Graf Zahl bei XKCD

Von Kristin Kopf

Der aktuelle XKCD mit Graf Zahl:

Eins! Ah ah ah … Zwei! Ah ah ah … … viele! Ah ah ah … – Prim­i­tive Kul­turen entwick­eln Sesamstraße.”

Es gibt tat­säch­lich Sprachen, in denen es nur sehr wenige Zahlwörter gibt, die sowas wie 1, 2 und ‘viele’ (alles ab 3) bedeuten. Ich würde das allerd­ings nicht “prim­i­tiv”, son­dern extrem span­nend nen­nen. WALS, der World Atlas of Lan­guage Struc­tures, lis­tet 20 Sprachen mit solchen eingeschränk­ten (“restrict­ed”) Zahlen­sys­te­men auf:

Com­rie, Bernard. 2008. Numer­al Bases. In: WALS.* (CC BY-NC-ND)

Darunter find­et sich z.B. Pirahã, eine Sprache in Brasilien. Für sie wurde tat­säch­lich zunächst ein 1–2‑viele-System pos­tuliert wurde, mit­tler­weile ist Dan Everett (der Lin­guist, der sie erforscht) sog­ar der (umstrit­te­nen) Mei­n­ung, es gebe gar keine Zahlwörter und das, was er zuvor für 1 und 2 gehal­ten habe, bedeute ‘wenig(er)’.

Com­rie (2008) nen­nt im Begleit­text der Karte außer­dem noch Man­gar­rayi (Aus­tralien) mit drei Zahlwörtern und Yidiny (auch Aus­tralien) mit fünf. Welche Sprachen da noch mit­machen, kön­nt ihr sehen, wenn ihr auf die Karte klickt und dann auf der WALS-Seite mit der Maus auf die weißen Punk­te fahrt.

Solche Sys­teme sind natür­lich enorm bedro­ht, da durch die Ein­führung von Geld o.ä. oft auch ganze Zahlen­sys­teme entlehnt werden.

Für Pirahã gibt es auch inter­es­sante Unter­suchun­gen, was das Fehlen von Zahlwörtern für Auswirkun­gen auf die Men­gen­wahrnehmung hat, z.B. hier (pdf). Ich fasse den Inhalt ganz knapp und hof­fentlich trotz­dem einiger­maßen akku­rat zusammen:

Frank et al. stellen fest, dass die Pirahã keine Zahlwörter brauchen, um exak­te Men­gen bes­tim­men zu kön­nen. Das heißt, wenn man Ver­suchsper­so­n­en in einem Exper­i­ment eine Menge von Din­gen (hier Gar­nrollen) vor­legt, kön­nen sie eine iden­tis­che Menge ander­er Dinge (hier Luft­bal­lons) dazule­gen. Die Tat­sache, dass sie sowohl 8 als auch 9 Rollen in bes­timmten Kon­tex­ten als ‘viele’ beze­ich­nen, bedeutet also nicht, dass sie bei­de Men­gen als gle­ich­groß wahrnehmen.

In Fällen, in denen sie die Menge der Gar­nrollen zum Zeit­punkt des Luft­bal­lon­hin­le­gens nicht mehr sehen kon­nten (z.B. weil sie verdeckt wur­den), macht­en die Ver­suchsper­so­n­en mehr Fehler. Frank et al. sehen Zahlwörter daher als eine kog­ni­tive Tech­nolo­gie an, die dabei hil­ft, genaue Men­gen zu spe­ich­ern.

Fußnote:

*Com­rie, Bernard. 2008. Numer­al Bases. In: Haspel­math, Mar­tin & Dry­er, Matthew S. & Gil, David & Com­rie, Bernard (eds.) The World Atlas of Lan­guage Struc­tures Online. Munich: Max Planck Dig­i­tal Library, chap­ter 131. Avail­able online at http://wals.info/feature/131

Update 11.7.2010

Ich habe mich ja schon gefragt, wann das Lan­guage Log sich äußern würde. Dass es das allerd­ings so amüsant tun würde, hätte ich nicht gedacht:

David Beaver, Lan­guage Log

2 Gedanken zu „Graf Zahl bei XKCD

  1. L'Ande

    Das ist wirk­lich sehr span­nend. Habe ein paar Paper dazu gele­sen. Toll. Irgend­wann müssen wir mal was zusam­men machen!

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