Die journalistische Vermittlung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse ist eine schwierige Sache. Solche Ergebnisse sind komplex und vieldeutig, sie sind auf vielfältig vernetzte Weise in die verschiedensten, teilweise jahrzehnte- oder jahrhundertealten Forschungsstränge eingebunden, und ihre Einordnung und Interpretation erfordert sowohl umfangreiches fachspezifisches als auch allgemein wissenschaftstheoretisches Vorwissen. Zeitungs- und Zeitschriftenartikel müssen dagegen einfach und eindeutig sein, sie müssen für sich stehen und dürfen deshalb beim Leser keinerlei Vorkenntnisse voraussetzen.
Das macht es selbst für erfahrene und gut geschulte Wissenschaftsjournalist/innen schwierig, ihre Aufgabe gut zu erledigen und es gibt nur wenige — zum Beispiel unseren hauseigenen Lars Fischer — denen es durchgängig gelingt. Die journalistischen Generalist/innen, die in den Redaktionen tagesaktueller Print- und Onlinemedien sitzen, sind damit völlig überfordert. Diese Überforderung kann man ihnen natürlich nicht zum Vorwurf machen, wohl aber, dass sie (und ihre Chefredakteur/innen) diese nicht erkennen.
Niemand würde über Fußball schreiben (bzw. schreiben dürfen), ohne die Regeln des Spiels zu kennen, den europäischen und internationalen Wettbewerben regelmäßig zu folgen und sich wenigstens mit der jüngeren Geschichte des Sports auszukennen. Auch über Kunst und Kultur schreiben typischerweise Leute, die sich in der Szene auskennen und häufig relevante Qualifikationen und/oder jahrelange Beschäftigung mit diesen Bereichen vorweisen können. Über Wissenschaft zu schreiben traut sich in der Medienwelt dagegen jeder zu, nach Erfahrungswissen oder gar formalen Qualifikationen fragt niemand.
Im besten Fall begnügen sich die Journalist/innen und Redakteur/innen damit, minimal umgeschriebene Presseerklärungen von Universitäten oder Fachzeitschriften zu veröffentlichen. Die Originalstudie(n), über die dort berichtet wird, lesen sie selten bis nie, und sie sprechen im Normalfall weder persönlich mit den Wissenschaftler/innen, über deren Ergebnisse sie berichten, noch fragen sie bei unabhängigen Expert/innen nach. Im schlimmsten Fall versuchen sie, eigenständig Vereinfachungen vorzunehmen (was schnell zu Verzerrungen und inhaltlichen Fehlern führt), Hintergrundinformationen hinzuzufügen (die häufig falsch oder irrelevant sind), oder sie sprechen mit zufällig ausgewählten Forscher/innen, die von der Materie keine Ahnung haben (was dazu führen kann, dass unstrittige Ergebnisse als umstritten präsentiert werden).
Und im allerschlimmsten Fall schreiben sie einfach eine Pressemeldung ab, die ihrerseits nicht etwa auf einer wissenschaftlichen Studie beruht, sondern auf einem Artikel in der Boulevardpresse. So, wie dieser Tage im Falle einer Meldung, nach der der intensive Gebrauch von SMS zu einer Reihe schwerer psychischer Störungen führen kann.
Die betreffende Pressemeldung gab es in drei Versionen, die allesamt hundertfach aufgegriffen wurden und werden. Die kürzeste dieser Meldungen lautete wie folgt:
Sydney — Ein wunder Daumen ist nicht die einzige Gefahr für Leute, die zu viele SMS schreiben. Eine Forscherin aus Australien hat Krankheitsbilder entdeckt, die vor allem Teenager beim „simsen“ heimsuchen können: Textaphrenie, post-textisches Stresssyndrom und Koma-Texten, wie Jennie Caroll, Dozentin für Projektmanagement in Melbourne, im Rundfunk berichtet. Sie warnte vor der Ausbreitung solcher Krankheiten, nachdem ein Mobilfunkanbieter mitgeteilt hatte, dass sich die Zahl der in Australien verschickten SMS seit 2008 verdoppelt hat. [dpa, zitiert nach sueddeutsche.de]
Eine etwas längere Fassung beginnt genauso, nennt dann aber zusätzliche „Krankheitsbilder“ und definierte diese genauer:
Ein wunder Daumen ist nicht die einzige Gefahr für Leute, die zu viele SMS schreiben. Eine australische Forscherin hat zahlreiche Krankheitsbilder entdeckt, die vor allem Teenager beim “simsen” heimsuchen könnten: Textaphrenie, post-textisches Stresssyndrom, “Tangst“gefühle (aus Text und Angst) und Koma-Texten, wie Jennie Caroll, Dozentin für Projektmanagement in Melbourne berichtete. Sie warnt vor der Ausbreitung solcher Krankheiten, nachdem der Mobilfunkanbieter Boost mitgeteilt hatte, dass sich die Zahl der in Australien verschickten SMS seit 2008 verdoppelt habe.
