Ein Traum in Weiß

Von Anatol Stefanowitsch

Im Zusam­men­hang meines Beitrags über isländis­che Wörter für Schnee weist mich ein/e Leser/in per E‑Mail darauf hin, dass Schneewörter von Vorgestern sind. Der mod­erne Sprachken­ner weiß längst, dass die Eski­mos über Schnee nicht gerne reden, dass aber dafür ihr Far­b­vok­ab­u­lar in einem entschei­den­den Bere­ich erstaunlich dif­feren­ziert ist. Er/sie schickt mir fol­gen­des Zitat von der Web­seite des Desy, dem Ham­burg­er Teilchenbeschleuniger:

Far­ben sind alles anderes als uni­versell. Welche Far­ben wie emp­fun­den und unter­schieden wer­den, hängt stark vom jew­eili­gen Kul­turkreis ab. So gibt es in eini­gen Sprachen keine eige­nen Worte für Grün und Blau oder Gelb und Orange, während Eski­mos alleine 17 Wörter für das Weiß ken­nen. [Desy 2000]

Was sagen Sie dazu?“, fragt er/sie.

Dazu sage ich erstein­mal, dass anscheinend selb­st Physik­er bere­it sind, alles zu glauben, wenn es um „exo­tis­che“ Völk­er und ihre Sprachen geht.

Eine Google-Suche zeigt, dass die Idee von den vie­len Eski­mowörtern für Weiß im deutschen Sprachraum nicht sehr weit ver­bre­it­et ist (derzeit 14 Tre­f­fer), im Englis­chen schon etwas weit­er (derzeit 1700 Tre­f­fer), im Französichen dafür gar nicht. Es scheint sich also um einen Kle­in­st­mythos oder einen Mythos im Anfangssta­di­um zu handeln.

Aber ist es denn über­haupt ein Mythos? Nun, das Prob­lem bei solchen Behaup­tun­gen ist natür­lich, dass diejeni­gen, die sie auf­stellen, nie sagen, über welche Eski­mo­sprache sie eigentlich reden — ver­mut­lich wis­sen sie meis­tens nicht ein­mal, dass es ver­schiedene Eski­mo­sprachen gibt. Es ist aber so: die Eski­mos sprechen viele ver­schiedene Sprachen und Dialek­te, die alle zur Fam­i­lie der Eski­mo-Aleut-Sprachen gehören.

Es ist natür­lich the­o­retisch denkbar, dass es inner­halb dieser Sprach­fam­i­lie tat­säch­lich eine Sprache gibt, die siebzehn Wörter für den Bere­ich des Far­braumes hat, den wir als Weiß bezeichnen.

Wahrschein­lich ist es allerd­ings nicht. Denn erstens zeich­net sich dieser Bere­ich durch eine völ­lige Abwe­sen­heit von Farbton und Sät­ti­gung aus, sodass schon eine großzügige Def­i­n­i­tion von Weiß her­müsste, um eine Aufteilung in siebzehn unter­schei­d­bare, indi­vidu­ell benennbare Teil­bere­iche hinzubekom­men. Natür­lich kann man beliebig viele Wörter erfind­en — mit ein­er kurzen Google­suche habe ich 88 zusam­menge­set­ze Wörter mit Weiß gefun­den, und es lassen sich sich­er weit­ere tat­säch­lich ver­wen­dete Wörter auftreiben:

