Als ich anfing Englisch zu lernen, fand ich es seltsam, einen Pokal cup zu nennen, wo das doch ‘Tasse’ heißt. Mir war schon klar, dass ein Wort in einer Fremdsprache Zusatzbedeutungen haben kann, die es im Deutschen nicht hat, aber das schien mir doch weit hergeholt. World Cup, die Welttasse?
Mittlerweile weiß ich natürlich, dass cup Gefäße ganz verschiedener Art bezeichnen kann, neben Tassen, Bechern, Kelchen, Näpfen und Schalen eben auch Pokale und per (metonymischer) Übertragung auch gleich das ganze Ereignis, bei dem der Pokal errungen und überreicht wird.
Was ich aber noch nicht so lange weiß: Dass das Wort cup einen Verwandten im Deutschen hat – den Kopf. Und das kommt so …
Von cuppa zu Kopf
Beide Wörter (cup und Kopf) stammen wohl letztlich vom lateinischen cūpa, cuppa ‘Becher’. Es kam spätetens im 8. Jahrhundert ins Deutsche (vorher haben wir ja leider keine schriftlichen Quellen, es könnte also schon eine Weile dagewesen sein), und da war grade die Hölle los. Also, die Zweite Lautverschiebung. Von ihren Wirren wurde das Wort auch prompt mitgerissen, das pp wurde zum pf und entsprechend sind die althochdeutschen Formen kupf und kopf belegt.
Parallele Entlehnungen gibt es laut Kluges Etymologischem Wörterbuch auch in anderen germanischen Sprachen: altenglisch cuppe ‘Becher’ und altnordisch koppr ‘Geschirr in Becherform, kleines Schiff’.
Becher vs. Haupt
Die Bedeutung des deutschen Lehnworts war natürlich auch erst einmal ‘Becher’. Man hatte ja ein gutes indogermanisches Wort für den Kopf, houbit ‘Haupt’ (übrigens verwandt mit dem lat. caput).
Aber dann wurde man phantasievoll und benutzte in “expressiven Kontexten”, also vor allem beim Schimpfen, das Becher-Wort. Ganz ähnlich wie man heute von Birne sprechen und den Kopf meinen kann. Kluge meint, man habe z.B. gedroht, jemanden den ‘Becher’ einzuschlagen.
Dadurch gab es jetzt zwei mögliche Benennungen für den Kopf: einmal den gröberen Kopf und einmal das vornehmere Haupt. Der Bedeutungsunterschied hat sich heute so verschoben, dass Kopf das normale Wort ist, während Haupt sehr gehoben (sie betten ihre Häupter) oder abstrakt ist (Hauptsache).
(Dass die Verbindung von Kopf und Gefäß uns nicht so fern liegt, zeigen übrigens auch Bildungen wie Hirnschale.)
Ein neuer Becher für das Deutsche
Und was war mit der Becherbedeutung von Kopf? Sie bekam ihr eigenes Wort. Seit dem 11. Jahrhundert ist nämlich behhari im Deutschen belegt (und ich denke es war schon etwas früher da). Auch eine lateinische Entlehnung, das Quellwort ist bicarium/bacarium ‘Weingefäß, Wassergefäß, Becher’. (Ihr seht also, auch hier zweite Lautverschiebung, diesmal von k zu ch.) Ob das neue Wort entlehnt wurde, weil man die Becherlücke stopfen wollte, oder ob ‘Becher’ sich vom Kopf überhaupt nur zurückgezogen hat, weil es eine Alternative hatte, lässt sich heute natürlich nicht mehr entscheiden.
Und der Pokal?
Den haben wir seit dem 16. Jahrhundert. Diesmal nicht aus dem Lateinischen, sondern aus dem Italienischen, und zwar von boccale ‘Krug, Becher’. Wie es von dieser Bedeutung zum Pokal als Siegestrophäe kam, kann man sich übrigens ganz exzellent vorstellen, wenn man diesen Wikipediaartikel liest:
[…] Trinkbecher mit Fuß aus Holz, Glas, Ton, Metall u. dgl., der schon im Mittelalter im Gebrauch war.
In Form und Aufbau dem Kelch verwandt, wurde der Pokal allmählich zum Prunk- und Schaugefäß und als solches im 15. und 16. Jahrh. aus Gold oder vergoldetem Silber gefertigt, mit reichem Schmuck in Relief und frei stehenden Figuren, in Emaille, Edelsteinen und Perlen versehen.
Sehr geehrte Frau Kristin,
interessant ist hier vielleicht auch das Niederländische.
Das Wort “kop (m)” ist dort immer noch das derbere für Kopf; der Kopf heißt gewöhnlich “hoofd (s)” (= Haupt). “kop” ist dann vornehmlich — aber nicht nur — in Schimpfwörtern (“dikkop”, “dwarskop”) zu finden. “kop” ist auch eine Tasse. Ein Kaffee läßt sich gar nur als “kopje koffie” bestellen.
Die “kuip (f)” (= cuppa; badkuip = Badewanne), in der Feyenoord um den “beker (m)” (=Pokal = bicarium = Becher) gegen AJAX Amsterdam spielt, bezeichnet das Stadion des Rotterdamer Fußballvereins. Auch könnte “bak (m)” (kattenbak = Katzenklo) mit beker zu tun haben.
Verbleibe
mfG
Ihr
pacioli