Bei Textaphrenie entsehe der Glaube, das Telefon habe eine eingehende SMS angezeigt, wenn in Wirklichkeit nichts angekommen ist. Beim Post-textischen Stress-Syndrom laufe der SMS-Schreiber gegen eine Wand oder bekomme nicht mehr mit, was um ihn herum passiert. Tangstgefühle seien Selbstzweifel, wenn nach einer Weile keine neue SMS angekommen ist. Beim Koma-Texten würden unzählige SMS verschickt, um das Selbstbewusstsein zu stärken. “Textaphrenie und Tangstgefühle haben SMS-Schreiber, die sich einsam fühlen und an ihrer Popularität zweifeln”, sagte Carroll. Koma-Texten sei ein Hilferuf. [APA, zitiert nach derstandard.at]
Nun glauben die Menschen ja gerne jede Horrormeldung über die Verwendung von SMS, weshalb und diese Technologie auch im Sprach(b)log immer wieder beschäftigt hat (siehe Literaturverweise unten). Ich lehne mich aber wohl nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass kein vernünftiger Mensch diese Meldungen zur Grundlage von Zeitungsartikeln machen würde, ohne an mehreren Stellen genauer nachzuhaken:
- Wer ist Jennie Carroll und was qualifiziert sie zum Entdecken von Krankheitsbildern?
- Wie sah die Studie aus, wer wurde wie untersucht?
- Was sagt die Fachwelt zu diesen Ergebnissen?
Kaum einer der Hunderten von Artikeln, die diese Pressemeldungen aufgreifen, stellt irgendeine dieser Fragen. Einige Artikel erwähnen, dass Jennie Carrol Professorin für Projektmanagement am Royal Melbourne Institute of Technology ist (das stimmt, es lässt sich leicht ergoogeln und eigentlich müsste man an dieser Stelle stutzig werden). Andere wollen wissen, dass die Studie über viele Jahre lief (weitere Details, etwa einen Titel oder Erscheinungsort, nennt kein einziger, und auch intensives Googeln fördert nichts zu Tage — ein weiterer Grund, stutzig zu werden). Ein paar Artikel zitieren eine noch längere Version der Pressemeldung, in der jemand von der dpa versucht hat, wenigstens die dritte Frage zu beantworten (dazu später mehr).
Und jemand, der nicht nur vernünftig ist, sondern auch nur einen klitzekleinen Augenblick über die Pressemeldungen nachdenkt, müsste erkennen, dass sie allesamt Unfug in Reinform sind. Eine Professorin für Projektmanagement veröffentlicht eine Studie zu SMS-bedingten Krankheitsbildern? Und gibt denen dann auch noch absolut lächerlich klingende Namen? „Tangstgefühle“ (in englischen Meldungen steht hier textiety, aus text und anxiety)? „Koma-Texten“ (engl. binge texting)?!? „Textaphrenie“ (engl. textaphrenia)?!?!? „Post-textisches Stresssyndrom“ (engl. post-traumatic text syndrome)?!?!?!?