Abdeck­weiß, Albi­noweiß, Altweiß, Alu­mini­umweiß, Atlasweiß, Bary­tweiß, Birken­weiß, Blei­weiß, Blinkweiß, Blitzweiß, Blüten­weiß, Bril­lantweiß, Chi­ne­sis­chweiß, Clown­weiß, Cre­meweiß, Deck­weiß, Dia­mantweiß, Druck­weiß, Edel­weiß, Eier­schalen­weiß, Eis­bär­weiß, Eisweiß, Eiweiß, Elfen­bein­weiß, Elfen­weiß, Email­weiß, Ewig­weiß, Fed­er­weiß, Flach­sweiß, Geis­ter­weiß, Gip­sweiß, Griechis­chweiß, Hefeweiß, Kalk­weiß, Keramik­weiß, Kokain­weiß, Krei­deweiß, Käseweiß, Lasur­weiß, Led­weiß, Leichen­weiß, Licht­bo­gen­weiß, Lichtweiß, Mag­no­lie, Mag­no­lien­weiß, Maler­weiß, Mar­gariten­weiß, Mar­mor­weiß, Mehlweiß, Natur­weiss, Nava­joweiß, Nelken­weiß, Neon­weiß, Olympiaweiß, Papier­weiß, Perga­men­tweiß, Perl­mut­tweiß, Perl­weiß, Per­ma­nen­tweiß, Per­sil­weiß, Plat­in­weiß, Polar­weiß, Porzel­lan­weiß, Pud­er­weiß, Rein­weiß, Ring­weiß, Rutil­weiß, Sah­neweiß, Schiefer­weiß, Schlo­hweiß, Schneeweiß, Schwa­nen­weiß, Sig­nal­weiß, Sil­ber­weiß, Sojaweiß, Spargel­weiß, Stein­weiß, Tal­gweiß, Titan­weiß, Topasweiß, Vanilleweiß, Verkehr­sweiß, Wach­sweiß, Woll­weiß, Zah­n­weiß, Zartweiß, Zinkweiß, Zin­nweiß

Allerd­ings kann ich mir kaum vorstellen, dass irgend­je­mand diese Wörter — oder auch nur einen Teil von ihnen — sys­tem­a­tisch für bes­timmte Schat­tierun­gen von Weiß ver­wen­den kann (Achtun: das ist eine Idee für eine Saal­wette bei Wet­ten, dass?).

Zweit­ens, und hier wird es sprach­wis­senschaftlich inter­es­sant, zeich­nen sich Farb­wörter in den Sprachen der Welt dadurch aus, dass ihre Aus­d­if­feren­zierung bes­timmten Geset­zmäßigkeit­en fol­gt, und die Aus­d­if­feren­zierung des Bere­ichs, den wir Weiß nen­nen, spielt dabei schlicht keine Rolle.

Die ein­fach­ste Unter­schei­dung, die eine Sprache machen kann, ist die zwis­chen hellen und dun­klen Far­ben. Solche Sprachen haben dann zwei Wörter, die wir als schwarz und weiß oder hell und dunkel über­set­zen kön­nten, die sich aber tat­säch­lich auf kon­ven­tionell fest­gelegte Bere­iche des Farb­spek­trums beziehen, für die wir schlicht keine Wörter haben: Das Wort für „dunkel“ schließt nor­maler­weise die Farb­bere­iche Schwarz, Blau und Grün ein, das Wort für „hell“ die Farb­bere­iche Gelb, Rot und Weiß.

Hat eine Sprache drei Farb­wörter, so ist das dritte immer eine Beze­ich­nung für den Farb­bere­ich, den wir Rot/Orange nen­nen, häu­fig umfasst das Wort auch den gel­ben Bereich.

Hat eine Sprache vier Farb­wörter, so ist das vierte typ­is­cher­weise ein Wort für den kom­binierten Far­braum aller Blau- und Grün­töne, manch­mal ist auch der Bere­ich der Gelbtöne dabei.

Bei fünf Farb­wörtern kommt entwed­er ein eigenes Wort für Gelb hinzu, oder Blau und Grün erhal­ten jew­eils eigene Wörter; und bei sechs Wörtern haben Schwarz und Weiß, Blau, Gelb, Rot und Grün jew­eils ein eigenes Wort. Danach kommt häu­fig ein Wort für Braun hinzu, und dann Wörter für Orange, Rosa, Vio­lett und Grau, wobei die Rei­hen­folge vari­ieren kann.

Danach kann es passieren, dass eine Sprache feinere Unter­schei­dun­gen inner­halb eines dieser Farb­bere­iche trifft. So hat das Rus­sis­che zwei Wörter für den Bere­ich, den wir Blau nen­nen: sin­ji (≈ „Dunkel­blau“) und gol­uboj (≈ „Hell­blau“). Diese Wörter haben keinen gemein­samen Ober­be­griff: für Sprecher/innen des Rus­sis­chen ist es tat­säch­lich genau­so erstaunlich, dass wir nur ein Wort für diese bei­den Far­bräume haben, wie es für uns unver­ständlich ist, dass die Japan­er alle Blau- und Grün­töne unter dem Begriff ao (あお) zusam­men­fassen (auf die Farb­wahrnehmung hat das allerd­ings keinen nen­nenswerten Ein­fluss, aber das ist ein The­ma für einen anderen Tag). Aber Sprech­er des Rus­sis­chen leis­ten sich diese Aus­d­if­feren­zierung nur deshalb, weil der gesamte übrige Far­braum bere­its dif­feren­ziert aufgeteilt und benan­nt ist. Es würde sehr erstaunen, eine Sprache zu find­en, die zwei ver­schiedene Wörter für Blau, aber keine für Rot, Gelb, oder Grün hat.

