Auf der Germanistik-Homepage der Uni Hamburg habe ich folgenden Hinweis gefunden:
z.Zt. erkrankt? Irgendwie kam’s mir komisch vor …
… und ich weiß auch, warum. Es hat mit der sogenannten “Aktionsart” von erkranken zu tun.
Man kann Verben nach ihrer Bedeutung in zwei Gruppen teilen: Gruppe 1 besteht aus Verben, die einen Zustand oder gleichbleibenden Vorgang bezeichnen. Man nennt sie auch “atelisch” (‘ohne Ziel’). Dazu gehören Verben wie schlafen, essen oder blühen. Sie erstrecken sich über einen längeren Zeitraum und man betrachtet die Handlung im Verlauf.
Gruppe 2 besteht aus Verben, bei denen Anfang oder Ende der Handlung im Verb steckt (“telisch”). Dazu gehören z.B. einschlafen (der Beginn des Schlafens wird betont) und aufessen (essen bis nichts mehr da ist – also das Ende des Essens). Hier kann man u.a. unterscheiden, ob nun der Anfang (“inchoativ”, z.B. erblühen) oder das Ende im Verb stecken (“resultativ”, z.B. verblühen).
So, jetzt wird’s wackelig, denn ich bin in diesem semantischen Geschichten nicht so firm, wie ich’s gerne wäre. Hier meine Erklärung, woher mein Unbehagen bei z.Zt. erkrankt stammt:
z.Zt. bezeichnet einen länger andauernden Zustand, über dessen Anfang und Ende wir nichts wissen. erkranken ist aber ein telisches Verb, betont den Beginn der Krankheit und beschreibt ein Geschehen, das meist nur von kurzer Dauer ist.
Wenn man es jetzt, wie hier, im Partizip benutzt, also Sie ist erkrankt, drückt man aus, dass der Vorgang des Erkrankens abgeschlossen ist und man wird ganz schnell schließen, dass die Mitarbeiterin als Resultat daraus nun krank ist, also absolut das, was uns mitgeteilt werden soll. Trotzdem hängt noch der Krankheitsbeginn mit drin und stört bei der Kombination mit Zuständen – man versucht ihn zu berücksichtigen, denn irgendwie scheint er ja wichtig zu sein, wenn genau diese Form gewählt wurde. Der lange Zustand, der in z.Zt. steckt, und der kurze Zustandswechsel in erkrankt beißen sich.
Das beißt sich nicht. Wenn “erkranken” inchoativ ist, dann kann es auch ein Resultat dieses ‘anfangen, krank zu sein’ eintreten, dann haben wir ein resultatives Perfekt das besagt, ‘er ist krank geworden (und ist es immer noch)’.
Theoretisch ja (steht ja auch so am Anfang des letzten Absatzes) — aber praktisch taucht in meinem Kopf eine Fehlermeldung auf, wenn ich versuche, das zu verarbeiten … ich hab’s auch an einigen anderen Leuten getestet, die es komisch fanden.
Findest Du es völlig akzeptabel?
(Es spricht ja einiges dafür, dass es für Teile der Sprechergemeinschaft akzeptabel ist, jemand hat es ja auch so auf die Internetseite geschrieben und fand es normal.)
Ja. Ich finde das 100% akzeptabel. Aber ich heiße ja auch nicht Wolf Schneider oder Bastian Sick. 😉
Aber ich, oder wie?
Zu Tode gekränkt: K 😉
Über Dich hatte ich da garnix gesagt. Ich läster nur so gerne über unsere Sprachbesserwisser.
Ich finde es völlig akzeptabel (wenn das deiner Mini-Umfrage zuträglich ist). Wenn ich sage “z.Zt. krank” ist das salopper als “z.Zt. erkrankt”.
Eine Übung für alle, die ab und zu schreiben: aus einem Text radikal Schnörkel wegstreichen, die man im Deutschen des Ernstes, der Wissenschaft, des Eindrucks wegen hinbläht und nur sagen, was ist. Keine Silbe mehr. Jedem sei sein Empfinden gegönnt, doch krank ist nicht salopp, nur schnörkellos.