Ich bin sicher nicht medienerfahrener als die Redakteure, die diesen Unsinn übernommen haben, aber ich erkenne sofort, dass bei diesen Begriffen keine Wissenschaftlerin am Werk war, sondern irgendein durchaus kreativer aber mit wissenschaftlicher Terminologie nur am Rande vertrauter Texter. Und die Erwähnung eines Mobilfunkanbieters („Boost“) weckt einen Verdacht: Hat hier möglicherweise die Werbeabteilung eines Unternehmens eine Studie erfunden, um kostenlose weltweite Werbung für sich zu machen? Aber wenn das so wäre, wie könnte man es als Redakteur dann herausfinden? So etwas erfordert doch monatelange Hintergrundrecherche, man muss konspirative Treffen organisieren, Informanten bezahlen und über tote Briefkästen geheime Dokumente austauschen? Soviel Zeit und Geld haben die Redaktionen von Tageszeitungen und täglich aktualisierten Nachrichtenwebseiten nicht. Ja, dann muss man das alles wohl glauben und darauf vertrauen, dass es alles seine Richtigkeit hat.
Oder man schreibt einfach eine kurze E‑Mail an Professor Carroll. Sie müsste ja wissen, ob sie diese Krankheitsbilder diagnostiziert und benannt hat und ob, und wenn ja, wo die entsprechende Studie erschienen ist. Das kostet nichts und vermutlich bekommt man innerhalb von ein paar Stunden eine Antwort.
Also habe ich das getan, wozu außer mir anscheinend niemand in der Lage war: Ich habe tatsächlich eine solche E‑Mail geschickt und darin meinen Verdacht geäußert und um Bestätigung oder — was ist das Gegenteil von Bestätigung? Entstetigung? — gebeten. Und siehe da: Nach ein paar Stunden hatte ich eine Antwortmail von der Forscherin in meinem Posteingang.
Richtig, schreibt sie. Die Firma Boost Mobile hat eine Reihe von „Krankheiten“ (ihre Anführungsstriche) erfunden und sie dann gefragt, ob es diese Krankheitsbilder gibt. Man kam auf sie, weil sie mehrere Studien zum Gebrauch und der Annahme verschiedener Mobilfunktechnologien veröffentlicht hat. Sie hat ihnen dann bestätigt, dass sich einige der erfundenen Verhaltensweisen tatsächlich hier und da beobachten lassen. Die Namensgebung für diese Verhaltensweisen, ebenso wie deren Klassifikation als „Krankheitsbilder“, hat dann eine Werbeagentur vorgenommen. Dann hat man die entsprechende Pressemeldung an den Sydneyer Daily Telegraph weitergeleitet, ein Artikel erschien, und den haben alle Presseagenturen abgeschrieben.
Ich würde vor Wut kochen, wenn man das mit mir gemacht hätte. So etwas kann auf einen Schlag den Ruf eines/r Wissenschaftler/in zerstören, und der Ruf ist das Wichtigste, was man als Forscher/in hat. In der oben erwähnten dritten Version der Pressemeldung, in der jemand von der dpa ein bisschen herumtelefoniert hat, um eine Gegenmeinung einzuholen, wird Carroll hart angegriffen:
„Das ist Quatsch, richtig Quatsch“, sagt hingegen der Kinder- und Jugendpsychologe Michael Schulte-Markwort vom Universitätsklinikum Hamburg. Es gebe natürlich immer wieder Eltern, die in Sorge sind, weil ihre Kinder ihre Handys zu intensiv nutzen. Der Kinder- und Jugendpsychiater habe das aber noch nie als Sucht erlebt.
Die von der Australierin Caroll beschrieben Krankheiten seien nichts Besonderes. Die eigene Attraktivität anhand von empfangenen SMS oder E‑Mails zu messen oder die eigene Umwelt beim Telefonieren nicht mehr wahrzunehmen, sei ein normales Phänomen. „Das als Krankheit zu bezeichnen, ist ausgemachter Blödsinn,“ so Schulte-Markwort gegenüber der deutschen Nachrichtenagentur dpa. [dpa, zitiert nach Krone.at]
Nun ist Schulte-Markwort ebenso wenig ein Experte für SMS-induzierte Krankheitsbilder wie ich, aber immerhin forscht er zum Thema Kinder- und Jugendpsychatrie und hat an mehreren Lehrbüchern zum Thema mitgearbeitet. Seine Meinung ist deshalb wertvoll und bestätigt ja letzten Endes nur das, was sich jeder klar denkende Mensch denken kann. Trotzdem bin ich der Meinung, er hätte, bei der angeblichen Autorin der angeblichen Studie nachhaken müssen, bevor er sich äußert. Als Wissenschaftler sollte er eine Kollegin nicht angreifen, nur weil ein Journalist behauptet, sie habe dies oder das gesagt oder geschrieben.