Wo liegen die Eski­mos auf dieser Skala der Aus­d­if­feren­zierung? Wie gesagt, es kommt auf die spez­i­fis­che Sprache an, aber grob lässt sich sagen, dass alle Eski­mo-Aleut-Sprachen Wörter für Schwarz (qir­ni­taq), Weiß (qaulluq­tuq), und Rot (aupaluk­tuq) haben. Dabei gibt es natür­lich ver­schiedene Wörter in den ver­schiede­nen Dialek­ten und Sprachen, aber ins­ge­samt hat jede Sprache nur eins pro Farbe.

Wenn über­haupt. Denn tat­säch­lich bedeutet qaulluq­tuq zumin­d­est in eini­gen Vari­etäten des Inuk­ti­tut nicht nur „Weiß“ son­dern auch „klar“, „ungetrübt“, „durch­sichtig“ und „sauber“. Man kön­nte also argu­men­tieren, dass die Eski­mo­sprachen nicht nur keine siebzehn Wörter, son­dern eigentlich über­haupt kein richtiges Wort für Weiß haben.

Jen­seits der Farbe Rot dif­feren­zieren übri­gens einige Eski­mo-Aleut-Sprachen zwis­chen Blau und Grün, während andere nur ein Wort für den gesamten blau­grü­nen Far­braum haben. Im Diakelt von North Baf­fin zum Beispiel bedeutet tun­gu­juq­tuq „Grün/Blau“, während die ver­wandten Wörter auf Labrador (tun­gu­jut­tak), in West- und Ost­grön­land (tun­gu­jur­tuq) nur noch „Blau“ bedeuten und der grüne Farb­bere­ich eigene Wörter hat (näm­lich respek­tive ivi­u­jak, qur­suk und qur­suq). Auch für Gelb (Inuk­ti­tut: quq­suq­tuq, West­grön­ländisch: sun­gaar­toq) und Braun (Inuk­ti­tut: kajuq, West­grön­ländisch: kajor­toq) find­en sich Wörter.

Inter­es­san­ter­weise ist der rote Farb­bere­ich in eini­gen Sprachen recht gut aus­d­if­feren­ziert, wen­ngle­ich hier alle Wörter miteinan­der ver­wandt sind: in den ver­schiede­nen Inuk­ti­tut­sprachen gibt es Wörter wie aupalaan­ga­juq („rötlich“, „orange“), aupa­jaar­tuq („rötlich“, „rosa“), aupal­larit­tuq („hell­rot“) und aupil­lat­tuq („rot­braun“) (die Wörter kön­nten alle mit auk („Blut“) ver­wandt sein, aber sich­er bin ich mir nicht).

Aber ein der­ar­tig aus­geze­ich­netes Gespür für Rot passt irgend­wie nicht zu den Eski­mos, die den ganzen Tag nichts Besseres zu tun haben als im Schnee herumzusitzen und über die neuesten, weiß in weiß gehal­te­nen Innenein­rich­tungsideen für Iglus zu reden.

 

Desy (2000) Kun­ter­bunte Bun­tkunde [Link]

KAY, Paul und Luisa MAFFI. 1999. Col­or appear­ance and the emer­gence and evo­lu­tion of basic col­or lex­i­cons. Amer­i­can Anthro­pol­o­gist 101: 743–760.

Nunavut (2000–2010) Inuk­ti­tut Liv­ing Dic­tio­nary [Link]

SCHNEIDER, Lucien (1985) Ulir­naisiguti­it: an Inuk­ti­tut-Eng­lish dic­tio­nary of North­ern Que­bec, Labrador, and East­ern Arc­tic dialects (with an Eng­lish-Inuk­ti­tut index). Uni­ver­sité Laval [Google Books (Vorschau)].