Zum Glück ist Sprache nicht nur schnörkellos.
Gewiss. Aber damit Schnörkel Spaß machen, muss man sie bewusst einsetzen.
Hm. Also mit “salopp” hat das m.M.n. nichts zu tun.
“Er ist krank.” klingt für mich (ohne Kontext) eher nach einer allgemeinen Aussage, quasi ‘chronisch krank’ oder ‑je nach Tonfall- auch nach ’nicht ganz richtig im Kopf’.
“Er ist erkrankt.” hingegen klingt da eher nach einer vorübergehenden Angelegenheit.
Mag nur mein eigenes Sprachgefühl sein, aber “krank” bin ich relativ temporär, “erkrankt” bin ich möglicherweise ohne absehbare Gesundung. In diesem Sinne würde ich dir widersprechen. “Erkrankt” würde so für eine Interpretation sprechen, dass die Person gerade ‘am erkranken’ ist und wir wissen nicht, ob der Erkrankungsprozess schon abgeschlossen ist.
Ich finde beides akzeptabel, aber “krank” richtig(er). Bei “erkrankt” könnte man ja theoretisch schon wieder gesund sein 😉
PS: Müsste es nicht “…in diesen semantischen Geschichten…” heißen?
Ich finde es auch völlig akzeptabel. Ebenso andere, ähnliche Konstruktionen: die Produktion ist derzeit eingeschlafen, wir sind momentan ein bißchen ins Straucheln gekommen, die Begeisterung hat sich zur Zeit etwas gelegt.
(Linda findet das alles übrigens auch irgendwie fragwürdig. Wenn es irgendetwas regionales ist, würde ich dann wohl ein Nord-Süd-Gefälle vermuten.)
Ich kann auch damit leben.
was für ein interessanter gedanke!!! lustig finde ich, dass ich am anfang 100% auf deiner seite war, und die ganze zeit beim lesen dachte “auf jeden fall, mit ERkrankt assoziiere ich auch nur das anfangsstadium einer krankheit, das irgendwann abgeschlossen ist und in den zustand des ‘eigentlichen’ krankseins übergeht”. aber dann hab ich den kommentar von suz gelesen und muss zugeben, dass dieser aspekt für mich auch noch dabei ist — bei “krank” denke ich an erkältung, magen-darm-sache etc., eben etwas, das wenig gefährlich ist und in absehbarer zeit wieder weg ist. “erkrankt” klingt eher, als ob man nicht genau weiß, wann das wieder vorbei ist, wie schwer die folgen sein werden, was es überhaupt ist etc. hab also leider keine schlussfolgerung (wie auch?), unterstütze aber kristin auf jeden fall… 🙂
Ich mag ja die Spitzfindigkeiten der Linguistik, aber ich finde das ein klein bisschen *zu* spitzfindig. Ich finde diese Form völlig akzeptabel und es klingt besser als wenn da stünde “z. Zt. krank” oder etwas ähnliches.
Soweit meine unerheblichen EUR 0,02 dazu.
Ich finde “erkrankt” in diesem Zusammenhang auch überhaupt nicht merkwürdig. Wie einige andere Kommentatoren sehe ich den Unterschied zu “krank” im wesentlichen im Register.
Am Rande bemerkt: Aus irgendeinem Grund (der vermutlich nichts Gutes über mich aussagt) hat mich die Formulierung “z. Zt. erkrankt” übrigens an eine ähnliche Formulierung erinnert, die einem beim Lesen von Blogs zum Thema amerikanische Superhelden-Comics häufiger begegnet, nämlich: “zur Zeit tot” bzw. “currently dead” (siehe z.B. diese Liste). Da ich mich inzwischen semantisch sogar daran schon gewöhnt habe, kann mich “zur Zeit erkrankt” natürlich gar nicht schocken.
Höflichkeit geht vor Semantik, in diesem Fall, meiner Meinung nach. Völlig in Ordnung so.