Wäre ich an Carrolls Stelle, ich würde von den Presseagenturen mindestens Gegendarstellungen verlangen. Meine Melbourner Kollegin nimmt das Ganze etwas gelassener. Sie findet sogar, dass der Begriff Textiety recht gut beschreibt, wie sich manche Menschen verhalten, wenn sie glauben, schon zu lange keine Textnachricht mehr erhalten zu haben — „zu lange“ kann sich individuell auf Zeiträume „von ein paar Minuten bis zu ein paar Stunden beziehen“, bemerkt sie trocken.
So, jetzt muss ich aber aufhören, ich glaube, mit meinem Handy stimmt etwas nicht. Ich bin mir sicher, dass es geklingelt hat, aber es wird keine SMS angezeigt, obwohl ich schon seit dreißig Sekunden keine mehr bekommen habe. Außerdem bin ich gerade gegen einen Laternenpfahl gelaufen.
DAILYTELEGRAPH.com.au/FENECH, Stephen (2010) Teengers are becoming text addicts facing mental and physical issues, Daily Telegraph (Sydney), 2. Juli 2010 [Link].
STEFANOWITSCH, Anatol (2007) Telefonischer Sprachverfall, Bremer Sprachblog, 12. Mai 2007 [Link].
STEFANOWITSCH, Anatol (2007) Handy-Syndrom, Bremer Sprachblog, 28. Juli 2007 [Link].
STEFANOWITSCH, Anatol (2008) Abkürzungsgefährdet, Bremer Sprachblog, 22. Mai 2008 [Link].
STEFANOWITSCH, Anatol (2009) Verstrahlte SMS-Kürzel, Bremer Sprachblog, 14. September 2009 [Link].
[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Version enthält möglicherweise Korrekturen und Aktualisierungen. Auch die Kommentare wurden möglicherweise nicht vollständig übernommen.]
Passend zum Thema:
http://www.phdcomics.com/comics.php?f=1174
Puh
Ich versende seit ich ein Smartphone habe mehr Emails als SMS.
Damit dürften diese streng SMS-spezifischen Krankheitsbilder bei mir ja nicht auftreten 😉
Fragt sich nur: was ist mit Twitter?!!!
Bei Twitter gibt’s nur das Krankheitsbild Twitterhoe …
Vielen Dank für den Artikel
Ich habe auch die Berichte in der Presse gesehen und mich gewundert. Schön, dass sich jemand die Mühe gemacht hat, dieses Rätsel zu entschlüsseln.
Unangemessene Verallgemeinerung
Lieber Herr Stefanowitsch,
was genauso destruktiv ist wie schneller Journalismus, sind Generalisierungen.
Betrachten Sie Thilo Körkel beispielsweise, dessen Telefon nie ruht, oder Christoph Poeppe, der gerne auch einmal vor Ort Wissenschaftler besucht und interviewt; betrachten Sie Reinhard Breuer, der regelmäßig freitags in der Reihe vor mir im physikalischen Kolloquium sitzt und Fragen stellt — möchten Sie behaupten, dass die Artikel dieser Journalisten oberflächlich, unhinterfragt und unkritisch sind?
Schon aus meiner eigenen 9‑monatigen Arbeit in der Spektrum-Redaktion kann ich Ihnen berichten, dass selbst Praktikanten regelmäßig auch für das Verfassen von Tagesmeldungen in engem Kontakt mit Wissenschaftlern stehen. Ich selbst habe bei Spektrum etwa 100 Artikel verfasst und würde behaupten, bei der großen Mehrheit mit Wissenschaftlern in aller Welt telefonisch oder per Mail kommuniziert zu haben. Oft zog ich auch weitere Wissenschaftler zu Rate, die eine Neuentdeckung kritisch einschätzten.