[Dieser Beitrag erschien ursprünglich im alten Sprachlog auf den SciLogs. Die hier erschienene Ver­sion enthält möglicher­weise Kor­rek­turen und Aktu­al­isierun­gen. Auch die Kom­mentare wur­den möglicher­weise nicht voll­ständig übernommen.]

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Über Anatol Stefanowitsch

Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich derzeit mit diskriminierender Sprache, Sprachpolitik und dem politischen Gebrauch und Missbrauch von Sprache. Sein aktuelles Buch „Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen“ ist 2018 im Dudenverlag erschienen.

15 Gedanken zu „Ein Traum in Weiß

  1. schön
    Auf­schlussre­ich­er Artikel, und auch danke für den Link zum XKCD-Sur­vey, der ja noch mit ganz anderen Mythen aufräumt, bzw. sie bestätigt…

  2. wakarazu

    Danke für die Infos
    Inter­es­san­ter Artikel, habe mich mit Farbfra­gen noch nie groß beschäftigt.
    Zum Japanis­chen ließe sich noch anmerken, daß das typ­is­che helle Grün von Gras oder Pflanzen all­ge­mein midori (緑) genan­nt wird und nicht unter ao fällt (welch­es damit eben nicht alle Grün­töne abdeckt). Ein ganz kurz­er Googletest hat auch keine offen­sichtlichen Tre­f­fer für beispiel­sweise “草の青” (kusa no ao; Grün des Gras­es) ergeben, beim Kom­posi­tum “草青” lan­det man nur auf chi­ne­sis­chen Seiten.

  3. Guido Lenz

    The­ma für einen anderen Tag
    Hach, beim “The­ma für einen anderen Tag” habe ich kurz ges­tutzt — ich habe jet­zt nicht genauer geschaut, aber ist das eine ur-deutsche Redewendung?
    Mir kommt im Deutschen eher “das ist eine andere Geschichte” in den Sinn, zum Beispiel von Bem­mann (Stein und Flöte und das ist noch nicht alles).
    Ich habe nix gegen den anderen Tag, er kommt mir nur in dieser Redewen­dung hol­prig vor. Im Sprachdeutsch habe ich das, WIMRE, noch nie gehört, im Schrift­deutsch auch nicht bewusst gele­sen (Google find­et es meist in über­set­zen Zitat­en englischer/amerikanischer Personen).
    Gibt es dazu Unter­suchun­gen oder (Gegen-)Meinungen?
    Guido

  4. Heiko

    Im Japanis­chen
    Zu wakarazu: Für “gras­far­ben” gibt es noch ein eigenes Wort, näm­lich 草色 (kusairo: gras-farbe).
    In der japanis­chen Wikipedia gibt es je einen Artikel für “grün” und “blau”, die auch dif­feren­ziert wer­den ( http://ja.wikipedia.org/wiki/%E7%B7%91 sowie http://ja.wikipedia.org/wiki/%E9%9D%92 ).
    Es ste­ht allerd­ings dabei, dass “ao”(blau) teil­weise auch für grüne Bere­iche benutzt wird, soweit ich das verstehe.
    Inter­es­sant fand ich es in Japan, dass auf eine grüne Ampel immer mit “あお!” (blau!) hingewiesen wurde. Ange­blich soll das Licht der Ampel in Japan etwas mehr blau sein als hierzu­lande, das ist mir aber nicht aufgefallen.

  5. Michael Khan

    @wakarazu

    beim Kom­posi­tum “草青” lan­det man nur auf chi­ne­sis­chen Seiten.

    Das richtige Kom­posi­tum ist auch ander­sherum: “aokusa”. Dies ist ein gebräuch­lich­er und auch in Woert­er­büch­ern enthal­tener Begriff und bedeutet “grünes Gras”.
    Z.B. Sanseido:
    http://dictionary.goo.ne.jp/9D%92%E8%8D%89/m1u/
    Dies wider­spricht Ihrer Annahme, nur “midori” bezoege sich auf das Grün von Pflanzen.
    Wie es dazu kommt, dass “aokusa” grünes Gras beze­ich­net, “aoshin­gou” das grüne Ampel­licht, “aozo­ra” dage­gen den blauen Him­mel, ist mir allerd­ings auch nicht einsichtig.

