fach ein Wort mit ein­er bre­it­eren Bedeu­tung als das deutsche “Fremder” oder “Außerirdis­ch­er”.
    Nicht umson­st sang Sting schon:
    I’m an alien I’m a legal alien
    I’m an Eng­lish­man in New York.

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