Selbst wenn mir oder anderen dabei einmal Fehler unterlaufen — ich sehe nicht, dass Ihre Kritik hier der Situation gerecht wird.
Ich liebe kritische Anmerkungen, aber was ich gar nicht schätze, ist, wenn Kritik verallgemeinert wird.
V. Spillner
Weltuntergang
Danke für die Recherche!
Etwas ganz ähnliches hat übrigens John Stewarts Daily Show geleistet, als sie sich als offensichtlich erste journalistische Institution die Mühe gemacht hat, den viel zitierten CERN Krititiker persönlich zu befragen, warum genau die Experimente in Genf zu einem Weltuntergang führen können. Schon die einfache Tatsache, dass es sich bei dem Herrn um einen Physiklehrer auf Hawaii handelt, sollte weiteres Zitieren seiner Person fragwürdig machen, aber im direkten Interview macht er sich wirklich lächerlich: http://scienceblips.dailyradar.com/…e_lhc_video/
Leider haben nicht einmal die eigentlich seriösesten Instanzen der Weltpresse die Mühe auch nur rudimentärer Recherche gemacht. Allerdings ist die Aufarbeitung des Themas durch die Daily Show brilliant unterhaltend und damit sei alles gerechtfertigt.
Unterscheidung notwendig
Man sollte immer zwischen einer Person und den Aussagen unterscheiden.
Die Qualifikation einer Person und die Anzahl ihrer Veröffentlichungen ist zweitrangig zu betrachten, da sie nichts über eine wissenschaftliche Theorie besagt. Deshalb ist dies eher für solche Menschen geeignet, welche diese Informationen zum ´schleimen´ brauchen — um entscheiden zu können, ob sie auf einem Strom mitschwimmen oder nicht.
Aussagen/Theorien sollte man aber immer auf ihre Sinnhaftigkeit oder Glaubwürdigkeit hinterfragen.
danke,
für den Artikel, zeigt sehr schön wie es läuft und wie einfach es manchmal wäre es besser zu machen.
@Spillner
die Kritik mag verallgemeinernd formuliert sein, für mich klingt sie aber nicht pauschal urteilend, sondern sie spitzt zu — wie sich das für einen Kommentar gehört. Natürlich arbeiten nicht alle schlecht, aber die Verbreitung der Meldung zeigt, wie nötig hier Kritik ist.
@ Spillner
Vera, ich kann nicht herauslesen, daß dieser Beitrag eine Kritik an die Publikationen aus dem Hause Spektrum sind. Das würde auch etwas ins Leere gehen, denn das Konzept in unserem Hause ist ja ein anderes. Die Hauptartikel sind, bis auf wenige Ausnahmen, von Wissenschaftlern und nicht von Journalisten geschrieben. Warum sollte ein Wissenschaftler, der über seine Forschung berichtet einen Pressetext kopieren? 😉
@Martin
Hi Martin! 🙂
Aber auch bei Spektrum werden Tagesartikel und Online-Beiträge geschrieben (und zwar viele) und die werden von Leuten geschrieben, die Wissenschaftler sind oder waren und heute Journalisten sind. Und die muss man mit Pauschalkritik ja nicht auch noch lateral erwischen, finde ich.
Aber davon abgesehen: ganz lieben Gruß und ich hoffe, Du genießt die WM auch so wie ich! 🙂 Gruß, Vera
Frau Spillner,
diese Stelle macht meinem Eindruck nach ganz klar, daß die richtigen Wissenschaftsjournalisten überhaupt nicht gemeint sind, sondern nur die Hanseln der Tagespresse (vielleicht ausdehnbar auf Nachrichtenmagazine).
@ Spillner
Ich weiß nicht, ob sich unsere Redakteure diesen Schuh anziehen. Aber ich bin keiner und halte mich deshalb mal besser zurück. 🙂
Wieso hast Du denn noch Spaß an der WM? Frankreich ist doch schon zu Hause. 😉
@David @Vera
Ja, man muss da sicherlich differenzieren. Der Blogpost bezieht sich auf die Süddeutsche und den Standard, also auf Wissenschaftsjournalismus in Medien, deren Stärke sicherlich woanders liegt. Das Problem ist nur, dass die Wissenschaft von wissenschaftsfremden Lesern eben vor allem über solche Massenblätter wahrgenommen wird. Da kann man der traurigen Analyse in diesem Post nur beipflichten.