  6. Rushputin

    Naja, ich denke für diese Ver­wen­dung gibt es vor allem zwei Möglichkeiten:
    1. Herr Ste­fanow­itsch hat sich die Redewen­dung qua­si sel­ber aus­gedacht, weil es schlüs­sig und nahe­liegend ist.
    2. Er hat tat­säch­lich bewusst oder unbe­wusst die englis­che Phrase eingedeutscht, vielle­icht weil er in der Forschung viel mit englis­chsprachiger Lit­er­atur in Berührung kommt und weil deutsche Wis­senschaftler wiederum Texte in bei­den Sprachen ver­fassen und ohne es zwin­gend zu merken Wen­dun­gen zwis­chen den bei­den hin- und her“tauschen”.
    Ich tippe zwar auf die 2, aber das ist ja auch gar nicht schlimm. Ohne jet­zt Quel­lenangaben geben zu kön­nen würde ich mal sagen dass ein gewaltiger Teil der deutschen Sprich­wörter, Aus­rufe und Phrasen durch kul­turellen Aus­tausch und Sprachkon­takt zus­tande gekom­men ist. Von All­t­agswörtern wie dem eingedeutscht­en “adieu” als z.B. “ade” bis zum Ein­fluss des Jid­dis­chen auf Region­al- und Hochsprache hat man seit jeher auch Begriffe und Floskeln über­nom­men die weitaus tiefer in den gemeinen Sprach­schatz ein­drin­gen als die von Ihnen “bean­standete” Redewendung.
    Inter­es­sant finde ich aber, wie leicht den Men­schen solche über­set­zten Phrasen erken­nen, ich denke wer gut genug im Englis­chen zurechtkommt um so etwas spon­tan her­auszule­sen wird auch irgend­wann mal unbe­wusst Inter­feren­zen von den Fremd­sprache zu spüren bekommen.

  7. wakarazu

    @Heiko, Michael Khan
    Danke für die Hin­weise, da bin ich wohl falsch gele­gen. Man kann meinen Hin­weis dann zumin­d­est noch als Erfahrungs­bericht ver­ste­hen, mir kam ao bei Pflanzen noch nie unter, obwohl ich schon länger in Japan gelebt habe — das mag aber nur Zufall sein. Anscheinend ist es ja so, daß mit ao ein Über­be­griff vor­liegt und midori eine bes­timme Teil­menge davon bezeichnet.
    Allerd­ings: Ich hab die ver­link­ten Wiki-Artikel kurz über­flo­gen, ger­ade bei midori ist der Para­graph 緑をさす「青」 inter­es­sant. Dem­nach ist ao bei Grünzeug eine altertüm­liche Aus­druck­sweise. Kom­posi­ta wie aokusa und ähn­liche kön­nten Relik­te davon sein und müssen nicht zwangsläu­fig darauf hin­weisen, daß man ao generell bei Pflanzen ver­wen­den kann.
    Auch die Bilder am Rand kann man als Hin­weis nehmen, bei ao ist kein einziges dabei, daß man im deutschen Sinne als “grün” beze­ich­nen würde.
    Ich stelle das hier übri­gens zur Dis­po­si­tion, ich will damit nicht stur Recht behalten.
    P.S.: Ich emp­fand die Ampeln in Japan tat­säch­lich immer als rel­a­tiv blau.

  8. Patrick Schulz

    @Guido Lenz
    Ich würde ja behaupten, “The­ma für einen anderen Tag” ist wörtlich gemeint, nicht als Sprich­wort. Zu dem The­ma wird A.S. an einem anderen Tag was zu schreiben, nicht heute… Sprache beste­ht zwar zu einem großen Teil aus Meta­phern, aber nicht ausschliesslich…

  9. Heiko

    @wakarazu
    Ja, das macht mein­er Ansicht nach dur­chaus Sinn. Ich habe näm­lich auch gele­sen, dass das “grün” midori[緑] früher zuerst als eine bes­timmte Vari­ante von “blau” ao[青] ange­se­hen wurde. Gut möglich natür­lich, dass Kom­posi­ta wie 青草 (grünes Gras) oder 青野菜 (grünes Gemüse) dann aus solch früher­er Zeit stammen.
    Eben­falls ist es vielle­icht vorstell­bar, dass eine zunehmende “Anpas­sung” an west­liche Kon­ven­tio­nen auch bei den Far­ben eine Rolle gespielt hat, und somit bei der Dif­feren­zierung von “grün” von “blau” (man bedenke beispiel­sweise auch die Farb-Codes am Com­put­er, etc). Das ist aber bloß Spekulation.
    Inter­es­sant übri­gens, dass Ihnen die Ampeln in Japan “blauer” vorka­men. Mir ist über­haupt kein Unter­schied zu deutschen Ampeln aufgefallen. :
    http://bit.ly/9UwSl0
    http://bit.ly/aFc1VW

