Kürzlich bin ich auf einer englischen Internetseite auf das Wort ubër gestoßen und habe danach festgestellt, dass die Schreibung im Internet nicht gerade selten ist.1 Da gibt es das Ubër high mileage MPV, den ubër ubër cheap stuff, die Ubër Bingo Oscars, die ubër-corporation Google und sogar Ubër uns in der deutschen Version einer tschechischen Seite. (Weitere ubërs in deutschen Texten …)
Unser deutsches über- hat (ausgehend vom Übermenschen) vor allem im Englischen Karriere gemacht. Da kann es mit einer intensivierenden Funktion zur Wortbildung benutzt werden, schreibt sich dann i.d.R. <uber> und spricht sich auch mit u. Dass das ein vorwiegend umgangssprachliches Phänomen ist, zeigt das Urban Dictionary, ich nenne hier mal uberfast ‘superschnell’ und ubergeek ‘Superfreak, extremer Freak’.
Dass das Element normalerweise mit <u> geschrieben wird, liegt natürlich daran, dass es im Englischen (und in haufenweise anderen Sprachen) kein <ü> gibt – weder als Laut, noch als Buchstabe. Will man doch etymologisch korrekt schreiben und die Punkte setzen, muss man erstmal in den Sonderzeichen herumwühlen. Dass diese Schreibung aber gar keine Auswirkung auf die Aussprache hat, zeigt <ubër>: Jemand will es ganz richtig machen, spricht aber beide Vokale so aus, als hätten sie gar keine Punkte und weiß entsprechend nicht mehr, auf welchen der beiden Vokale die Punkte in der Ursprungssprache gesetzt werden. Sie sind bedeutungslose Verzierung.
Da das uber-Element schon zu großen Teilen in die englische Wortbildung integriert ist, ist eine angepasste Aussprache und Schreibung wie <uber> auch absolut zu erwarten.
Was mir aber immer wieder auffällt, ist, dass Buchstaben mit Diakritika (also irgendwelchen Häkchen, Pünktchen, Akzenten, …) auch beim Erlernen einer Fremdsprache oder beim Lesen von Namen meist völlig ungehemmt so ausgesprochen werden, wie der zu erkennende Grundbuchstabe.
Das erscheint mir kurios, denn eigentlich sollte uns das Zeichen ja sagen, dass dieser Buchstabe eben anders ausgesprochen wird als ohne das Zeichen. Die Lautung des “Grundbuchstaben” ist ja definitiv nicht gemeint, soviel steht fest. Trotzdem scheint es da einen enorm aktiven kognitiven Prozess zu geben, der die nervigen kleinen Striche und Punkte einfach ausradiert.
Klar ist das erstmal eine Strategie, das Wort doch noch auszusprechen, aber was ich daran eben so krass finde, ist die Tatsache, dass die wenigsten Menschen an solchen Stellen auch nur zögern. Es ist, als seien die Diakritika gar nicht da. Bei mir übrigens auch oft.
Fußnote:
1 Natürlich habe ich prompt den Link verloren … was tun? Die Google-Hilfe lesen half tatsächlich: Man kann auch suchen, ohne das die Pünktchen von der Suchmaschine hingerichtet werden – wenn man ein + vor das Suchwort setzt, wird es wirklich genau so gesucht wie geschrieben.
Ein Schwebeumlaut!
In vielen Sprachen sind Doppelpunkte auf dem Buchstaben doch einfach nur Trema und kennzeichnen, daß der Buchstabe in einer normalerweise „stummen“ Position gesprochen wird – ohne Unterschied zur normalen Aussprache.
Und daher könnte diese Tendenz im Englischen auch stammen: Spanisch als Sprache, die Trema nutzt, ist ja immerhin die häufigste erste Fremdsprache in Amerika.
Hmja, stimmt, das Trema ist ja sehr wohl ein Fall, in dem der Buchstabe normal gesprochen wird, obwohl man ihn anders schreibt. Aber natürlich wäre seine Verwendung hier “sinnlos”, weil ja kein Hiatus zu vermeiden ist.
Oder die Erklärung ist eine ganz und gar triviale: Umlaute wirken offenbar besonders für Sprecher von Sprachen, die keine üäös haben, total sexy. Der Schreiber ist sich zwar des “fremden” Charakter des Präfixes bewusst, und dass da, äh, irgendwo mal Pünktchen waren. Aber wohin die nun gehören?
Hat sogar einen Namen!
http://en.wikipedia.org/wiki/Metal_umlaut
(oder: röck döts)