Sehr optimistisch ist der Autor aber, wenn er meint, man dürfe in diesen Blättern nur über Fußball schreiben, wenn man das Spiel kennt.
Ruf?
Netter Artikel, aber dem hier:
muss ich doch irgendwie widersprechen…
Vor ein paar Tagen sagte einer meiner Dozenten (sinngemäß): Man sollte als Wissenschaftler sein Fach voranbringen, nicht (vordergründig) sich selbst. Ich finde, er hat (in diesem Punkt) Recht.
Bis Morgen dann.
Weiterer Fehler
Der dpa unterläuft in ihrer Meldung mal wieder der klassische Fehler, nicht zwischen Ärzten und Psychologen unterscheiden zu können: “…sagt hingegen der Kinder- und Jugendpsychologe Michael Schulte-Markwort vom Universitätsklinikum Hamburg. Es gebe natürlich immer wieder Eltern, die in Sorge sind, weil ihre Kinder ihre Handys zu intensiv nutzen. Der Kinder- und Jugendpsychiater…”
Dabei enthält Psychiater doch sogar das griechische Wort für Arzt (iatros). Bleibt wohl nur eine weitere Google-Suche als einzige Möglichkeit herauszufinden, was Herr Schulze-Markwort wohl beruflich macht…
nix neues unter der selben sonne
wissenschaftsjournalismus ist de facto nicht machbar. weil forschung zu komplex ist, als das man das nebenher machen könnte. und weil die zielgruppe zu klein und unbedeutend ist, als dass man dafür einen redakteur wirklich full-time abstellen könnte (per fachgebiet, bitte).
so landen die spassigen pseudo-ergebnisse halt irgendwo zwischen mann-beisst-hund und graue-haare-erblich.
diskreditiert das die wissenschaft? ja. wehrt sich einer? och, nöö, müssen grad drittmittel klarmachen.
diskreditiert das die medien? naja, jein, um diskreditiert zu werden braucht man vorher kredit, glaub ich.
trotzdem schöner blogeintrag. auch schön, dass spektrum unter eigenem name astro-surfed.
ansonsten heisst raider jetzt twix, sonst ändert sich nix.
@Vera Spillner
Andere haben es im Prinzip schon gesagt, aber nochmal der Klarheit halber: Thilo Körkel ist Diplomphysiker, Christoph Pöppe ist promovierter Mathematiker, Reinhard Breuer ist promovierter und habilitierter Physiker. Inwiefern passen die in die Kategorie „journalistische Generalisten“?
Sangst? / Funkţionalisierung
Ist das “T” bei “Tangst” nicht vom verb “text” (= “s[i]msen”)? Müsste es dann nicht eigentlich “Sangst” (oder vielleicht: “SaMSt”?, Nasale sind doch alle gleich) heißen, wenn’s das Bezeichnete denn gäbe?
Wissen wir eigentlich, ob Herr Markwort zu seiner “Gegen“meinung nicht ähnlich kam wie Frau Caroll zu ihrer Meinung? D.h. wusste er überhaupt, wozu er im Artikel funktionalisiert wird? Vielleicht sind ihm die “von der Australierin beschrieben Krankheiten” auch nur beschrieben worden, ohne Hinweis auf Caroll?
Und?
Das hat doch eigentlich mit “Wissenschaft” an sich nur am Rande zu tun. Letztlich ist dies ein allgemeiner Wandel im journalistischen Bereich. “Recherche” war gestern, “Qualitätsjournalismus” ist heute.
Google ist halt schuld daran, dass die Herrn Qualitätsjournalisten hauptsächlich voneinander abschreiben.
Wenn die Story gut ist, interessiert sich doch niemand mehr für den Inhalt. Es darf ja auch nicht mehr als 5 Minuten dauern bis solche Texte produziert werden: Erst Copy&Paste und dann noch etwas die Sätze umgestellt. Fertig ist die Meldung. Bei englischen “Quellen” muss vorher noch heimlich der Feind “translate.google.de” eingeschaltet werden.