  10. DrNI@AM

    Uni­verselle Far­ben oder nicht?
    »As observed in the World Col­or Sur­vey (WCS), indeed, any two
    groups of indi­vid­u­als devel­op quite dif­fer­ent categorization
    pat­terns, but some uni­ver­sal prop­er­ties can be iden­ti­fied by a
    sta­tis­ti­cal analy­sis over a large num­ber of populations.«
    Das alles und noch viel mehr ste­ht hier:
    http://www.eva.mpg.de/…r%20naming%20patterns.pdf

  11. Nika

    Farb­wörter
    Vor eini­gen Jahren habe ich gele­sen, dass die Umge­bung, in der man lebt, den Far­bgeschmack bee­in­flusst. Ich dachte, dass es am Wet­ter liegt (Auf Hawaii trägt man beispiel­sweise sehr far­ben­fro­he Klei­dung), aber Großbri­tan­nien bestätigt diese The­o­rie nicht: das Wet­ter ist oft grau und reg­ner­isch, jedoch tra­gen die Briten auch helle und bunte Klei­dung. In Deutsch­land hinge­gen, tendiert man eher zu dezen­ten und dun­kleren Natur­far­ben. Die Slowakei ist ein Mix von allem. Im Win­ter kann es sehr kalt wer­den (bis zu minus 15 Grad) und im Som­mer sehr heiß (bis zu 40 Grad). Man kann auch nicht ein­deutig sagen, ob man dort dun­kle, helle oder bunte Klei­der trägt. Dieser Beitrag soll nicht von Mode handeln.
    Nach­dem ich den Beitrag „Ein Traum im Weiß“ gele­sen habe, wurde ich neugierig und wollte her­aus­find­en, wie das in mein­er Mut­ter­sprache ist. Ich “blät­terte” also im slowakischen Onlinewörter­buch und zählte die Wörter für die Farbe Weiß. Ver­mut­lich bein­hal­tet dieses Wörter­buch nicht alle Wörter, jedoch kann man es als Anhalt­spunkt ver­wen­den. Zufäl­liger­weise wählte ich zuerst die Far­ben der slowakischen Flagge: Weiß (32), Rot (19) und Blau (26). Außer­dem hat­ten Far­ben wie Grün (26) und Gelb (28) rel­a­tiv viele Beze­ich­nun­gen. Im Gegen­satz dazu gab es für Far­ben wie Orange, Magen­ta und Lila nur drei Tre­f­fer. Mir ist aber aufge­fall­en, dass Inter­es­san­ter­weise klingt in der slowakischen Sprache der Begriff Orange (Obst) anders als Orange (Farbe), wobei der Aus­druck für die Farbe Orange dem englis­chen Wort sehr ähnelt. 

  12. Peter Perrey

    Farb­träume
    Wenn ich mich meines Schüler­tuschkas­tens oder mein­er Farb­s­tifte erin­nere, weiß ich, schon früh gel­ernt zu haben, dass es ein ein­fach­es Rot oder Blau, Grün oder Gelb auch in unserem Kul­turkreis nicht gibt. Die gängi­gen Schat­tierun­gen wer­den heutzu­tage noch durch die Erfind­un­gen der Kreativ- und Wer­bein­dus­trie ergänzt, die beispiel­sweise jedem neuen Auto­mod­ell eine Palette neuer, eigen­er Far­b­vari­anten zuschreiben. Aber auch unsere deutschen Dialek­te ken­nen ihre far­blichen Beson­der­heit­en: Um beim The­ma Weiß zu bleiben — “Rus­sis­chweiß” war einst eine ost­preußis­che Vok­a­bel. Gemeint war damit ein schmutziges Weiß und der Ter­mi­nus belegt, dass sich selb­st in mit­teleu­ropäis­chen Augen ver­schiedene Arten des Weißen unter­schei­den lassen.

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