Letztlich darf man heute überhaupt nichts mehr glauben, was in der “Qualitätspresse” so geschrieben wird. Ob es nun wissenschaftlich sein soll oder nicht, spielt eigentlich überhaupt keine Rolle.
Um mal ein Beispiel aus der Politik zu nennen: Herr Ströbele (Grüne, MdB) soll eine türkische Version unserer Nationalhymne “gefordert” haben: http://www.bildblog.de/…unglaublich-aber-unwahr/
Da hat sich unsere “Qualitätspresse” ebenfalls nicht die Mühe gemacht Herrn Ströbele mal selbst zu befragen, wie er das denn nun meint. Wenn es irgendwo mal stand, dann wird ja wohl schon stimmen. Viele Menschen werden heute noch glauben, dass Ströbele hier irgendwas “gefordert” hat.
Netter Artikel
Hier fehlt mal langsam ein flattr-Button.
@Patrick Schulz
“Vor ein paar Tagen sagte einer meiner Dozenten (sinngemäß): Man sollte als Wissenschaftler sein Fach voranbringen, nicht (vordergründig) sich selbst. Ich finde, er hat (in diesem Punkt) Recht.”
Mit einem ruiniertem Ruf wird es schwer, vor den Kollegen zu sprechen und damit das Fach voranzubringen, ganz zu schweigen von der Außendarstellung des Wissenschaftsbetriebs. Dabei geht es nicht darum, ob man sich in Oben-Ohne-Bars herumtreibt oder sich anders profiliert, sondern um Integrität.
@ H.M.Voynich
Für meine Arbeit sollte es unerheblich sein, ob ich meinen Namen unter ihre Ergebnisse setze oder nicht.
Lach
Soweit ich mich erinnern kann, stilisieren die Medien gerne mal alles zu einem Krankheitsbild hoch, was vor wenigen Jahren noch nicht in das gesellschaftliche Leben gehört hat. Als Kind wurde mir von älteren Lehrern und Großeltern voller Panik mitgeteilt, dass man von Fernsehen viereckicke Augen bekäme. Belegt wurde diese (selbst für Kinder) abstruse Behauptung dann auch noch mit irgendwelchen journalistischen Artikeln aus den 60ern und 70ern. So so, und nun rennen wir alle manisch vor den Laternenpfahl, weil wir gerne Kurznachrichten senden. Ein schweres Schicksal. Gruß, Sandra
stimmt leider…
Eine nach meiner Erfahrung völlig korrekte Diagnose der Probleme der Berichterstattung über Wissenschaft — hier an einem harmlosen Beispielfall. Wesentlich problematischer wird es, wenn solche pseudo-wissenschaftlichen Meldungen gezielt und orchestriert von Interessengruppen verbreitet werden, wie es häufig bei entwarnenden Meldungen zum Klimawandel der Fall ist — was uns im KlimaLounge-Blog schon öfter beschäftigt hat.
Da verursacht dann angeblich CO2 doch keine globale Erwärmung, es werden angebliche gravierende Fehler im IPCC-Bericht enthüllt oder die globale Erwärmung stagniert angeblich (was derzeit angesichts der globalen Rekordtemperaturen wieder aus der Mode gekommen ist, aber bis vor einem halben Jahr durchaus en vogue war).
Bei diesen Themen brauchen wir noch dringender professionelle, naturwissenschaftlich ausgebildete Fachjournalisten, die das Thema über viele Jahre verfolgen, Meldungen sauber recherchieren und sich nicht so leicht ein X für ein U vormachen lassen. Leider leisten sich in Zeiten der Printmedienkrise immer weniger Zeitungen solche Fachjournalisten — wofür wir wahrscheinlich in Zukunft noch einen hohen Preis bezahlen werden.
@Stefan Rahmstorf
Tatsächlich stellte es SpOn vor etwa einem halben Jahr so dar, als ob Sie mit der Meinung, daß die Erwärmung in den letzten zehn Jahren nicht stagniert habe, ziemlich allein dastünden. Leider habe ich das nicht intensiv weiterverfolgt. Falls sich die Situation inzwischen geändert haben sollte, wäre ich für einen Hinweis auf entsprechende Quellen dankbar.
“oder nie so war”, möchte ich noch anfügen.
Nochmal @Stefan Rahmstorf
Ich sehe gerade, daß Sie sich dazu in Ihrem Blog bereits geäußert haben. Meine Frage hat sich also erledigt.
@Patrick Schulz
Ihre Arbeit soll gelesen werden, ob Ihr Name darunter steht kann entscheiden, ob sie gelesen wird.
Und das ist nicht ohne Grund so, denn es wird so viel an “Wissen” produziert, dass man gar nicht die Zeit hat, sich alles anzuschaun — und auch kritisch die Hintergründe der Ergebnisse zu befragen.
Man braucht also ein Vorabkriterium, um die veröffentlichten Arbeiten zu sortieren und zu entscheiden, welche man sich anschaut. Das ist nunmal “der gute (oder schlechte) Ruf”.
@TMP
Ja, das ist wohl so. Ob das so auch gut ist, sei mal dahin gestellt. Trotzdem:
So ein Ding heisst „Abstract“. Davon viele zu lesen sollte jeder die Zeit aufbringen können.
Aber ich mach mir nichts vor; Ich weiß, dass sehr viele (ich kann mich selbst nicht ausnehmen) eher nach dem Namen urteilen statt nach der Qualität der Arbeiten. Von daher sehe ich schon ein, dass man den Ruf eines Wissenschaftlers als etwas sehr wichtiges ansieht.
Man könnte einwerfen, dass ein Wissenschaftler dann einen guten Ruf hat, wenn er gute Arbeit geleistet hat. Meiner Beobachtung nach ist ein guter Ruf in der Wissenschaft jedoch etwas sehr beständiges, viel beständiger als beispielsweise der Ruf von Politikern oder Persönlichkeiten der Öffentlichkeit. So kann es schonmal vorkommen, dass Wissenschaftler zu Workshops und Konferenzen eingeladen werden, die vor 20 Jahren mal ein wichtiges Paper veröffentlicht haben und bei denen diese Gastvorträge dann in eine völlig andere, vielleicht uninteressante Richtung verlaufen oder schlichtweg schlecht sind.
Jemand hat mir mal mangelnde Demut vorgeworfen. Ich tendiere inzwischen dazu, diesen Vorwurf als Kompliment aufzufassen.
@AS, deinen Vortrag fand ich dagegen sehr interessant, auch wenn er mich eher verwirrt hat: ich habe nicht verstanden, was euren von unserem Ansatz so grundlegend unterscheidet. Ich vermute, dass „euer“ Konstruktionen-Begriff und das MP irgendwie „kompatibel“ sein könnten, zumindest demnach wie ich beide Konzepte verstehe.
Spieler
Diese präzise beschriebene Beobachtung können Sie ohne Abstriche auf die Berichterstattungen hierfür nicht kompetenter Medien bezüglich der Medizin übertragen. Was steckt dahinter? Nicht nur Marketing, sondern die Lust, sich mit etwas zu beschäftigen, was dem Laien Unheimlich ist und wo es doch Menschen gibt, die sich in dieser gruseligen Materie sicher bewegen. Weil sie es gelernt haben. Mein alter Chef hat schon vor Jahrzehnten aus ähnlichem Anlass mal in die Runde gefragt:“Wie nennt man jemanden, der sich mit etwas beschäftigt, was er nicht kann? Man nennt ihn Dilettant.” Wir neigen alle dazu. Sollten uns aber genau in dem Moment hüten, in dem wir andere mit unserem Halbwissen beglücken wollen. Und das stünde einigen dilettantischen Journalisten wohl an. Von dem Schaden, den diese fröhlich im Porzellanladen umhertrampelnden Menschen anstellen mal ganz abgesehen.
Ihre Überlegungen sind logisch, Ihre Texte sind präzise, ohne Ausschweifungen. Sie sind nicht “irgendeine Meinung” (gar noch “unter vielen”), sie sind einfach nur richtig. “Sowas” lese ich gerne. Und nun höre ich (auch mit den Anführungszeichen) auf.